Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 3)

ur Unterhaltung 
Deļlags der Schleswļg-Holsteļnffchen Landeszeitung (Rendsburger Tageblatt) 
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Am 10. September ist der Verleger Eugen 
Diderichs, der in mehr als 30jähriger Kultur 
arbeit einen der bekanteften deutschen Ver 
lage aufgebaut hat, im Alter von 63 Jahren 
in Jena gestorben. 
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Eugen Diederichs wurde am 22. 6. 1867 als 
Tproß einer niederdeutschen Kotsaßenfamilie aus 
öerxheim in Braunschweig geboren, deren Be 
gehen bis 1616 urkundlich zurückreicht. Seine 
vorfahren waren zuerst Bauern und Dorfhand- 
^erker, später Dorfschullehrer, Eutsadministra- 
ivren und Rittergutspächter. 
Am 14. September 1896 gründete Diederichs 
'N Florenz den Verlag Eugen Diederichs, siedelte 
% Jahr später mit diesem nach Leipzig über, bis 
1904 nach Jena umzog, wo der Verlag jetzt 
doch besteht. 
Das Wahrzeichen des Verlags ist ausgeprägt 
’ll dem Diedrichs-Löwen, das den mit der Renais 
sance einsetzenden Individualismus symbolisieren 
'oll und auch jetzt noch die Grundrichtung des 
Verlags und seiner Werke, nämlich Kultur der 
Persönlichkeit und durch sie Formung der Masse 
tont Ausdruck bringt. 
Aus der ersten Ehe Diederichs mit der Schrift- 
Merin Helene Voigt-Diederichs stammen eine 
Achter und drei Söhne. Seit 1916 ist Diederichs 
ļļļk der Schriftstellerin Lulu von Strauß und 
Torney verheiratet. 
Im Jahre 1924 ehrte ihn die Universität 
Ķoln durch die Verleihung des Dr. h. c. 
öZgrrme rrnö öie bķŞs Vkm?§ 
Ein Märchen von Edith Härter. 
(Schluß.) 
„Weshalb bleibt ihr mcht bei mir, um mir 
^twas zu erzählen?" rief Sigrune. 
„Wir freuen uns hier oben und baden uns 
in der Sonne", gurrten sie zurück. „Komm her 
auf und freue dich mit uns!" 
Ja, da herauf. Früher war Sigrune einmal 
oben gewesen. Man konnte weit, weit sehen! Aber 
der alte Pförtner öffnete das verrostete, knarrende 
Tor zum Bergfried nicht gern. Mochte er jetzt 
brummen! Sigrune mußte hinauf! 
Ah! War das schön da oben in freier Luft, 
im Sonnenmeer! Sigrune stand und sog gierig 
die Schönheit ein. Weit Lehnten sich die Wälder 
um das Schloß. Die tausend und abertausend 
Baumwipfel wogten und rauschten ein Danklied, 
das der Morgenwind weit ins Land hineintrug 
über Wiesen und Felder, die ganz hinten in 
blauem Dunst verschwommen lagen. Und dar 
über die strahlende, siegende Morgensonne! Und 
aus ihr oder dem fernen Nebel sich losringend 
ein Ton, so klar, so lockend! Sigrune stand, die 
Hand auf die Brust gepreßt, mit verlorenem Blick. 
Dieser Sonnenklang rief alles wieder in ihr wach, 
was sie bei der Glockenblume erlebt hatte. Dieser 
Sonnen-sang zog sie unwiderstehlich, daß sie ihm 
folgen mußte in die Ferne, daß sie ihre Heimat 
verließ. Dieser sehnsuchtsvolle Ton klang wider 
in ihrer eigenen Brust. — Und Sigrune 
wanderte mit großen Augen, die etwas Weites, 
sehr Fernes sahen. Die Tannen im Walde schüt 
telten mißbilligend die Zweige und raunten voll 
Trauer: 
„Sigrune, Sigrune, 
Was ziehst du hinaus? 
Törichtes Kind, 
Kehrst niemals nach Haus! 
Sigrune. Sigrune, 
Was fliehst du dein Glück? 
Du kehrst ja vor Herzeleid 
Niemals zurück. 
Sigrune, Sigrune, 
O, bleib doch daheim! 
In der Fremde, im Elend, 
I Da bist du allein." 
Aber Sigrune hörte sie garnicht. Sigrune 
wanderte. — 
Da begegnete ihr die alte Waldsrau, 
„Wo hinaus, Prinzessin?" 
