Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 3)

Reue Geschichten von alten Admiralen. 
In der eisgrauen Vorzeit der deutschen 
Marine, in den achtziger Jahren, als unsere 
junge Flotte unter den Fängen des britischen 
Adlers zum ersten Male ihre Schwingen regte, 
besuchte ein britischer Admiral eines Tages 
den Kommandanten der Segelfregatte „Bis 
marck", die seinerzeit friedlich inmitten eines 
englischen Geschwaders auf dem Kamerunfluß 
ankerte. Vor den Kommandantenwohnräumen 
stand der Posten in weißer Bluse und mit prä 
sentiertem Seitengewehr. Der Brite hängte 
seinen Mantel an den Haken, zog sich noch 
einmal seine Krawatte zurecht und klebte dann 
seinen Priem an eine Deckstütze. Zu jener Zeit 
priemten noch alle Seeleute der Erde, selbst 
die britischen Admirale Ohne mit der Wim 
per zu zucken, ließ der Posten den Engländer 
passieren. 
Nach eklva zwei Stunden erschien Seine 
Exzellenz wieder auf der Bildsläche, zog seinen 
Mantel an und fand auch seinen Priem an der 
gleichen Stelle. Er löste ab, schob ihn in die 
rechte Backentasche, klopfte dem Posten jovial 
auf die Schulter und sagte: „Oh, uenn Sie 
uären eine echte Seemann, Sie hätten genom 
men lange die Taba." — „Oh, Exzellenz", er 
widerte darauf der Brave, „dat hew ick ook. I ck 
hew em blot to rechten Tied wedder 
anbackt." 
* 
Als der Sieger von Skagerrak, Admiral 
S ch e e r, vor dem Kriege noch Chef des zwei 
ten Geschwaders der deutschen Hochseeflotte 
war, besichtigte der damalige Vizeadmiral eines 
Tages die Rekruten des Linienschiffes „Preu 
ßen" und verlangte hierbei Instruktionen über 
das beliebte Thema: Die Vorgesetzten. Der 
ausbildende Offizier gab dem zuständigen 
Bootsmannsmaat einen Wink. Und dann be 
gann es: „Wie heißt der Chef des zweiten Ge 
schwaders?" — „Seine Exzellenz, Herr Groß 
admiral von Tirpitz. — „Wie heißt. . . " — 
„Einen Augenblick bitte!!" — Seine Exzellenz 
griff ein: „Der Nächste. Wie sieht Seine Exzel 
lenz, der Herr Staatssekretär, aus?" Keine 
Antwort. „Der Nächste." Schweigen. „Boots 
mannsmaat, würden Sie den Herrn Staats 
sekretär auf der Straße erkennen?" — „Nein, 
Exzellenz." — „Ja, mein lieber Herr Ober 
leutnant, was hat dann die ganze Instruktion 
für einen Zweck? Ich will doch nicht nur lau 
ter Namen hören, sondern ihre Leute sollen 
sich etwas dabei denken. Wenn nicht einmal 
Ihre Unteroffiziere wissen, wie Seine Exzel 
lenz aussieht, dann sind Sie der Blamierte. 
Wie Sie es anfangen, ist mir ganz gleich. Kau 
fen Sie sich Ansichtskarten von dem Herrn 
Staatssekretär, oder beschreiben Sie ihn den 
Leuten: Seine Exzellenz trägt einen langen, 
in der Mitte geteilten Vollbart. Also wie sie 
machen, ist ihre Sache. Auf jeden Fall verlan 
ge ich, daß Sie das Aussehen der Admirale 
besprechen. — „Zu Befehl, Exzellenz! 
Am nächsten Tage sollten die Rekruten der 
„Baden" besichtigt werden. Also verfaßte der 
Oberleutnant einen Winkspruch an seinen Ka 
meraden von der „Baden",- und kaum hatte 
Admiral Scheer den Rücken gekehrt, als sich 
aus buntem Flaggenschwenken der Spruch her 
ausschälte: „Geschwaderchef verlangt Aussehen 
Admirale bei Instruktion." Als die Meldung 
eintraf, schlug ein Funken ins Pulverfaß, und 
noch in gleicher Stunde fuhr der Feldwebel der 
Rekrutendivision an Land, um Postkarten von 
den höchsten und allerhöchsten Vorgesetzten ein 
zukaufen. Und die halbe Nacht hindurch wurde 
instruiert, an Hand von Bildern, oder, wo 
keine zu beschaffen waren, auf Grund möglichst 
genauer Beschreibung durch die kenntnisrei 
chen Unteroffiziere. 
