Btmtc Wrļļ.
gHmdeņburg ist nicht unter den Bewerbern."
Wie dem „Tägl. Korr." ^ aus ^ Stockholm
geschrieben wird, ereignete sich kürzlich, als
eine neue Lehrerstelle an der Mittelschule der
schwedischen Kupserstadt Falun besetzt wer
den sollte, ein drolliger Zwischenfall: während
die eine Partei sich für einen etwas älteren
Bewerber entschied, hatte deren Gegner einen
ganz jungen Bewerber in den Vordergrund
geschoben. Tie Reden für und wider in der
Versammlung nahmen eine immer schärfere
Tonart an, und schließlich meinte der Wort
führer der Partei, der sich für den älteren
einsetzte, „Hindenburg sei doch auch schon ein
reichlich alter Herr" und in der Hitze des Ge
fechts fragte er den Vorsitzenden des Aus
schusses: „Bitte, wie alt ist Hindenburg?" Der
aber blätterte aufgeregt in seinen Papieren,
suchte, suchte und schien nichts zu finden, end
lich meinte er ein bißchen kleinlaut: „Hinden-
burg? Hindenburg kann ich unter den Be
werbern nicht finden!"
Strafanzeige gegen den Sohn — um ihn zu
retten!
Nach einem Münchener Bericht des „Tägl.
Korr." spielte sich vor dem Strafgericht in der
Au dieser Tage eines jener kleinen erschüt
ternden Trauerspiele ab, an denen der All
tagsmensch nur allzuleicht achtlos vorüber
geht. Auf der Anklagebank saßen ein in mitt
leren Jahren stehender Mann und ein jün
gerer, wie aus der Anklageschrift hervorging,
Onkel und Neffe. Auf der Zeugenbank aber
die Heldin des Schauspieles, in ihrer Tragik
ans Herz greifend, die Mutter des Jüngeren.
Und nun entrollte sich durch die Vernehmung
Blatt um Blatt der Geschichte des Kampfes
um den Sohn. Der Bruder der Mutter und
Onkel des Jüngeren hatte den anscheinend
noch haltlosen Burschen wiederholt zum Steh
len verführt. Ihrer beider besondere „Tüch
tigkeit bestand darin, die Reifen von parken
den Kraftwagen zu stehlen und nutzbringend
zu verschärfen. Wiederholt hatte die Mutter
versucht, den über alles geliebten Sohn dem
verderblichen Einfluß des Onkels zu entzie
hen. Immer wieder hatte der Junge gelobt,
ein ehrlicher Mensch nun werden zu motten.
Immer wieder erlag er den Lockungen des
„billigen" Verdienstes. Da erstattete die ver
zweifelte Mutter Strafanzeige gegen den
eigenen Sohn. Vom Richter befragt, was sie
sich von dieser Anzeige nunmehr verspreche,
flüsterte sie kaum hörbar: „Ich will ihn ret
ten!" — Tatsächlich erreichte sie auch für den
Sohn Bewährungsfrist, während dem Onkel
18 Monate Gefängnis auferlegt wurden. Hof
fen wir, daß sich bis zur Entlassung des Ver
führers der Charakter des Jungen hinrei
chend gefestigt hat, um den früheren Lockun
gen widerstehen zu können.
Der unmögliche Meyer.
Der berühmte Geograph Geheimrat Hans
Meyer in Leipzig, der kürzlich verstorben ist, war
schon als junger Mensch, als Erbe eines welt
umspannendes Verlages, ein wenig von dem Be
wußtsein erfüllt, so etwas wie ein Kronprinz zu
sein. Als er 1877—1878 bei der Garde-Artillerie
in'Berlin sein Jahr abdiente, war der große
blonde Mensch mit dem scharf geschnittenen Profil
und dem durchgebildeten Körper des Alpinisten
ein auffällig schöner Soldat. Und als solcher er
regte er auch die Aufmerksamkeit des damaligen
Kronprinzen, des späteren Kaisers Friedrich III.
