Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 4)

Den Frauen 
Was bringt öas Harrdelsklaffmgrfth den Haaskraam? 
Die Statistik zeigt in der Regel den Anteil der 
Ernährungskosten lediglich im Rahmen des (Bin 
ko-menens des Einzelnen oder der Familie. Geheim^ 
rat Kerp vom Reichsgesundheitsamt errechnet dem. 
gegen-über die Gesamtsumme des deutschen Jahres 
verbrauchs an Lebensmitteln. Den Wert allein an 
Rohwaren beziffert er auf 22 Milliarden RM., so 
daß der Gesamtverzehr mit annähernd 200 Milliar 
den RM. anzusetzen sein dürfte- Innerhalb dieser 
gewaltigen Summe ist der Verbrauch inländischer 
Erzeugnisse von ungeheurer Bedeutung; es ist ver 
ständlich, daß Erzeuger und Regierung bestrebt sind, 
der schwer daniederliegenden deutschen Landwirt 
schaft durch verstärkten Jnlandsabsatz Hilfe zu brin 
gen. ' So ist man zu einer Reihe gesetzlicher Maß 
nahmen geschritten. Durch das Brotgesetz erhofft 
man eine weşentliche Absatzsteigerung von Roggen; 
der Beimahlungszwang eines SOprozentigen Quan 
tums inländischen Weizens soll die Einfuhr auslän 
dischen Weizens drosseln; vom Milchgesetz erwartet 
Tnan eine Steigerung des Konsums an Milch und 
inländischer Milchprodukte; die Agrarzölle, insbe 
sondere für Kartoffeln, Eier und Butter versuchen 
der Ueberflutung ausländischer Produkte einen 
Damm^entgegenzusetzen. Als letztes Glied dieser 
Kette rst ein Gesetz zur Derbefferung des Absatzes 
landwirtschaftlicher Erzeugnisse geplant, das Han 
delsklassengesetz, das die Einführung gesetzlicher 
Handelsklassen, sogen. Standards, vorsieht. Es 'oll 
damit die Marktfähigkeit des deutschen Erzeugnisses 
gehoben werden, um es im Kampfe gegen den aus 
ländischen Wettbewerb zu stärken. 
Für die Hausftauen ist von besonderem Inter 
esse, daß nicht nur die Rohprodukte, sondern auch 
alle Lebensmittel erfaßt werden können, die durch 
Be- oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeug 
nisse gewonnen werden; also in erster Linie Müh 
lenprodukte, wie Mehl, Grieß, Graupen, aber auch 
Zucker, Kaffee-Ersatzmittel, Honig, Obst- und Ge 
müsekonserven, Butter. Margarine, Fleisch, Fleisch 
waren usw. Bei dem jetzigen chaotischen Durchein 
ander, das häufig keinen Rückschluß auf Qualität 
und Gütestaffelung zuläßt, ist eine durchgreifende 
Revision vom Derbraucherstandpunkt notwendig. Der 
derzeitige Wirrwarr auf dem Eiermarkt mit seiner 
Unzahl verschiedener Stempel, die leider nicht durch 
weg Güte und Frische der Ware gewährleisten, ist 
geradezu ein Schulbeispiel. Das schafft Verwir 
rung. Zugleich wird auch das Vertrauen gegenüber 
dem Produzenten — ein wichtiges psychologisches 
Moment — auf das schwerste gefährdet. Nicht ver 
ständlich ist der Widerstand des Handels auf Einbe 
ziehung von Gemüse und Obst mit der Begründung^ 
zur Hebung der Qualität müsse zuerst eine geistige 
Umstellung der Landwirte auf rationellere Produk 
tionsmethoden erfolgen- Der Handel glaubt, daß 
lediglich eine Standardisierung in Betracht kommen 
könne, die auf Freiwilligkeit aufgebaut und durch 
Selbsthilfe verwirklicht wird. Freiwilligkeit und 
Selbsthilfe aber haben bisher nicht den gewünschten 
Erfolg gehabt. Wir erleben es immer wieder, daß 
selbst Hausfrauen, die die Bedeutung nationalwirt 
schaftlicher Belange erkennen, ausländischem Obst 
und Gemüse mit dem Hinweis auf die Gleichmäßig 
keit der Ware, deren ansprechender Verpackung usw. 
den Vorzug geben. Gewiß ist ein lOOprozentiger 
Erfolg nicht über Rocht zu erwarten; aber jeder 
Schritt auf dem Wege ist auch vom Verbraucher zu 
unterstützen. Reben den gesetzlichen Handelsklassen 
der Standavdware sind Bestimmungen über Kenn 
zeichnung der Ware, über einheitliche Verpackungen 
und über Mengeneinheiten vorgesehen, Bestimmun 
gen, die im Lebensmittelgeseß bereits enthalten sind, 
ohne daß indes die erforderlichen Ausführungsbe 
stimmungen — mit Ausnahme von Kaffee, Kaffee 
Ersatzmitteln und Honig bisher verabschiedet sind. 
