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Nr. 224
Zur Unterhaltung
Mittwoch, den 24. Sept. 1930
Beilage der Schleswļg.Holsteļnļschen Landeszeitung (Nendsburgsr Tageblatt)
ķme «rrfeegenKe Uigr^ssö.
Ich hatte — es war im Winter 1912, also
noch vor dem Kriege — die Einladung eines
englischen Freundes angenommen, Weihnach
ten bei ihm zu verleben. Wenige Tage vor dem
Feste traf ich in Golaghab ein, einer mittleren
Stadt Assams, wo Dr. Haylock als Arzt tätig
war. Mein Freund empfing mich ans dem
Bahnsteig. „Sie haben wirklich Dusel!" meinte
er nach den ersten Worten der Begrüßung.
„Uebermorgen steigt hier eine große Tiger
jagd,' Sie machen doch natürlich mit?" Selbst
verständlich war ich mit Begeisterung dabei,'
war es doch das erste Mal, daß sich mir die
Gelegenheit bot.
Pünktlich um fünf Uhr morgens am
übernächsten Tag versammelte sich die Jagdge
sellschaft, außer uns beiden, noch drei englische
Herren, jeder auf seinem Jagdelefanten.
Neun weitere dieser Dickhäuter sollten als
Treiber dienen. Der Tiger, dem die Jagd
galt, und der sich in den letzten Wochen in der
Umgegend sehr oft unliebsam bemerkbar ge
macht hatte, war in einer unweit gelegenen,
von breiten Grasflächen durchsetzten Dschun
gel aufgespürt. Schon im Laufe der Nacht
wurde sie von zahlreichen Eingeborenen in
weitem Umkreise umstellt.
Kurz nach sechs Uhr war es soweit. Oberst
Mackey, der Leiter des Ganzen, gab das Zei
chen, und im gleichen Augenblick setzte ein
Höllenlärm ein. Durch Brüllen, Trommeln,
Klappern suchte man den Tiger aus seinem
Versteck aufzuscheuchen und auf die Linie der
Jäger hin zu treiben. Infolge meines er
höhten Platzes — mein Reittier „Bahadur"
maß mindestens drei Meter in der Höhe und
stand zudem noch auf einer kleinen Boden-
schwellung — konnte ich die vor mir liegende
Fläche gut übersehen. Bald zeigten sich hier
und da bewegende Spitzen des fast meterhohen
Grases, daß sich allerlei aus dem Dickicht auf
gescheuchtes Getier darin bewegte.
Da erscholl links von mir der trockene
Knall eines Büchsenschusses. Oberst Mackey
hatte den gerade auf ihn zukommenden Tiger
gesehen, geschossen, jedoch gefehlt. Das Raub
tier, das — wohl durch frühere Erfahrungen
gewitztigt — die ziemlich dichte Kette der Ele
fanten nicht zu durchbrechen wagte, strich jetzt
in hohen Fluchten an ihr entlang. Schon
hoffte ich auch zu Schuß zu kommen, als es
unmittelbar neben mir knallte. Dr. Haylock
hatte eine glückliche Kugel angebracht,' ich
konnte deutlich sehen, wie der Tiger ans den
Schuß zeichnete und bann, scharf links abbie
gend, wieder dem dichten Walde zustrebte.
Nach etwa 300^ Metern hörte die Bewegung im
Grase auf, offenbar hatte der Tiger, schwer
verletzt, sich im Wundbett niedergetan.
Rasch berieten wir uns über das weitere
Vorgehen. Dann rief ein Hornstoß die Trei
ber-Elefanten herbei. Nachdem alle eingetrof
fen, wurde der Platz, an dem der Tiger lag,
von den vierzehn Elefanten eingekreist. Vor
sichtig — denn mit einem verwundeten Tiger
ist nicht zu spaßen — ging es vorwärts. Der
Durchmesser des Kreises betrug vielleichtAwch
40 Meter, als erst ein dumpfes Knurren,
dann ein wütendes Gebrüll uns belehrte, daß
es mit der verwundeten Raubkatze noch kei
neswegs zu Ende war.
Das Gebrüll hören und nach rückwärts
durchgehen war für ein gutes halbes Dutzend
der Treiber-Elefanten ein und dasselbe. Die
Reitelefanten zeigten sich indessen als aus
härterem Holze geschnitzt. Schritt für Schritt
ging es weiter auf den Tiger zu, dem die
Sache langsam ungemütlich zu werden schien.