Als dieser das Regiment besichtigte, fragte er ihn
vor versammelter Front nach seinem Namen. Die
Antwort mußte lauten: „Meyer, Kaiserliche Ho
heit!" Der Kronprinz sah den einjährigen Unter
offizier groß an, wandte sich ab und sagte ver
nehmlich zu dem Oberst: „Unmöglich!" Zur Er
klärung eröffnete der Regimentskommandeur spä
ter dem Verblüfften, der Kronprinz habe daran
gedacht, ihn aufzufordern, ins aktive Offizier-
korps einzutreten, aber bei dem Namen Meyer
fei das ja unmöglich. Als der hervorragende Ge
ograph diese Geschichte erzählte, meinte er: da
mals habe er sich vorgenommen, im Leben zu er
weisen, daß man auch mit dem Namen Meyer et
was Tüchtiges leisten könne.
43 Millionen Italiener.
Nach der amtlichen Statistik zählte die Be
völkerung Italiens zu Beginn dieses Jahres
41569 000 Köpfe, dazu kommen rund 830 000 ita
lienische Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz im
Ausland hatten. Unter Zugrundelegung der Stei
gerung, die die Eeburtenrate während der ersten
fünf Monate des laufenden Jahres ausweist, rech
net man damit, daß bis Ende September dieses
Jahres die Bevölkerungsziffer 43 Millionen er
reicht haben wird. Von den italienischen Groß
städten steht Neapel mit 980 000 Einwohnern
noch immer an der Spitze, es folgen Mailand mit
972 000 und Rom mit 931 000 Einwohnern.
Ziftsi TLchà MZ àchm,
Kinderlogik.
Der bekannte englische Schulrektor Dr. Cyril
Norwood erzählt in seinen Erinnerungen eine
Geschichte von Kinderlogik, die ihm begegnet ist.
Bei einer Cchulbesichtigung fragte er einen Jun
gen: „Wie alt warst Du bei Deinem letzten Ge
burtstag?" „Sieben Jahre," erwiderte der Schü
ler. „Und wie alt wirst Du bei Deinem nächsten?"
„Neun Jahre, Herr." „Aber wie ist denn das
möglich?" forschte der Rektor. „Wenn Du beim
letzten Geburtstag sieben warst, kannst Du beim
nächsten Geburtstag nicht schon neun werden!"
„Doch", grinste der Junge mit einem spitzbübischen
Lächeln, in das die ganze Klaffe einfiel, „ich bin
nämlich heute acht Jahre."
*
Großstadtkind.
Die kleine Helga kommt in diesen Ferien zum
ersten Male ans Meer. Verwundert blickt sie auf
die weite Fläche, an deren Horizont ein Damp
fer auftaucht, dessen Rauch gen Himmel steigt.
Helga läuft ganz aufgeregt zu ihrer Mutter und
ruft ihr eifrig zu: „Mutti, komm mal sehen; da ist
eine Lokomotive, die badet!"
*
Bequemes Forschen.
Der wegen seines Humors berühmte Zoologe
Landois sprach einst in einer Vorlesung von den
großen Schwierigkeiten, die es oft mache, die für
die Versuche notwendigen Tiere zu bekommen.
Dann fuhr er fort: „Sehen Sie, da hatte es mein
Bruder, der Physiologe, leichter. Bei seinen
Arbeiten über die Haarbalgmilbe Demodex, die in
den „Mitessern" vorkommt, brauchte er um Ver
suchsobjekte nicht besorgt zu sein, denn er trug diese
Tierchen auf seiner Nase immer mit sich herum."
*
Naheliegend.
A. : „Sonderbar, daß Müller und seine Frau
immer in H a d e r leben."
B. : „Wundert mich gar nicht, er stammt ja
doch aus Hadersleben."
*
Die Hauptsache.
A. : „Wie finden Sie die Quellen dieses Ba
des?"
B. : „Schlecht, sehr schlecht — nicht eine ein
zige Tochter angebracht!"
*
Bewerber (der einen Korb erhalten hat):
„Jetzt weiß ich wirklich nicht, bin ich glücklich oder
bin ich unglücklich?"
