Landsszeîtung
Schleswîg-ļZoisteînîschs
123. Jahrgang.
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Heute Beginn der großen Aussprache
Lage gewesen, unseren dringendsten Finanzvedarf
zu befriedigen. So aber waren wir genötigt, uns
an das Ausland zu wenden. Vom Ausland
haben wir die erforderlichen Mittel zu befriedi
genden Bedingungen erhalten unter der Voraus
setzung, daß die Ermächtigung zur Aufnahme und
Tilgung der Anleihe durch Gesetze planmäßig
festgelegt wird. Ich richte an Sie, meine Herren,
die Aufforderung, dasselbe Vertrauen zur deut
schen Wirtschaft und zur Regierung zu haben wie
das Ausland. lLärm und lebhafte Zurufe rechts
und bei den Kommunisten.)
Die Reichsregierung hat ihr Sanierungspro
gramm bereits veröffentlicht. Seine Grundlage
ist ein vollkommen ausgeglichener Hanshalt für
1981, die Selbständigmachung der Arbeitslosen
versicherung, Sparsamkeit auf allen Gebieten, auch
bei den Gehältern sUnruhe), Vereinfachung des
behördlichen Apparats, besonders auf dem Gebiet
der Steuerverwaltung, sowie die Vorbereitung
eines endgültigen Finanzausgleichs, durch den den
Gemeinden auch die Verantwortung für die Ein
nahmen auferlegt wird. Die Reichsregiernng will
keine dauernde Senkung des Reallohns, sie will
aber das
«nhaltvar gewordene deutsche Preisgcbäude
unter allen Umständen ins Wanken bringen. Das
ist nicht zu erreichen, wenn nicht auch eine gewisse
Beweglichkeit in die Gehälter und Löhne gebracht
wird. Alle Schichten des deutschen Volkes müssen
Opfer bringen. (Rufe bei den Kommunisten: Aber
die Besitzsteuern werden gesenkt!) Dazu brauchen
wir auch die Mithilfe der Beamtenschast. (Abg.
Torgler, Komm.: Immer wieder der alte
Schmus!) Die Beamtenschaft wird das Opfer
bringen trotz der Hetze mancher Kreise gegen das
Verufsveamtentum. (Unruhe links. Rufe bei den
Kommunisten: Stegerwald! — Abg. Möricke,
i Komm., erhielt einen Ordnungsruf.) Die Re-
I gierung wird ungerechte Angriffe auf die Beam
ten abwehren. Sie nimmt für sich in Anspruch,
daß sie sich an sozialer Gesinnung von keiner ihrer
Vorgängerinnen übertreffen läßt. (Lärmender
Widerspruch bei den Kommunisten.) Aber wir
Währleisten. Die Regierung
möglichst viel Arbeitswillige
wieder in Arbeit «nd Brot
allen Umständen c.— .—
Unterstützung 1,-
wird das L.-. , , , .
ein Vergarbeitergesetz, eine
Ueber die gestrige Neichstagssitzung sei be
richtet:
Auf der Tagesordnung der Donnerstag
sitzung des Reichstages stand die Entgegen
nahme der Erklärung der Reichsregierung.
Verbunden mit der Beratung sind die An
träge auf Aufhebung der Notverordnung, die
Mitztrauensanträge der Deutschnationalen,
Kommunisten und Nationalsozialisten gegen
das Gesamtkabinett, die Anträge auf Anfhe-
bnng oder Revision des Aoungplanes, das
Schuldentilgungsgesetz, Anträge zum Metall
arbeiterstreik, Amnestieanträge und viele an
dere.
Das Wort erhielt
zu bringen. Unte<
t aber wird sie eine ausreichende
„..g der Arbeitslosen sicherstellen. Sie
Arbeitsschutzgesetz wieder vorlegen, dazu
Neuregelung der Un
fallverhütung und Sozialversicherung. Der Ent-
wurf eines Tarifvertragsgesetzes geht seiner Voll
endung entgegen. Unsere Preispolitik wird vor
allem einen wichtigen Schritt zur Wioderherstel-
lung des weltwirtschaftlichen Gleichgewichts be
deuten. .. „ 0 r
Ein rechtzeitiges und opferbereite» Zusam
menwirken aller beteiligten Wirtschaftskreise bie
tet die Gewähr dafür, daß noch größere und
schwerere Erschütterungen vermieden werden. Be
sondere Aufmerksamkeit hat die Reichsregiernng
den Koblenvrcisen zugewandt. Der Reichskanzler
M heuligkA Redner.
Für die heutige politische Aussprache ha
ben die Reichstagsfraktionen folgende Redner
bestimmt: Die Sozialdemokraten Müller-
Franken- die Nationalsozialisten Straffer und
Feder- die Kommunisten Pieck- das Zentrum
Joos- die Dentschnationalen Tr. Oberfohren-
die Deutsche Volkspartei Tauch- die Wirt
schaftspartei Drewitz- die Fraktion Deutsches
Landvolk Döbrich- die Bayerische Volkspar-
tci Leicht- der Christlich-Soziale Volksdienst
Nippel- die Staatspartei Dr. Weber. Ver
schiedene Redner werden sich damit begnügen,
eine Erklärung abzugeben.
Krise zu beheben'gedenkt. Voraussetzung für die
Durchführung dieses Wirtschafts- und Finanz-
reformprogramms ist die Ansrechterhaltnng der
Notverordnung, die die Reichsregiernng am
26. Juli 1930 erlassen hat. Bei einer Außerkraft
setzung der Notverordnung wären die wirtschaft
lichen und politischen Schwierigkeiten nicht mehr
zu überwinden. Gegen eine Ausschuß Überweisung
und wirkliche Verbesserungen, die Zweck und
Ziel der Verordnung nicht gefährden, hat die Re
gierung nichts einzuwenden.
