Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 4)

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LanLeszeîtung 
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123. Jahrgang. 
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nommen. eine Ersatzpflicht ob. Haftung bei Nichteinhaltg. 
derartiger Bestimmungen also nicht anerkannt werden. 
Der Schleswig-Holsteiner-Bnnd hat ver 
sucht. in seinen Eutiner Verhandlungen über 
die Reichsreform sich von dem rückschritlichen 
provinziellen Partikularismus zu lösen und 
die Stellung Schleswig-Holsteins zu einer 
Reichsneugliederung nach großdeutschcn Ge 
sichtspunkten festzulegen. Diese erfreuliche 
Tatsache hat dem Bund die Gegnerschaft vieler 
Männer eingetragen, die das >Heil unserer 
Heimat in ihrer Zugehörigkeit zu Preußen se 
yen und alles Gute, besonders Geld, von Ber 
lin erwarten. Finanzielle Abhängigkeit von 
Berlin hat uns aber auch die kulturpolitische 
Unselbständigkeit gebracht. Ein unverbesser 
licher Optimist, wer im übrigen nach den Er 
fahrungen der Nachkriegszeit noch viel von 
Berlin erwartet für die Nordmark und ihren 
Grenzkampf. Den Ausführungen Dr. Alnors 
zur Begründung der Eutiner Entschließung 
ist von den Vertretern des partikularistischen 
Standpunktes bis jetzt noch nichts entgegen 
gesetzt worden, was irgendwie die Schlußfolge 
rungen hätte erschüttern können. Insbesondere 
muß aufs schärfste zurückgewiesen werden, daß 
Dr. Alnor und alle anderen, die für Einglie 
derung Schleswig-Holsteins in ein größeres 
niederdeutsches Reichsland sich einsetzen, die 
Selbständigkeit der Provinz opfern wollen. 
Was geopfert werden soll, muß erst einmal da 
sein. Schleswig-Holstein ist heute preußische 
Provinz ohne die geringste Autonomie, die sie 
nicht einmal auf grenzpolitischem Gebiet hat. 
Nach der von uns vertretenen Auffassung 
sollen die Rechte der Provinz gerade auf die 
sem für uns wichtigen Gebiet ber der Neuglie 
derung vergrößert werden. Wir haben Berlin 
und dem Zentralismus genug geopfert, jetzt 
gilt es, zurückzuerwerben. Die Nvrmarkpoli- 
tik der Vorkriegszeit sollte eine Warnung sein. 
Selbstverständlich müssen die Vorausset 
zungen für die Beurteilung der Frage, welche 
Lösung von Seiten Schleswig-Holsteins emp 
fohlen werden kann, noch genauer untersucht 
und teilweise erst geschaffen werden, darin 
wird man der Industrie- und Handelskammer 
Kiel unbedingt beipflichten müssen. Und das 
ist auch von dem Schleswig-Holsteiner-Bunö 
wohl kaum verkannt worden. Aber allein die 
Tatsachen und Beziehungen, die ohne nähere 
Untersuchung schon jetzt bekannt sind, fordern 
so stark eine Lösung, die den Rahmen der Pro 
vinz sprengt, daß der Schleswig-Holsteincr- 
Bund recht damit tat, daraus die im Jnterelle 
unserer Heimat und Deutschlands liegenden 
Folgerungen zu ziehen. £ 
Stunde in Anspruch nehmen wird. Mit der 
Regierungserklärung sollen in der Beratung 
nicht nur die Mißtranensanträge und die 
Anträge ans Aufhebungen der Notverordnun 
gen, sondern auch der Ueberbrückungskredit 
tSchuldentilgungsgesetz) verbunden werden. 