So erleben wir denn noch z. Zt. ein grausiges Durch 
einander von Kennzeichnungen und Mengeneinhei 
ten. Während ein Händler die „000"-Marke als 
Höchstqualität führt, handelt der Nachbar die „0"° 
Marke als beste Ware. Handelt es sich um verpackte 
Waren, so vermag selbst die warenkundlich geschulte 
Hausfrau sich nicht auszukennen. Irreführende 
Mengeneinheiten werden gleichfalls zum Schoden 
des Publikums feilgeboten. Nicht nur in Einheits 
preisläden, auch beim Lebensmitteleinzelhandel fin 
det man Packungen, vorwiegend von Markenarti 
keln, die geringere Quanten als die handelsüblichen 
halben oder ganzen Pfunde enthalten. Dies trifft 
vor allem für ausländische Waren zu, die das neue 
Gesetz auch erfaßt. Den Befürchtungen des Han 
dels, daß damit ein indirekter Protektionismus in 
die deutsche Wirtschaftspolitik eingeschaltet wird, 
der zu Gegenmaßnahmen und zu einer Erschütte 
rung unseres gesamten« Handelsvertragssysteims 
führen kann, vermögen wir nicht zu folgen. Denn 
diese Maßnahmen waren ja, wie bereits erwähnt, 
nn Lebensmittelgesetz vorgesehen, gegen dessen Be 
stimmungen diese Bedenken nicht erhoben wurden- 
Die deutschen Hausfrauen wollen vor allem Schutz 
gegenüber minderwertigen ausländischen Erzeug 
nissen, wie es z. B. russische Teigwaren, polnische 
Schmutzeier usw. darstellen. 
Wenn Butter, Margarine und sonstige Fette 
unter das Gesetz fallen, so ist der Hausfrau sehr 
damit gedient. Ein lang gehegter Wunsch würde in 
Erfüllung gehen, wenn z. B. das bisher vielfach 
übliche Mischen minderwertiger mit hochwertiger, 
oder inländischer mit ausländischer Butter ganz un 
terbunden oder doch mindestens kenntlich gemacht 
würde. Eine schwerwiegende Frage ist der beab- 
ichtigte Zwang, einen bestimmten Prozentsatz inlän 
discher tierischer Fette der Margarine zuzusetzen. 
Die deutsche Margarineinduftrie wehrt sich dagegen 
und behauptet, die inländischen tierischen Fette 
(premier jus) hätten bisher nicht die erforderliche 
einheitlich-gute Qualität wie das amerikanische pre 
mier jus (abgesehen von dem in einzelnen staatlichen 
Talgschmelzen, wie z. B. in Hamburg gewonnenen 
Fetten). Außerdem seien eine große Reihe deutscher 
Margarinefabriken völlig aus die Verwendung 
pflanzlicher Oele eingestellt; die ohnehin schwer rin 
gende deutsche Margarineindustrie befürchtet von 
dieser Maßnahme einen erheblichen Absatzrückgang 
und Abwanderung zu ausländischen Sorten. Viel 
eher Könnten die großen, mit ausländischen Riesen 
kapitalien arbeitenden Margarinekonzerne, denen 
Seifenfabriken größten Ausmaßes angegliedert sind, 
die nicht für die Margarineherstellung verwend 
baren minderwertigen tierischen Fette zur Seifen 
herstellung verwenden, wenn — und hier kommt das 
große Fragezeichen — ein angemessener Preis be 
willigt wird. Es ist ja eine bedauerliche Tatsache, 
daß man in der Nachkriegsküche fast völlig vom Ver 
brauch inländischen Fetts abgekommen ist. Die Haus 
ftauen wieder mehr zur Verwendung inländischen 
Fetts anzuhalten, ist eine Erzichungsaufgabe der 
Hausfrauenvereine. Wie immer der Kampf aus- 
gehen^ mag, vom Verbraucherstandpunkt sind ein 
wandfreie Rohstoffe auch bei der Herstellung ron 
Margarine oberstes Gesetz. 
