Schleswîg-IZolşieînîschs Landsszsîtung
123. Jahrgang.
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IgîmerZlM. hm 8. Myenàr
Rendsburg im lokalen Teil der Dienstags
ausgabe verdient zweimal gelesen zu werden.
Er kommt einem SOS -Ruf unseres Gemein
wesens, einem Hilferuf in höchster Jftot,
gleich, und in vielen Zeitungen beschäftigt
man sich mit ihm.
Es ist erreicht, daß die gewaltige Not der
Kommune, wie sie sich unter der neuzeitlichen
Reichs- und Landesgesetzgebung entwickeln
konnte, gemeinsam gefühlt wird. Die
Organisationen der Arbeitgeber und Arbeit
nehmer der Stadt beschäftigten sich ja mit ihr
und erließen einhellig den zeitdokumentart-
schen Hilferuf an Reichs- und Staatsregie
rung.
Die Leistungsfähigkeit der Stadt ist dem
nächst am Rande, wenn Staat und Reich nicht
raschestens dafür sorgen, daß die Selbstver
waltung wieder bestehen kann. Der Motor
der durch die allgemeinen Zeitverhältnisse und
steuerlich geschwächten Wirtschaft droht zu er
liegen. Der kleine Mann kann nicht mehr an
kommen gegen die hohen Preise für Gas und
Strom, der Lebenskampf richtet öte höchsten
Ansprüche an ihn. Steuererhöhung ist bei der
übersteigerten Auspumpung ein Ding der
Unmöglichkeit, der Zufluß der jetzigen Steu
ern stockt bereits.
Der Tadel der Fehler der Vergangenheit,
eines früheren Wirtschaftens über die Ver
hältnisse hinaus bringt praktisch nicht weiter.
Wir sitzen eklig in der Klemme, und es er
hebt sich die Frage: Was wird mit Rends
burg? Aehnlich wie dieser Tage in Itzehoe,
das sich finanziell festgefahren hat, die Frage
gestellt wurde: Was wird in Itzehoe?
In dem heutigen Leitaufsatz verweist der
Oberbürgermeister der Stadt Hannover auf
die Festschraubttng der Kommunen durch die
uferlose Abwälzung von Fürsorgelasten, und
er verlangt Reformen, die den Aufgaben
kreis der Kommunen wieder vernünftig ge
stalten. Allen Städten, gleich welchen Um
fanges, spricht der Leiter des großen hanno
verschen Gemeinwesens aus der Seele.
Rendsburg ist besonders schlimm
daran. Wird sein SOS.-Ruf überhört, wird
er wirkungslos verhallen?
Wann wird von oben her die Umkehr
kommen, die Erneuerung an Haupt und Glie
dern? Mit kleinen Mitteln und suggestiven
Schlagworten geht's nicht mehr! #
parlamentarischen Kreisen erhält sich das
daß die Reichsregierung eine Vorver-
Jn
Gerüchts
Von Oberbürgermeister vr. Menge, Hannover.
Die nachstehenden Darlegungen eines bekann- ständigen-Eutachtens di>
ten Stadt-oberhauptes, der die Not der Städte an losenverstcherungsgesetz, d
Hand des Beispieles seines eigenen Wirkungs- nullen ruickob Fm
kreises von höherer Warte beleuchtet, sind be- ^ ^
sonders beachtenswert. Zahl der Wohlfahrtserw
Oberbürgermeister Dr. Luppe hat auf dem im qnn mlh t
Dresner SEdtetag anschaulich geschildert wie ^ In der Arbeitslo
sich die deutschen Städte Ende 1926 und Ansang Kurve während der
1927 gegen die Absicht des Reichstages gewehrt ^^ r ^icht so lief w
hätten, aus der gemeindlichen Erwerbslosenfur- - Wohlfahr
'Ş eine Reichsarbeitslosenversicherung zu
'uachen. Er hat hmzugesugt daß alle Bedenken. September auf 7800 gest
die damals vom Deutschen Stadtetage geäußert ^iswand von 460 000 Mc
seien, in den drei Jahren, die seit dem Znkraft- n0[]
treten des Gesetzes über die Arbeitslosenversiche- ^nten die stahl der
rung verstrichen sind in geradezu erschreckendem 3 obwohl'das dur,
Ausmaße Wirklichkeit geworden waren. Die Han- a 11 ' /
noverschen Verhältnisse sind ein schlagender Be- Die Rettung, die dl
weis für die Richtigkeit dieser Behauptung. Wir Erweiterung der Krise!
hatten im September 1927, also unmittelbar vor äellt sich bei genauerer
dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Arbeits- Verordnungen vom 11. £
losenversicherung, 3100 Wohlfahrtserwerbslose die tere Belastung dar Sk
binett tatsächlich solche Erwägungen schweben.
