Landsszsîlung
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123. Jahrgang.
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: nommen, eine Ersatzpflicht od. Haftung bei Nichteinhaltg.
î derartiger Bestimmungen also nicht anerkannt werden.
den Z8. SNsher
Wendungen gegen Turtîus' Haltung auf der letz
ten Völkerbundskonferenz erheben kann und eine
um einige Grad entschiedenere Tribut-Revisions-
politik des Kabinetts unter zielstrebiger Zusam-
menfastung aller inner- und außenpolitischen Mo
mente wünschen möchte, so ist nicht zu vergessen,
daß in der Abrüstungsfrage auch bisher
schon von deutscher Seite eine ziemlich offene
Sprache geredet worden ist. Dabei war allerdings
meist Graf Bernstorff als deutscher Unterhändler
im Vordertreffen. Aber es bestand Anlaß, feine
Gedankengänge als die offizielle deutsche Auffas
sung schlechthin anzusehen. Darin freilich ist dem
genannten Blatt beizupflichten, daß die an die
Adresse des Kabinetts gerichtete energische und be
stimmte Erwartung der Ausschußmehrheit immer
hin neuartig ist.
Dmifchs in Brasilien.
Ereignisse, wie der bedauerliche Vorfall im
Hafen von Rio de Janeiro, bei welchem ein un
glücklicher Warnungsschuß eine Anzahl Menschen
leben auf dem deutschen Dampfer „Baden" ver
nichtete, weisen von selber auf die Erörterung der
Momente hin, die die beteiligten Länder mitein
ander verbinden.
Angesichts der großen Entfernung voneinan
der und der verhältnismäßig geringen politischen
Berührungspunkte stehen hauptsächlich die wirt
schaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und
Brasilien im Vordergrund. Für den Unterneh
mungsgeist und Wandertrieb, der nun einmal dem
deutschen Volke innewohnt, ist auch Brasilien ein«
„Terra Nova". Und man sollte meinen, daß die
Arbeitslosigkeit und schlechte wirtschaftliche Lage
im eigenen Lande erst recht viele Deutsche über
den Ozean treibt. Mit Ausnahme des Jahres
1924, in welchem allein 22 168 Deutsche in Bra
silien eingewandert sind, ist die Zahl der
Einwandernden nicht nur im Verhältnis zur Vor
kriegszeit, sondern auch in den Nachkriegsjahren
gesunken und nach den amtlichen Angaben für das
Jahr 1929 mit etwa 2000 errechnet worden, denen
allerdings etwa 8000 Deutsche gegenüberstehen, die
sich an die Beratungsstellen wegen Einwanderung
nach Brasilien um Auskunft gewandt haben. Mei
stens war es Mangel an Geld zur Ueberfahrt, der
sie an ihrem Vorhaben hinderte.
Denn ein Einwanderungsquotensystem wie für
die Vereinigten Staaten besteht nicht für Brasi
lien, wohl aber existieren einige Einschränkungs
bestimmungen. Nicht einreisen dürfen Personen,
die während der letzten 5 Jahre mit Freiheits
strafen belegt wurden, ferner Frauen und Kinder,
die keinen Ernährer haben: auch solchen, die an
gewissen ansteckenden Krankheiten leiden, ist die
AeparMgnsanļräge abgelehnt.
Im Auswärtigen Ausschuß des Reichs
tages wurde gestern bei der Abstimmung fol
gender Antrag des Abgeordneten Tauch (D.
V. P.) mit einem Zusatzantrag des Abgeord
neten Graf Westarp fVolkskonservativs mit
den Stimmen der Antragsteller, der National
sozialisten, der Christlich-Sozialen, des Zen
trums, der Bäuerischen Volkypartei, der Wirt
schaftspartei und des Landvolks gegen die
Stimmen der Sozialdemokraten und Kommu
nisten bei Stimmenthaltung der Dentschuatio-
nalen angenommen:
„Der Auswärtige Ausschuß hat auf
Grund des Berichtes des Reichsministers
des Auswärtigen von dem gegenwärtigen
Stande der Frage der allgemeinen Abrü
stung, insbesondere von dem Ergebnis der
Verhandlungen der diesjährigen Versamm
lung des Völkerbundes über diese Frage mit
größter Enttäuschung Kenntnis genommen.