„Dorthin, weit, weit!" entgegnete Sigrune. 
Mit klugen, ernsten Augen betrachtete die Alte 
sie und sagte: „Ja, Ihr folgt der Stimme,, die 
Euch ruft. Aber nehmt hier diese Blumen. Ihr 
werdet sie brauchen können, und nie sollen ste alle 
werden in Eurer Hand." Damit reichte sie Sigrune 
ein paar Glockenblumen und verschwand. — 
Sigrune wanderte. Sie sah nicht, wie das Land 
anders wurde, zerstampft, zerfressen; wie die Men 
schen bedrückter dreinschauten! — 
Endlich kam sie an eine große Stadt. Wie 
riesige, schwarze Blöcke standen die Häuser, ragten 
empor, daß kaum noch der Himmel zu sehen war, 
der Himmel, der dunstig und schwer darüberlag. 
Donnerstag, den 11. Sepk. 1930 
Die Sonne strahlte nicht mehr golden. Nein — 
trübe starrte sie durch den Dunst. Und die Men 
schen erst! Mit gefurchten Gesichtern eilten sie 
daher in großer Eile. Mit weiten Augen, die 
es nicht fassen zu können schienen, schritt Sigrune 
durch die Stadt, an schmutzigen, düsteren Häusern 
vorbei, durch die jagende, hetzende Menge. Sie 
sah viele rauchende Schlote aufsteigen,, hörte in 
langen Hallen Maschinen stampfen und stoßen. 
Sigrune kam an den Hafen, aus dessen trü 
bem Wasser Lastkahn neben Lastkahn lag. Eisen- 
gerüste starrten. Stahlarme hoben Riesenlasten. 
Aber die Menschen taten ihre Arbeit stumpf, ahne 
Freude, als wären sie selbst nur noch Maschinen. 
Sigrune packte ein jähes Erschrecken vor dem 
Fremden, Unbekannten. Die Flut des Leides und 
des Grams lastete auf ihr wie ein Alpdruck. Da 
sah sie mitten im Gewühl der Straße ein Mäd 
chen, ein Kind noch, sich auf Krücken fortschleppen. 
Der kleine, mißgestaltete Körper zuckte bei jedem 
Schritt in Schmerzen. Aber ein großer Wille 
strahlte aus den dunklen Augen, die voll hungri 
ger Eier an den Glockenblumen in Sigrunes Hand 
hingen. 
„£>, gib mir eine davon!" bat das Kind und 
streckte sehnsüchtig die Hand aus. Sigrune reichte 
ihr eine. Als sie dann die dankbare Verzückung 
des Kindes sah, war es ihr, als schwänge die 
Glockenblume in zarten Tönen. Und der dumpfe 
Schmerz, der auf ihr lastete über das dunkle Leid 
dieser Menschen, löste sich in einer Woge von Mit 
leid und Tränen. Der Wille zum Helfen stand 
groß in ihr auf; und die blauen Sehnsuchtsglok- 
ken läuteten ihr Verheißung. — \ 
Sigrune fragte das Kind: „Weshalb ist die 
Stadt so trübe, und warum sind die Menschen so 
traurig?" 
„Ja, sieh," sagte das Mädchen, „ich glaube, 
früher war es anders. Aber da kam eines Tages 
ein gewaltiger Herrscher, der sehr reich war. Er 
versprach den Menschen, daß er sie auch alle reich 
und mächtig machen würde. Aber er war falsch. 
Er wollte nur für sich noch mehr Geld erraffen. 
Arm sind sie geworden, viel ärmer, alle, die da 
hofften, reich zu werden." Mit starren Augen 
sprach das Kind. Und dann zusammensinkend wies 
es mitleidig auf das Stratzengewühl: 
„Stehst du, wie sie rennen und jagen, sie mei 
nen, sie könnten es endlich fassen, das Geld. Sie 
kennen nur sich selbst und ihren Wahn. Sie ver 
gessen Gott und hassen die Menschen." 
