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Nr. 228
Zur Unterhaltung
Beilage der Schleswig-Holsteinischen Landeszektung (Rendsburger Tageblatt)
Montag, den 29. Sept. 1930
Bon Hermann S
Don den Eilanden, die im Schoße des nimmer
ruhenden Nordmeeres vor Schleswigs Westküste
ruhen, ist wohl unbestritten die Insel Sylt durch
den mannigfachen landschaftlichen Formenreichtum
das herbste, aber dadurch auch das stolzeste und erha
benste Fleckchen Erde. Hier wirkt trotz des Bade
trubels, trotz der modernen Zivilisation, die boden
fremde Wrenschen in verstärktem Maße zu uns ge
tragen haben, doch die Landschaft stets in ihrer
frischen Ursprünglichkeit und redet eine eindring
liche Sprache von Menschenschicksal, von Freud und
Leid längst entschwundener Zeiten und Stunden,
das aber auf uns, die wir um dieses Schicksal wis-
ien, einmal den hohen Mittelrücken sehend durch
wandern wollen, befteiend und stärkend wirkt.
Da ist zunächst das liebliche Keitum, das wie ein
kleines Paradies am schönen Keitumer Kliff unter
rauichenüen Bäumen versteckt liegt und noch so
manche traute Stätten aus alter Zeit sein eigen
nennt. Am amphibischen Wattenmeer entlang geht
es nach Braderup, dem höchst gelegenen Dorfe, das
der Sage nach von 3 Jäten, die in einem strengen
Winter zu Fuß über das Eis nach Sylt kamen, ge
gründet worden sein soll. Möge dem so sein, wie es
will, — heute ist Braderup gut friesisch — es "st
doch einst in alter Zeit geschehen, in der Zeit, von
der die umdämmernde Geschichte sich rankende Sage
uns Kunde zuträgt von dem heldenhaften Kämpfen
der Bewohner der Norddörfer mit den Unterirdi
schen, die in hellen Mondesnächten auf der hoch
gelegenen Novddörfer Heide umhergeisterten und
den Syltringischen Riesen manchen tollen Streich
spielten, bis die Geduld der letzteren zu Ende war,
bis sie die Unholden mit Stumpf und Stiel aus
rotteten. Die Gräber dieser harten, sturmgewohnten
Borfohren liegen auf der hohen Heide zwischen Bra-
devup und Kämpen, zum Teil noch unberührt von
Menschenhand. Don dem Brödehügel meldet die
Mär, daß in ihm ein geldgieriger Seeräuber, der
noch nach dem Tode auf die Mehrung seines zu
Unrecht erworbenen Schatzes bedacht ist, auf seiner
eisenbeschlagenen Geldkiste sitzt, um so durch Brü
ten seine blanke Habe zu vergrößern. Sein Ge
wissen läßt ihm jedoch nicht oft Ruhe. In wilden
Sturmesnächten sieht man ihn mit einer Laterne,
die er wild schwingt, auf dem Hügel stehen, um im
brandenden Wetter Vergessen zu suchen. Dann ist
der Weg nach Kämpen nicht geheuer, bann leben
sie alle wieder auf, die hier in den Grabhügeln zu
beiden Seiten des Weges ihre Ruhe nach'langer
Zeit des Kämpfens und Seefahrens gefunden haben.
Auf dem Reisehügel steht Fin, der König der Unter
irdischen, und trauert um schn verlorenes Menschen
weib, das menschlicher Fürwitz ihm wieder abnahm,
oder ihn quält die Sorge um den Untergang seines
kleinen Volkes, das in mörderischer Schlacht bei dem
Dorfe Wenningstedt durch die Grütze streuenden
VefZelis LĶZĢchķ.
Ein Gang durch die Insel Sylt.
ch m i d t, Westerland.
syltringischen Frauen nach fast errungenem Siege
ein schmähliches Ende fand. Westwärts davon
schleppt Eke Nckepen, der Meergott, mit der ge
waltigen Last des Sattelsteines aus dem Reisehoog,
um nicht durch Preisgabe dieses Steines die Kö
nigswürde der Unterirdischen zu verlieren, das letzte
bißchen Würde, dos ihm nach seinen trüben Erfah
rungen im Umgang mit den Menschen noch geblie
ben ist. Zu beiden Seiten des Leuchtturmes von
Kämpen schlafen in gewaltigen Grabhügeln die letz
ten Könige unserer Vorfahren ihren wohlverdien
ten langen Schlaf, bis einst die Zeit kommt, in der
sie wieder in ihre Rechte treten. Noch piek, viel
mehr meldet uns die Sage von den windumrausch-
ten Ruhestätten.