Werden auf der einen Seite Qualitätsmerkmale 
gesetzlich festgelegt, so muß andererseits vom Ver 
braucherstandpunkt gefordert werden, daß stärker als 
bisher auch Sicherheiten geschaffen werden, damit 
den Lebensmitteln keine gesundheitlich schädlichen, 
der Verschönerung oder dergl. dienenden Zusätze 
beigemischt werden. Zwar hat das Reichsgesund 
heitsamt strenge Vorschriften für Honig, Kaffee, 
Kaffee-Ersatzmittel erlassen; es ist auch verboten, 
etwa den Gemüsekonserven durch Kupferlösung eine 
ichöne, grüne Farbe geben zu wollen, Milch zum 
Zwecke dre onservierung Salizylsäure zuzusetzen 
oder Mehl mit Mineralftaub zu vermischen. Alle 
derartigen künstlichen Veränderungen sind unlau 
tere, auf Täuschung der Verbraucher berechnete Ma 
nipulationen. Trotzdem werden noch immer Zusätze 
wie Borsäure verwendet, das ein starkes Zellgift ist. 
Der Käufer ist aber gar nicht in der Lage, die Stärke 
des Zusatzes zu kontrollieren. In den Fachblättern 
des Nahrungsmittelhandels wogt jetzt der Kampf 
um die Zulässigkeit von benzoesaurem Natron zur 
Verlängerung der Haltbarkeit von Fleisch- und 
Wurftwaren. Die Gelehrten sind sich auch hier wie 
der einmal nicht einig. Die eine Gruppe behauptet, 
eine bessere Beschaffenheit der Ware könne durch 
Benzoesäure nicht vorgetäuscht werden; die Halt 
barkeit würde aber verlängert, die Vermehrung der 
Bakterien gehemmt und ein Verblassen des roten 
Blutfarbstoffs verzögert. Zum Beweise der Unschäd 
lichkeit wird angeführt, daß der Tierkörper im nor 
malen Stoffwechsel stets kleine Mengen Benzoesäure 
(beim Pferd bis zu mehreren Gramm täglich) bil 
det, die zu verarbeiten auch der menschliche Orga 
nismus gewohnt ist, daß nennenswerte Mengen der 
Benzoesäure ohne Schaden verarbeitet werden kön 
nen. Demgegenüber weist die andere Gruppe an 
Hand von Tierversuchen nach, daß die Schleimhäute 
'tark angegriffen werden und sich das Bild entzünd 
licher Reaktion zeigt. Besteht auch nur das leiseste 
gesundheitliche Bedenken, so fordert die Verbrau 
cherschaft energisch eine eingehende wissenschriftliche 
Nachprüfung seitens des Reichsgesundheitsamtes; 
daneben die Möglichkeit einiger Kontrolle der evtl, 
genehmigten Zusätze und deren Mengen durch Auf 
druck auf den Verpackungen- Denn nicht nur Fleisch- 
und Wurftwaren — nach den Wünschen einiger In 
eressente nsollen auch dem Brot und Pumpernickel, 
'ofern sie verpackt sind, benzoesaures Natron zuge- 
etzt werden, so daß schließlich dem Körper tagsüber 
ungewußt und ungewollt ein ganz gehöriges Quan- 
um des fraglichen Konservierungsmittels einver 
leibt wird. 
Von Charlotte Mühsam-Werther. 
Erörterungen über Preisabbau stehen zurzeit 
im Mittelpunkt des Interesses für Wirtschaft und 
Hausfrauen. Der Leitgedanke ist Ankurbelung 
der deutschen Wirtschaft und damit gesteigerte 
Kaufkraft der Bevölkerung. In allen Betrieben 
ist der Jnlandsmarkt die Hauptstütze für den Ab 
satz, und es ist begreiflich, wenn von den notleiden 
den Industrien immer wieder an uns Hausfrauen ş 
der Ruf ergeht, in erster Linie deutsche War« 
zu kaufen, um so auch unsererseits die deutsch« 
Wirtschaft im heißen Wettkampf mit ausländischen 
Konkurrenten zu stützen. Beweismaterial für di« 
bedrohliche Lage zahlreicher Industrien durch 
mangelnden Jnlandsabsatz liegt in Hülle und 
Fülle vor. Hier sei einmal als charakteristisches 
Beispiel die unterbeschäftigte deutsche 
Porzellanindustrie erwähnt. — Es ist 
festgestellt, daß 20 000 Arbeiter (nach der Größe 
der Fabriken und nach ihrer Aufnahmefähigkeit) 
mehr beschäftigt werden könnten, wenn die deut 
sche Käuferschaft sich in höherem Maße als bisher 
des deutschen Porzellans annehmen würde. Es ist 
weiter errechnet worden, daß ein Jahreseinkauf 
von nur 50 Pfg. mehr pro Kopf der Bevölkerung 
genügen würde, um die deutsche Porzellanindustrie 
voll zu beschäftigen. 
