Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 4)

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Landsszsîlung 
SchlESwîg-Kolstsînîschs 
123. Jahrgang. 
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Ner-sW. den 21. Moder 
Um Me Dķr bet NeichsLagspause 
(Schluß des Aufsatzes aus gestriger Nr.) 
Nicht minder freuen sich die Italiener. 
Die unpolitischen Heiraten der ältesten Töch 
ter des Königs — Yolanda heiratete den ita 
lienischen Grafen Carlo Calvi di Bergolo, 
Mafalda den Prinzen Philipp von Hessen — 
hatten keinen starken Anklang im Volke ge 
funden. Durch Mussolini ist das vordem m 
diesen Dingen indifferente italienische Volk 
ganz auf Politik eingestellt und erwartet von 
seinem Herrscherhaus, daß es persönliche In 
teressen denen des Landes unterordnet. Die 
bulgarisch-italienische Ehe ist ihm ein sichtbares 
«eichen außenpolitischen Erfolges. Solche 
äußeren Zeichen des Erfolges, und wenn es 
sich dazu noch um Herzensangelegenheiten 
handelt, vermögen die Italiener in ein Ge 
fühl der Genugtuung zu versetzen. Man kann 
sich wohl eine ähnliche Wirkung vorstellen, 
wenn sich die Verlobungsgerüchte zwischen 
der jüngsten Tochter Viktor Emanuels, der 
Prinzessin Maria, und Otto von Habsburg, 
dem Thronprätendenten des befreundeten 
Ungarn, bewahrheiten sollten. 
Ministerpräsidenten, so angenehm ihnen 
der Beifall des Volkes ist, denken aber meist 
weiter als die Menge. Mussolini in Nom 
und Liaptschcw in Sofia: Eine große Vet- 
ternschast mit Kronen auf dem Haupte oder 
Talern im Säckel ist auch für Herrscher ein 
Rückhalt, den man nicht unterschätzen sollte. 
Das Haus Savoyen hat zwar ein großes Ver 
mögen, aber noch nicht den richtigen verwandt 
schaftlichen Anschluß an die großen Dynastien 
(die Königin Elena von Italien ist bekannt 
lich eine Prinzessin von Montenegro). Die 
Koburger, in ihren einzelnen Linien sehr 
verschieden mit irdischen Glücksgütern ge 
segnet, kann man ohne Scheu als die er 
folgreichsten Ehepolitiker ansehen. Kein Haus 
trägt soviel Kronen, wenn auch einige davon 
am Kriegsende fielen. Koburger oder enge 
Verwandte mit ihnen sitzen auf den Thronen 
von London, Brüssel, Bukarest und Sofia. Die 
erste Ehe zwischen den Häusern Savoyen und 
Kobnrg war die Verbindung des italienischen 
Kronpinzen mit der belgischen Prinzessin 
Jose, nun folgt die zweite zwischen Boris 
und Giovanna. Nicht von ungefähr schlägt 
Mussolini Brücken von der Nordsee zum 
Schwarzen Meer. Man sieht, selbst in dieser 
demokratischen Zeit hat die Hauspolitik noch 
nicht ihre Rolle ausgespielt. Was der Kobur 
ger Boris an gutem Namen bieten kann, 
kann die Prinzessin Savoyen an „Aussteuer" 
bieten. Die Sofioter Koburger sind weniger 
wohlhabend, Boris gilt als der ärmste Herr 
scher Europas, die römische Mitgift kann sei 
ner Familie nicht schaden. 
