Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 3)

Nr. 196 
Zur Unterhaltung 
Beilage der Schleswig.Holstetnlschen LandeszeiLung (Rendsburger Tageblatt) 
Freitag, den 22. August 
SMMM—MMB^I 
Millionärssoh« sês VerrkksêS«;«r. 
Familienrat bei den Rothschilds von Skandinavien. — Man hat keine Bedenken. 
Die Familie Valenberg sind die Roih- 
ichilds von Skandinavien. Ihr Reichtum ist 
wohlbekannt, und da der Senior des Hauses 
lehr viel für wohltätige Institutionen tut, so 
Mlt er als eine der populärsten Persönlich 
keiten der schwedischen Hauptstadt. Schon seit 
vrei Generationen leitet der jeweilige Senior 
des Hauses eine der größten und bekanntesten 
-banken Stockholms, Enskilda Banken, und 
nimmt in der skandinavischen Finanzwelt 
eme führende Stellung ein. In den schwedi- 
ichen kommerziellen und industriellen Kreisen 
spielen die Valenbergs genau dieselbe Rolle 
wie «der Zünöholzkönig Jvar Kreuzer. 
Der gegenwärtige Senior des Hauses 
alenberg, Knut Balenberg, war während 
des Weltkrieges Leiter des schwedischen Aus 
wärtigen Amtes und hat mit sehr geschickter 
- mud das Land, das bekanntlich neutral blieb 
-geleitet. Tie weiblichen Mitglieder der Fa 
milie haben fast alle Vertreter der höchsten 
schwedischen Aristokratie geheiratet und sind 
hoffähig. Sie spielen eine führende Rolle in 
der schwedischen Gesandtschaft. 
Dieser Tage nun spielte sich in der Fa- 
mrlre Valenberg ein Ereignis ab, das die 
schwedische Hauptstadt in größte Aufregung 
setzte und nicht nur in den aristokratischen, 
sondern auch bürgerlichen Kreisen berechtig 
tes Aufsehen erregt. An demselben Tage, als 
Knut Valenberg seinen Posten als schwedi 
scher Gesandter in der Türkei aufgab und auf 
immer aus der diplomatischen Laufbahn aus 
schied — er will sich von nun ab nur seinem 
Bankhaus und seiner Familie widmen — 
Mutierte sein Sohn Gustav Valenberg in 
Stockholm als Berufstänzer. Der junge 
Balenberg trat in dem bekannten Stockhol 
mer Theatervariete China auf. Dies Theater 
das das vornehmste und eleganteste Variete 
der schwedischen Hauptstadt ist, wird vom 
populären schwedischen Direktor Ernst Rolf 
geleitet. Rolf war der erste in Schweden, der 
m seinem Theatervariete Chinarevuen ein 
führte. Er gilt aus dem Gebiete des Variete- 
wesens als ein gewiegter, erfahrener Fach 
mann. o 7 
- Das Debüt des jungen Balenberg, des 
Lohnes des schwedischen Rothschild, fand nicht 
gegen den Willen seiner Familie statt. Im 
Gegenteil, sein Vater hatte den Familienrat 
einberufen, auf dem die Frage des Auftretens 
Gustav Valenbergs im Theater-Variete ein 
gehend besprochen wurde, und der Familien 
rat hat, mit Rücksicht auf das außerordent 
liche Talent, beschlossen, ihm den Weg für die 
Buhne freizugeben,- nur mußte er sich ver 
pflichten, in Schweden nicht unter seinem Na- 1 
men Valenberg, sondern unter einem Pseudo 
nym aufzutreten. Gustav Valenberg wählte 
nun den Namen Gustav Vally. Das große 
Publikum, das zu seiner schwedischen Pre 
miere kam, hatte selbstverständlich keine 
Ahnung, daß Gustav Vally mit dem Sohne 
des reichsten Menschen von Stockholm identisch 
sei. Der junge Tänzer, der über eine elegante, 
geschmeidige Figur verfügt und an die besten 
ganzer der Gegenwart erinnert, hatte einen 
wohlverdienten, ehrlichen Erfolg. Die ganze 
Familie Valenberg und ihre Verwandtschaft 
waren im Theater anwesend. Stockholm er 
fuhr erst am nächsten Tage aus deu Zeitun 
gen, daß Gustav Vally mit Gustav Valenberg 
identisch sei. 