Sechzehn große Seiten
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des Süderbraruper Tageblatts und der Hohenwestedter Zeitung, die durch Boten beliefert werden, bestallen
für den Monat August die Beilagen bei diesen. Postbezseher der Landeszeitung, des Süderbraruper Tage
blatts und der Hohenwestedter Zeitung müssen bei Erneuerung ihres Postabonnements für Monat August
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Die Atlantikmädels.
Roman von G. Meerstedt.
15) (Nachdruck verboten.)
„Das Mädel wäre doch nicht zu halten ge
wesen", sagte Pater Dettmann, trotzdem es auch
ihm leid tat. „Und ob sie sich nun gerade nach einem
Steuermann gedrängt hätte?! Der Mary darf man
nichts sagen wollen. — Sie sagt es uns fcfjori, wenn
sie das Richtige gefunden hat. — Und daß sich die
Mary jemals vergreisen könnte, davor ist mir nicht
bange —"
Kitty und Heini aber ließen sich in der Bahn
quetschen, die nach Blankenese fuhr. Manchmal ist
so ein enger, proppenvoller Eisenbahnwagen ganz
hübsch. Besonders dann, wenn ein Arm da ist, der
sich stützend um einen legt.
Und dann stiegen sie den Süllberg hinauf. Ueber
der Elbe lag die orangegelbe Glut der langsam hin
ter den Marschen versinkenden Sonne. Dunkle
Striche grenzten den Himmel ab. Das waren dir
Deiche, hinter denen sich die strohgedeckten Häuser
duckten wie Rebhühner.
Heini bestellte oben in der Süllbergwirtschaft
Kaffee und Kuchen. Und man sah zu, wie der
breite Elbstrom sich allmählich mehr und mehr ab
schattierte. Wie er dunkler und dunkler wurde, bis
er schließlich schwarz war. Und über die Schwärze
zogen helle Lichter — ruhig und gleichmäßig. Sie
gingen mit den großen Dampfern, die mit dumpfem
Tuten elbauf oder elbab fuhren/ Und manchmal
tanzte es auch keck auf dem Wasser Hupfende La
ternen, die zu Barkassen und kleinen Fährdampfern
gehörten.
Heini und Kitty fühlten sich wunderbar allein
unter den vielen fremden Menschen. Heini erzählte,
daß er nach der nächsten Fahrt, die wesentlich kürzer
sein würde, wie die letzte, noch eine Zeitlang die
Seemannsschule besuchen wollte, um sich sein Kapi-
tänspatent zu holen. Damit man alles ein bißchen
nett haben konnte, wenn man sich verheiratete. Und
dabei legte er seine Hand, für die die dicken Schisfs-
taue nicht mehr bedeuteten, als für den Schneider
der Zwirnsfaden, ganz zart über Kittys Hand.
Solch eine Seemanshand verstand sich auch auf
Zartheit, wenn's sein mußte.
Und Kitty erzählte von daheim. Don der kran
ken Mutter und von ihrem Stiefvater, der nicht
gern etwas tun mochte. Sie sprach auch von ihrem
gebrochenen Fuß und daß es ihr bei Herrn Gold-
tree viel besser gefiele, als auf dem Variete. Sie
erzählte von den Atlantik-Girls, die nun bald m
alle Winde zerstreut sein würden, und wie glück
lich sie war, daß sie nicht mit auf die Wanderschaft
mußte. Und sie erzählte von Mary und Hela, die
beide so tapfer und gut waren und versprochen
hatten, ihrer Mutter jeden Monat soviel zu schicken,
daß sie bescheiden leben konnte. Und sie gab auch
ihrer Befürchtung Ausdruck, daß die Mutter mög
licherweise gar nicht recht etwas von dem Gelde
hätte, das ihr Hela und Mary zukommen ließen.
Dem Stiefvater war es gleich, ob die Mutter darbte.
Wenn er selbst nur genügend hatte.
„So", sagte Heim, „also mit der Arbeit hat er
sich erzürnt. Schade, daß ich den guten Mann nicht
da habe! Auf den Hamburger Schiffen gibts aller
lei nette Posten, wo man nicht erst zu trinken
braucht, um schlafen zu können. Vielleicht können
Sie später Ihre Mutter mal nach Hamburg kommen
lassen, Mädel. Aber das sage ich Ihnen gleich,
den Alten nehme ich nicht mit auf. Leute, die nichr
arbeiten wollen, sind mir auf den Tod zuwider.
