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Sr. 232
Zweites Blatt
3. Skļober
Rendsburg, den 3. Oktober 1930.
Die Schicksaiskrage« kör öle Gemeinde«.
Von Dr. V o i g t,
Ge sch äuttsfüh render Vizepräsident des Reichsstädkebundes.
Dis nachstehenden Ausführungen sind einem
beachtlichen Artikel des Verfassers im neuesten
Heft des Ş „Reichsstadtebund" entnommen,' sie ge
winnen im Hinblick auf das neue Sanierungs
programm der Reichsregierung besondere Be
deutung. Schriftleitung.
Vor jeder Lösung des Fin-anzausgleichspro-
blems muß, wie auch von der Preußischen Regie
rung anerkannt worden ist, die Frage der Ueber
nahme der durch die Wohlfahrtserwerbslosen be
dingten Kosten geregelt werden. Keine Ursache
der Arbeitslosigkeit ist von der einzelne Gemeinde
oder von ihrer Gesamtheit zu vertreten, für sie
muß vielmehr das Reich einstehen. Dieses Emp
finden hat wohl auch der Reichsgesetzgeber gehabt,
als er. die Arbeitslosenversicherung schuf und die
Krisenfürsorge einrichtete. War es doch damals
feine Ansicht, daß durch diese beiden Einrichtungen
llste wesentlichen Kosten der Erwerbslosenbetreu
ung zu Lasten des Reiches gingen. Wiederholt ist
jedenfalls damals vom Reichstag betont worden,
welch starke Entlastung die Gemeinden durch diese
Neuregelung erfahren würden. Diese seine Auf
fassung hat der Reichstag allerdings verleugnet
als sich im Jahre 1929 zeigte, wie belastend die
von rijm getroffene Regelung werden kann Er
hat es stillschweigend geduldet, daß seinem Ge
setz über die Arbeitsvermittlung und die Arbeits
losenversicherung in einem wesentlichen Punkte zu
widergehandelt wurde, weil dadurch die Finan-
Orches geschont wurden. 8 101 dieses Ge
setzes bestimmt:
w r Zeiten andauernd besonders ungünstiger
' îtsmar kt lags hat der Reichsarbeitsminister
nach Anhörung des Verwaltungsrats der Reichs
anstalt die Gewährung der Arbeitslosenunter
stützung als Krisenunterstützung abweichend von
den Vorschriften der §8 93 bis 99 zuzulassen. Die
Zulassung kann auf bestimmte Berufe oder Ve-
zirke beschränkt werden. Die Höhe der Unter
stützung und die Dauer ihrer Gewährung können
beschränkt werden."
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der
wer umrissene Tatbestand seit dem vergangenen
^ahrs vorliegt. Wir haben seitdem „Zeiten an
dauernd besonders ungünstiger Arbeitsmarktlage",
wie wohl von niemandem bestritten werden kann.
Es muß also nach dem Gesetze eine abweichende,
d H. weitergehende Zulassung zur Krisenfürsorge
erfolgen. Dem Sinne dieser Bestimmung würde
nur eine Regelung entsprechen, durch welche grund-
latzlich alle Berufe zur Krisenfürsorge zugelassen
wurden, weck die andauernd besonders ungünstige
Arbeitsmarktlage für alle Berufe besteht.'
Aber gleichwohl ist der Reichsarbeitsminister
ms zum heutigen Tage der ihm gesetzlich auferleg
en Verpflichtung nicht nachgekommen, obwohl die
Gemeinden durch ihre Spitzenverbände wiederholt
mit allem Nachdruck daran erinnert haben. Die
Nützliche Regierung hat am 21. Juni d. I. einen
-oejchlutz des Reichsrats veranlaßt, durch welchen
..alsbald eine der Wirtschaftslage Rechnung tra
gende Neuregelung der Krisenunterstützung und
die Unterstützung der Wohlfahrtserwerbslosen" ge
fordert wird. Weiter wurde die Reichsregierung
ersucht, zur Vorbereitung einer ebenfalls einzulei
tenden gesetzlichen Neuregelung dieser Frage im
Einvernehmen mit der Landesregierung sofort
eine Erhebung über die Zahl der Krisenunter
stützten und Wohlfahrtserwerbslosen in den ein
zelnen Gemeinden zu veranstalten und bis zum
1. Oktober d. I. dem Reichsrat als Material vor
zulegen. Diese Statistik ist inzwischen erstmalig
nach dem Stande vom 31. August erhoben worden.