Wie wurde Gustav Valenberg für die 
Bühne entdeckt? Ein Zufall war es, der ihn 
zwang, sich dem Berufe eines Tänzers zu 
widmen. Einmal nahm er — einer jungen 
Dame zuliebe — an einem Tanzturnier, das 
von einer führenden schwedischen Zeitschrift 
arrangiert wurde, teil und gewann bei dieser 
Gelegenheit den ersten Preis. Sachverstän 
dige machten ihn auf sein außerordentliches 
Talent als Tänzer aufmerksam und gaben 
Ihm den Rat, sich richtig auszubilden. Gustav 
Balenberg kündigte darauf seinen Posten in 
der Bank, begab sich nach Amerika, wo er in 
Hollywood bei einem der berühmtesten Tanz- 
meister Unterricht nahm. Sein Lehrer war 
über sein außerordentliches Talent begeistert 
und sagte ihm eine glänzende Zukunft vor 
aus. ^ Zum ersten Mal trat er in Hollywood 
m die Oeffentlichkeit und wurde über Nacht 
berühmt. Er fand rasch einen Impresario, 
mit dem er eine Tournee durch die großen 
amerikanischen Städte machte, und überall 
fand er begeisterte Kritiken. 
Der junge Balenberg wird sich wahr 
scheinlich ganz der Künstlerlaufbahn widmen. 
Lein Vater ist so reich, daß er seinem Sohne, 
Wils er das für richtig findet, ein eigenes 
Theater in Stockholm bauen kann. Es ist nicht 
ausgeschlossen, daß der junge Valenberg ein 
schwedisches Ballett ins Leben rufen wird. 
Die Mittel hierzu hat er, und unter de'r 
Schweden und Schwedinnen, die bekanntlich 
gute Gymnastiker, Akrobatiker und Rhythmi 
ker sind, findet man ganz hervorragende Tän 
zer und Tänzerinnen. 
drollige Ģêlchjchî«^. 
Nabeneltern? 
... In einem schwäbischen Lokalblatt konnte man 
kürzlich folgende Familienanzeige lesen: „Die glück 
liche Geburt eines gesunden Knaben erlauben sich 
anzuzeigen Michael und Mathilde B. — NB Von 
etwaigen Kondolenzbesuchen bitten wir abzu 
sehen." 0 
Es find Ferien! 
Vor dem Schulhaus in Ingolstadt tummelt 
sich unter ^ndianergeheul eine Horde Buben. Zu 
fällig kommt der neuernannte Hilfslehrer vorbei, 
doch ^die Mützen der Jungen bleiben wie ange 
wachsen auf ihren Köpfen und keinem fällt es ein, 
den Lehrer zu grüßen. Der junge Lehrer fühlt 
sich verpflichtet, hier erzieherisch zu wirken: „Kennt 
ihr mich nicht?" —- „Ja, Sie sän der neue Lehrer," 
schallt es ihm entgegen. — „Warum grüßt ihr 
dann nicht?" fragt der Lehrer in strengem Ton. 
Erstaunen und Entrüstung malt sich auf den Ge 
sichtern der Kleinen: „Ja, jetzt sind doch Ferien!" 
Wenn das schon am grünen Tisch geschieht. 
Eine Zeitung in Rosenheim bringt in einem 
Bericht über einen Brand folgenden Satz: „Als 
Ursache des Brandes wird Brandstiftung durch 
eine Mühldorfer Eerichtskommiffion festgestellt." 
Die verbrecherische Behörde! 
Eine höhere Behörde mahnte einen Bürger 
von Odelzhausen auf Bezahlung rückständiger und 
lausender Geldbeträge. Doch alles Mahnen blieb 
ergebnislos. Als dem Manne nun mit Zwangs- 
beitreibung gedroht wurde, gab er entrüstet zur 
Antwort: „Wenn's mi jetzt net bald in Ruh 
laßt s, dann zoag i enk o wegen Erpressung." 
Idyll der Landstraße. 
Eine Berliner Tageszeitung schreibt in einer 
Plauderei u. a. folgendes: „Dicht bei Schmöckwitz 
verläßt ein kleiner Uferweg die Chaussee. Auf 
fällig, welch starken Verkehr er ausweist. Kleine 
Motorräder und Fahrräder kommen und gehen." 
Wie es in Wahrheit war! 
