Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 3)

Btmtc Wrļļ. 
gHmdeņburg ist nicht unter den Bewerbern." 
Wie dem „Tägl. Korr." ^ aus ^ Stockholm 
geschrieben wird, ereignete sich kürzlich, als 
eine neue Lehrerstelle an der Mittelschule der 
schwedischen Kupserstadt Falun besetzt wer 
den sollte, ein drolliger Zwischenfall: während 
die eine Partei sich für einen etwas älteren 
Bewerber entschied, hatte deren Gegner einen 
ganz jungen Bewerber in den Vordergrund 
geschoben. Tie Reden für und wider in der 
Versammlung nahmen eine immer schärfere 
Tonart an, und schließlich meinte der Wort 
führer der Partei, der sich für den älteren 
einsetzte, „Hindenburg sei doch auch schon ein 
reichlich alter Herr" und in der Hitze des Ge 
fechts fragte er den Vorsitzenden des Aus 
schusses: „Bitte, wie alt ist Hindenburg?" Der 
aber blätterte aufgeregt in seinen Papieren, 
suchte, suchte und schien nichts zu finden, end 
lich meinte er ein bißchen kleinlaut: „Hinden- 
burg? Hindenburg kann ich unter den Be 
werbern nicht finden!" 
Strafanzeige gegen den Sohn — um ihn zu 
retten! 
Nach einem Münchener Bericht des „Tägl. 
Korr." spielte sich vor dem Strafgericht in der 
Au dieser Tage eines jener kleinen erschüt 
ternden Trauerspiele ab, an denen der All 
tagsmensch nur allzuleicht achtlos vorüber 
geht. Auf der Anklagebank saßen ein in mitt 
leren Jahren stehender Mann und ein jün 
gerer, wie aus der Anklageschrift hervorging, 
Onkel und Neffe. Auf der Zeugenbank aber 
die Heldin des Schauspieles, in ihrer Tragik 
ans Herz greifend, die Mutter des Jüngeren. 
Und nun entrollte sich durch die Vernehmung 
Blatt um Blatt der Geschichte des Kampfes 
um den Sohn. Der Bruder der Mutter und 
Onkel des Jüngeren hatte den anscheinend 
noch haltlosen Burschen wiederholt zum Steh 
len verführt. Ihrer beider besondere „Tüch 
tigkeit bestand darin, die Reifen von parken 
den Kraftwagen zu stehlen und nutzbringend 
zu verschärfen. Wiederholt hatte die Mutter 
versucht, den über alles geliebten Sohn dem 
verderblichen Einfluß des Onkels zu entzie 
hen. Immer wieder hatte der Junge gelobt, 
ein ehrlicher Mensch nun werden zu motten. 
Immer wieder erlag er den Lockungen des 
„billigen" Verdienstes. Da erstattete die ver 
zweifelte Mutter Strafanzeige gegen den 
eigenen Sohn. Vom Richter befragt, was sie 
sich von dieser Anzeige nunmehr verspreche, 
flüsterte sie kaum hörbar: „Ich will ihn ret 
ten!" — Tatsächlich erreichte sie auch für den 
Sohn Bewährungsfrist, während dem Onkel 
18 Monate Gefängnis auferlegt wurden. Hof 
fen wir, daß sich bis zur Entlassung des Ver 
führers der Charakter des Jungen hinrei 
chend gefestigt hat, um den früheren Lockun 
gen widerstehen zu können. 
Der unmögliche Meyer. 
Der berühmte Geograph Geheimrat Hans 
Meyer in Leipzig, der kürzlich verstorben ist, war 
schon als junger Mensch, als Erbe eines welt 
umspannendes Verlages, ein wenig von dem Be 
wußtsein erfüllt, so etwas wie ein Kronprinz zu 
sein. Als er 1877—1878 bei der Garde-Artillerie 
in'Berlin sein Jahr abdiente, war der große 
blonde Mensch mit dem scharf geschnittenen Profil 
und dem durchgebildeten Körper des Alpinisten 
ein auffällig schöner Soldat. Und als solcher er 
regte er auch die Aufmerksamkeit des damaligen 
Kronprinzen, des späteren Kaisers Friedrich III. 