Der Kanzler schätzt den
Steueraussall ans 459—fiOO Millionen,
für das nächste Jahr ans eine Milliarde.
Die außerordentlichen Schwierigkeiten könne man
nur durch außergewöhnliche Maßnahmen beivälti-
gen. Zahlreiche Deutsche hätten in mangelnder
Staatsgesinnung und Verblendung ihr Vermögen
in Auslandswerten angelegt. (Hört, hört!) Dre
Verzagtheit und der Kleinmut dieses Volksteckes
hätten die Finanzen auf das schwerste geschädigt,
sonst wäre der deutsche Geldmarkt wohl in der
Agrarhilfe, für den Schutz der Landwirtschaft
gegen die Ueberschwemmnng mit ausländischen
Produkten zu sorgen. Daneben werde sie jeden
gangbaren Weg zur innerdeutschen Absatzsiche
rung beschreiten. Zunächst seien in Aussicht ge
nommen ein Verwcndungszmang für wichtige
heimische Produkte und neue Wege für die Wege
des Roggenverzehrs. Der Reichsregiernng müsse
bei ihren Maßnahmen der entschlossene Selbst
behauptungswille der Landwirtschaft zur Seite
stehen. Die Durchführung des Osthilsegcsetzes
sei durch die Reichstagsauflösung verhindert wor
den (Widerspruch rechts). Die dringlichsten Maß
nahmen seien auf dem Verordnungswege geregelt
worden. Das Wirksamwerden einer Osthilfe
hänge ausschließlich von der Wiedergewinnung
der landwirtschaftlichen Rente ab. Höchstes Ziel
jeder deutschen Innen- und Außenpolitik, so er
klärte der Kanzler weiter, ist die
Erringung der nationalen Freiheit
und der moralischen und materiellen Gleichbe
rechtigung Deutschlands. (Lärmende Zwischenrufe
bei den Nationalsozialisten — Abg. Strasser er
hielt einen Ordnungsruf.) Der Weg zur Verfol
gung dieses Zieles wird wie bisher der Weg des
Friedens sein. Eine Politik der Abenteuer lehnt
die Reichsregierung ab. Seitdem die Sachver
ständigen im vorigen Jahr den Neparationsbertcht
abgeschlossen haben, ist die allgemeine Wirt
schaftslage in Deutschland und in der Welt von
Monat zu Monat schlechter geworden. Deutsch
land, das schon schwere Zeiten politischer, sozialer
und wirtschaftlicher Erschütterungen hinter sich
Absicht der Regierung, Ordnung in die Fr-
nanzverhältniffe zu bringen, mit Genugtuung
feststellen könne. Es handle sich nur darum,
zu wissen, ob die Mitglieder des Reichstages
sich diesem Entschluß fügen würden oder nicht.
Das linksgerichtete „Oeuvre" sieht in der Re
gierungserklärung ein Mittel, alle Parteien
zufrieden zu stellen und gleichzeitig zu verär
gern. Es werde Brüning außerdem auch ganz
gleich sein, ob er im Reichstag eine Mehrhei:
finde oder nicht, denn er sei schon jetzt fef:
entschlossen, den Reichstag in die Ferien zu
schicken, um aufgrund des 8 48 zu regieren.
TU. Paris, 17. Oktober. (Eig. Funkmel
dung.) Die Regierungserklärung Brünings
wird von den Pariser Blättern stark beachtet.
Das „Echo de Paris" betont, es sei heute
lächerlich, zu glauben, daß die Nationalsozia
listen die einzige Gefahr für Europa darstel-
len. Viel gefährlicher sei die jetzige deiche
Regierung. Es sei zu hoffen, daß die Rede
Brünings im Reichstag allen Franzosen die
Augen öffne. Sie sei allein dafür bestimm»,
die von Deutschland unterschriebenen Ver
pflichtungen über den Hansen zu werfen. Das
„Journal" hebt hervor, Brüning habe den
außenpolitischen Teil seiner Erklärung mit
der Vorsicht eines Staatsmannes revidiert,
der vom Ausland eine dringende Unterstüt
zung von 3 Milliarden Frcs. erwarte. (Ange
spielt wird hier ans den neuesten deutschen
Auslandskredit. Schriftltg.) Die Zurückhal
tung mindere jedoch nicht die Zugeständnisse,
die er den Anhängern einer Revision der
Verträge habe machen müssen. Im großen
und ganzen nehme der Reichskanzler das ge
samte Programm der rechtsstehenden Par
teien an mit der einzigen Einschränkung, daß
der Ausgang der Aussprache im Reichstag
mcrde nichts daran ändern, daß sich alle Par-
teien darin einig seien, dlß die gegenwärtige
Lage es Deutschland nicht erlaube, den einge
gangenen Verpflichtungen nachzukommen. Der
sozialistische „Popnlair" sagt, die Ausführun
gen über die Stärkung der Reichswehr seien
zu erwarten gewesen, nachdem sich die Sieger
des Weltkrieges geweigert hätten, den Weg
der Abrüstttng zu beschreiten. Wenn heute die
gerüsteten Staaten die Lage für zu unsicher
hielten, um abzurüsten, wieviel beunruhigter
müßten diejenigen sein, die bereits abgerü
stet hätten!