In einem Artikel der Bozener „Alpenzeitg.", 
durch den die Alpenbewohner endlich einmal über 
den Weltmeisterschaftskampf aufgeklärt wurden, 
wird über den Kampf Schmeling—Sharkey folgen 
des geschrieben: „Schmeling ist bei der vierten 
Runde auf Grund eines Niederschlags des Schieds 
richters und der beiden Ringrichter einstimmig 
zum Sieger erklärt worden. Sein Partner Shar 
key lag bereits feit der ersten Minute des Kampfes 
am Boden." 
smK WsZÄheiZ öes Onmîs 
Von Dr. A b u l h a s a n Mansur. 
Das Geschenk des Stadthalter. 
„Ich habe eine Bitte an dich", sagte der Kö 
nig zu seinem Statthalter. „Willst du sie mir er- 
üllen?" 
„Deine Bitte ist mir Befehl", antwortete die- 
er und fügte hinzu: „Auch ich habe ein Anliegen." 
„Es ist drr schon erfüllt", erwiderte der König 
„Offenbare mir deinen Wunsch, o Könia'" 
agte der Statthalter. 
»Schenke mir deine herrlichen Gärten am 
User des Euphrat", antwortete der König 
„Sie sollen dir gehören, o Herrscher"', erwi 
derte der Statthalter. 
„Und welche Bitte soll ich dir erfüllen?" 
fragte der König. 
„Schenke mir meine Gärten zurück!" antwor 
tete der Statthalter. - 
Der König lachte und gewährte ihm die Bitte. 
Ein Mann hat sie geküßt. 
Der König wollte ein schönes Mädchen zur 
Frau nehmen. Einer seiner Ratgeber riet ihm 
aber es zu unterlassen. „Ich habe selbst gesehen". 
sagte er, „wie sie ein Mann geküßt hat." 
Einige Tage später erfuhr der König, daß 
derselbe Ratgeber das Mädchen geh ei rater hatte. 
„Hast du mir nicht selber erzählt, ein Mann habe 
sie geküßt?", rief der König zornig, „und nun 
hast^du dasselbe Mädchen zur Frau genommen." 
„Ca", antwortete der Schelm, „das ist ihr Vater 
gewesen." 
Die Eier im Kopf. 
„Hier habt ihr zwei Eier auf dem Tisch", 
sagte der in der Stadt erzogene Sahn der Bau 
ernfamilie, als er in den Ferien bei seinen Eltern 
weilte. „Ich kann aber beweisen, daß es nicht 
zwei,sondern vier Eier sind. Zwei auf dem Tisch, 
und wenn ich sehe, habe ich noch zwei im Kopf,' 
also zusammen wier." 
„Bravo!" sagte der Alte. „Ich werde mir 
das eine Ei vom Tisch nehmen und deine Mutter 
das zweite. Du aber, mein gelehrter Sohn, kannst 
die übrigen beiden als Lohn für deine Gelehr 
samkeit verzehren." 
Wer hat Recht? 
Zwei Nachbarn auf dem Dorf hatten eine 
Auseinandersetzung gehabt, die in Schimpfworten 
und Schlägereien ausgeartet war. Der zuerst An 
gegriffene kam zum Dorfrichter. Schaik Tschilli, und 
verlangt sein Recht. 
„Du hast Recht", sagte Tschilli, und der Klä 
ger verließ ihn sehr vergnügt über den Richter 
spruch. 
Bald darauf erschien der Andere, erzählte den 
Vorgang von seinem Standpunkt aus und sagte 
zum Schluß: „Habe ich nicht Recht, o Gelehrter?" 
„Du hast Recht", erwiderte der Richter und 
ließ ihn mit großer Genugtuung nach Hause ziehen. 
Die Frau Tschilli war zufällig Zeuge: „Du bist 
wohl wahnsinnig geworden? Beide Parteien kön 
nen doch unmöglich gleichzeitig Recht haben." 
„Du hast Recht," antwortete der Weise kalt 
blütig. 
Die beste Zeit zum Essen. 
„Wann ist eigentlich die beste Zeit zum 
Essen? , fragte der an Magenverstimmung lei 
dende reiche Mann den Arzt. 
„Für den Reichen, wenn er Hunger bekommt 
um etwas zu essen, und für den Armen, wenn 
er mwas zu Essen bekommt, um seinen Hunger 
zu stillen!" 
Lübecker Trachten. Von I 
W a r n ck e. 72 Seiten mit 43 teils farbiger 
Abbildungen. Druck und Verlag von Ge 
brüder B o r ch e r s, Lübeck 1930, 6 R^ 
gebunden, 3 fRJt geheftet. 