Die Anträge sollen unmittelbar nach der Re 
gierungserklärung dem Haushaltsausschuß 
überwiesen werden, der sie so schnell beraten 
soll, daß ihre zweite und dritte Lesung mit 
der großen politischen Aussprache verbunden 
werden kann. Wenn das gelingt, könnte die 
Entscheidung über alle diese Gegenstände bis 
zum Sonnabend fallen. 
genommen. Zum Schluß stellte Frick fest, daß 
seine Fraktion der Wahl des Frontsoldaten 
Scholz zustimme. 
Tann begann der Namensaufruf, der fast 
eine Stunde in Anspruch nahm. 
Bei der Wahl des Präsidenten wurden 
insgesamt 556 Stimmen abgegeben, zwei Stim 
men waren ungültig, davon für den Abg. 
Lobe (SPD.) 266 Stimmen, für den Abg. 
Dr. Scholz (DVP.) 179 Stimmen, für den 
Abg. Pieck (KPD.) 68 Stimmen, für den Abg. 
Graes (TN.) 41 Stimmen. Ta keiner der Kan 
didaten die absolute Mehrheit von 278 Stim 
men erreicht hatte, mußte Stichwahl zwischen 
Lobe nnd Scholz erfolgen. Hierbei wurde 
Abg. Lobe (SPD.) mit 269 Stimmen znm Prä 
sidenten gewählt. Abg. Scholz (DVP.) er 
hielt 209 Stimmen. Die übrigen 77 Stimmen 
waren ungültig. Das Ergebnis wurde aus 
der Rechten mit Entrüstung, bei den Sozial 
demokraten mit Händeklatschen aufgenommen. 
Es folgte die Wahl der drei gleichberech 
tigten Vizepräsidenten. Als erster Vizeprä 
sident wurde mit der absoluten Mehrheit 
von 288 Stimmen der Nationalsozialist 
Stöhr, als zweiter Vizepräsident der Zen- 
trnmsabgeordncte Esser mit der großen 
Mehrheit von 427 Stimmen gewählt. Die 
Wahl des dritten Vizepräsidenten machte eine 
Stichwahl erforderlich, in der Abg. Graes- 
Thüringen (DNVP.) 231 Stimmen erhielt, 
während für den zweiten Kandidaten, Abg. 
Dr. Pfleger (Bayerische Volkspartei), 206 
Stimmen abgegeben wurden. 
Ohne Debatte wurden die Anträge der 
Sozialdemokraten und anderer Parteien auf 
Herabsetzung der Abgeordneten-Diäten und 
der Bezüge des Reichspräsidenten und der 
Minister dem Haushaltsansschuß überwie 
sen. . , 
Heute nachmittag um 3 Uhr beginnt mit Frags sofort in eine eingehende, alle Seiten des 
der Regierungserklärung die greif politische Problems berührende Prüfung eingetreten werde. 
Allerdings ist die Mehrheit Löbes größer, 
als man vielfach angenommen hatte. Das 
wird in parlamentarischen Kreisen nicht zu 
letzt darauf zurückgeführt, daß, auch in der 
Stichwahl, nicht alle Dcutschnationalen für 
Dr. Scholz eingetreten sind. Das stimmnngs- 
mäßige Ergebnis der Wahlen ist eine Ver 
ärgerung der Deutschen Volkspartei gegen die 
Deutschnationalen, die schon einsetzte, als diese 
im ersten Wahlgang für einen Angehörigen 
ihrer eigenen Fraktion stimmte. In Kreisen 
der Deutschen Volkspartei machte man daraus 
den Deutschnationalen den Vorwurf, den Ein 
druck einer großen Demonstration der Rech 
ten vereitelt zu haben. Diese Stimmung fand 
ihren Niederschlag, als der Vizepräsident 
Graes gewählt wurde. Die Deutsche Volks 
partei revanchierte sich, indem sie zunächst für 
Dr. von Kardorff und in der Stichwahl zum 
großen Tflil. für . den. Abgeordneten Pfleger 
eintrat, ohne daß diese Haltung . praktische 
Folgen hatte. Durch diese stimmungsmäßige 
Entwicklung ist der Bruch der Deutsche» 
Volkspartei mit dem Zentrum, der aus ihren 
Kreisen wegen des Eintretens des Zentrums 
für Löbe angekündigt wurde, verhindert wor 
den, so daß die Haltung der Deutschnationalen 
dem Einvernehmen zwischen den Regierungs 
parteien zugute kommt. 