Sie soll nach dem Stande vom 30. September und
vom 31. Oktober wiederholt werden. Erst wenn
diese Ergebnisse vorliegen, will sich die Reichsre-
grerung über die etwa zu ergreifenden Maßnah
men schlüssig werden. Leider wird die Entwick
lung der Dinge auf diesen langsamen Gang der
Verwaltungsmaschinerie nicht die schuldige Rück
sicht nehmen, sondern sich, ihren eigenen Gesetzen
folgend, lawinenartig gestalten. Wenn sie ein
großes Trümmerfeld geschaffen haben wird, kann
die Auswertung der Statistik nur noch einen aka
demischen Wert, aber keinen praktischen mehr
haben.
Material, welches einwandfrei nachweist, daß
höchste Gefahr im Verzüge ist, liegt bereits ge
nügend vor. Ich greife zunächst auf die vom
Reichsstadtebund mit aller Sorgfalt durchgeführ
ten Erhebungen zurück. Rach ihnen wurden auf
je 1000 Einwohner laufend in offener Fürsorge
unterstützt: Ende September 1929 in 969 Städ
ten 3,0 Wohlfahrtserwerbslose und zwar Par
teien. Dem standen gegenüber Ende August 1930
in 1293 Städten 10,5 Wohlfahrtserwerbslose. Die
Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen ljat sich also
mehr als verdreifacht.
Interesse dürfte die Feststellung erwecken, daß
am 31. März 1930 die Zahl der Hauptunter-
stützungsempfänger der Alu und Kru sich gegen
über dem 30. Juni 1927 um 88,8 v. H. vermehrt
hat, daß dagegen die Zahl der Wohlfahrtserwerbs
losen im gleichen Zeitraum um 221,2 v. H. gestie
gen ist. Welche Summen hat das Reich in dieser
Zeit für jene zur Verfügung gestellt, während es
für diese nichts übrig hatte, sondern alles den
Gemeinden überließ! Auch dieser Vergleich lehrt,
welche gewaltigen Opfer die Einwohner der von
starker Erwerbslosigkeit heimgesuchten Gemeinden
zugunsten des Reichs gebracht haben, das sie dem
völligen Untergang preisgibt, wenn es nicht
schleunigst Abhilfe schafft. Aus welche Weise dies
geschehen kaun und muß, haben die kommunalen
Spitzenverbände wiederholt auf das nachdrück
lichste betont: durch Anwendung des oben zitier
ten 8 101, d. h. Ausdehnung der Krisenfürsorge
auf alle Berufe und ihre grundsätzlich zeitlich un
begrenzte Gewährung.
* Arbeitsgericht vom 1. Oktober. Ein
Lchlachrer klagt gegen einen hiesigen Vieh
händler auf Zahlung von 10,73 RM. Lohn.
Die Sache hat schon einmal das Arbeitsgericht
beschäftigt und es war ein Versäumnisurteil
auf Zahlung ergangen, da der Beklagte zum
Termin nicht erschienen war. Der Beklagte
hatte gegen das Versäumnisurteil Einspruch
eingelegt. Da er zum heutigen Termin aber
wiederum nicht erschienen war, erhielt das
Versäumnisurteil Rechtskraft. — Eine Land
wirtschaftsgehilfin in Tappendorf klagt gegen
einen Landmann in Osterrönfeld auf Zahlung
von 27 RM. Restlohn. Es kam ein Vergleich
dahin zu stände, daß Beklagter noch 10 RM.