Das Verhängnis nahm seinen Lauf. Ex 
zellenz erschien auf der Bildfläche, und die In 
struktion began. 
„Wie heißt der Staatssekretär des Marine 
amts?" — „Wie heißt der Chef des ersten Ge 
schwaders?" — „Wie heißt der Chef des zweiten 
Geschwaders?" — „Wie heißt.. . ?" 
„Halt!" — Exzellenz greift ein, ausgerech 
net beim dümmsten Rekruten: „Sagen Sie 
mal, wie sieht denn der Chef des zweiten Ge 
schwaders aus, ich meine, würden Sie ihn auf 
der Straße erkennen?" 
„Zu Befehl, Exzellenz!" 
„Nun, wie sieht er denn aus?" 
„Das i st ein ganz kleinunschein 
baren Mann mit so'n klein Fussel 
bar t." 
Admiral Scheer hat niemals wieder nach 
dem Aussehen von Admiralen gefragt. 
Mitunter klappte es aber auch mit den 
Namen nicht so recht. Als z. B. eine Zeitlang 
Vizeadmiral von Meerschcid-Hüllesscm Inspek 
teur der Flotte war, stolperte über diesen Na 
men manch junger Rekrut, denn in Armee und 
Marine mußte jeder die Namen sämtlicher 
Vorgesetzten richtig herunterschnarren können. 
„Menschenskind, Adomeit!" brüllt eines 
Tages der Ausbildungsunteroffizier einen 
seiner Horde an. „Merken Sie sich doch endlich: 
Bei Exzellenz denken Sie an Sechse links, was 
Sie gestern erst wieder geschossen haben. Meer- 
scheiöt — wissen Sie nicht, was ein Meerschwein 
ist? Nun gut. Und Hüllessem, das merken Sie 
sich an Hülsen, Geschoßhülsen, die immer ta 
dellos geputzt sein sollen. Haben Sie es nun 
endlich verstanden? Na also!" — 
Besichtigung . .. Der Inspekteur stand vor 
unserem Adomeit: „Wie heiße ich?" 
„Seine Sechse links, Meerschwein von Hül- 
senputzi!" 
* 
Der Exerziermeister der deutschen Flotte, 
Großadmiral von Koester, der „alte Koester", 
wie er mit liebevoller Betonung in der Ma 
rine genannt wurde, stand eines Tages am 
Fenster seiner Wohnung und schaute auf die 
Straße, als ein junger Offizier am Hause vor 
überging. Seine Exzellenz entdeckte sofort, daß 
an der linken Seite die Waffe fehlte, der kurze 
Dolch, der damals frisch eingeführt war und 
der vorschriftsmäßig aus der linken Seiten 
tasche des Mantels heraushängen sollte. Koe 
ster öffnete das Fenster. „Ach, Herr Leutnant, 
darf, ich Sie einen Augenblick heraufbitten?" 
Während nun der junge Ossizier sich vor 
der Tür den Mantel glatt strich, bemerkte er 
das Fehlen der Waffe, aber das Glück war ihm 
hold: Im Flur hing der Dolch Seiner Exzel 
lenz, den er kurzcntschlossen umschnallte. Der 
Leutnant trat ins Zimmer,- der alte Koester 
wollte gerade auf ihn losfahren, als er den 
Dolch vorschriftsmäßig an Ort und Stelle ent 
deckte. Schnell gefaßt stellte er einige belang 
lose Fragen und entließ den Offizier, der drau 
ßen sofort wieder die Waffe an den Haken 
hängte. 
„Alte!" rief der gute Koester seine Frau 
ans Fenster. „Siehst du dort den Leutnant über 
die Straße gehen? Hat der nun einen Dolch, 
oder hat der keinen?" 
„Der hat keinen, Männe!" flüsterte die 
„Alte", die schon um das Schicksal des jungen 
Offiziers bangte. 
„Siehst du", erwiderte Koester kopfschüt 
telnd, „das habe ich mir auch gedacht. Aber du 
kannst es glauben oder nicht, in Wirklichkeit 
hat er doch einen!" 
Btttrtc Wà 
Eeschwaderslug Rom—Brasilien. 