Meine alte Mutter hält die Hände den ganzen Tag
nicht still, und sie ist doch nun schon bald an die
Siebzig. So'n Faulpelz läßt andere für sich arbei
ten! Ra warte, mein Jung!" Das galt dem Herrn
in Dresden, der es auf schlaraffifche Tauben abge
sehen hatte. Und Heini Dargmann war ganz der
Kerl danach, dies „warte, mein Jung" wahrzu-
machen.
Kitty aber wunderte sich gar nicht, daß sie von
einem Tage zum anderen jemand gefunden hatte,
der sich neben sie stellte. Das Glück war nun einmal
dabei, seinen Gabensack über sie auszuschütten. Mit
den Dettmanns hatte es angefangen, und nun kam
die Fortsetzung. Und sie saß ganz ruhig und still
und schaute den blanken Schiffslichtern nach, dke
ruhig und friedlich dahinschwammen. Solche Lichter
leuchteten auch jetzt in ihrem Leben. Ihr konnte
nichts mehr passieren.
In Fifth Aveue in Reuyork sagte Mrs. Smith
beim Diner zu ihrem Gatten: „Ich habe Post Mrs.
Besthorn aus Hamburg. Ich'verstehe gar nicht, wa
rum der Junge seine Besuche bei den Besthorns auf
ein Mindestmaß beschränkt. Dos ist gegen die Ver
abredung, und Mrs. Besthorn scheint bereits ge
kränkt zu sein. Zudem schreibt sie, daß der Junge
in einer ganz unmöglichen Gegend wohnt. Ich will
doch nicht hoffen, daß sich sein deutsches Herz be
merkbar macht —"
Sie hatte die letzte Bemerkung in einer spöt
tischen, etwas hochfahrenden Art gemacht. Aber Mr.
Smith, der vor vierzig Jahren als einfacher Hein
rich Schmidt aus Hamburg nach Amerika gekommen
war, hatte gelernt, wie sich ein Gentleman in einem
frauenarmen Staat einer Dame gegenüber zu be
nehmen hat.
Er schaute von der Zeitung auf, die neben sei
nem Teller lag, und begegnete mit einer gewissen
Verbindlichkeit dem kühlen Blick Frau Aidas. Auf
den Tisch schlagen, wenn einem als Hausherrn der
häusliche Ton nicht paßte, konnte man in Amercka
nicht. Man kämpfte mit den Waffen kühler Höflich
keit, wenn man eingesehen hatte, daß die Ehe eine
Art Kriegszustand war, und ließ die Kämpfe ab
sichtlich unentschieden.
In diesem Falle mit Hal jedoch war er auf
Seiten Frau Aidas. Er wünschte eine Verbindung
seines Sohnes mit Ellen Besthorn, weil er eine Zu
sammenarbeit seiner Werft mit der deutschen ange
sehenen Besthornwerft wünschte, der eine spätere
Verschmelzung der beiden Betriebe folgen sollte. Und
um die sicherzustellen, war es vor allem notwendig,
daß einmal die Namen Smith und Pesthorn durch
eine Ehe der beiderseitigen Kinder miteinander ver
schmolzen wurden. Hal hatte nicht ja zu dem
Projekt gesagt, aber er hatte sich auch nicht gesperrt.
Er wußte, daß Hal die Art des Amerikaners hatte,
lieber weniger zu sagen, als er meinte. Unreife
Früchte pflückt man im Pankeelande nicht gern.
„Es würde mir allerdings gegen den Strich ge
hen, Aida, wenn Hat nur den einen Teil unserer
Verabredungen befolgte, bei den Besihorns praktisch
zu arbeiten, zum Zwecke einer besseren Orientie
rung —".
Mrs. Aida Smith klingelte dem Diener, damit
er abräumte. Dann ging sie an den Rauchtisch, zün
dete sich eine Zigarette an und setzte sich in einen
kostbar geschnitzten Stuhl mit hoher, gotischer
Rückenlehne. Sie war eine pompöse Erscheinung
und mit einer Eleganz gekleidet, als hätte sie soeben
mit zwei Herzogen zu Tisch gesessen und gewährte
nun einem Untertanen eine Audienz.