Erschüttert hörte Sigrune das Leid, darunter 
das Mädchen litt, das Leid, das dumpf über der 
Stadt lastete. „Sie hassen die Menschen und ken 
nen Gott nicht mehr. Aber wem die Glocken 
blume tönt, dem gibt sie die Liebe zu Gott und 
den Menschen wieder ins Herz." — 
Und nun wanderte Sigrune täglich durch die 
Stadt und hielt ihre Glockenblumen bittend em 
por, ob vielleicht jemand Freude daran hätte. Aber 
die Leute schauten mit leeren Augen daran vor 
über. Voll Mitleid dachte Sigrune dann: „Ach, 
wenn ihr euch doch freuen könntet! Mit der 
Freude kehrt auch der Lebensmut zurück. Und 
ihr könntet euch lösen von dem Bann, der eure 
Seelen gefangenhält. Ich will zu euren Kindern 
gehen, deren Seele hungernd und dürstend aus 
ihren Augen schaut." Und nun ging Sigrune in 
die düsteren Höfe und Winkel. Wo das Elend 
am größten war, da war auch die Kindersehnsucht, 
die junge, unberührte Kraft der Seele am größ 
ten. Da fand sie gierig Ohren für ihre Mären auq 
der Waldheimat ihrer Kindheit, da streckten sich 
verlangende Hände nach dem Blumenwunder. Für 
die jungen Seelen erblühte ein Zauber- und Mär 
chenreich in -dem trüben Steinmeer. — 
Msrrö ÄÄL öer §lä. 
Ueber den Wald hin hängen große Wol 
ken. Hier und da glühen Streifen silberner 
und goldener Lichter von vergessenen Son 
nenstrahlen. Ausklingendes Wetter zieht 
langsam über den Kamm des Gebirges. 
Unter dem Himmel gleitet lautlos ein 
Vogel und zieht stille Kreise, der einzige, 
der zwischen Tag und Nacht den Himmel be 
lebt. Eine spielende Schar froher Kinder 
durchbricht die Stille der Abendstunde. Im 
bläulichen Dunst am Horizont verschwinde« 
die Silhouetten der von der Arbeit Heimkeh 
renden, den schmalen Fußpfad heran kommen 
einige Bürger, die ihren Garten bestellten, 
und der Schäfer zieht langsam über die Wie 
sen mit seiner Herde auf das Vorstadtgut. 
Aus dem Gebüsch schleicht ein Kätzchen und 
hascht unter kleinen Sprüngen mit seinen 
Pfötchen nach einer Mücke, die ihren Schaber 
nack mit ihm treibt und spielend vor ihm her 
tanzt. Von der Höhe der Stadt her 
leuchten schimmernd die Türme des Rat 
hauses und der Kirchen, dazwischen recken sich 
regungslos die Wipfel des Stadtwaldes. 
Irgendwoher tönt eine Turmuhr mit gleich 
mäßig verhallenden Schlägen. Ueber dem 
endlosen Dunkel im Osten steht fahl der 
Mond, während im Westen über- der Stadt 
ein letzter verirrter Strahl der Abendsonne 
noch einen kurzen Augenblick lang ein herr 
liches Abendrot malt. K. M. 
Lächeln rmö Lachen, 
Tüchtig. 
„Der Verhaftete hat ja mit der Schlägerei 
gar nichts zu tun, Wachtmeister." 
„Es ist der einzige, den ich von der Menge 
verhaften konnte." 
Vergeßlich. 
„Mein Bräutigam ist schrecklich vergeßlich!" 
„Ja, das habe ich gemerkt, als ich gestern mit 
ihm zusammen war; immerfort mußte ich ihn dar 
an erinnern, daß er verlobt ist." 
Stärker als der Tod. 
Roman von Hans Schulze. 
^1) (Nachdruck verboten.) 
Doch all ihre Furcht und Sorge war umsonst ge 
wesen, der Gatte war nicht nach Hause gekommen 
^d auch am anderen Tage unter einer belanglosen 
Entschuldigung von Wannsee ferngeblieben. 
Was war geschehen? 
Der Fernsprecher schwieg beharrlich. 
Weder hatte Kurt, wie er versprochen, an jenem 
^ngiücksabend noch einmal bei ihr angerufen, noch 
in der Folgezeit eine briefliche oder telepho 
nische Verbindung mit ihm zu erreichen gewesen. 
Auch Walter von Prayer, zu dem sie in ihrer 
^ot endlich auf eine Viertelstunde hinübergehuscht 
^>ar, hatte ihr keine Auskunft geben können. 
War Kurt einem Unglück, einem Verbrechen z-um 
^pfer gefallen, und was bedeutete dieser seltsame 
Ņaterbesuch, wenn es zwischen den beiden Män- 
ņern vielleicht zu einem Zusammenstoß gekommen 
^ar, der auch sür sie nur den Auftakt zu einer 
sarchtbaren Katastrophe bedeuten konnte? 
Jetzt trat die Zofe leise herein. 
»Der Herr Generaldirektor ist im Haus", sagte 
»und kleidet sich bereits zum Theater um!" 