. . 3* Warncke, der sich durch zahlreiche Av 
beiten um die Kunst- und Kulturgeschichtz 
Lübecks große Verdienste erworben hat — ick 
nenne nur sein monumentales Werk „Dic 
Edelschmiedekunst in Lübeck und ihre Meister^ 
sowie die Bücher über „Handwerk und Zünftc 
in Lübeck" und „Die Zinngießer zu Lübeck — 
bietet in feiner neuesten Veröffentlichung 
einen wertvollen Beitrag zu der heute so gro 
ßem Interesse begegnenden Trachtenkunde. 
Vek übermäßiger Schweißabsondernng an Händen, 
gusten und in den Achselhöhlen, sowie Geruchsbelästigung, be 
sonders bewähr! I.eusortii-Creme. Tube 1 Mark. In allen 
einschlägigen Eeschäsien erhältlich. 
Johannes Loft 70 Ishŗe aîê. 
Am 23. August wird der bekannte Heimat 
dichter Johannes Tose 70 Jahre alt. Er ist 
geboren in Oedis, einem der acht Kirchspiele 
südlich von Kolöing, die 1864 an Dänemark 
abgetreten wurden. Er wollte Pastor werden 
und studierte Theologie. Nach dem Amts 
examen widmete er sich jedoch ganz der freien 
Schriftstellerei. Zahlreiche Werke, die einen 
großen Leserkreis gefunden haben, sind aus 
seiner Feder hervorgegangen. Die meisten 
von ihnen haben geschichtlichen Hintergrund, 
und alle zeigen sie die tiefe Liebe des Ver 
fassers zu seiner nordschleswigschen Heimat. 
Als Doses bedeutendstes Werk darf wohl 
-,Frau Treue" bezeichnet werden, das uns in 
me Zeit des in Hadersleben residierenden 
verzog Hans zurückführt. Von weiteren 
Werken nennen wir: „Im Kampf um die 
Nordmark", „Des Kreuzes Kampf ums Dane- 
iverk": „Der Trommler von Düppel"- Der 
Sieger von Bornhöveö,,- „Pastor und Leh 
rer": „Eöelinde. Ein Stephanus in deutschen 
Landen": „Magister Vogelius": „Lutherge 
schichten": „Einer von anno 13": „Der Kirch- 
herr von Westerwohld": „Der Mnttersohn". 
Sein letztes größeres Werk ist „Steinbeil und 
Bronzeschwert". 
Johannes Dose hat viele Jahre in Lübeck 
gelebt. Kurz vor dem Weltkriege siedelte er 
wieder in seine Heimat über und erwarb sich 
dicht bei Hadersleben einen kleinen Land 
besitz. Seit 1920 wohnt er in Hadersleben. 
ķàMchs WfLMg. 
Von Ginster. 
Kleine moralische Erzählung. 
Ich möchte einen winzigen Vorfall erzählen, 
der sich in einem Berliner Restaurant abgespielt 
hat, das durch seine gute Küche und seine noch 
bessere Organisation eine starke Anziehungskraft 
aufs Publikum ausübt. An einem schönen win 
digen Abend waren alle Fenstrrtüren zur Terrasse 
geöffnet, und in einem der Fenster stand ein ge 
deckter Tisch. Vielleicht war er für Sportsleute 
reserviert, für Menschen, die ohne die dauernde 
Zufuhr von frischer Luft zu ersticken glauben. Je 
dermann wäre mit der Politik der offenen Tür 
einverstanden gewesen, hätte sich nicht der hygie 
nische Luftzug, kaum daß er das Rauminnere be 
strich, in eine unhygienische Zugluft verwandelt, 
llnter ihr litten zwar alle Gäste, die nahe beim 
Fenster saßen, aber niemand wagte an der unum 
stößlichen Tatsache des Tisches zu rütteln. Rur eine 
ältere Dame, die sich in der Gesellschaft mehrerer 
befreundeter Personen befand, schien dem Schicksal 
trotzen zu wollen. Sie bat den Kellner mit höf 
lichen Worten, das Fenster zu schließen und den 
gedeckten Tisch dahinter zu stellen. Die Kellner 
sind gut gezogen, ihre Organisation ist noch bes- 
jer. Offenbar war der Tisch eine organisatorische 
Veranstaltung, denn der Kellner bedauerte, die 
Bitte abschlagen zu müssen, und verstand sich nur 
schwer dazu, einen der Geschäftssührer zu holen. 