Zwölf der mächtigsten Wasserflugzeuge des 
italienischen Flugdienstes liegen zurzeit in Ostia, 
dem Hafen Roms, startbereit für ein Reiseunter 
nehmen, das in den Annalen des Flugwesens nicht 
seinesgleichen haben dürfte. Handelt es sich doch 
um nichts Geringeres als einen Flug in geschlos 
sener Geschwaderformation nach Brasilien. Es 
soll unter der persönlichen Leitung von General 
Balbo, dem italienischen Luftminister, und der 
Begleitung seines Generalstabschefs, des Generals 
Valli, erfolgen. Ueber dieses sensationelle Flug 
unternehmen wird strengstes Stillschweigen ge 
wahrt,- die amtlichen Stellen verweigern jede 
nähere Auskunft. Doch verlautet, daß für die 
Verzögerung des Abfluges nur die Witterungs- 
Verhältnisse verantwortlich zu machen seien. Man 
will möglichst ohne Unterbrechung bis nach Bra 
silien fliegen; da aber ein Flug in Geschwader- 
formation auf dieser Entfernung nur bei den denk 
bar besten Wetterverhältnissen durchführbar ist, 
will man mit dem Start warten, bis von allen 
Beobachtungsstellen günstige Berichte vorliegen. 
Sollte im Verlaufe der nächsten zwei Monate 
diese Bedingung nicht erfüllt sein, so will man ver 
suchen, den Flug in zwei Etappen durchzuführen. 
Ein Flugzeug hat bereits einen Probeflug über 
den Atlantik gemacht, der. wie verlautet, bis auf 
einen kleinen Maschinendefekt glücklich verlaufen 
sein soll. 
Der Kampf um Harnacks Nachfolge. 
Da am 18. Juli der Senat der Kaifer-Wil- 
helm-Gesellschaft den Nachfolger für ihren kürz 
lich verstorbenen Präsidenten v. Harnack zu wäh 
len hat, ist bereits ein heftiger Kampf um die 
Kandidaten im Gange. Es scheint auch, daß man 
sogar von einer Seite aus den Versuch machen 
wollte, mittels taktisch geschickter Vorbereitungen 
den Senat mehr oder weniger auszuschalten. An 
der Spitze der Kandidaten steht immer noch der 
frühere Kultusminister Becker, aber es sind in 
zwischen noch eine ganze Reihe anderer Persönlich 
keiten nomiert worden, wie auch der bekannte Phy 
siker Prof. Planck, der aber als rein theoretischer 
Wissenschaftler für diesen vielseitigen Posten wohl 
kaum in Frage kommt. 
Neue Vcrkehrsflugzeugtypen. 
Die Bremer Flugzeugwerke Focke-Wulf haben 
in diesen Tagen einen neuen Verkehrsflugzeugtyp 
herausgebracht, der schon in der nächsten Zeit aus 
einigen deutschen Verkehrsflugzeuglinien in den 
Dienst gestellt werden soll. Dieser neue Flug 
zeugtyp „Bussard" stellt eine Verkehrsmaschine 
mittlerer Größe dar, die den erhöhten Anforderun 
gen des Flugzeugverkehrs an Wirtschaftlichkeit 
weitgehend gerecht wird. Mit einem 300 PS-- 
Motor werden zwei Führer und sechs Fluggäste 
transportiert, das sind zwei Personen mehr als 
ältere Verkehrsflugzeuge mit einem gleichen Mo 
tor zu befördern imstande waren. 
Europa in der Vogelperspektive in vier Tagen. 
In diesen Tagen hat ein exzentrischer Ameri 
kaner einen neuen Verkehrsrekord aufgestellt. Am 
Freitag voriger Woche traf er in Europa ein und 
trat dann folgende Luftreise an: Am Sonnabend 
von Paris über Köln und Hamburg nach Kopen 
hagen, Sonntag von Kopenhagen nach Berlin, 
Montag von Berlin nach Wien, Dienstag von 
Wien über München, Stuttgart, Karlsruhe und 
Saarbrücken wieder zurück nach dem Ausgangs 
punkt, nach Paris. Am Mittwoch ist der Ameri 
kaner mit seiner Familie bereits.wieder nach sei 
ner Heimat abgereist. Ob die Eindrücke van 
Europa, die er und seine Familie aus den höch 
sten Höhen gehabt haben, sehr tief sind, dürfte zu 
bezweifeln sein, immerhin sind wir um einen 
neuen Verkehrsrekord reicher. 
Bescheide«. 
„Ein Armer bittet um eine kleine Gabe! 
Ich hab' schon seit zwei Tagen nichts gegessen." 
„Ach, wie schrecklich! Hier haben Sie einen 
Fünfziger. Und ich will auch zusehen, daß ich 
Ihnen Arbeit verschaffen kann." 
„Och, danke, ich will nich ausverschämt 
sein, ich bin mit dem Fuffziger zufrieden." 
àuppe Vosemüller. 
Der große Roman des deutschen Frontsoldaten 
von Werner Beumelburg. 