Evelyn nickte. 
Die Kehle war ihr wie zugeschnürt. 
Auf einmal graute ihr wieder vor dem ersten 
lammentreffen mit dem Gatten, das sie doch den 
^Nzen Tag über fast herbeigesehnt hatte, um der 
mehr erträglichen Marter der Ungewißheit ein 
^de zu machen. 
ş. Willenlos, mit bleischweren Gliedern, ließ ste 
p> das kostbare Goldlameekleid überstreifen und 
e 9te als einzigen Schmuck eine schmale Perlenkette 
den schlanken Hals. 
^ „Komm, Lore", sagte sie dann, ihren ganzen 
Pt zusammennehmend, »ich muß eilen, es ist be- 
ei *s halb acht vorbei!" 
ļ. Draußen in der großen Halle mit den floren- 
î^stchen Säulen wartete der Gatte schon. 
> Er war ruhig und ernst wie immer, kein Zug 
n seinem undurchdringlichen Gesicht verriet etwas 
einer tieferen seelischen Erregung. 
Er begrüßte die Damen mit seiner stets gleichen, 
ein wenig farblosen Höflichkeit und sprach zu Lore 
ein paar bedeutende Worte, daß er versäumt habe, 
auch sür sie eine , Karte zum Theater besorgen zu 
lassen. 
Dann bot er Evelyn den Arm und geleitete sie 
über die breite Freitreppe mit den am Geländer 
herabschreitenden Löwen zum Auto. 
Als Kurt und Walter v. Prayer vor der Säu 
lenfront des Westendtheaters vorfuhren, war der 
Beginn der Vorstellung schon nahe herangerückt, 
aber noch immer strömten dichte Menschenscharen 
von der endlosen Auffahrt der Automobile dem 
grellerleuchteten Marmorportal der Eingangshalle 
zu. 
Ein Summen wie von einem Bienenschwarm 
ging durch das ganze große Haus, das sich mit sei 
nem ragenden Turmousbau wie eine dunkle, dro 
hende Masse in das warme Grünblau des sinkenden 
Maiànds emporreckte. 
Im Parkett des riesigen Zuschauerraumes ein 
ewiges Aufstehen und Sichsetzen, ein ununterbroche 
nes Grüßen und Winken, ein Gewühl und Gewoge 
von Köpfen und Lichtern. 
Jetzt das erste Gongzeichen. 
Erwartungsvoll lehnte sich alles in den Stüh 
len zurück, die Theaterzettel, die nur ganz unper 
sönlich drei handelnde Personen als „den Mann", 
»die Frau" und »den Dichter" verzeichneten, wurden 
zurechtgelegt. 
Noch einmal und ein letztes Mal die dumpfen, 
hallenden Töne des mahnenden Gongs. 
Der strahlende Lichterkranz der Deckcnkrone er 
losch, und der schwere Brokatvorhang teilte sich 
lautlos auseinander. 
Kurt hatte sich bereits in der Vorhalle des The 
aters von Walter verabschiedet und sich von dem 
Rundgang des Parketts aus durch eine Geheimtür 
sogleich hinter die Bühne begeben. 
Aus einmal war er wieder völlig gleichgültig 
gegen das Schicksal seines Werkes, auf bas er bis 
her die ganze Hoffnung seines Lebens gesetzt hatte. 
Auch die entrüsteten Vorwürfe, mit denen er im 
Direktorzimmer empfangen wurde, ließen ihn gänz 
lich unberührt; einzig dem Oberregisseur, dessen 
künstlerischen Ernst und hingebenden Eifer er in der 
Kleinarbeit der Proben besonders schätzen gelernt 
hatte, sagte er ein paar entschuldigende Worte. 
Dann stand er neben dem Feuerwehrmann in 
einer Seitenkulisse und schaute.klopfenden Herzens 
in den Ring des Zuschauerraumes. 
Er konnte von seinem Versteck aus gerade die 
ersten Reihen der Parkettbesucher überblicken, deren 
Gesichter und Hände sich wie zahllose weiße Flecken 
aus dem feierlichen Dümmer des Theaters undeutlich 
abhoben. 
Ob sich auch Evelyn unter jenen Menschen be 
fand, deren Atem in einem einzigen verschwebenden 
Laut zur Bühne hevauswehte? 