Während die Zuglust ununterbrochen weiter 
wehte, blickten sämtliche Gäste, von Furcht und 
Mitleid bewegt, auf die ältere Dame, die so un 
scheinbar aussah. Der Geschäftsführer kam, ein 
Herr, der einen feineren Frack als den der Kell 
ner trug und im Schmuck seines Taschentuchwim- 
pels wie ein öffentlicher Festdampfer durchs Lokal 
glitt. Dis Dame wiederholte ihr Ansinnen mit 
einer Bescheidenheit, die der gedämpften Strenge 
des kleinen Gewaltigen entsprach. Ließ er sich 
rühren? Er erklärte, die Bestimmung nicht ändern 
zu können, auf Grund deren der Tisch nun einmal 
stand, wo er stand, und erst nach einigem Zögern 
fand er sich dazu bereit, einen der Direktoren in 
der Angelegenheit zu bemühen. Inzwischen waren 
die Gäste erschienen, denen der Tisch gehörte, ge 
bräunte Damen und Herren, die nicht den Ein 
druck machten, als ob sie gerade während der 
Mahlzeit auf die frische Luft verzichten wollten, 
die sie sicher den ganzen Tag über genoffen hat 
ten. Es zog munter fort. Eine geraume Frist 
verstrich, ehe der Direktor auftauchte, dem gegen 
über dis Bitte der Dame zum Flehen wurde. Er 
rauschte nicht etwa in einem noch vornehmeren 
Frack als der Geschäftsführer daher, sondern be 
gnügte sich mit einem schlichten dunklen Anzug. 
Je höher der Posten, desto unauffälliger werden, 
von einer gewissen Svrosse der gesellschaftlichen 
Stufenleiter an. die Abzeichen der Würde. Auch 
der schlichte Direktor beteuerte seine Ohnmacht, 
llnter Umständen hätte sich die Dame jetzt noch 
an einen der Generaldirektoren wenden können, 
aber der Generaldirektor wäre vermutlich eben 
falls unfähig gewesen, in das geheimnisvolle Wal 
ten der Organisation einzugreifen. Kraft ihrer 
Vorkehrungen mußte der Tisch an seinem Ort ver 
bleiben. Und so war allem Anschein nach jeder 
weitere Appell vergeblich. 
Er mar es nicht. Die ältere Dame tat etwas 
Ungewöhnliches, etwas, das gegen die hier üb 
lichen Spielregeln verstieß. Sie erhob sich, ließ 
trotz der verzagten Einwände ihrer Freunde die 
ganze Organisation links liegen und näherte sich 
mutterseelenallein den Freilnftleuten am hart 
näckigen Tisch. Den Gästen im Umkreis verging 
der Appeln. Mit einem beklommenen Schweigen 
verfolgten sie den Vormarsch der einsamen Expe 
dition, deren Gelingen sie für unmöglich hielten. 
Nach einer kurzen Zeitspanne, die sich endlos aus 
dehnte, war dis tollkühne Dame am Ziel an 
gelangt und wechselte ein paar leise Worte mit 
der gebräunten Gesellschaft. Und siehe, kein Blitz 
vernichtet.die Frevlerin. sondern wider jedes Er 
warten ereignet sich ein entzückendes Wunder: 
sofort wird das Fenster geschloffen, der Tisch hinter 
das Fenster gerückt. Ohne auf ihrem Recht zu 
beharren oder auch nur den Kellner zu rufen ver 
richten dis Herrschaften selber mit freundlichen 
Mienen das kleine Werk der Gefälligkeit. Alle 
Gaste atmen erleichtert auf: nun, da statt der 
Zugluft endlich gute reine Luft das Lokal erfüllt, 
können sie wieder atmen. Es fehlte nicht viel, und 
sie feierten die unscheinbare Dame, die vergnügt 
an ihren Platz zurückkehrte, wie eine der Todes 
gefahr entronnene Heldin. Nur der Geschäfts 
führer blickt aus der Ferne so mißmutig drein, 
als ob ihm der Glaube an dis göttliche Weltord- 
nung zerstört worden fei. 
Was geschah in dem Restaurant? Ein ein 
zelner Mensch hob den Kriegszustand auf, der alle 
van allen trennt, schlug die Angst vor dem Wort 
nieder, das die Kraft der Versöhnung hat. Wir 
ein Komet zeigte sich der Friede am Horizont.
	        
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