Er muß danach feststellen, daß die Bemühun
gen um die allgemeine Abrüstung bisher kei
nerlei praktische Erfolge erzielt haben.
Die Staaten, die mit der Erfüllung ihrer
rechtlichen und moralischen Verpflichtung
zur Abrüstung seit Jahren im Rückstand
sind, haben bei den letzten Genfer Beratun
gen nicht einmal zu einem Beschluß veran
laßt werden können, der die schnelle Einbe
rufung der ersten allgemeinen Abrüstungs
konferenz sichergestellt haben würde.
Deutschland steht somit vor der Tatsache,
daß es die ihm auferlegte Verpflichtung zur
restlosen Entwaffnung bis zum letzten
Punkt hat durchführen müssen, daß ihm aber
die vertraglich zugesicherte, längst fällige Ge
genleistung immer noch in ihrem ganzen
Umfange rechtswidrig vorenthalten wird.
Darüber hinaus erfolgt in manchen Ländern
noch eine Verstärkung der Rüstungen. Der
Auswärtige Ausschuß ist der Ansicht, daß
dieser Zustand in krassem Widerspruch zu
dem Grundsatz der Gleichberechtigung steht,
daß er eine ernste Bedrohung der Sicherheit
Deutschlands und damit des Weltfriedens
bedeutet und daß er aus diesem Grunde völ
lig unhaltbar ist.
Der Ausschuß erwartet von der Reichs
regierung, daß sie mit allen ihr zu Gebote
stehenden Mitteln auf die schleunige' Aende
rung der gefahrvollen Lage hinwirke, und
daß sie mit äußerstem Nachdruck darauf be
steht
eine Abrüstung der anderen Staaten
zu fordern,
die nach Umfang und Art der Abrüstung
Deutschlands und dem Grundsatz der pari
tätischen Sicherheit entspricht, und daß sie
Klarheit darüber herbeiführt, ob die aus
wärtigen Mächte gewillt sind, diese Forde
rungen entsprechend den im Versailler Ver
trag festgelegten Verpflichtungen zu erfül-
land aufgebrachten Reparationsleistungen
wurde mit Stimmengleichheit abgelehnt.
Geleitet wurde die Sitzung von dem Aus
schußvorsitzenden Dr. Frick, der zu Beginn der
Verhandlungen der toten Saarbergleute ge
dachte. Es sprachen die Antragsteller Nachdem
Reichsfinanzminister Dietrich die Stellung
nahme der Reichsregierung zu den Anträgen
im Rahmen einer ausführlichen Darlegung
über den gegenwärtigen Stand des Repara
tionsproblems auseinandergesetzt hatte, nahm
Reichsaußenminister Dr. Curtins das Wort,
um die Ausführungen des Finanzministers
nach der allgemeinen politischen Seite hin zu
ergänzen. Dann begann die Aussprache, in der
die Vertreter aller Parteien zu Wort kamen.
Die Beratungen waren vertraulicher Natur.
yrŞşMMN m Ablehnung
der Kepcitaïlonsaîtlräge,
TU. Berlin, 30. Oktober. sEig. Funkmel
dung.) Eine Reihe Berliner Blätter nimmt
zu dem Ergebnis der Sitzung des Auswär
tigen Ausschusses am Mittwoch Stellung. All
gemein wird es begrüßt, daß wenigstens ein
Beschluß znstandegekommen ist, der die Ab
rüstung auch der anderen fordert. Die „Ber
liner Vörsenzeitung" bedauert, daß es in der
Reparationsfrage zu keinem Beschluß gekom
men ist, und sagt, man hätte durch Annahme
eines der Anträge gemäßigterer Ten
denz dem deutschen Außenminister auch gegen
seinen Willen eine wirkungsvolle Kundge
bung deutschen Selbstbehauptungswillens zu
weiterer diplomatischer Verwertung in die
Hand geben sollen. Der „Tag" schreibt, es
habe sich gezeigt, daß die Parteien nicht den
Mut aufbrächten, das Reparationsproblem
von neuem in Angriff zu nehmen. Die „D. A.