Mit bohrenden Micken suchte er die Mauern 
der stummen Gestalten zu durchdringen, und wie 
eine glühende Kette riß wieder die Sehnsucht an sei 
nem Herzen, Evelyn noch ein letztes Mal zu sehen 
und zu sprechen, ehe sich mit dem Ablauf dieser 
furchtbaren Nacht auch sein Schicksal vollendete. — 
Auf der Bühne hatte unterdes der erste Akt sei 
nen Ansang genommen. 
Man sah in die matterleuchtete Diele einer 
vornehmen Parkvilla. 
Das Ehepaar war mit dem Dichter in später 
Nachtstunde soeben von einem Sommerfest heim 
gekommen, die junge Frau noch in einem bunten 
Phantvsiekostüm, die Herren in Frack und Domino. 
Die joviale Stimme des Ehemannes erfüllte 
dos ganze Theater mit lärmender Lustigkeit. 
Er nötigte seinen späten Gast in einen Klub 
sessel am Kamin, holte Kognak und Liköre, bot 
Zigarren und Zigaretten an und schaltete ein elek 
trisches Grammophon ein, ein gutmütiger Bär, 
saftig und lebensvoll, eine ganz der Wirklichkeit ab 
gelauschte Figur. 
In heiterem Wortgeplänkel flog der Dialog hin 
und her und gab in zwangloser Form die einfache, 
sogleich zutageliegende Vorgeschichte. 
Der Gatte, ein reicher Fabrikant aus der Wrb- 
industrie, der sich in schon stank vorgerückten Jah 
ren die schöne Tochter einer mittellosen Beamten- 
fami'lie in sein üppiges Haus geholt hatte. . 
Die junge Frau, ein feines, stilles, aus lauter 
Zartheiten zusammengesetztes Weih, gespielt von 
einer genialen Schauspielerin, die erst im letzten 
Winter als Stern erster Größe am Berliner Kunst- 
himmel aufgegangen war und in einer einzigen 
Saison die ganze Reichshauptstadt in ihren Bann 
gezogen hatte. 
Drei Jahre lang war die Ehe dieser beiden so 
ungleichen Menschen im eintönigen Trott des All 
tags ereignislos dahingegangen. 
Bis die weltftemde junge Frau eines Tages 
wie aus einem Traum zur Wirklichkeit erwacht war, 
an jenem Schicksalsabend, da sie -den Dichter auf 
einer Gesellschaft getroffen hatte, und mit dieser 
Begegnung ihr ganzes Leben aus einmal auf einen 
völlig neuen Grund gestellt worden war. 
Mit allerzartesten Händen, mit feinstem Mit 
empfinden und heiliger Begeisterung war das Ge 
heimnis dieser Liebe dem eigenen Erleben nachge 
schaffen worden. 
Wundervoll, wie sich in Rede und Gegenrede, 
im Spiel der Augen, in einem schüchternen Lächeln 
das tiefe Gefühl dieser einander unrettbar ver 
fallenen Menschen offenbarte, indes der Gatte ganz 
selbstherrliche Besitzerfreude mit der Ahnungslosig 
keit des am nächsten Beteiligten, trinkend und rau 
chend in breiter Behäbigkeit, zwischen ihnen saß. 
Die Rolle des Dichters war einem gefeierten 
jungen Schauspieler anvertraut worden, dem Lieb 
ling des westlichen Berlins, der sich mit seiner sieg- 
haften Blondheit und dem weichen Tonfall seiner 
betörenden Stimme schon zahllose FrauenherzeN 
erobert hatte, ein unbekümmerter Bejaher des Le 
bens, dessen leichter, federnder Schritt selbst unter 
der Last eines tragischen Schicksals nicht schwerer 
und wuchtiger wurde. 
Mit liebenswürdiger Ueberlegenheit behandelte 
er den um zwanzig Jahre älteren Gatten, der seine 
Frau jetzt mit täppischer Zärtlichkeit auf seinen 
Schoß gezogen hatte und nur durch ironische Abwehr 
und geschicktes Ausweichen immer wieder davon ab 
gehalten werden konnte, allerlei kleine Intimitäten 
aus seinem Eheleben zum besten zu geben. 
Als er dann mit -dem Eigensinn der leise ein 
setzenden Trunkenheit -darauf bestand, daß man zur 
Feier des Tages unbedingt noch einer Flasche Sekt 
den Hals brechen müsse und schwankenden Schrittes 
die Szene verließ, um persönlich in den Keller hin 
abzusteigen, brach die mühsam gewahrte Fassung der 
jungen Frau plötzlich zusammen. 
(Fortsetzung folgt.) 
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SCeUnatkalendee 
sue das Jahc 1931 ist zcschimeni
	        
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