Bon „zuständiger Stelle" ist weder eine Be
stätigung noch ein Dementi des Gerüchts zu er
halten. Es wird lediglich erklärt, daß der Gesetz
entwurf über die Beamtengehaltskürzung zur Zeit
dem Reichsrat vorliege und daß es noch nicht fest
stehe, ob im Verlauf der Reichsratsverhandlungen
seitens des Reichsrates selbst oder der Reichsregie
rung Abänderungswünsche zu diesem Gesetzentwurf
vorgebracht werden würden.
Auch diese Erklärung von „zuständiger Stelle"
ist dazu angetan, den Eindruck zu verstärken, daß
tatsächlich innerhalb des Reichskabinetts ein der
artiger Vorverlegungsplan erwogen wird und
zweifellos noch immer sehr aktuelle Bedeutung be
sitzt. Von anderer Seite wird die Frage der Vor
verlegung der Veamtengehaltskürzung mit dem
bevorstehenden Schiedsspruch im Berliner Aketall-
arbeiterkonflikt in Zusammenhang gebracht und
darauf hingewiesen, daß dieser Schiedsspruch auch
schon am 1. Januar 1931 in Kraft treten soll, ein
Umstand, der ebenfalls für die Vorverlegung der
Veamtengehaltskürzung spreche.
Der Reichskanzler
hatte im Laufe des Mittwochnachmittags noch eine
Reihe Besprechungen mit den Ministerpräsidenten
einzelner Länder über Spezialfragen des Sanie
rungsprogramms. Für Mittwochabend hatte er
die noch in Berlin weilenden Chefs der Länder
regierung zu einem Essen in der Reichskanzlei
eingeladen, um auch bei dieser Gelegenheit die
Streitfragen des in Angriff genommenen Eesetz-
gebungswerkes zu erörtern und nach Möglichkeit
zu bereinigen. In unterrichteten Kreisen wird
angenommen, daß der Reichskanzler dabei mit den
Ländervertretern auch die Frage einer Borver
legung der vorgesehenen Gehaltskürzungen auf
den 1. Januar Ì931 erörtert hat, die gutem Ver
nehmen nach bereits in den letzten Kabinetts
sitzungen vor der Verabschiedung der Sanierungs
vorlagen zur Erörterung gestellt worden ist, ohne
daß es bisher darüber zu einem förmlichen Be
schluß des Reichskabinetts gekommen wäre. Eine
Vorverlegung des Termins für die Kürzung der
Beamtengehälter würde demnach unter Umstünden
zur Befriedigung finanzieller Mehrforderungen
der Länder in Frage kommen.
Rach weiterer Mitteilung ist es
der Vertreter Hamburgs
gewesen, der gestern im Reichsratsausschuß den
Antrag stellte, die Kürzung der Beamtengehälter
bereits zum 1. 1. 1931 wirksam werden zu lassen.
Eine Entscheidung über den Antrag Hamburgs ist
noch nicht gefallen. Die Reichsregierung wider
sprach ihm nicht. Die Haltung der übrigen Län
der war noch nicht einheitlich. Vorläufig bleibt
es dabei, daß die Gehaltskürzung, wie in der Re
gierungsvorlage vorgesehen, am 1. 4. 1931 in
Kraft treten soll. Hamburg wird aber seinen An
trag in der zweiten Lesung wieder aufgreifen. In
politischen Kreisen nimmt man an, daß sich dann
eine Mehrheit für diesen Antrag findet, so daß
tatsächlich die Gehaltskürzung schon am 1. 1. 1931
in Kraft treten werde.
Ein Berliner Blatt spricht von einem
bestellten Länderantrag.
Diesem Antrag werde die Reichsregierung „keinen
Widerstand entgegensetzen", sondern sei im Gegen
satz zu ihrer sonstigen Haltung hier zu einer Ab
änderung der Vorlage bereit. Ob im Reichsrat
und nachher im Reichstag freilich diese weitere
Verschärfung der Notmaßnahmen angenomm-'n
werde, stehe noch dahin. Anscheinend wolle man
aber darauf verweisen, daß zur Jahreswende auch
in der privaten Wirtschaft die Herabsetzung Vt
Löhne und Gehälter in großem Umfange Tatsacke
werden solle. Man werde das an den neuen
Schiedssprüchen bald erkennen.
uns in diesem Monat 112 000 Mark kosteten. Diese
Zahl stieg im Januar 1928 auf 4800 mit einem
Monatsaufwand von 227 000 Mark, fiel aber dann
infolge der Fürsorgearbeiten, die die Stadt ein
richtete, bis zum November 1928 auf 3700. Im
Winter 1928-29 stieg sie natürlich wieder an, kam
jedoch nicht über 4900 hinaus. Im Juni 1929
chatten wir — das war wieder die Folge unserer
Arbeitsfürsorge — weniger als 3000 Wohlfahrts
erwerbslose, deren Gesamtunterstützung sich in die
sem Monate auf 152 000 Mark belief.