Als Frau Aida jung gewesen war, war man
in Amerika noch nicht auf die Idee gekommen, den
Girlstyp zu züchten. Sie war nach heutigen Ver
hältnissen reichlich groß geraten. Hal hatte ihre
Figur geerbt. Aber sie gefiel sich durchaus in die
ser fürstlichen Erscheinung gewesener Königinnen.
„Ich finde, dein Sohn hat sich noch nicht recht
von deiner deutschen Abstammung entwöhnt", sagte
Frau Aida, „trotzdem er auch mein Sohn ist, muß
ich ihm doch den Vorwurf machen, daß er sich reich
lich altmodisch für amerikanische Verhältnisse be
nimmt."
Henry Smith machte Frau Aida eine Perbeu
gung, deren übertriebene Artigkeit sich verschieden
auslegen ließ. Er hatte keine Lust, Pfeile für Pfeile
zu schnitzen. Heinrich Schmidt aber mgte in seinem
Innern: „Gott sei Dank, daß der Junge sich von
beiden Nationen gerade die Eigenschaften ausgesucht
hats die ihn zu einem tüchtigen, guten Kerl stem
peln."
Frau Aida stützte sich auf der Thronlehne und
äußerte: „Ich glaube, es dürfte angebracht sein,
Henry, einmal selbst nach Deutschland zu fahren, um
mit den Besthorns Fühlung zu nehmen, und dei
nen Sohn zu kontrollieren."
„Das ließe sich im März machen, Aida. Ein
Besuch unsererseits bei den Besthorns wäre vielle-cht
ganz zweckmäßig."
„Hoffentlich machst du uns und deinem Sohn
eine Freude damit —"
„Das hoffe ich auch, Aida. Gestattest du jetzt,
daß ich mich noch für eine Stunde zum Arbeiten
zurückziehe?" Frau Aida neigte das Haupt, als
würde sie von einem ganzen Hofstaat beobachtet.
Und Heinrich Schmidt stieß es zum taufendundeinten
Male auf, wie er in der Zeit der Iugendeseleien
nur auf die Idee hatte kommen können, daß eine
Amerikanerin von Frau Aidas Format zur Ver
vollkommnung seines Haushaltes nötig war.
Wenn er sich nach solchem Aktschluß zum Ar
beiten zurückzog, dann drückte er in seinem offizi
ellen Arbeitszimmer, das den pompösen Auffassun
gen und körperlichen und seelischen Ausmaßen Frau
Ai-das entsprach, auf ein besonderes Feld in der
Holztäfelung. Hinter ihm versanken die Bibliothek
mit tausend Seltenheiten, die Schöpfungen antiker
Malergrößen, die kostbaren Teppiche. Und vor ihm
tat sich ein Stück Kleinbürgertum auf. Ein Stück
chen Umwelt aus dem Kreise der Prätoriusse und
anderer, denen es das Leben nicht so ganz leicht,
aber doch mitunter behaglicher machte, als einem
amerikanischen Werftbesitzer deutscher Abstammung,
der geglaubt hatte, sich zur Krönung seines Werkes
eine amerikanische Frau nehmen müssen.
Ob Frau Aida wußte, was ein Paar echte deut
sche Filzpantoffeln waren? Ob sie es überhaupt
nur zugegeben hätte, daß sie es wußte? Henry
Smith zog ohne Kammerdiener die in Frau Aidas
Röhe unerläßlichen Lackschuhe aus und schlüpfte mit
innigem Wohlbehagen und einem Gesicht, als hätte
er soeben Wilhelm Busch gelesen, in die Schnüdt-
schen Filzpantoffeln, in den Schmidtschen Schlaf-
rock. Er holte sich die Schmidtsche lange Pfeife her
vor und stopfte sie aus einer Tüte mit Pastoren
tabak.
(Fortsetzung folgt.)
TUBE 150 U.Z5Q IN ALLEN FACHGESCHÄFTEN