Doch wir haben inzwischen Kämpen erreicht und
lassen das Auge in liebliche Fernen schweifen, weit
über die herrliche, Grabhügel besäte Norderheide,
über die erhabene stolze Dünenpracht zu der Kam-
pencr Vogelkoje, die einst von Niederländern ge
schaffen wurde. Ueberall, wohin das Auge blickt,
trinkt es den wohl abgestimmten Dreiakkord: himm
lische Bläue, prangende Landschaft und rauschendes
Meer. Das ist Kämpen in seiner erhabenen Größe,
die Perle unserer Rovdseebäder. Noch grandioser
offenbart sich uns die Sylter Inselstimmung auf
dem „Roten Kliff", das wir zu einer Wanderung
auf ihr nach Wenningstedt betreten. Hier zeigt
sich Sylt in feiner richtigen Gewaltigkeit: 30 Meter
steil abfallendes Kliff, donnernde Nordseebrandung
und auf dem Kliff steil aufragende Dünen, die in
alten Tagen so mancher Menschenstätte den Tod
bereitet haben. Wir betreten auf dem Kliffplateau,
das sich in der ganzen Länge von Kämpen bis
Wenningstedt hinzieht, die Stätte des alten Dorfes
Kjeptrum, das durch den leise rieselnden Dünen
sand ein trauriges Ende fand. Noch heute deuten
alte, verwehte Spuren auf einstiges Menschenglück
an dieser Stelle hin. Hier und bort findet man wohl
auch noch ein altes Gerät, das vor Zeiten unseren
Vorfahren lebensnotwendig war. Haufen von
Topfscherben weisen auf die einstige starke Besieo-
lung hin. Doch versunken und vergessen ist jetzt
das Leid. Bald stärker und bald schwächer singt
der mit dem Dünensand sein mutwilliges Spiel
treibende Westwind darüber sein Klagelied, das
aber nicht gerade traurig, sondern stolz und er
haben klingt. Doch uns treibt es weiter. In einem
links vom Weg liegenden Dünental finden wir recht
beschauliche Ruhe auf dem Urboden des Kliffes.
Auch hier wieder die Spuren aus alter Zeit, Scher
ben und Steinsplitter in großer Mannigfaltigkeit.
Ein eigenartiges Gefühl beschleicht einen da, ein
Gefühl, das uns an die Bibelworte denken läßt:
Ziehe deine Schuhe aus; denn der Grund, auf dem
du stehest, tft heiliges Land! Fürwahr, recht heilig
ist uns das Land, das die Quelle unserer Kraft ist,
in dem wir Syltringer wurzeln mit unserem ganzen
Sein. — Zu stillen beschaulichen Betrachtungen ist
hier jedoch keine Stätte. Bald haben wir Wenning
stedt erreicht und voll Ehrfurcht vor unsren alten
Vorfahren, betreten wir den Denghoog, das am be
sten erhaltene norddeutsche Dolmengrab, das heute
leiber dem Badetvubel durch um ihn liegende Neu
bauten immer näher gerückt wird. Stört uns die
Außenwelt, so werden wir sofort ausgesöhnt, wenn
wir die umfassende Steinlkammer des Hügels be
treten und die über unseren Häuptern wirkende
Last der wuchtigen Decksteine erblicken. Wahrlich
dann wird der stolze erhabene Mensch unserer Tage
klein vor dem nicht geringen technischen Können
unserer mit primitiven Mitteln sich behelfenden
Vorfahren. Das stärkt unsre friesische Seele und
löst bestimmt neues Wollen im Dienste der Heimat
in ihr aus. — Durch Wenningstedt, das heute gänz
lich -den Charakter eines Friesendorfes durch häß
liche Neubauten, die die Ba-dezeit mit anderen un
heilvollen Einflüssen mit sich gebracht, verloren
hat, gelangen wir über Braderup wieder nach Kei
tum, unserem Ausgangspunkt, zurück.
Aus diesem wunderbaren Erleben klingt uns
allen, die es mit frohem, dankerfülltem Herzen ver
nehmen wollen, eine stille, beherzigende Mahnung
heraus: Das halte fest mit deinem ganzen Herzen!
Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft! — Und
sie sollen es immer bleiben!! —
Rüm Hart — klaar Kimming!
ŅNà Wdt
Das sterbende französische Torf.