Ein neues wütendes Fauchen und Brüllen,
dann suchte er die Kette der Elefanten zu
durchbrechen und zwar — als ob er gewußt,
daß ich ein Neuling im Tigerjagen und daher
am ungefährlichsten war — geradeswegs dort,
wo ich mich auf meinem „Bahadur" befand.
Ich wollte gerade die Büchse heben, als der
Elefant eine eigentümliche Bewegung machte.
Langsam schien er sich nach rechts auf die Seite
zu legen. Er war mrt dem rechten Vorder-
unü Hinterbein in eins der tückischen, halb
trockenen Schlammlöchcr getreten, wie sie in
der Dschungel Assams nicht selten sind, u. stak
nun bis zum Leibe drin. Mit ihm legte sich
natürlich auch die Howöah, in der ich saß, auf
die Seite.
Meine Lage war nicht ungefährlich. An
den Seiten war mein Sitz zwar durch starkes
Drahtgeflecht geschützt, die offene Vorderseite
jedoch befand sich keine zwei Meter mehr vom
Boden. Dazu konnte ich auf dem sich heftig
bewegenden Elefanten, der sich natürlich aus
dem Schlammloch zu befreien suchte, keinen
festen Stand, noch viel weniger aber die er
forderliche Ruhe zum Schuß gewinnen, lind
der Tiger kam inzwischen immer näher!
Er befand sich vielleicht noch sechs Schritte
entfernt und duckte sich bereits zum Sprunge,
als er im Feuer eines Schusses zusammen
brach. Oberst Mackey, ein alter erfahrener
Tigerjäger, hatte meine gefährliche Lage er
kannt, aber keinen Augenblick die Ruhe ver
loren. Kaltblütig wartete er, bis der Tiger
zum Sprung ansetzte,' in diesem Augenblick,
wo die große Katze unbeweglich verharrte und
so ein sicheres Ziel bot, gab er ihr die Kugel,
die, das Gehirn durchbohrend, ihr das Lebens
licht ausblies.
Der erlegte Tiger maß über drei Meter,'
er war einer der größten, die ich in späteren
Jahren je zu Gesicht bekommen habe. Aller
dings, ohne den sicheren Schuß Oberst Mackeys
Hütte ich wohl kaum noch eine Tigerjagd mit
gemacht. Günther Erlen beck.
Bunte Wä
Der Elefant als Vrgelpfleger.
Der Neuyorker Zoologische Garten darf sich
rühmen, den größten aller in Gefangenschaft leben
den Elefanten der Welt zu beherbergen. Der Riese
heißt Khartum und übertrifft den berühmten
Jumbo, der mit einer Höhe von rund 3,5 Meter
lange den Größenrekord hielt, noch um mehr als
1 Zentimeter. Khartum ist aber mit zunehmendem
Alter bösartig, unzugänglich und gefährlich gewor
den, wie es bei älteren Elefanten in der Gefangen
schaft häufig zu beobachten ist. Die einzigen Lebe-
wesen, für die er sich ein freundschaftliches Gefühl
bewahrt hat, sind zwei Rotkehlchen, ein Männchen
und ein Weibchen, die in einem Spalt der Außen
wand des Elefantenkäfigs, den schon seit. Jahren
kein Wärter mehr zu betreten wagt, ihr Nest gebaut
haben. Wenn im Frühling das Pärchen Eier im
Nest hat, geht kein Tag vorüber, an dem der riesige
Dickhäuter nicht das Gelege besichtigte. Gelegent
lich kann er, wie Dr. P. Reid Blair, der Direktor
bes Neuyorker Zoo, zu erzählen weiß, sich nicht ver
sagen, mit der Spitze seines Rüssels das Nest ab
zutasten, wobei er mit rührender Vorsicht besorgt
ist, das Nest nicht zu beschädigen oder das Gelege in
Unordnung zu bringen. Sind dann die jungen
Vögel dem Ei entschlüpft, so gebärdet sich Khartum
wie ein fürsorglicher, von Verantwortungsgefühl
durchdrungener Großpapa. Und wenn die Alten
die junge Brut füttern, steht er sorglich dabei und
blickt mit Teilnahme und Verständnis auf die Fa-
milienszene, als wenn das ganze Schauspiel für
ihn veranstaltet würde.
Das Ende der Jndianerromantik.
Die Indianer, die immer auf dem „Kriegs
pfad" befindlichen, listigen, heldenhaften und edlen
Abgötter unserer Jugend, sind längst dezimiert.