Derlaq Gerhard Stallina. Oldenburg i. O.s 
Werner Beumelbura ist der erfolgreiche Ver 
fasser zahlreicher Kriegsschriften, insbesondere 
von „Sperrfeuer um Deutschland" sEbensalls 
int Verlag Gerhard Stalling. Oldenburg i. O.j, 
das in knapp 9 Monaten ein« Auslage von 
100 000 Exemplaren erreicht hat 
I 
Am Eingang der Hassouleschlucht läßt der 
Aeutnant halten. Hier wirres nun Ernst. 
Die Gruppe Bosemüller soll die Spitze über 
nehmen. Alle Gruppen rücken einzeln vor und ver 
suchen. ins Fort zu gelangen. Ist «s unmöglich, 
so sollen sie vor dem Fort liegenbleiben. Der 
Leutnant geht voraus und bezeichnet für diesen 
Fall eine Linie in der Mondlandschaft. Horst 
übernimmt diesmal den Schluß. 
„Adjüs, Bosemüller," sagt der Leutnant und 
geht aufrecht davon, als rüste er sich zu einem Spa 
ziergang. 
Vosemüller teilt seine Gruppe in zwei Hälften. 
Mit der ersten Hälfte macht er selbst den Ansang. 
Wammsch soll mit der anderen Hälfte in etwa 
zehn Minuten folgen. Di« übrigen Gruppen ver 
teilten sich in Erdlöchern am Hang. 
Fünf Minuten lang geht alles gut. Dann 
kämmt es von Süden her vielfach über den Hang. 
Feuerüberfall auf das Südende der Schlucht. Es 
prasselt wie verrückt. Zwischendurch vernimmt 
vran ein dunkles Rauschen in der Luft, anschwel 
lend, heißhungrig, ungeheuer. Wohin? Fünf Se 
kunden später donnern zwei Paukenschläge in der 
Vruleschlucht. Die Kolonnen! Die Menschen! 
Die Batterie am Nordrand feuert wie toll. Zur 
Linken, oben beim Ouvrage de Bezonvaux, 
passen Schrappnells. Es irrlichtert und zuckt 
von oben herab. Geradeaus, wo die Hafsoule- 
schlucht die Mondlandschaft vor dem Fort erreicht, 
rasselt das Sperrfeuer. 
Der Feuerüberfall auf die Schlucht dauert an. 
Fünfzig, siebenzig, hundert Granaten. Der Leut 
nant und Bosemüller mit der halben Gruppe 
müssen mitten darin sein. 
Wammsch sieht aus die Uhr und sagt „Fertig 
machen". 
In diesem Augenblick kommt von oben aus 
der Schlucht herab ein schreiender Mensch gelau 
fen. Er schlägt mit den Armen um sich und stol 
pert wie ein Betrunkener. Im Flackern des 
Feuerscheines tanzt er wie ein Gespenst. 
„Easdorp," sagt Schwarzkopf und richtet sich 
aus seinem Loch auf. Auch Wammsch hebt den 
Kopf hoch. 
„Hier!" brüllt Schwarzkopf. Es ist nichts zu 
verstehen. Easdorp fällt hin und steht wieder 
auf. fällt wieder und steht abermals auf. Er 
schreit wie «in Stier. Dabei hält er beide Hände 
an den Kops. 
Wammsch steht auf. 
„Mein Gehirrn . . . mein Gehirn . . .“ 
brüllt Easdorp, „zu Hilfe!" 
Ueber seiner Stirn und seiner linken Gesichts 
hälfte klebt etwas Weißliches. Sie müssen ihn 
festhalten, er ist ganz irre. Jetzt wimmert er. 
Und immer wieder: „Mein Gehirn . . ." 
Er zittert wie Espenlaub. Schwarzkopf drückt 
ihn zu Boden. 
„Halt 's Maul, Mensch . . . wenn das dein 
Gehirn wäre, dann wärst du längst verreckt. 
Meinst du, man kann sein Gehirn spazieren tra 
gen wie einen Topf Reisbrei?" 
Er kratzt ihm mit den Händen das weiße 
Zeug herunter. Easdorp ist verwundet. 
„Wo sind die andern?" fragt Wammsch. 
„Alle kaputt. . ." jammert Easdorp. 
Wammsch gibt den Befehl zum Ausbruch. 
Der Feuerüberfall hat nachgelassen. Rur noch 
einzelne Granaten kommen. Hundert Meter wei 
ter oberhalb stoßen sie auf einen Toten. Er hat 
keinen Kopf. Beim genauen Zusehen erkennen 
sie Zwiebeimeier von der Waterkant. 
Von Bosemüller und den andern keine Spnr. 
Draußen aus dem Fort sagt es immerfort 
rrummm . . . wummm . . . rrrummm . . . 