Die religiösen Bedenken scheinen wegge 
räumt. Der 27 jährige Boris, obwohl katho 
lisch geboren, ist seit seinem siebenten Lebens 
jahre griechisch-orthodox. Die Umtaufe ge 
schah, um der bulgarischen Verfassung Genüge 
zu tun. Die katholische Giovanna, heute 28 
Jahre alt, dürfte nach den Vorschriften ihrer 
Kirche einen Andersgläubigen nur heiraten, 
wenn die katholische Erziehung aller Kinder 
garantiert wäre. Der Katholizismus des aus 
dieser Ehe geborenen Kronprinzen würde ihn 
aber von der Thronfolge in Bulgarien aus 
schließen. Wegen des Uebertrittes Boris' zur 
griechischen Kirche stand sein Vater Ferdi 
nand lange Jahre im Kirchenbann. Auch 
jetzt hat der Papst Schwierigkeiten gemacht; 
wie man sich geeinigt hat, ist der Oeffentlich- 
keit nicht bekannt geworden. Daß es aber 
irgendwie zu einer Einigung gekommen ist, 
ist selbstverständlich; denn die Trauung würde 
nie ohne die päpstliche Erlaubnis vorgenom 
men. Liaptschcw versichert, die Vorschriften 
der bulgarischen Verfassung würden streng 
eingehalten werden. Man darf vermuten, der 
älteste Knabe wird ariechisch-orthodor. alle 
übrigen Kinder werden katholisch erlogen. 
Politik der Regierung unterstützen. Diesen stehen 
15 Abgeordnete der Opposition gegenüber. Selbst 
wenn man den Vertreter des Christlich-Sozialen 
Bolksdienstes, was nicht unbedingt der Fall ist, zu 
den Regierungsparteien rechnet, so ist das Stimm 
verhältnis 14:14. Mit Stimmengleichheit gefaßte 
Beschlüsse gelten als abgelehnt. 
Der Haushaltsausschuß des Reichstages, 
der die Notverordnungen zu beraten hat, ist bisher 
zu seiner ersten Sitzung nicht einberufen worden. 
In diesem Ausschuß, der 35 Mitglieder zählt, ver 
fügen die Regierungsparteien, die Sozialdemokra 
ten und die Christlich-Sozialen zusammen über 18 
Abgeordnete, also gerade über die Mehrheit. Die 
Staatspartei ist nicht vertreten, da sie nicht Frak 
tionsstärke hat. 
.. Ein Streit um die Dauer der Neichstagspause 
Üt ausgebrochen. Die Opposition stützt sich aus den 
^likel 24 der Reichsverfassung, wonach der 
^aichstng in jedem Jahr in der ersten Novembcr- 
b>oche einberufen werden müsse. Die Regierung ist 
Şsr Meinung, daß dieser Vorschrift bereits durch 
'a Oktobertagung Genüge getan sei. Die Oppo- 
şinon ist der entgegengesetzten Ansicht mid beruft 
uch ferner darauf, daß der Reichstag jederzeit ein- 
^?ufsn werden müsse, wenn ein Drittel der Mit- 
llneder e5 W1 ļ an g, e . Die Reichsregierung ist der 
daß auch diese Bestimmung nicht Geltung 
Im ^nn die Mehrheit den Reichstag vertagt 
a X- jeden Fall sind staatsrechtliche Aussin- 
ddersetznngen über die Dauer der Reichstags- 
zu ermrrr+on. In der deutschnationalen und 
regierung gerichtet hat. Es handelt sich hier in 
der Hauptsache um politische Tötungsdelikte, also 
um die Amnestierung einer Reihe von sogenannten 
Fememördern — etwa 15 — und von 7 Kom 
munisten. Es ist aber anzunehmen, daß über 
diesen Kreis hinaus das Amnestiegesetz auch auf 
diejenigen Presonen Anwendung finden kann, die 
im Zusammenhang mit den Ruhrkämpfen und 
der Bekämpfung der Separatisten Strafen zu ge 
wärtigen hatten, soweit die Taten vor dem 1. Sep 
tember 1924 begangen wurden. Sicher ist. daß 
auch der kürzlich wieder vertagte Prozeß Fahl 
busch sowie der Fall Lampel durch die Amnestie 
erledigt sein dürften. Dagegen werden die Mör 
der Erzbergers nicht amnestiert, da es sich hier 
um eins Tat gegen ein Negierungsmitglied ge 
handelt hat. 
Sie EkWimg der WirlschsflspAlei 
iw ļîeichslaz. 
In der Schlußsitzung öes Reichstages am 
Sonnabend betonte, was nachgetragen sei, 
Abg. Drewitz (Wirtschaftspartei) in einer Er 
klärung, die notwendigen Regierungsmaßnah 
men müßten unverzüglich rücksichtslos und 
umfassend in Angriff genommen werden. 