Ihre Nachkommen führen in den amerikanischen
Reservationen ein armseliges Leben. Aber
den letzten Rest wilder Freiheit gönnt man ihnen
nicht mehr. Auch ihre Stunde ist gekommen, der
letzte Rest von Romantik soll verschwinden! Wie
eine amerikanische Zeitung meldet, sollen sie zu
„selbständigen, sich achtenden Bürgern" erzogen
werden. Charles I. Roads, der Leiter der Ab
teilung für indianische Angelegenheiten bei der
amerikanischen Regierung, hat über den Plan be
reits an den Präsidenten Hoover berichtet. Er
legt den Nachdruck auf die Erklärung, die Indianer
würden nicht planlos mit akademisch-theoretischem
Wissen belastet, sondern auf der Grundlage ihrer
natürlichen Anlagen und Fähigkeiten entwickelt
werden, so daß sie später imstande seien, als Ar
beiter, Handwerker, Angestellte oder Lehrer der
Allgemeinheit nützlich zu sein und ihren Unter
halt zu verdienen. In dem Bericht wird erwähnt,
daß die Indianer intelligent wären, nur in man
chen Punkten noch unentwickelt. Die Rothäute,
die ein Handwerk betreiben, sollen nicht nur bei
der Herstellung, sondern auch beim Verkauf ihrer
Waren unterstützt werden. Dies soll durch eine
Organisation geschehen, die gleichzeitig auch dem
kaufenden Publikum die Gewähr bieten würde,
daß es sein Geld für „echt indianische" Arbeit
ausgebe! Auf die Anregung von Charles I.
Roads ist bereits der Professor der Pädagogik am
Swarthmore College, Carson Ryan jr., dazu be
stimmt worden, einen geeigneten Erziehungsplan
auszuarbeiten. Die Amerikaner gingen soweit,
daß sie für diesen Posten ein besonderes Examen
veranstalteten, aus dem Carson als Erster her
vorging. Jetzt werden die Rothäute von den
Bleichgesichtern endgültig besiegt werden: durch
ihre Kultur!
Eine entsetzliche Mahnung.
In Rosenheim soll eine Autobus-Ringlinie
ins Leben gerufen werden. Bei der Versammlung
der Interessenten prägte einer der Herren fol
genden Satz: „Das wichtigste der heutigen Vor«
sammlung aber muß doch sein, sich darüber einig
zu werden, ob das Unternehmen gewünscht wird
oder nicht. Das wichtigste der Linie aber muß
sein, daß sie zum und vom Bahnhof geführt wird.
Sonst Zieht es ihr wie jenem Kind, von dem ein
mal in Rosenheim behauptet wurde, daß es tot
geboren sei, aber nicht leben und sterben könne
und sich im Sande zu verlaufen drohe."
Die ränkevollcn Kreuzottern.
In der Zeitung von Hildburghausen erschien
kürzlich ein Artikel über Kreuzottern, der fol
genden Satz enthielt: „Die Kreuzottern scheinen
sich in diesem Jahre besonders bemerkbar zu ma
chen. Ueberall vernimmt man von ihrem Auf
treten und zum Teil sogar von ihrer Absicht, Men
schen zu beißen."
Marconi, Präsident der italienischen Akademie.
Nach dem Rücktritt Tittonis, der wegen andau»
ernder Krankheit sein Amt als Präsident der ita-
lienifchen königlichen Akademie niedergelegt hat,
wurde soeben auf Vorschlag Mussolinis Marconi
zum Präsidenten dieser Körperschaft vom König er
nannt. In einer Vollversammlung der Akademiker
wurde die formelle Zustimmung zu der Entscheidung
Mussolinis ausgesprochen, der im nächsten Monat
noch weitere elf Akademiker zu ernennen beabsich
tigt. Mit der Präsidentschaft der königlichen Aka-
'demie sind Sitz und Stimme im faschistischen Groß-
rot verbunden.
Tum Lâchrîrr uuö Lachen.
Schottische Sparsamkeit.
Mr. McPherson aus Aberdeen hatte seinen
Hut jetzt 15 Fahre getragen. Schon seit drei Jah
ren hatte er ernsthaft erwogen, einen neuen zu
kaufen — aber bis jetzt hatte er immer gezögert:
schließlich war der alte doch noch ganz gut. Endlich
ginge nicht mehr, das sah selbst Mr. McPherson
ein.
Mr. McPherson faßte daher den heldenmüti
gen Entschluß, ins Portemonnaie zu greifen, und
begab sich in denselben Laden, wo er vor fünfzehn
Jahren seinen alten Hut gekauft hatte. Und
trat mit den Worten ein: „Tag, Mr. O'Brien —
da bin ich schon wieder!"