zahlt. — Ein landwirtschaftlicher Arbeiter in
Gr.-Vollstedt klagt gegen einen Lanömänn in
Schacht-Andorf auf Zahlung von 28,50
Restlohn, der ihm angeblich ohne Grund vor
enthalten wird. Er will 50 RM. Lohn pro Mo
nat zu beanspruchen gehabt haben, während
der Landmann nur 45 ‘kJl abgemacht haben
will. Der Kläger zog seine Klage als aussichts
los zurück, da für ihn keine Möglichkeit besteht,
sein vermeintliches Recht zu beweisen. — Ern
Werk in Schülp bei Nortorf klagt gegen den
Betriebsrat, indem es die Wahl des Betriebs
rates anfechtet. Das Gericht entschied dahin,
daß die Wahl zweier Betriebsratsmitglieöer
für ungültig erklärt und im übrigen die Wahl
für gültig erklärt wurde. — Eine Hausange
stellte in Nienborstel klagt gegen einen Land
mann in Luhnsteöt aus Zahlung von 22 RM.
verdienten Lohn und auf Zahlung von Jnva-
lidenmarken für 7 Wochen. Es kam ein Ver
gleich dahin zustande, daß die Klägerin noch
Ì0 Jl erhält — Ein schwerbeschädigter Arbeiter
klagt gegen eine hiesige Firma auf Nachzah
lung von Tariflohn in Höhe von 33,22 RM.
und auf Weiterbeschäftigung gegen Tariflohn
auf Grund des Schwerbeschädigtengesetzes. Die
Sache wurde ausgesetzt. Es soll versucht wer
den, die Sache durch die Fürsorge im Ver
gleichswege außergerichtlich zu erledigen. —
Ein kaufmännischer Angestellter klagt gegen
eine hiesige Firma auf Zahlung von Gehalt
als Hauptbuchhalter u. Nebenbezügen in einer
Gesamthöhe von 1171,50 RM. Die Beklagte
wurde nach längerer Verhandlung verurteilt,
an den Kläger noch 20 RM. zu zahlen. Im
übrigen wurde die Klage abgewiesen, da der
Beweis dafür seitens des Klägers nicht er
bracht ist.
* Strafsitzung des hiesigen Amtsgerichts vor
dem Emzelrichter am 2. Oktober. Es standen fol
gende Sachen zur Verhandlung: Ein früherer
Gastwirt hatte einen Strafbefehl über 2 Wochen
Gefängnis erhalten, weil er in der Zeit vom 2. 5.
27 bis zum 2. 10. 27 Veitragsteile zur Kranken-
und Arbeitslosenversicherung, welche er den in
seinem Betriebe Beschäftigten einbehalten hatte,
der Ortskrankcnkasse in Rendsburg vorsätzlich vor
enthalten haben soll. Er hatte gerichtliche Ent
scheidung beantragt und es wurde dis Strafe auf
3 Tage Gefängnis ermäßigt unter Gewährung
einer 3jährigen Bewährungsfrist, wenn er die
Schuld bezahlt. — Ein Bäcker war beschuldigt, als
Bevollmächtigter über Forderungen seines Auf
traggebers absichtlich zum Nachteil desselben ver
fügt zu haben, indem er den Erlös aus dem Ver
kauf von Waren, die ihm zum kommissionsweisen
Verkauf übergeben waren, in Höhe von 11 RM.
nicht abgeliefert haben soll. Er hatte deswegen
einen Strafbefehl über 1 Monat Gefängnis er
halten und gerichtliche Entscheidung beantragt. Die
Strafe wurde auf 1 Woche Gefängnis ermäßigt.
Auch wurde ihm eine 2jährige Bewährungsfrist
zugebilligt bei Zahlung der Schuldsumme. — Ein
auswärtiger Kaufmann soll am 1. 9. 30 gegen
22 Uhr mit einem unbeleuchteten Kleinkraftrad
die Hindenburgstraße befahren haben. Die Sache
wurde vertagt. — Ein Arbeiter aus Lohe war des
Jagdvergehens angeklagt. Ein Zeuge will ein
Reh bei ihm in einem Sack gesehen haben. Er be
streitet dies. Er wurde wegen Hehlerei anstatt
einer an sich verwirkten Gefängnisstrafe von 5 Ta
gen zu 50 RM. Geldstrafe verurteilt. — Ein
Kraftwagenführer war beschuldigt, am 30. 5. 30
mit dem Stadtverkehrsauto in der Reuen Kieler
Landstraße beim Güterbahnhof überholt zu haben,
trotzdem die Fahrbahn beiderseits durch Fuhrwerk
und Pferds der Firma D. verengt war und Füh
rer und Pferde ernsthaft gefährdet waren. Er
wurde freigespochen, da seine Unschuld nachgewie
sen wurde. — Ein hiesiger Händler war beschul
digt, eine Schußwaffe erworben zu haben, obgleich
er nicht im Besitze eines Waffenerwerbsscheines
war und ferner, sich dadurch strafbar gemacht zu
haben, indem er ein Jagdgewehr, das er zum Ver
kauf erhalten hak, verkauft, den Erlös nicht ab
geliefert und für sich verbraucht haben soll. Er
wurde wegen Erwerbs der Waffe ohne Waffen
erwerbsschein zu 10 RM. Geldstrafe verurteilt,
wegen der Beschuldigung der Unterschlagung bezw.