Z." sagt, wenn auch eine Bindung der Außen-
Sortsstzrmg siehe nächste Sette.
Der Beschluß der gewiß auch unter dem Ein
druck der Wahlen vom 14. September stehenden
Mehrheit des Auswärtigen Ausschusses in der Ab-
rüstungsfragö ist geeignet, den deutschen Vertre
tern auf der sog. vorbereitenden Abrüstungskonfe
renz im November den Rücken zu stärken. Aus
dem Beschluß gleich allgemein eine „nachdrückliche
Zensur" für die Politik des Reichsaußenministers
herzuleiten, wie dies heute morgen die „Hambur
ger Nachrichten" tun, entspricht wohl nicht ganz
der Sachlage. Denn wenn man auch gewisse Ein-
MersiM aus Baprn.
In maßgebenden Kreisen der Bayerischen
Volkspartei herrscht, wie aus München. berichtet
wird, lebhafte Verstimmung über das Finanzpro
gramm der Reichsregierung. Anlaß zu der Ver
stimmung, die eventuell zum Ausscheiden des
Reichsministers aus dem Kabinett führen kann,
ist der Streit zwischen Bayern und dem Reichs
finanzministerium wegen der Abgeltung des
bayerischen Postregals. Wie verlautet, werden in
Berlin in den nächsten Tagen Besprechungen hier
über stattfinden.
Vsmcsre über die bolschemWfche Ģefcht
Verdächtigung Deutschlands.
TU. Paris, 30. Oktober. lEig. Funkmeldg.)
Poincare veröffentlicht im „Excelsior" seinen
Halbmonats-Artikel. Er beschäftigt sich dies
mal mit Ş der Notwendigkeit der Schaffung
der Vereinigten Staaten von Europa gegen
die „russische Gefahr". Er bedauert, daß die
europäischen Staaten, anstatt sich gegen diese
Gefahr zu vereinigen, sich immer mehr zer
splittern und einige von ihnen sich in Ruß
land sogar „die Mittel zu verschaffen such
ten, um ihre geheimen Pläne zu verwirk
lichen". Letztere würden jedoch die ersten
Opfer sein. Sie würden den Rest der Mensch
heit mit sich in den Abgrund reißen. Poin
care verteidigt dann den Standpunkt Rech
bergs, der sehr richtig auf die Gefahr des
Kremls hingewiesen habe. Alle Anzeichen deu
teten auf Kriegsvorvereitnngen Moskaus
hin, das in Uebereinstimmung mit Deutsch
land (!) die Herstellung von Kriegsmaterial
beschleunige. Schon jetzt tauche im Hinter
grund der Schatten eines wirtschaftlichen
deutschen Protektorats auf, das sich bald, mit
Hilfe amerikanischen Kapitals durchgeführt,
über ganz Rußland erstrecken würde.
Deutschland habe ein derartiges Protek
torat gewünscht, wenn es auch noch weit von
seiner Verwirklichung infolge seiner gegen
wärtigen, zwar stark übertiebenen, aber doch
bestehenden Witschaftskrise entfernt sei. Viel
leicht solle das traurige Schauspiel dazu bei
tragen, die Staaten zu lehren, daß jeder Ver
einigung auf politischer Grundlage eine sol
che auf wirtschaftlicher Grundlage voraus
gehen müsse. Die von Briand ursprünglich
aufgestellte Reihenfolge für die Verwirkli
chung des Staatenbundgeöankens sei schon
die richtige gewesen.
îm Mm: Ulan muß überlegen.
Herriot über „Gefahren einer Revision".
T-ll. Paris, 30. Okt. (Eig. Funkmeldung.)