Darüber lacht Amerika.
New y or ke r (ungläubig): Sie wollen also
behaupten, daß Sie in Kalifornien 365 Tage Son
nenschein im Jahre haben?" ^
Mann aus Los Angeles: „Genau so ist es,
mein Herr, und das ist noch eine sehr vorsichtige
Schätzung." (Stray Bits.)
Richter zum Angeklagten: „Und
nun hoffe ich, daß wir uns hier nicht mehr wie
dersehen." X '
„Nicht mehr wiedersehen, Herr Richter? Wol
len Sie denn von Ihrem Posten zurücktreten?"
(Cappers Weekly.)
Die Frau eines Farmers zum Drogisten: „So
und jetzt schreiben Sie mir bitte auf die beiden
Flaschen, welche für das Pferd ist und welche für
meinen Mann. Ich möchte nämlich nicht, daß
dem Pferd vor der Frühjahrsbestellung etwas zu
stößt. (Texas Ranger.)
ffimmujusmssxra
tmb hmlerm Deich.
Skizze von Ragnhild Svenffen.
Kobben konnte es nicht so recht begreifen,
warum seine Tochter Gise immer mit mußte,
wenn der große Kahn die Lühe hinauf fuhr.
Zogen nicht von Juni bis Oktober die Kvbben-
schen Kähne, Segelkutter und Motorboote elb
aufwärts, bei den Deichbauern im „Alien
Lande" ihren Obstbeöarf einzudecken? Mit den
Kirschen begann es doch schon: Pflaumen, Aep-
sel und Birnen folgten. Kobben brauchte Nie
senmengen,' denn nicht allein die Hamburger
Marmeladen- und Obstkonservenfabrikanten
verlangten Ware nur von Kobben. Der Ruf
seines guten, alten Kaufhauses drang rings
um durchs gesamte Deutsche Reich bis in die
Schweiz hinab und über den Kanal nach Eng
land hinüber. Ja, er hatte auch den Mojen an
der Hand, Mojen mit seinem herrlichen Obst-
besitz, den Obstfürsten unter den wohlhaben
den Bauern hinterm Deich, ja. Mojen war
nicht zu ersetzen. Während nun Kobben die
besten Geschäfte abschloß, verließ Gise ihren
Platz im staubigen Kontor hinter den dicklei
bigen Büchern und machte Ferien. Weil es an
die Lühe ging! —
Vater Kobben schüttelte immer wieder
den Kopf. Warum reiste das Mädel nicht mal
in der Welt herum? Er hätte es ihr gegönnt
und mit Mitteln dazu nicht geknausert. So'n
Mäöelmußte ja auch 'mal heraus aus den
grauen Mauern am Hamburger Hafen. Aber
Gise fuhr mit Vaters Kähnen an die-Lühe,
und das kostete keinen roten Pfennig. Auch
gut! Die Sparsamkeit hatte das Mädel vom
Vater — eigentlich konnte der alte Kobben
stolz darauf sein.
In diesem Herbst hatte sich die Abfahrt des
großen Kahns an die Lühe um einige Tage
verzögert. Nach bösen Regengüssen, die eine
dringliche Mahnung des Herbstes ahnen lie
ben, besann sich die Sonne noch einmal auf
ihre bisherige Herrschaft und zauberte die letz
ten warmen, durchsichtig klaren Tage hervor.
In ihrem Glanze hoben sich die stattlichen
Deichhöse mit ihren mächtigen Giebeln und
bunten Farben noch freudiger aus den reich-
gesegneten Obsthainen. Deir Deich cntlaiig
standen die Obstkörbe am Wasserrande und
harrten der Marktschiffe. Gise Kobbens Blick
ging kosend darüber hin. Obst, Obst, wohin
das Auge schaute. War ein reiches Land, das
Alte Land.
Kostbarer als alle anderen bot sich Mosens
Obsthof vor den Blicken dar. Weithin grüßte
sein hohes, spitzes Schilfdach, prangte die hoch-
torige Einfahrt mit reichen Schnitzereien,
leuchtete das satte Rot der Klinker, blinkte
das weiße Fachwerk. Ein prachtvolles Haus,
das von Mojens mit seinem säulengeschnitzten
Portal.
Ein kleines Motorboot kreuzte den Kahir.
Der Bootsmann schrie herüber, grüßte Kob
bens Tochter. „Bauer Mojen fragt jeden Kahn
ab nach Ihnen, Fräulein, droben steht er
—" Und das kleine Boot war vorbeigerattert.