Als dieser das Regiment besichtigte, fragte er ihn 
vor versammelter Front nach seinem Namen. Die 
Antwort mußte lauten: „Meyer, Kaiserliche Ho 
heit!" Der Kronprinz sah den einjährigen Unter 
offizier groß an, wandte sich ab und sagte ver 
nehmlich zu dem Oberst: „Unmöglich!" Zur Er 
klärung eröffnete der Regimentskommandeur spä 
ter dem Verblüfften, der Kronprinz habe daran 
gedacht, ihn aufzufordern, ins aktive Offizier- 
korps einzutreten, aber bei dem Namen Meyer 
fei das ja unmöglich. Als der hervorragende Ge 
ograph diese Geschichte erzählte, meinte er: da 
mals habe er sich vorgenommen, im Leben zu er 
weisen, daß man auch mit dem Namen Meyer et 
was Tüchtiges leisten könne. 
43 Millionen Italiener. 
Nach der amtlichen Statistik zählte die Be 
völkerung Italiens zu Beginn dieses Jahres 
41569 000 Köpfe, dazu kommen rund 830 000 ita 
lienische Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz im 
Ausland hatten. Unter Zugrundelegung der Stei 
gerung, die die Eeburtenrate während der ersten 
fünf Monate des laufenden Jahres ausweist, rech 
net man damit, daß bis Ende September dieses 
Jahres die Bevölkerungsziffer 43 Millionen er 
reicht haben wird. Von den italienischen Groß 
städten steht Neapel mit 980 000 Einwohnern 
noch immer an der Spitze, es folgen Mailand mit 
972 000 und Rom mit 931 000 Einwohnern. 
Ziftsi TLchà MZ àchm, 
Kinderlogik. 
Der bekannte englische Schulrektor Dr. Cyril 
Norwood erzählt in seinen Erinnerungen eine 
Geschichte von Kinderlogik, die ihm begegnet ist. 
Bei einer Cchulbesichtigung fragte er einen Jun 
gen: „Wie alt warst Du bei Deinem letzten Ge 
burtstag?" „Sieben Jahre," erwiderte der Schü 
ler. „Und wie alt wirst Du bei Deinem nächsten?" 
„Neun Jahre, Herr." „Aber wie ist denn das 
möglich?" forschte der Rektor. „Wenn Du beim 
letzten Geburtstag sieben warst, kannst Du beim 
nächsten Geburtstag nicht schon neun werden!" 
„Doch", grinste der Junge mit einem spitzbübischen 
Lächeln, in das die ganze Klaffe einfiel, „ich bin 
nämlich heute acht Jahre." 
* 
Großstadtkind. 
Die kleine Helga kommt in diesen Ferien zum 
ersten Male ans Meer. Verwundert blickt sie auf 
die weite Fläche, an deren Horizont ein Damp 
fer auftaucht, dessen Rauch gen Himmel steigt. 
Helga läuft ganz aufgeregt zu ihrer Mutter und 
ruft ihr eifrig zu: „Mutti, komm mal sehen; da ist 
eine Lokomotive, die badet!" 
* 
Bequemes Forschen. 
Der wegen seines Humors berühmte Zoologe 
Landois sprach einst in einer Vorlesung von den 
großen Schwierigkeiten, die es oft mache, die für 
die Versuche notwendigen Tiere zu bekommen. 
Dann fuhr er fort: „Sehen Sie, da hatte es mein 
Bruder, der Physiologe, leichter. Bei seinen 
Arbeiten über die Haarbalgmilbe Demodex, die in 
den „Mitessern" vorkommt, brauchte er um Ver 
suchsobjekte nicht besorgt zu sein, denn er trug diese 
Tierchen auf seiner Nase immer mit sich herum." 
* 
Naheliegend. 
A. : „Sonderbar, daß Müller und seine Frau 
immer in H a d e r leben." 
B. : „Wundert mich gar nicht, er stammt ja 
doch aus Hadersleben." 
* 
Die Hauptsache. 
A. : „Wie finden Sie die Quellen dieses Ba 
des?" 
B. : „Schlecht, sehr schlecht — nicht eine ein 
zige Tochter angebracht!" 
* 
Bewerber (der einen Korb erhalten hat): 
„Jetzt weiß ich wirklich nicht, bin ich glücklich oder 
bin ich unglücklich?" 