Seine Partei werde trotz schwerster Bedenken 
dem Ueberbriickungskredit im Interesse von 
Staat und Wirtschaft zustimmen, bringe damit 
aber kein Vertrauensvotum für die Regierung 
zum Ausdruck, deren Umbildung man nach wie 
vor für unbedingt notwendig halte und nach 
drücklichst fordere, um so mehr, als die von der 
Regierung angekündigten Maßnahmen zur 
Lösung öes Arbeitslosenproblems völlig unzu 
reichend erscheinen. 
Verhaftet wurden bisher insgesamt 63 
frühere Abgeordnete und Senatoren der polnischen 
Oppositions- und Minderheitsparteien. 
n äu erwarten. In der deutschnationalen und 
sinonalsozialistischen Presse behauptet man, Vrü- 
habe Mt dieser Vertagung den ersten Schritt 
-iuin Staatsstreich getan und wolle den Reichstag 
ausschalten. 
Ueber die amtliche Auffassung verlautet fer 
ner, daß, nachdem der Reichstag den Tag seines 
Wieder,Zusammentritts auf den 3. Dezember fest 
gesetzt hat, eine vorherige Einberufung nicht mög 
lich sei. Es sei demnach als ausgeschlossen zu be 
zeichnen, daß ein Drittel der Mitglieder des 
Reichstages einen früheren Zusammentritt herbei 
führen könne. Sollte im Laufe des Monats No 
vember eins Lage entstehen, die dennoch eine frü 
here Einberufung des Reichstages wünschenswert 
erscheinen lasse, so bestehe immer noch die Mög 
lichkeit, aus Grund eines Antrages, der von noch 
Mehr Mitgliedern des Reichstages unterzeichnet 
lei, als der Beschluß, den Reichstag wieder am 
Dezember zusammentreten zu lassen, den Reichs 
lag vorher einzuberufen, . Ueber dis Auslegung 
“ Cs ersten und zweiten Absatzes in Artikel 24 kon- 
nett nach amtlicher Auffassung keinerlei Meinungs 
verschiedenheiten bestehen, da im dritten Absatz 
erndeutig festgelegt sei, daß der Reichstag selbst 
en Tag seines Wiederzusammentrittes bestimme. 
Artikel 24 der Reichsoersassung. 
?>rr dessen Sinn und Auslegung es hier geht, hat 
lolgenden Wortlaut: 
Der Reichstag tritt in jedem Fahre am ersten 
Mittwoch des Novembers am Sitz der Reichsregie 
rung zusammen. 
. Der Präsident des Reichstages muß ihn 
früher berufen, wenn es der Reichspräsident oder 
verla Drittel der Reichstagsmitglieder 
Der Reichstag bestimmt den Schluß der 
Tagung und den Tag des Wiederzusammentritts, 
^n einem Kommentar von Rechtsanwalt Dr. 
Zöph-el-Leipzig heißt es zum Absatz 3, der 
ei- „ - ķì völlig selbstherrlich in der Art, wie 
...J "ten wolle. Er verfüge darüber, ob er tage, 
rvunn er ' • k 
Die Reichstagsfraktion des Deutschen Land 
volkes hat sich in der Fraktionssitzung am Mon 
tag mit den letzten Beschlüssen des Reichstages be 
ugt. Es herrschte in der Fraktion Einmütigkeit 
in der Beurteilung der Lage des Kabinetts Brü 
ning, dessen Abhängigkeit von der Sozialdemokra 
tischen Partei nunmehr in aller Oeffentlichkeit er 
wiesen sei. Die Fraktion sieht, wie sie bekannt 
gibt, infolge dieser verstärkten Verbindung des 
jetzigen Kabinetts mit der Sozialdemokratischen 
Partei die Unmöglichkeit der Lösung der außen 
politischen und wirtschaftspolitischen Aufgaben im 
Sinne der Landvolkauffassung. Die Landvolk- 
partei bringt daher unter Aufrechterhaltung ihres 
Vertrauens zu Minister Schiele ihre Forderung 
nach einer grundsätzlichen Umbildung des Kabi 
netts unter Berücksichtigung des Wahlergebnisses 
zum Ausdruck. 