RNö às. 
Nicht immer gehen Erzeuger, Händler und Ver 
braucher in ihren Wünschen und Forderungen einig. 
Der Ernst der Lage unserer heimischen Landwirt 
schaft fordert gebieterisch die Schaffung einer ge 
meinsamen Plattform. Möge das Handelsklassen- 
gefetz d zu beitragen, den Boden der Derständigung 
zu bilden. 
Ein neuer Modestoff. 
Die Vereinigung der englischen Aluminmm- 
fabrikauten hat nach langer Arbeit einen Frack 
aus Aluminiumgewebe hergestellt, und sie ver 
sucht jetzt, auch Frauenkleider aus demselben Stoff 
zu fertigen. Außer einer gesteigerten Haltbarkeit 
dieses Gewebes wird das Argument der Billigkeit 
-der Stoff soll nur ein bis zwei Mark pro Me 
ter kosten —gegen alle Bedenken ins Feld geführt. 
Dieses Modediktat erinnert uns in seiner Theorie 
— in die Praxis wird es wohl kaum umgesetzt 
werden — etwas an mittelalterliche Kleidungs- 
form. 
Kochunterricht für Knaben. 
In Halle a. d. Saals ist die Hallische Ver 
suchsschule dazu übergegangen, auch den Knaben 
Kochunterricht zu erteilen, damit sie sich auf ihren 
Wanderungen selbst ein schmackhaftes und kräf 
tiges Essen bereiten können. 
Hauswirtschaftswissenschaft für englische Jungen. 
Bei der jährlichen Konferenz, die die eng- i 
lischen Lehrerinnen in Canterbury haben, ist ein 
Antrag angenommen, daß künftig Knaben sowohl 
wie Mädchen in den hauswirtschastlichen Grund 
bedingungen, Nähen eingeschlossen, unterrichtet 
werden sollten. 
Fmmsmàèt — FmèZêmsĢêĢ. 
Frankreich: In Grenoble wurde Schwester 
Lezia, Oberin der Krankenpflegerinnen in der öf 
fentlichen Irrenanstalt von Saint-Robert, die gol 
dene Medaille für Armenpflege verliehen, eine 
selten gewährte Auszeichnung. Schwester Lezia ist 
jetzt 77 Jahrs alt, sie gehört der Kongregation der 
Barmherzigen Schwestern an und Ijcrt sich der Ar 
beit an den Geisteskranken feit beinahe 60 Jahren 
gewidmet. 
England: Als weiblicher Schmied arbeitet 
die erst 20jähr. Margaret Norton in der Schmiede 
zu Heatch-Town in Staffs. 
Was eins àu 
dorr peķz wrflerr maß.... 