Die Landflucht nimmt in Frankreich be
drohliche Formen an. In manchen Gegenden
wandert die Bevölkerung in so starkem Maße
ab, daß die Dörfer fast ganz entvölkert sind
und die Arbeit auf den Feldern, die von den
wenigen zurückgebliebenen Bauern noch be
treut werden, von ausländischen Landarbei
tern verrichtet werden muß. Ein Pariser
Blatt schildert diese Entwicklung folgender
maßen:
Ein Dorf in Frankreich liegt im Sterben.
Es sind dort nur noch neun Einwohner, wahr
scheinlich alte Leute, die sich an ihr Stück
Grund klammern, die noch standhalten im
Schatten ihres Kirchturms, in der Nähe des
Friedhofs, auf dem sie bald zur letzte!: Ruhe
werden bestattet werden. Kein Krieg hat das
Dorf entvölkert und verwüstet. Wohl wegen
der schwierigen Lebensverhältnisse sind die
Leute einer nach dem anderen fortgezogen.
Die Mädchen sind in die Fabriken gegangen,
die Burschen zur Eisenbahn. Die Eltern sind
allein gelassen, um dem kargen Boden eine
Handvoll Erdäpfel abzuringen. Aber das ist
nicht das erste Dorf, das seine Lebenssäfte
verliert, jedoch unglücklicherweise ist es auch
nicht das letzte. Ich kenne Ansiedlungen, aus
denen die jungen Männer und Frauen flie
hen. Die Arbeiter, die auf dem Lande arbei
ten, sind Fremde, die vielleicht einst unseren
Boden besitzen werden. Dann wird man auf
den Geschäftstafeln tschechoslowakische, italieni
sche und polnische Namen lesen anstelle der
Cannes', Trêmeaux' und Cruchcts ans der
Cologne und der Touraine. Gewiß, unser
Geschlecht wird diese vollständige Aenderung
nicht erleben, denn das erfordert Zeit, aber
doch nicht so viel Zeit, als man glaubt. Das
Absterben der Liebe für das Land hat tiefe
Ursachen, die oft anders sind, als man meint.
Die schlechten Ernteergebnisse sind nur ein
Borivand mehr. Die meisten von jenen, die
anderswo eine bequemere und einträglichere
Arbeit suchen, halten sich für viel zu klug und
zu gebildet, um Kohl zu pflanzen. Die ver
lassenen Ländereien sind vielleicht der Preis
für den sozialen Fortschritt.
Isländische Zubiläumsmünzen.
Zur Tausendjahrfeier des Isländischen
Altings, des ältesten Parlaments, hat der Insel
staat Gedenkmünzen schlagen lassen. Die Münzen,
im altisländischen Stil gehalten, sind silberne
Zehn- und Fünf-Kronen- und bronzene Zwei-
Kronen-Stücke.
Immer größere Schmierigkeiten für
Verbrecher.
Ein neues Verfahren zur Feststellung
von Fingerabdrücken, das bestimmt ist, den
Verbrechern ihr Handwerk weiter zu erschwe
ren, wurde nach französischen Blättern von
Dr. Leung, dem Assistenten am Polizeilabo-
ratorium zu Lyon, gemacht. Bei der Untersu
chung von Raub- und Mordfällen hat man oft
genug die Erfahrung machen müssen, daß die
von den Verbrechern an Mauern oder Mö
beln hinterlassenen Fingerabdrücke photogra
phisch nicht aufgenommen werden konnten.
Man darf annehmen, daß die Schwierigkeit,
ein befriedigend klares Bild der Fingerab
drücke auf der Platte zu erhalten, schon man
chen Verbrecher der Bestrafung entzogen hat.
Schlechte Belichtung oder das geringste Ver
sehen bei der Einstellung lassen den photo
graphischen Fingerabdruck so unklar, daß er sich
als wertlos erweist. Dr. Leung hat nun nach
langen Versuchen eine Flüssigkeit gefunden,
die, wenn sie auf so gut wie unsichtbare Fin
gerabdrücke gespritzt wird, erhärtet und damit
eine vollständig klare und scharfe Gnßform
liefert. Ist die Flüssigkeit erstarrt, so kann
diese Gußform mühelos von dem Gegenstand
abgelöst und im Laboratorium zur mikrosko
pischen oder photographischen Untersuchung
benutzt werden. Versuche, die mit dem neuen
Verfahren in dem Polizeilaboratorium ge
macht wurden, hatten ein durchaus befried:'
gendes Ergebnis.