Auch hat man erneut Einspruch gegen die 
Vertagung des Reichstages erhoben und beim 
Reichspräsidenten sofortige Einberufung des 
Reichstages gefordert. Gleichzeitig wurde be 
schlossen, in persönlicher Aussprache des Vorstandes 
der Fraktion mit dem Reichskanzler .mid dem 
Reichspräsidenten diesen Schritt zu begründen. Die 
Fraktion sehe sich hierzu insbesondere dadurch ver 
anlaßt, daß der Reichstag' eine Reihe wichtiger 
Forderungen der Landwirtschaft zur Behebung der 
wachsenden Agrarnot unerledigt gelassen habe. 
Neues Berliner Selbstverwaltungsgesetz im Landtag, 
tion würde trotz mancher Bedenken an . der 
Vorbereitung des Entwurfs im Hauptausschuß 
mitarbeiten. 
Abg. Steinhofs (Dn.) erklärte, daß die bis 
herigen Verwaltungsmethoden in Berlin für 
die Vier-Millionen-Stadt völlig ungeeignet 
seien. Der Redner lehnte die Vorlage ab, 
weil sich hinter dem Bürgermeistcrsystem, das 
sie enthalte, die Präfektur verberge. Er be 
gründete den deutschnationalen Antrag auf 
eine große Dezentralisation der Verwaltung. 
Abg. Schwenk (K.) nannte den Entwurf 
einen Wechselbalg, der nur die eine Aufgabe 
hätte, die Fortführung der bisherigen politi 
schen Linie zu sichern. 
Abg. Hallensleben (DVP) beantragte, die 
Stadt Berlin gutachtlich zu hören, bevor das 
Gesetz verabschiedet werde. 
Abg. Gretzler (Dem.) meinte, man solle 
erst das allgemeine Gesetz für ganz Preußen 
abwarten und Berlin nicht unter ein Aus 
nahmegesetz stellen. 
Abg. Mentz (Wp.) lehnte die Ersetzung der 
Magistratsverfassung durch die Bürgermei 
sterverfassung ab. 
Die Vorlage wurde dem Gemeindeaus- 
schtttz überwiesen, der aber seine Beratungen 
erst beginnen wird, wenn das angeforderte 
Gutachten des Berliner Magistrats vorliegt. 
Nach 16 Uhr vertagte sich der Landtag auf 
Dienstag 16 Uhr: Diätenkürzung und Abstim 
mung über die Anträge auf Auflösung des 
Landtages usw 
waltungssystem zurück. Er bezeichnete es als 
bedauerlich, daß die Berliner Verwaltungs 
organe den Entwurf ablehnten. In dieser 
Ablehnung sehe die Staatsregierung jedoch 
keinen Beweis gegen die Zweckmäßigkeit der 
vorgeschlagenen Reform, die 
die dann eben ohne die Zustimmung oder 
Mitwirkung der Berliner 
in Angriff genommen werden müsse. Wert 
legt der Minister auf die Feststellung, daß die 
Staatsregierung weit davon entfernt sei, aus 
den Berliner Vorkommnissen Folgerungen 
allgemeiner Art gegen die Selbstverwaltung 
an sich oder auch nur gegen die Berliner 
Selbstverwaltung zu ziehen. Er wies darauf 
hin, daß das im Referentenentwurf bereits 
vorliegende allgemeine Verwaltungsgesetz 
voraussichtlich die obligatorische Einführung 
der Bürgermeisterversassung in allen prenßi- 
scheu Gemeinden vorschlagen werde. 
In der Aussprache warnte Abg. Fechner 
(Soz.) davor, aus einer Sklarekpsychose heraus 
dis Selbstverwaltung zu beschneiden. Es 
müsse geprüft iverden, ob es nicht besser iei, 
das allgemeine Kommunalverfasiungsgesetz 
abzuwarten. Die sozialdemokratische Frak- 
Das erste tschechoslowakische Kriegsschiff, der 
Donau-Monitor „Präsident Masaryk", wurde bei 
Ko morn vom Stapel gelassen. 
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