Auf der kürzlich in Leipzig stattgefundenen 
Frauenwochs der Internationalen Pelz- und Jagd- 
ausftellung führte Fräulein Carin Cramer von 
Clausbruch in einem Referat u. a. folgendes aus: 
Die Frau ist die Hauptkonsumentin des Pelzes, 
wir alle tragen Pelz, sei es nun als Mantel, Kra 
gen oder Besatz, deshalb ist es auch für uns von 
großem Interesse, daß wir uns einmal mit dem 
Material, der Verarbeitung und dem Werdegang 
eines unserer Schmuckstücke beschäftigen. Wir wol 
len diesen Gang einmal verfolgen. Das Fell 
durchläuft ein« Reihe von Arbeitsgängen, ehe es 
brauchbar wird. Das getrocknete Fell ist hart im 
Leder, behaftet mit Fleischresten und das Haar 
unsauber und struppig. Die getrockneten Rohbälge 
werden demnächst gewalkt, d. h. di« Häute werden 
geschmeidig gemacht, kommen dann in die Bäkel 
maschine; werden durch die Entfleischmaschinen 
oder auch die „Fleischbank" von ihren Fleischresten 
befreit und gelangen in die Läuter- und Schüttel 
tonnen. Das Läutern der Felle spielt eine bedeut 
same Rolle, durch diesen Vorgang wird das Haar 
locker gemacht, und von allen Schmutz- und Fett- 
teilen befreit, welche durch Holzsägespäns in den 
Läutertonnen aufgesogen werden. Große Ein 
weichbottiche nehmen dann die Ware auf und 
Fellwenden bewerkstelligen darin das automati 
sche Waschen der Felle. Von da wandern sie in 
die Farbbottiche, wo sie wiederum maschinell in 
der Farblösung hin und her bewegt werden. Dann 
folgt die Trocknung in Trockenkammern und hier 
an schließt sich dann je nach Art der Felle das 
Rupfen. Scheren, Klopfen oder Bügeln. — Der 
ganze Hergang schaut so selbstverständlich, logisch 
und einfach aus, und doch ist es vieler Menschen 
alter Erfahrung, Versuche und Mühen, die dieses 
Handwerk auf den heutigen Stand seiner Vervoll- 
kommnung gebracht haben. — Das Färben ist na 
türlich nicht nur eine Konzession an die Mode oöer 
ein Trachten nach Imitationen, sondern man muß 
bedenken, daß zu einem Mantel oft 40 und mehr 
Einzelfellchen verarbeitet werden, und daß unter 
diesen eine Angleichung durch Nachfärben erzielt 
werden muß. Deshalb ist aber das gefärbte Pelz 
stück nicht halbwertig! Sogar Breitschwanz, eins 
der kostbarsten Felle, wird nachgefärbt. Durch 
seine geringe Haarhöhe zeigt es naturgemäß bei 
jeder Bewegung den Hellen Scheitel des Leders, 
deshalb beeinträchtigt es die Wirkung des Pelz- 
stückes und erst durch das Nachfärben des Leders 
kommt dis prächtige blaufchwarzo Naturfarbe des 
Lämmchens zur vollen Geltung. Es gibt natürlich 
auch Edelpelzwerk, das vollständig ungefärbt ge 
tragen wird. z. B. haben Skunks, Blaufuchs, Zobel. 
Nerz, Opossum, Steinmarder, Biber so dichtes 
oder langesş Haar, daß nie Leder durchscheinen 
kann. — Die rauchgar gegerbten und gefärbten 
Felle gehen an den Händler weiter, dessen Haupt 
aufgabe nun im Sortiment liegt. Fachkundige 
Sortierer stellen Sortimente zusammen, die in 
Farbe, Feinheit des Haares und Größe passen 
müssen; wichtig ist dabei auch die Höhe des Haares, 
der Fachausdruck heißt „Rauchs", somit hätten wir 
hier auch einmal die Erklärung für „Rauchwaren", 
die althochdeutsche Form für „rauh". — Sortiert 
gelangte die Rauchware nun in die Kürschner 
werkstatt. Dort wird noch einmal sortiert, auf 
das Genaueste festgestellt, welche Stücke am vor 
teilhaftesten zusammenpassen, je nach Bestim 
mungszweck. Es wird jedes einzelne Fellchen zer 
schnitten, damit auch die kleinste schadhafte Stelle 
wegfallt. Durch die unzähligen Nähte wird das 
Zerreißen des Leders verhindert und der Pelz 
strapazierfähiger. Die Arbeitsweise des Kürsch 
ners beim Zuschneiden ist ganz anders als z. 23. 