Das ist nach Ansicht parlamentarischer 
Kreise nicht ohne Bedeutung für die Abstim 
mung der Mißtraucnsauträge, die, wie man 
übrigens gestern glaubte, nicht vor Dienstag 
stattfinde!? würde. Richtig ist daran, daß man 
allgemein Abstimmungen an Sonnabenden 
vermeidet, da viele Abgeordnete am Wochen 
ende nicht in Berlin zu sein pflegen. Es 
verlautet aber, daß diesmal ausnahmsweise 
die Abstimmungen bereits am Sonnabend 
durchgeführt werden sollen. Dies ist auch der 
Grund dafür, daß nach der heutigen Re 
gierungserklärung nur eine Pause von einer 
Stunde eingeschoben wird und dann gleich 
die erste Rednergarnitur der Parteien be 
ginnt. So erhofft man für Sonnabend die 
Vertagung des Reichstages bis Anfang De 
zember. Tie Voraussetzung dafür ist aller 
dings, daß die Mißtrauensvoten von der 
Mitte und der Sozialdemokratie abgebogen 
werden. Die Frage, ob das möglich sein wno, 
betrachtet man in parlamentarischen Kreisen 
nicht ohne Zusammenhang mit der Haltung, 
die der Reichsarbeitsminister im Konflikt der 
Berliner Metallindustrie einnehmen wird. 
Zwischenraf. 
So berechtigt und lebenswichtig die deutsche 
Forderung auf Revision der Tributzahlungen 
ist, so begreiflich ist — wobei man gar nicht An 
walt der „Gläubigerstaaten" zu werden braucht 
—die Erwartung, daß Deutschland seinen Willen 
zur Sparsamkeit beweisen solle. 
Dieser wäre vor allem an der öffentlichen 
Verwaltung zu erproben. Warum muß Deutsch 
land, in dem der Fassaden-Lichterspuk großer 
Städte nicht über Not und aber Not im Volke 
hinwegzutäuschen vermag, den außergewöhnlich 
teuren diplomatischen Dienst haben? Weshalb 
mußte es auf internationalen Konferenzen, von 
denen nicht viel zu holen war, am stärksten ver 
treten sein, um zwei Beispiele unter manchen zu 
nennen? 
Wo doch jede paffende Gelegenheit genutzt 
werden müßte, auf unsern Notstand und die Aus 
saugung durch Poung unmißverständlich hinzu 
weisen! 
Die offizielle Rede von Sparsamkeit blieb 
bisher Zukunftsmusik. Das hat uns schon Parker 
Gilbert angekreidet. 
Den sog. Gläubigerstaaten ist nicht über den 
Weg zu trauen. Wir wissen nicht, ob sie nach 
lassen würden, selbst wenn spartanische Einfach 
heit in unserm öffentlichen Leben Platz gegriffen 
hätte. Doch würden wir bei genügender Durch 
führung des Sparsamkeitsgrundsatzes der Gegen 
seite einen Vorwand aus der Hand schlagen und 
die Grundlage für unsere Forderung noch stärken. 
TN. Berlin, 16. Oktober. (Eig. Funkmldg.) 