Kobbens Tochter wurde so rot wie die Far-
bc an Mojens Klinkerwänden? Sie folgte dem
ausgestreckten Arm des Bootsmannes und sah
Dietrich Mojen auf der kleinen Lühedeichkrone
stehen. Er beäugte mit einem Fernglas
die
Gegend ringsum. Da ließ Gise Kobben ihr
weißes Taschentuch aufflattern und einen
kleiiien, scheuen Juhschrei. Hinter ihr lachten
verschmitzt die Leute aus Kobbens Kahn.
Ehe der Kahn angelegt hatte, mar Dieter
Mojen an der Ladestelle. Sein helles Friesen
gesicht strahlte, als wäre es gebürstet: wie
blaue Steine blitzten seine Augen. „Ich habe
Sie schon schmerzlich vermißt, Fräulein Kob
ben", sagte er mit einer unverstellten Unge
duld.
Gise schritt neben ihm her über den Deich,
hinter dem doch eigentlich erst die wahrhaft
idyllischen Winkel lagen, die kleinen, uralten
Zugbrücken über dem Wasser, wie man sie
auch in Holland kennt.
„Ja, nun bin ich doch wieder gekommen",
sagte sie und sog den Duft des reifen Obstes
ein, „wie ich jedes Jahr kommen werde!" Eine
Weile war Schweigen, dann sagte Mojen:
„Werden Sie nicht müde, immer in unsere
Einsamkeit zu kommen?"
„Nein, dessen werde ich nie müde. Sehen
Sie" — sie deutete ans einen vollen Korb im
Grafe — „hier sieht das Obst ganz anders aus
als in Hamburg, in den alten, grauen Räu
men, in denen es vor der Ausschiffung und
dem Versand verpackt wird. Ich möchte das
Obst immer nur da sehen können, wo es ge
wachsen ist. Das wäre schön."
„Dann kommen Sie viel zu wenig in unser
Land, Fräulein Kobben — Sie müssen auch
kommen, wenn all das in Blüte steht, was jetzt
gereift ist."
Sie wandte ihm ihren strahlenden Blick zu
und lachte: „Ja, ich glaube, ich muß viel öfter
kommen "
Da blieb Mojen stehen und sah sie an und
dachte, wie lange er auf diesen Augenblick ge
wartet habe, vom letzten Herbst an, da sie weg-
fuhr bis jetzt, wo sie wiederkam — wiederkam
für ein paar Tage. Sein ganzes Herz lag in
seinen Angen. Und plötzlich faßten seine gro-
.,Nicht
ßen, starken Hände ihre Schultern.um.
immer von Kommen und Geyen reden!"
Sie schaute ihn immer noch mit diesen
strahlenden Augen asi. Um ihren Mund spielte
schelmisches Lächeln. „Vielleicht kommen Sie
inzwischen einmal nach Hamburg?"
Er dachte daran, wie er im Winter ver
schiedentlich nach Hamburg gefahren mar, Kob
ben aufgesucht hatte, mit dem es eigentlich
durchaus nichts zu verhandeln gab. Aber —
man sah dann Gise. Warum mußte denn das
sein? Daß man sehnsüchtig hin und her sann,
wie man das Mädchen wiedersehen konnte?
Nein, das war ja alles unnötig, so unnötig.
„Liebe, liebe Gise Kobben", .bat er leise,
„bleibe hier! Immer! Bei mir! Bei mir, Gise!"
Ganz dicht stand die schöne, braune Gise
Kobben vor dem hochgewachsenen Friesensohn,
dem Sproß eines uralten, reichen und edlen
Bauerngeschlechts.
„Ach, wie lange habe ich darauf gewartet,
Dieter Mojen, aus das Wort, das Dein Blick
mir schon so lange gesagt hatte", seufzte sie mit
lachendem Munde und ein klein wenig Zucken
um die Lippen vor Tränen.
Da beugte sich Mojen und küßte den rot
samtenen Mäöchenmm^. —
Bei der Rückfahrt trug Kobbens Kahn
seltene Fracht: zu allem Obst, das den Kiel
ins Wasser drückte, daß er silberne Furchen
zog, ein richtig glückseliges Brautpaar. Vater
Kobben aber dachte später in Hamburg darüber
nach, wie dumm es gewesen sei, sich jahrelang
über Gises Beziehung zur Lühe den Kopf zu
zerbrechen. Hätte er nicht auch gleich wissen
können, daß solche Beharrlichkeit bei Mädchen
nur eine Ursache hat: die Liebe
V