beim Schneider. Dis Mantelteile werden nicht 
aus dem fertig gestückten Pelz zugeschnitten — 
jedes Aermelteil, jedes Krageninuster wird also 
nicht aus dem Vollen zugeschnitten, — sondern 
das Muster wird zu unterst gelegt, und danach 
wird dann jedes kleinste Teil aneinandergearbei 
tet, also gewissermaßen in die Form hineingenäht, 
es darf von dem kostbaren Material nicht ein 
Stückchen Rest bleiben. Die tausendfältigen Nähte 
sind also nicht aus dem Notbehelf gestückelt, son 
dern dies gibt erst die Haltbarkeit und ist gerade 
das Kostbare am Pelzwerk und geschieht mit vol 
ler Absicht, durchdacht nach einer ganz bestimm 
ten Technik. Für das Pelznähen gibt es Spezial 
nähmaschinen, wie sie in der Kürschnerwerkstatt 
in Betrieb sind. Es macht direkt Freude, zuzu 
schauen, wie spielend sich auf diesen kleinen Ma 
schinen die Härchen bewältigen lassen, die so viele 
Mühe machen, wenn wir im Haushalt einmal 
dem Kürschner ins Handwerk zu pfuschen ver 
suchen. — In der gesamten Veredelungsindustrie, 
wie im Kürschnerbetrieb, hat natürlich jetzt viel 
fach die Maschine zur Entlastung der Menschen- 
kraft ihren Einzug gehalten, trotzdem besteht aber 
gerade in diesem Handwerk keine Gefahr, daß die 
Maschine den Menschen verdrängt, die Verschieden 
heit des von der Natur gelieferten Rohmaterials 
bedingt es, daß Menschenhand und Menschengoist 
nicht ausgeschaltet werden können. Somit ist die 
Rauchwarenbranche ein großer Berufskreis, der 
Tausenden von Familien Vrotgeber ist, was na 
türlich vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus 
sehr wichtig ist. Die stetig wachsende Nachfrage 
nach Rauchwaren hat es mit sich gebracht, daß 
nicht nur die Jagd und der Tierfang Pelztiere 
liefern können. Durch ständiges Abschießen würde 
ja schließlich auch eines Tages das Edelpelztier 
auf den Aussterbeetat kommen, darum hat hier 
die planmäßige Aufzucht von Pelztieren eingesetzt. 
Es gibt in allen Erdteilen heute Pelztierfarmen, 
auch in Deutschland, so in Bayern, Schwaben, 
Schwarzwald, Thüringen, Sachs. Schweiz werden 
jolche betrieben. Es werden dort in edelster Ab 
stammung Nerze, Nutria, Silber- und Blaufüchse, 
Waschbären (Schuppe) und Edelkanin gezüchtet. 
Die Aufzucht von Edelkanin, aus dem alles ge 
macht werden kann, ist für Deutschland ein aus 
sichtsreiche^ Gebiet. Was nun die Imitationen 
anbetrifft, so müssen „Imitationen" nicht für min 
derwertig gehalten werden, sie sind ein durchaus 
hochwertiges Erzeugnis, doppelt berechtigt in den 
heutigen Wirtschaftsverhältnissen, um breiten 
Kreisen zugängig zu sein. Man will durchaus 
nicht „Echtes vortäuschen", nur nach dem Beispiel 
edler Pelzarten niedere emporwerten. Das viel 
billigere Material soll eine dem Auge gleichfalls 
gefällige Wirkung erhalten und die Trägerin 
schmücken. Hier liegt vor allem die Wurzel des 
gesteigerten Konsums, da mit der Nützlichkeit die 
Schönheit verbunden ist. Der vielbegehrte Seal 
ist das Kleid einer Robbe. Aber selbst die hoch 
wertigsten Robbenarten haben in lebendem Zu 
stande ein unschönes Oberhaar, dieses muß ge 
rupft werden, um das prachtvolle Unterhaar in 
Erscheinung treten zu lassen. Die Felle werden 
dann gleichmäßig gefärbt, zeigen danach besondere 
Schönheit, und dies erst nennt der Fachmann 
„echten Seal". Ilm nun Seal zu imitieren, be 
dient man sich der Fischotter und zwar der echten 
Otter, diese wird dann auf gleiche Weise bearbei 
tet und ist fertig dem echten Seal außerordentlich 
verwandt und nur etwas billiger. Viel billiger 
sind die Imitationen aus niederen Pelzgattungen, 
Hudson-Seal, Seal-Kanin. — Imitationen, die 
den echten nahekommen, gibt es auch beim Fuchs, 
man färbt Weißfüchse auf Blau- und Silberfuchs, 
neuerdings auch in allen Modefarben, spritzt sie 
auch mit metallischem Glanz, und solchen Fuchs 
kann man schlechterdings nicht als unecht bezeich 
nen. Hauptsächlich befaßt sich die Imitation, mit 
weitverbreiteten, deshalb billigen Pelzarten, wie 
Ziege, Hase, Kaninchen und Lamm. Es besteht 
bei Imitationen nicht die Absicht der Tä> schung, 
sondern der Verbilligung oder Verschönerung 
minderen Materials nach dem Vorbild der Natur.
	        
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