Sechzehn große Seiten 
im schönsten Kupfertiefdruck enthält unsere neue Große Illustrierte Beilage, die wir unseren Lesern gegen 
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darsteiiung so schön, daß „Die illustrierte“ gewiß viele Freunde finden wird. Jede neue Mummar wird als 
interessante Lektüre von allen Familienmitgliedern mit großer Freude erwartet. Bezieher der Landeszeitung, 
des Süderbraruper Tageblatts und der Hohenwestedter Zeitung, die durch Boten beliefert werden, bestallen 
für den Monat August die Beilagen bei diesen. Postbezseher der Landeszeitung, des Süderbraruper Tage 
blatts und der Hohenwestedter Zeitung müssen bei Erneuerung ihres Postabonnements für Monat August 
dem Postboten aufgeben, ob sie künftig die Landeszeitung, Allgemeine Ausgabe, zum bisherigen Preise zu 
erhalten wünschen, oder die Landeszeitung, Ausgabe B, mit Großer illustrierter Beilage. Die Ausgabe B 
kostet nur 30 Pfg. monatlich mehr. 
Die Atlantikmädels. 
Roman von G. Meerstedt. 
15) (Nachdruck verboten.) 
„Das Mädel wäre doch nicht zu halten ge 
wesen", sagte Pater Dettmann, trotzdem es auch 
ihm leid tat. „Und ob sie sich nun gerade nach einem 
Steuermann gedrängt hätte?! Der Mary darf man 
nichts sagen wollen. — Sie sagt es uns fcfjori, wenn 
sie das Richtige gefunden hat. — Und daß sich die 
Mary jemals vergreisen könnte, davor ist mir nicht 
bange —" 
Kitty und Heini aber ließen sich in der Bahn 
quetschen, die nach Blankenese fuhr. Manchmal ist 
so ein enger, proppenvoller Eisenbahnwagen ganz 
hübsch. Besonders dann, wenn ein Arm da ist, der 
sich stützend um einen legt. 
Und dann stiegen sie den Süllberg hinauf. Ueber 
der Elbe lag die orangegelbe Glut der langsam hin 
ter den Marschen versinkenden Sonne. Dunkle 
Striche grenzten den Himmel ab. Das waren dir 
Deiche, hinter denen sich die strohgedeckten Häuser 
duckten wie Rebhühner. 
Heini bestellte oben in der Süllbergwirtschaft 
Kaffee und Kuchen. Und man sah zu, wie der 
breite Elbstrom sich allmählich mehr und mehr ab 
schattierte. Wie er dunkler und dunkler wurde, bis 
er schließlich schwarz war. Und über die Schwärze 
zogen helle Lichter — ruhig und gleichmäßig. Sie 
gingen mit den großen Dampfern, die mit dumpfem 
Tuten elbauf oder elbab fuhren/ Und manchmal 
tanzte es auch keck auf dem Wasser Hupfende La 
ternen, die zu Barkassen und kleinen Fährdampfern 
gehörten. 
Heini und Kitty fühlten sich wunderbar allein 
unter den vielen fremden Menschen. Heini erzählte, 
daß er nach der nächsten Fahrt, die wesentlich kürzer 
sein würde, wie die letzte, noch eine Zeitlang die 
Seemannsschule besuchen wollte, um sich sein Kapi- 
tänspatent zu holen. Damit man alles ein bißchen 
nett haben konnte, wenn man sich verheiratete. Und 
dabei legte er seine Hand, für die die dicken Schisfs- 
taue nicht mehr bedeuteten, als für den Schneider 
der Zwirnsfaden, ganz zart über Kittys Hand. 
Solch eine Seemanshand verstand sich auch auf 
Zartheit, wenn's sein mußte. 
Und Kitty erzählte von daheim. Don der kran 
ken Mutter und von ihrem Stiefvater, der nicht 
gern etwas tun mochte. Sie sprach auch von ihrem 
gebrochenen Fuß und daß es ihr bei Herrn Gold- 
tree viel besser gefiele, als auf dem Variete. Sie 
erzählte von den Atlantik-Girls, die nun bald m 
alle Winde zerstreut sein würden, und wie glück 
lich sie war, daß sie nicht mit auf die Wanderschaft 
mußte. Und sie erzählte von Mary und Hela, die 
beide so tapfer und gut waren und versprochen 
hatten, ihrer Mutter jeden Monat soviel zu schicken, 
daß sie bescheiden leben konnte. Und sie gab auch 
ihrer Befürchtung Ausdruck, daß die Mutter mög 
licherweise gar nicht recht etwas von dem Gelde 
hätte, das ihr Hela und Mary zukommen ließen. 
Dem Stiefvater war es gleich, ob die Mutter darbte. 
Wenn er selbst nur genügend hatte. 