Untreue freigesprochen.
* Erhängt hat sich am Donnerstagvormittag
in seiner Wohnung an der Alten Kieler Land
straße der 66jährigo verwitwete Arbeiter Karl K.
Er dürfte die Tat wegen eines unheilbaren Lei
dens begangen haben.
* Abhanden gekommen ist in der Zeit von
Montag bis Donnerstag von einer Weide in der
Nähe des Fockbeker Weges sine 1l4 jährige dun
kelrote Starke. Sie hat vorn am Kopfe einen
kleinen weißen Punkt. Man vermutet Diebstahl.
* Treue Mieterin. Am 1. Oktober wohnte
Frau Witwe Emilie Taube, geb. Förster, 25 Jahre
im Haufe Moltkestraße 2.
* Fahrpreisermäßigung für Jugendpflege
und Wanderfahrt. Der Regierungspräsident teilt
mit: Die in Händen der Jugendpflegevereine be
findlichen blauen Vereinsausweiskarten über die
behördliche Anerkennung als Jugendpflegeverein,
die bei Anträgen auf Inanspruchnahme der Fahr
preisermäßigung benötigt werden, verlieren mit
dem 31. Dezember 1930 ihre Gültigkeit. Um in
den Besitz der neuen weißen Ausweiskarten für
1931 zu gelangen, ist ein rechtzeitiger Antrag bei
dem zuständigen Kreis- bezw. Ortsausschuß für
Jugendpflege (nicht Regierungspräsident) erfor
derlich. Die ausgefertigten Führerausweise behal
ten Gültigkeit über den 31. Dezember d. I. hin
aus.
lotete hinweise.
Ton- und Sprcchfilmtheater „Elektra-Lichtspiele".
„Der Schuß im Tonsilm-Atclier" ist der erste deut
sche Tonfilm, der dem Publikum die Möglichkeit gibt,
in bas künstlerische und technische Schaffen des Films
Einblick zu gewinnen. Es ist ein spannender Krimi
nalfall, der im Verlauf einer von Bild zu Bild fes
selnden Handlung seine überraschende Lösung findet.
Die Hauptdarsteller sind Gerda Maurus und Harry
Frank. — „Das Mädel mit der Peitsche" ist ein« lustige
Komödie mit Anny Ondra in der Titelrolle. — Dazu
das reichhaltige Beiprogramm.
Tonhallen-Lichtfpiele.
„Die schöne Spionin" ist ein spannender Spionage-
film. Nach unsäglichen abenteuerlichen Erlebnissen
und gefährlichen Situationen finden sich zwei junge
Leute wieder, um gemeinsam den Lebensweg zu gehen.
„Das fliegende Auto" ist ein Sensationsfilm mit
Harry Piel in der Hauptrolle. Dazu das reichhaltige
Beiprogramm.
Erfahrene Hausfrauen braten
mit der ausgiebigen
Rama!
Warum? Weil der Braten mit Ram ohne
großen Aufwand köstlich gerät. Gleich
beim Anbraten merken Sie, wie ergiebig
Rama ist und wie wunderschön sie bräunt.
Und dann — sie spritzt gar nicht infolge
ihres außerordentlichen Fettreichtums. Mi
schen Sie Rama Margarine keine anderen
Fette bei! Lass in Sie ihr das reine, frische
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Aroma, das den Braten so besonders wohl
schmeckend und lecker macht — ein Bra
ten, der Ihrer Kochkunst zur Ehre gereicht.
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