Dann aber kam der verhängnisvolle Erlaß
des Reichsarbeitsministers Wissel über die Ein
schränkungen in der Krisenunterstützung. Er hatte
zur Folge, daß im Juli und August 1929 die aus
gesteuerten Erwerbslosen, statt vom Arbeitsamt
die Krisenunterstützung zu erhalten, zum Wohl
fahrtsamt kamen. Die Zahl der Wohlfahrts
erwerbslosen belief sich schon im August 1929 auf
3600 mit einem Monatsaufwande von 173 000
Mark. Dabei entsprach der Erlaß weder dem
Willen des Gesetzgebers von 1927 noch dem klaren
Wortlaut des 8 101 des Gesetzes über die Arbeits
losenversicherung. Das wird auch von dem Ab-
teilungsdirigenten im Reichsarbeitsministerium
Dr. Beisiegel in einer der neuesten Nummern des
„Reichsarbeitsblattes" zugegeben, und es ist
charakteristisch, daß Dr. Veisiegel weiter schreibt:
„Aber der Reichsarbeitsminister ist auch an die
Haushaltsgesetze gebunden und mußte sich im
Rahmen der Mittel halten, die ihm für die Durch
führung der Krisenfürsorgs zur Verfügung gestellt
waren." Das heißt, man schafft ein Arbeitslosen
versicherungsgesetz, und wenn man sieht, daß es
nicht durchzuführen ist, macht man ein Hanshalts-
gesetz, das nur bestimmte Mittel vorsieht, und er
klärt: Wir halten uns an das Haushaltsgesetz:
mögen die Kommunen sehen wie sie durch
kommen.
Es kam aber noch schlimmer. Im Oktober
1929 erging auf Grund des bekannten Sachver-
hinweg." Das hat er sicher nicht mir allein ge
sagt, sondern diese Meinung ist bestimmt auch den
Herren im Reichstag und in der Regierung be-
Eins durchgreifende Besserung
kannt geworden
wird also erst kommen, wenn die schon seit Jahren
besprochene Reichs- und Berwaltungs-
reform durchgeführt wird. Mit neuen Steuern
oder mit Gehalts- und Lohnabbau ist die Sache
nicht zu machen. Die Organisation muß geändert,
die Aufgaben müssen abgebaut werden.
ihn als den Abgeordneten Lohfo auf der Polizei
wache identifiziert. Er wurde vom Gericht dar
auf aufmerksam gemacht, daß seine heutige Aus
sage mit dem Protokoll in Widerspruch stehe. Er
gab zu, unter dem Druck der Verhältnisse die pro
tokollarischen Aussagen unterschrieben zu haben,
obwohl die Polizei nicht das, was er gesagt habe,
zu Protokoll nahm, sondern ganz andere Sätze.
Er habe die ganze Nacht und den darauf folgenden
Tag bis nachmittags 5 llbi^ìiķ einer unalaublich
schmutzigen Massenzelle sich aufhalten müssen und
sei seelisch zermürbt gewesen, umsomehr als er
zum Viehkauf nach Berlin gekommen sei und nun
mehr über den Verbleib des Viehes im Unklaren
gewesen sei. Die Zeugen Thormählen und Mener-
Ouade, nationalsozialistische sHleswig-holsteinische
Abgeordnete, bestätigen, daß Franzen ibnen nach
seiner Rückkehr von der Polizeiwache die Vorgänge
legitimiere den Herrn. Sie haben kein Recht, ihn
zu verhaften." Er habe ihn trotzdem festgehalten,
da er nach seiner Dienstanweisung so handeln
müsse. Rach dem preußischen Landtagsabgeord
neten Lohse, der einen Augenblick mit Franzen
auf der Wache war, aber nichts wichtiges aussagen
konnte, wurde
der Landwirt Guth vernommen,
der den Personalausweis Lohses benutzt hatte, um
der Eröffnung des Reichstages auf der Abgeord
netentribüne beiwohnen zu können. Auf die
Frage, weshalb er nach seiner Sistierung den Mi
nister Dr. Franzen habe rufen lassen, erklärte Guth
zögernd, er habe ihn rufen lassen in der Hoff
nung, daß Franzen ihn als den Abgeordneten
Lohse legitimieren und freimachen werde. Auf
Vorhalt mußte Guth zugeben, daß er bei seiner
Vernehmung auf der Berliner Polizei erklärt und
diese Erklärung unterschrieben habe, Franzen habe
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