Der Sozialistenführer Leon Blum und der Präsi
dent der Radikalsozialistischen Kammergruppe,
Herriot, beschäftigen sich heute erneut mit der Rede
Mussolinis. Blum fordert von der Regierung die
Beachtung der Auslassungen Mussolinis zur Ab
rüstungsfrage. An die Aenderung der Verträge
könne augenblicklich nicht gedacht werden, jedoch
müsse man überlegen, ob es besser sei, etwas Un
gerechtfertigtes zu revidieren oder einen neuen
Krieg in weiter Zukunft zu führen.
Herriot versucht. Mussolini von seinem Revi-
sionsgedänken dadurch abzubringen, daß er die
Frage Südtirols anschneidet, die bei einer Ver
tragsrevision vor allen Dingen geregelt werden
müsse. Er spielt sich plötzlich zum Verteidiger
Oesterreichs auf und verweist auf Andreas Hofer,
der als Vorbild eines echten Germanen gelte, ob
wohl er in Meran geboren sei. Die Anführung
Südtirols müsse Mussolini genügen, um ihm die
Gefahren einer Revision vor Augen zu führen.
Einwanderung untersagt, ebenso Kokotten und
allen denen, die ihr sechzigstes Lebensjahr über
schritten haben. Das Land will sich eben vor ge-
wiffen Elementen und vor allem vor Belastungen
jeder Art durch Fremde schützen.
Der größte Teil der deutschen Einwanderer,
die ungefähr 5 bis 12 Proz. der Eesamteinwan-
derer nach Brasilien ausmachen, besteht aus sol
chen, die aus Mangel an Beschäftigung in der
Heimat auf jede Art, die sich nur bietet, ihr Glück
drüben versuchen wollen. Die meisten lassen sich
ein Stück Land in noch unkultivierten Gebieten
anweisen, machen es urbar, bauen zunächst, was
zum persönlichen Lebensunterhalt notwendig ist,
an, treiben mit dem Ueberschuß Handel, um sich
vom Erlös Pferde und Kleinvieh anzuschaffen und
— allmählich den Besitz vergrößernd — zum Ta
bak- und Kaffeebau überzugehen. So entstanden,
besonders in den Südprovinzen Rio Grande da
Sul, Santa Catharina und Parana ausschließlich
deutsche Kolonien, die heute ungefähr
500 000 Köpfe zählen. Diese deutschen Kolonien,
wie überhaupt die deutschen Einwanderer sind von
der brasilianischen Regierung außerordentlich ge
schätzt, weil sie in kultureller Beziehung dem Lande
großen Vorteil bringen. Ein Vergleich gibt ein
deutliches Bild darüber: In Gemeinden mit deut
schen Siedlern gibt es 1,39 Proz. Analphabeten,
in Gemeinden, in denen fast keine Deutschen woh
nen, sind 20,54 bis 51,59 Proz. Analphabeten ge
zählt. Das ist auf das Wirken der deutschen
Schulen und Kirchengemeinden zurückzuführen, die
es überall in den deutschen Kolonien aibt und
welche die deutsche Sprache pflegen, die sich in
ihnen sozusagen als Landessprache erhalten hat.
Anträge zur Neparatwnssrage
rvurden mit wechselnden Mehrheiten abge
lehnt. Es handelt sich um den Antrag der Kom
munisten aus sofortige Einstellung aller
Youngzahlungen, den Antrag der National
sozialisten auf Aushebung des Veriailler Ver
trages und der Tributverträge, den Antrag
des Landvolks über die Ausnutzung der Schutz-
und Revisionsmöglichkeiten des Donngplanes,
den Antrag der Wirtschaftspartei über die
sofortige Herbeiführung eines Zahlungsauf
schubs für die Zahlungen aus dem Youngplan
und den Antrag der Konservativen und des
Christlich-Soziale» Volksdienstes über die
Einleitung von Verhandlungen über eine
Revision des Youngplanes und die Herbeifüh
rung aller innerpolitischen Maßnahmen, die