_ Feldwarschall Pork von Wartenburg
starb vor 100 Jahren, am 4. Oktober
1830. Pork, durch und durch eine preußi
sche Soldatennatur, kämpfte 1812 bei
Tauroggen den schweren Kampf mit sich:
Gehorsam gegen den Befehl des Königs
und damit Unterstützung der aus Ruß
land flüchtenden Franzosen oder neutrale
Haltung gegenüber den verfolgenden Rus
sen. York entschloß sich zu der berühmten
Neutralitätskonvention von Tauroggen,
die das erste Zeichen zum Befreiungs
krieg von 1813-14 wurde. Sein König
hat ihm dies nie verziehen, trotz seines
Bäteren entscheidenden Eingreifens bei
m Siegen an der Katzbach, bei Möckern,
' Wartenburg und bei Laon. '***■ .
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«Mit« Usà
Skizze von Rolf Roland.
Eine kalte, sternklare Silvesternacht ist ange
brochen. In den Ortschaften hart östlich Laub und
Goarshausen stauen sich Truppen aller Waffen
gattungen, Geschütze, schwer beladene Bagagewagen.
Rur mit Mühe kann sich die Cauber Postkutsche, die
Neujahrsgäste den Rhein hinab nach Koblenz brin
gen soll, ihren Weg durch dies Gewoge einer taten
durstigen Armee Lahnen. Kopfschüttelnd schauen
die Passagiere durch die niedrigen Fenster der
Diligence. Das alles kommt so unerwartet. Noch
gestern hörten sie, Blücher habe sein Hauptquartier
nach Frankfurt zurückverlegt, wolle mit seiner schle
sischen Armee dort überwintern. Und nun dieser
plötzliche Heerzug nach dem Rheine?
Vor dem Rathaus in Caub steht eine Gruppe
preußischer Offiziere. Man sieht auch vereinzelt
russische Uniformen. Vor ihnen zwei Generäle in
dienstlichem Gespräch. Der eine, ein breitschultriger
Mann mit markantem Kopf, deutet eben rhein-
wärts: „Er weiß Bescheid, General? Ich wiederhole
nochmals: Kein Schuß fällt. Das Donanenhäuschen
am jenseitigen Ufer wird ohne Schuß und ohne
Hurra genommen. Die Besatzung fällt unter dem
Bajonett Ihrer Füsiliere."
Pork schaut General Hühnerbein mit eisernem
Blick an. „Ohne Schuß und ohne Hurra", wieder
holt beinahe wie hypnotisiert General Hühnerbein.
„Meldung an den Führer der Avantgarde, Ge
neral Pork." Ein preußischer Husar galoppiert die
enge Straße herauf und hält salutierend vor dem
Helden von Wartenburg. „Pfalz vom Feinde un
besetzt. Die beiden Iägerkompagnien haben das
dortige Zollhaus befehlsmäßig besetzt. Am westlichen
Ufer alles ruhig."
„Danke. Absatteln. Bei meinem Stabe unter
kommen!" entgegnete scharf General Pork. „Oberst
Röder! Die Herren Kommandeure!" Ein Wink des
Generalstabschefs zu den Offizieren rückwärts, und
der Halbkreis um den Gestrengen ist gebildet.
„Wir haben jetzt fünf Minuten vor acht Uhr",
beginnt, jedes Wort betonend, Pork. „Die Infan
terie stellt sich sofort nach näherer Anordnung des
Generals Hühnerbein lautlos und vollkommen ge
deckt am diesseitigen Rheinufer auf. Punkt 12 Uhr
Mitternacht ist diese Aufstellung beendet. Die bei
den Iägerkompagnien halten die Pfalz besetzt und
decken den Brückenschlag. Dieser wird um 12 Uhr
fünfzehn von den russischen Pionieren begonnen
und ist zwei Uhr fünfzehn beendet. Zwei Uhr dreißig
besteigen 200 Füsiliere unter Graf Brandenburg
die Kähne und rudern lautlos — ich wiederhole es
— lautlos nach der Landungsstelle unterhalb des
Donanenhäuschens. Die Unternehmung wird durch
die Zwölfpfünderbatterie gedeckt, die hart am öst
lichen Rheinufer auffährt. Die vier Effpfünder-
batterien gehen auf der Burgruine Gutenfels in
Feuerstellung und decken ebenfalls Bau der Kähne
und Uebevsetzen. Die übrige Artillerie und die
Kavallerie nehmen im Hohlweg östlich Caub Auf
stellung. Danke."