Die Wahl des sozialdemokratischen Reichs 
tagsabgeordneten Löbe wird von den Berli 
ner Blättern je nach der Parteizugehörigkeit 
verschieden beurteilt. Tie „Vörsenzeitung" 
meint, daß dieses nach dem eindeutig anti 
marxistischen Wahlausfall des 14. September 
um so beschämendere Ergebnis nur dadurch 
ermöglicht worden sei, daß neben dem Zen 
trum und der Bayerischen Volkspartei auch 
noch verschiedene, keineswegs dem Lager des 
Marxismus zuzurechnende Kräfte die Fahne 
des Bürgertums schnöde im Stich gelassen 
hätten. Der „Tag" sagt, Löbe verdanke seine 
Wahl nur dem Uebergangsstadium, in dem 
die Mitte noch nicht ganz zerrieben sei. Tie 
„T. A. Z." schreibt, da Nationalsozialisten und 
noch immer Sozialdemokraten und Zentrum 
in Front seien, seien schlechte Zeiten für die 
Taktiker der Zwischengruppen. Die „Ger 
mania" findet es bedauerlich, daß der Ver 
lauf der Wahl des Reichstagspräsidenten bei 
vielen einen bitteren Beigeschmack hinterlas 
sen habe. Die große Auseinandersetzung hätte 
bei gutem Willen vermieden werden können. 
Ter „Vorwärts" erklärt, Löbe habe überlege 
ner gesiegt, als anzunehmen gewesen sei. Die 
Volkspartei habe sich bis auf die Knochen 
blamiert. Die „Deutsche Tageszeitung" hält 
vor allen Dingen das Verhalten des Christ 
lich-Sozialen Volksdienstes für unbegreiflich. 
Die „Vossische Zeitnug" spricht von einem 
Sieg der Sachlichkeit und meint, Brüning 
habe die erste Klipve überwunden. Das „Ber 
liner Tageblatt" spricht von einem Sieg der 
Im dänischen Folkething wurde am Mittwoch 
die Aussprache über die Abrüstungsvorlage der 
Regierung fortgesetzt. Nachdem am Dienstag die 
Konservativen versucht hatten, die ganze Aus 
sprache zu sabotieren, indem sie die Aussetzung 
verlangten, bis ein Ergebnis der Abrüstungskon 
ferenz in Genf vorliege — dieser Vorschlag wurde 
mit allen gegen die Stimmen der Konservativen 
abgelehnt — nahm am Mittwoch der Wortführer 
der bürgerlichen Radikalen Stellung. Er wies vor 
allen Dingen darauf hin, daß es eine 
unmögliche Taktik der Konservativen 
sei, di« letzten deutschen Neichstagswahlen als 
Schreckgespenst für Dänemark in Anspruch zu neh 
men. Er stellte weiter fest, daß auch die Venftre 
wie die bürgerliche Linke die allgemeine Wehr 
pflicht für Dänemark nicht fordere. Der Vertre 
ter der Rechtspartei erklärte hierauf, daß es sei 
ner Partei in erster Linie darauf ankomme, daß 
die allgemeine Wehrpflicht nicht aufgehoben 
werbe. Mit Ausnahme der Konservativen schei 
nen also alle Parteien für die Aufhebung der all 
gemeinen Wehrpflicht einzutreten. 
Die Präsidentenwahl. 
Löbe, Stöhr, Esser, Graef. 
Vor Tätigung der Wahl des Reichstagsprä 
sidenten schlügen die Sozialdemokraten den 
Abgeordneten Löbe vor. Tie Christlich-Sozi 
alen ließen durch den Abg. Nippel erklären, 
daß sie ebenfalls für den Abgeordneten Löbe 
stimmen würden. Tie Deutsche Volkspartei 
brachte den Abgeordneten Dr. Scholz rn Vor 
schlag, während die Kommunisten mit dem 
Abg. Pieck aufwarteten. Die Natronaliozialk- 
sten erklärten durch den Mund des Abg Dr. 
Frick, es sei eine Verfälschung des ^ollmvil- 
lens, wenn der Reichstag wiederum einen 
Marxisten zum Präsidenten wähle. Tie Er 
klärung des Redners, daß seine Partei die 
Wahl des Kriegsdienstverweigerers 1 ove ao- 
lehne, wurde von den Nationalsozialisten mit 
stürmischem Beifall, von den sozialdemotra 
ten mit Gegenkundgebimgen und Lar« au;- 
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