„So", sagte Heim, „also mit der Arbeit hat er 
sich erzürnt. Schade, daß ich den guten Mann nicht 
da habe! Auf den Hamburger Schiffen gibts aller 
lei nette Posten, wo man nicht erst zu trinken 
braucht, um schlafen zu können. Vielleicht können 
Sie später Ihre Mutter mal nach Hamburg kommen 
lassen, Mädel. Aber das sage ich Ihnen gleich, 
den Alten nehme ich nicht mit auf. Leute, die nichr 
arbeiten wollen, sind mir auf den Tod zuwider. 
Meine alte Mutter hält die Hände den ganzen Tag 
nicht still, und sie ist doch nun schon bald an die 
Siebzig. So'n Faulpelz läßt andere für sich arbei 
ten! Ra warte, mein Jung!" Das galt dem Herrn 
in Dresden, der es auf schlaraffifche Tauben abge 
sehen hatte. Und Heini Dargmann war ganz der 
Kerl danach, dies „warte, mein Jung" wahrzu- 
machen. 
Kitty aber wunderte sich gar nicht, daß sie von 
einem Tage zum anderen jemand gefunden hatte, 
der sich neben sie stellte. Das Glück war nun einmal 
dabei, seinen Gabensack über sie auszuschütten. Mit 
den Dettmanns hatte es angefangen, und nun kam 
die Fortsetzung. Und sie saß ganz ruhig und still 
und schaute den blanken Schiffslichtern nach, dke 
ruhig und friedlich dahinschwammen. Solche Lichter 
leuchteten auch jetzt in ihrem Leben. Ihr konnte 
nichts mehr passieren. 
In Fifth Aveue in Reuyork sagte Mrs. Smith 
beim Diner zu ihrem Gatten: „Ich habe Post Mrs. 
Besthorn aus Hamburg. Ich'verstehe gar nicht, wa 
rum der Junge seine Besuche bei den Besthorns auf 
ein Mindestmaß beschränkt. Dos ist gegen die Ver 
abredung, und Mrs. Besthorn scheint bereits ge 
kränkt zu sein. Zudem schreibt sie, daß der Junge 
in einer ganz unmöglichen Gegend wohnt. Ich will 
doch nicht hoffen, daß sich sein deutsches Herz be 
merkbar macht —" 
Sie hatte die letzte Bemerkung in einer spöt 
tischen, etwas hochfahrenden Art gemacht. Aber Mr. 
Smith, der vor vierzig Jahren als einfacher Hein 
rich Schmidt aus Hamburg nach Amerika gekommen 
war, hatte gelernt, wie sich ein Gentleman in einem 
frauenarmen Staat einer Dame gegenüber zu be 
nehmen hat. 
Er schaute von der Zeitung auf, die neben sei 
nem Teller lag, und begegnete mit einer gewissen 
Verbindlichkeit dem kühlen Blick Frau Aidas. Auf 
den Tisch schlagen, wenn einem als Hausherrn der 
häusliche Ton nicht paßte, konnte man in Amercka 
nicht. Man kämpfte mit den Waffen kühler Höflich 
keit, wenn man eingesehen hatte, daß die Ehe eine 
Art Kriegszustand war, und ließ die Kämpfe ab 
sichtlich unentschieden. 
In diesem Falle mit Hal jedoch war er auf 
Seiten Frau Aidas. Er wünschte eine Verbindung 
seines Sohnes mit Ellen Besthorn, weil er eine Zu 
sammenarbeit seiner Werft mit der deutschen ange 
sehenen Besthornwerft wünschte, der eine spätere 
Verschmelzung der beiden Betriebe folgen sollte. Und 
um die sicherzustellen, war es vor allem notwendig, 
daß einmal die Namen Smith und Pesthorn durch 
eine Ehe der beiderseitigen Kinder miteinander ver 
schmolzen wurden. Hal hatte nicht ja zu dem 
Projekt gesagt, aber er hatte sich auch nicht gesperrt. 
Er wußte, daß Hal die Art des Amerikaners hatte, 
lieber weniger zu sagen, als er meinte. Unreife 
Früchte pflückt man im Pankeelande nicht gern. 
„Es würde mir allerdings gegen den Strich ge 
hen, Aida, wenn Hat nur den einen Teil unserer 
Verabredungen befolgte, bei den Besihorns praktisch 
zu arbeiten, zum Zwecke einer besseren Orientie 
rung —". 