Schneidend bricht General Pork ab. Zaghaft
tritt General Hühnerbein etwas vor: „Herr Gene
ral, namens der Offiziere schon jetzt ein glückliches
Neujahr 1814!"
„Es liegt tn Ihrer Hand, meine Herren, ob es
glücklich beginne. Danke."
Die Offiziere gehen zu -ihren Truppen. Aus
den hell erleuchteten Fenstern .Laubs klingt silve-
stevliches Feiern. Oberst Röder blickt Pork fragend
an. Der antwortet kurz: „Dies Geschlecht kann sich
nicht anders freuen denn bei Tisch. Das alte Lied.
Gehen wir nach dem Rhein hinab!"
Die Silvesterglocken über dem Rhein sind ver
hallt. Rur vereinzelte Prostneujahrrufe weniger
unentwegter Menschenfreunde stören die winterliche
Stille. Der Rhein stöhnt in Trümmereis. Krachend
zerbrechen die Schollen an dem alten Mauerwevk
der Zollstelle im Rhein. Es ist kurz rmch zwei Uhr
morgens. Lautlos gleiten gefpensterhaft, von um
wickelten Rudern getrieben, Kähne über den Strom.
In dem dritten Kahn steht mit gekreuzten Ar-
nren General Pork. Graf Brandenburg weist sei
nen Füsilieren nach dem Landen am westlichen
Rheinufer die Plätze an. Einsam leuchtet das matte
Licht im Donanenhaufe hi-na-us auf den Schnee sei
ner Umgebung. Pork wartet am Ufer. Der letzte
Kahn ist gelandet. Kein Laut stört den nächtlicheu
Frieden am Rhein. Mit einem Male donnern Hur
ras aus zweihundert Soldatenkehlen über die Wei
den am Fluß, aus dem Donanenhäuschen fallen
einige Schüsse. Dann ist es wieder still.
Betroffen schaut Oberst Röder seinen Kom
mandierenden an. Pork rennt den Flußobhang
hinan n-ach der Stelle, wo die Schüsse fielen. Brau
sende Hurrarufe empfangen ihn.
„Graf Brandenburg!" donnert Pork.
„Herr General?"
„Wie sollte er das jenseitige Rheinufer in Be
sitz nehmen?"
„Lautlos. Ohne Hurra", entgegnete treuherzig
der Gefragte.
„Wer gab den Befehl znm Hurrarufen?"
„Ich selbst." ì
„Und warum?" Pork ist ganz nahe an den
Untergebenen herangetreten. ’ Seine Augen blitzen.
„Weil ich und meine Brandenburger die Freu
de, als erste den freien deutschen Rhein überschritten
zu haben, einfach nicht bei uns behalten konnten."
„Und -deshalb glaubte Er, meinen Befehl abän
dern zu dürfen, Graf?"
Gelassen, ohne jegliche Erregung dem fürchter
lichen Vorgesetzten fest ins Auge blickend, erwi-dert
der also zur Rede Gestellte. „Herrn General lege
ich willig meinen Kopf zu Füßen, wenn ich gefehlt
haben sollte. Ich würde mit der fteudigen Beruhi
gung sterben, wenigstens als treuer Untergebener
und wahrer Preuße gefehlt zu ha-ben."
Ports eiserne Züge verändern sich. Ein Lächeln
zieht über seinen gestrengen Mund. Er blickt zu
erst seinen Genevalstabschef, dann den tapferen
Stoßtruppführer au, ergreift mit festem Druck ent
schlossen die Hand des Grafen und gibt ihm einen
leichten Bockenstreich „Wo hat Er die Worte ge
lernt? Graf."
„Vor einem Jahre. Bei Tauroggen, Herr Ge
neral."
Porks Augen funkeln. „Sein Kopf wackelt
nicht auf seinen Schultern. Stürme Er mit Hurra
nach Frankreich weiter, und Gott sei mit Ihm." Da
läuten die Ģloà über -dem Rhein. Der Neujahrs-
movgen 1814 bricht an.
„Und setzet -ihr nicht das Leben ein,
Nie wird euch das Leben gewonnen fein . ."
Singend formiert sich Trupp auf Trupp, den
Kähnen entsteigend, zum Vormarsch.
Pork aber steht, die Hände gefaltet, am Ufer
und wiederholt, in Gedanken versunken:
„Und setzet ihr nicht dos Leben ein . . ."
Dee Scsiiesmg^Jiotsteiuischc
Stelmaikalmdec
säe Aas Jähe 1931 ist zesdumenl ,