Rach und nach kommen neue Truppen an, 
kleine Abteilungen. Ihre Führer melden sich im 
Bunker des Kommandanten, der sie einteilt. Die 
meisten müssen mit ihren Leuten über den offenen 
Slldwall zur Slldkehle hinüber. Dort erwartet 
der Kommandant für die Morgenstunden ein An 
griff. Für das, was er im Fort selbst plant, 
braucht er nicht allzuviel Truppen. 
„Da wir so gemütlich beieiander sitzen," sagt 
der Leutnant, „könnte jemand eine Geschichte er 
zählen." 
„Die Geschichte vom Bosemüller," sagt Schwarz 
kopf, der sofort dabei ist. Bosemüller protestiert, 
es sei gar keine Geschichte, alles sei gelogen. 
„Das stimmt nicht," sagt Horst, der auch seit 
Anfang bei der Kompagnie ist. 
„Run also," sagt der Leutnant, der seine 
letzte Sardine verzehrt hat und sich die Finger 
an der Hose abreibt. „Schwarzkopf soll sie er- 
Wammsch steckt eine frische Kerze an. Das 
Licht flackert im Luftzug. Rrrumm . . . bummm 
. . . rrrummm . . . macht es von oben. 
„In der Gegend von Ehalons", sagt Schwarz 
kopf. 
„Es ist nicht wahr," untevbricht Bosemüller, 
„es war in der Lausechampagne." 
„In der Lausechampagne “ sagt 
Schwarzkopf. 
Ein aufgeregter Offizier kommt durch den 
Gang und fragt nach dem Kommandanten. Er 
schwitzt vor Erregung. 
„Ich habe meine Minenwerfer hier," schreit 
er, „ich muß doch wenigstens wissen, wo ich sie 
in Stellung bringen soll. Ich brauche mindestens 
zehn Mann zum Munitionschleppen... ich kann 
doch nicht aus den Aermellöchern schießen! Ja, zum 
Donnerwetter, weiß niemand. . . wer sind denn 
diese Leute hier? Können Sie denn nicht ein 
wenig beiseiterllcken? So stehn Sie doch wenig 
stens auf, wenn Sie mit mir sprechen . . . sehn 
Sie denn nicht, daß ich Offizier bin?" 
„Himmelsakra . . ." sagt der Leutnant, dem 
der Geduldsfaden reißt, „merken Sie denn nicht, 
daß wir uns gerade eine höchst wichtige Geschichte 
erzählen?!" 
Der aufgeregte Offizier schnappt nach Luft. 
Der Leutnant läßt ihn zum Kommandanten 
„In der Lausechampagne . . wiederholte 
Schwartzkopf. 
Schwartzkopf ist ein ausgezeichneter Erzähler. 
Er hat die Lacher schnell aus seiner Seite. Ihr 
Gelächter dröhnt durch das Gewölbe. Infante 
risten sammeln sich um sie und lauschen. Bose 
müller sitzt im Schatten und schweigt. 
Dies aber ist eine Geschichte. Bosemüller, der 
Träumer, hat eine geheime Leidenschaft, das ist 
das Orgelspiel. Kommen sie eines Tages, im Sep 
tember Vierzehn, beim Vormarsch, durch ein Dorf, 
entdeckt Vosemüller die Kirche, geht hinein, sieht 
die Orgel und klettert hinauf. Nimmt sich einen 
Kameraden mit zum Välgetreten. Und dann 
geht 's los. „Harre meine Seele, harre des 
Herrn . . ." 
Zuerst piano, dann forte, dann fortissimo, 
dann maestoso. 
Draußen sammelt sich inzwischen die Kompag 
nie vor der Kirche. Am Ortsausgang hat sich ein 
Gefecht entwickelt. Die Kompagnie ist in Alarm 
bereitschaft. Niemand weiß, wer der Organist ist. 
Bosemüller hat gegen alle unliebsamen Störer den 
Schlüssel des Portals von innen herumgedreht. 
Bosemüller ist weit fort vom Krieg und von 
der Lausechampagne, Bosemüller ist in unmittel 
barer Nachbarschaft der himmlischen Engel. Er 
phantasiert, er variiert sein Thema, er jongliert 
mit den Registern, er formt ein Intermezzo und 
gerät über geradezu Bachsche Fugen wieder zum 
Thema zurück. „In allen Stürmen, in aller 
Not . . ." 
(Fortsetzung folgt.! 
Nr. 156 
ur AnLerhattung 
Beilag» der Schleswig.Holsteinischen LandesMung (Rendsburg» Tageblatt) 
Montag, den 7. Juli
	        
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