Mrs. Aida Smith klingelte dem Diener, damit 
er abräumte. Dann ging sie an den Rauchtisch, zün 
dete sich eine Zigarette an und setzte sich in einen 
kostbar geschnitzten Stuhl mit hoher, gotischer 
Rückenlehne. Sie war eine pompöse Erscheinung 
und mit einer Eleganz gekleidet, als hätte sie soeben 
mit zwei Herzogen zu Tisch gesessen und gewährte 
nun einem Untertanen eine Audienz. 
Als Frau Aida jung gewesen war, war man 
in Amerika noch nicht auf die Idee gekommen, den 
Girlstyp zu züchten. Sie war nach heutigen Ver 
hältnissen reichlich groß geraten. Hal hatte ihre 
Figur geerbt. Aber sie gefiel sich durchaus in die 
ser fürstlichen Erscheinung gewesener Königinnen. 
„Ich finde, dein Sohn hat sich noch nicht recht 
von deiner deutschen Abstammung entwöhnt", sagte 
Frau Aida, „trotzdem er auch mein Sohn ist, muß 
ich ihm doch den Vorwurf machen, daß er sich reich 
lich altmodisch für amerikanische Verhältnisse be 
nimmt." 
Henry Smith machte Frau Aida eine Perbeu 
gung, deren übertriebene Artigkeit sich verschieden 
auslegen ließ. Er hatte keine Lust, Pfeile für Pfeile 
zu schnitzen. Heinrich Schmidt aber mgte in seinem 
Innern: „Gott sei Dank, daß der Junge sich von 
beiden Nationen gerade die Eigenschaften ausgesucht 
hats die ihn zu einem tüchtigen, guten Kerl stem 
peln." 
Frau Aida stützte sich auf der Thronlehne und 
äußerte: „Ich glaube, es dürfte angebracht sein, 
Henry, einmal selbst nach Deutschland zu fahren, um 
mit den Besthorns Fühlung zu nehmen, und dei 
nen Sohn zu kontrollieren." 
„Das ließe sich im März machen, Aida. Ein 
Besuch unsererseits bei den Besthorns wäre vielle-cht 
ganz zweckmäßig." 
„Hoffentlich machst du uns und deinem Sohn 
eine Freude damit —" 
„Das hoffe ich auch, Aida. Gestattest du jetzt, 
daß ich mich noch für eine Stunde zum Arbeiten 
zurückziehe?" Frau Aida neigte das Haupt, als 
würde sie von einem ganzen Hofstaat beobachtet. 
Und Heinrich Schmidt stieß es zum taufendundeinten 
Male auf, wie er in der Zeit der Iugendeseleien 
nur auf die Idee hatte kommen können, daß eine 
Amerikanerin von Frau Aidas Format zur Ver 
vollkommnung seines Haushaltes nötig war. 
Wenn er sich nach solchem Aktschluß zum Ar 
beiten zurückzog, dann drückte er in seinem offizi 
ellen Arbeitszimmer, das den pompösen Auffassun 
gen und körperlichen und seelischen Ausmaßen Frau 
Ai-das entsprach, auf ein besonderes Feld in der 
Holztäfelung. Hinter ihm versanken die Bibliothek 
mit tausend Seltenheiten, die Schöpfungen antiker 
Malergrößen, die kostbaren Teppiche. Und vor ihm 
tat sich ein Stück Kleinbürgertum auf. Ein Stück 
chen Umwelt aus dem Kreise der Prätoriusse und 
anderer, denen es das Leben nicht so ganz leicht, 
aber doch mitunter behaglicher machte, als einem 
amerikanischen Werftbesitzer deutscher Abstammung, 
der geglaubt hatte, sich zur Krönung seines Werkes 
eine amerikanische Frau nehmen müssen. 
Ob Frau Aida wußte, was ein Paar echte deut 
sche Filzpantoffeln waren? Ob sie es überhaupt 
nur zugegeben hätte, daß sie es wußte? Henry 
Smith zog ohne Kammerdiener die in Frau Aidas 
Röhe unerläßlichen Lackschuhe aus und schlüpfte mit 
innigem Wohlbehagen und einem Gesicht, als hätte 
er soeben Wilhelm Busch gelesen, in die Schnüdt- 
schen Filzpantoffeln, in den Schmidtschen Schlaf- 
rock. Er holte sich die Schmidtsche lange Pfeife her 
vor und stopfte sie aus einer Tüte mit Pastoren 
tabak. 
(Fortsetzung folgt.) 
TUBE 150 U.Z5Q IN ALLEN FACHGESCHÄFTEN
	        
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