Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 3)

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Sie schrak aus ihrer Erstarrung auf und ver 
harrte demütig vor mir. Langsam hob sie ihre 
vunüersamen Augen. In deren Tiefen schrie die 
2ual der Kreatur. 
„Mein Leid ist groß, Herr! Mir graust vor 
mserem armseligen Leben. Allein stehe ich in der 
Welt und bin weniger als ein Wurm. Allen bin 
«h im Wege und zur Last. Die Eltern sind lot. 
Der Oheim plant, mich gegen ein paar Hammel 
rn den Agh-a zu verkaufen . . 
»Nimm mich zu Dir, Herr! Ich kann tanzen, 
-veben, waschen und kochen. Und will Dir danken 
und dienen, Herr! . . .“ 
Grübelnd saß ich neben der dunklen Schön 
heit. Warum war ich ihr hierher gefolgt? Was 
wollte ich von ihr? Und was sollte ich mit diesem 
kindjungen Wesen beginnen, auf meiner Fahrt 
durch ^.unis und Algier, und dann in meiner 
europäischen Heimat? 
In ungewissen Zaudern schüttete ich ihr alle 
Silbermünzen. die ich besaß, in die Hand. Und 
ihre Hände spielten traurig mit ihnen und ließen 
sie durch die schlanken Finger rinnen gleichwie 
Wüstensand. 
Schwerfällig erhob ich mich und riß mich aus 
dem Zweifel meiner Empfindung: 
»Laß mir Zeit, Mädchen! Nach einem halben 
Mond kehre ich zurück, dann wollen wir sehen!" 
Unvermutet schnell war der Abend genaht. 
Der Himmel, der in kristallglimmendem Blaugrau 
flirrte, war plötzlich von Flammenfarben in 
feuriger Wallfahrt überzuckt. Das gezackte Palmen 
band der Küstenoase war zu tiefvioletten Sprina- 
strahlen erstarrt. 
Als ich mich wandte, stand die bronzebraune 
WiLb-lume wieder einsam auf der Dünenkrone, 
allein in der unendlichen Oednis der Steppen 
weite. Beschwörend hob sie die Arme, selbst ein 
verlöschender Sonnengruß, und war gleichsam ge 
kreuzigt an einem grausamen Himmel, der sich, 
von Glut überlodert, im Sonnenuntergang ehern 
-zu einem patinierten Grûnşpanhà wandelte. 
Aus zerhauenem Visierrand drang es wie schwar 
zes^ Blut, guoll gleichsam wie Pech und teerige 
Tusche, die alles erbarmungslos in Finster tauchte. 
Der Boden, über den ich gebeugt dem Auto zw 
schritt, war plötzlich fremd und feindlich und von 
Abgründen erfüllt. j 
Als ich nach zwei kurzen Wochen wieder 
kehrte voll Reue, daß ich nicht den Mut zu helfen 
fand, war ich allein auf der Dünenhöhe. Das 
Haus der Haare war verschwunden. Gleißend 
stand die Sonne über der Syrte. Doch der far 
benfunkelnde Blütensturm über der Eafara- 
Steppe war erloschen. Ueber die Wüstenweite floß 
aus gestürzter Lazururne der Himmelskuppel weiß 
flammendes Feuer, lockernd unter einer phantasti 
schen Sonne. 
Der Sand siedete. Der Elutenwind hatte 
ihn in Wellen gerippt. Kreiselndes Hakfagras 
hatte verschlungene Spiralen um eine kleine 
Muschel gezeichnet. Diese Muschel war der Perlen- 
kranz ihrer Zehen, der Abdruck ihres zierlichen 
Fußes und ihr Abschiedsspiegel, das als letzte 
Spur die liebliche Wildblume hinterließ . . . 
Unbeirrt pilgert die Lichtprozefsion der Sonne 
über die Syrte . . . 
H. Heise. 
Auch dieser Preis soll alle zwei Jahre in Höhe von 
2000 Mark ganz oder geteilt verliehen werden, 
und zwar für wissenschaftliche Arbeiten auf dem 
Gebiete der plattdeutschen Sprachforschung. Er 
trägt seinen Namen nach dem berühmten Volks 
kundler Karl Möllenhoff, der — aus Marne in 
Dithmarschen gebürtig — von 185« — 1884 als 
Professor der Germanistik in Berlin lebte. 
Ein auch bereits im Vorjahre schon vorgese 
hener „Fehrs-Preis" soll episches oder lyrisches 
schaffen in plattdeutscher Sprache fördern, so wie 
der^ holsteinische Dichter Johann Hinrich Fehrs 
(1838—1916) beides in mustergültiger Weise 
vereinigte. Der „Allgemeine Plattdeutsche Ver 
bands die Hamburger Vereinigung „Quickborn" 
und andere Vereine beteiligen sich zusammen mit 
der „Schule des Niederdeutschen" in der „Norag" 
an dieser Stiftung. 
Die „Norag", die auch die Hauptkosten der 
beiden andern, ebenfalls auf 2000 Mark festgesetz 
ten Preise trägt, setzt sich in gleicher Weise für den 
„Stavenhagen-Preis" ein, gemeinsam mit den Im 
„Niederdeutschen Bühnenbund" zusammengeschlos- 
ienen plattdeutsch spielenden Bühnenvereinigungen. 
Der aus mecklenburgischem Blute stammende Hann 
burger Dramatiker Fritz Stavenhagen (1876—1906) 
war der Bahnbrecher der plattdeutschen Bühnen 
dichtung von literarischem Werte. 
. Alle drei Preise werden nicht auf Grund eines 
Preisausschreibens verliehen, sondern sollen nach 
dem Ermessen der noch zu bestimmenden Verwal 
tungsräte entweder ein einzelnes im Verlauf der 
letzten zwei Jahre erschienenes Werk auszeichnen 
oder allgemein das Schaffen eines Dichters oder 
Forschers anerkennen. Dr. Klaus Witt. 
Gefiederte Piraten. 
Dnnèk Mt. 
Drei niederdeutsche Preise von se 2000 Rm. 
Auf Anregung des Niederdeutschen Bühnen 
hundes zunächst während des vorjährigen Nieder- 
deurichen Bühnentages in Bremen gepflogene Ver 
handlungen über die Schaffung eines Preises für 
plattdeutsche Dramatik, die den Plan eines „Sta- 
venhagen-Prerses" zur Folge hatten, sind nunmehr 
durch die von Prof. Dr. Borchling, dem Vorsitzen 
den des Vereins für niederdeutsche Sprachfor- 
ichung, am 11. Juli auf der Lieler Jahrestagung 
des Vereins verkündete Gründung eines „Müllen- 
Hoff-Preifes" zum vorläufigen Abschluß gekommen. 
Die Gewässer bei dem im Golf von Mexiko ge- 
legenen und zu Florida gehörigen Tortugasinseln 
werden zwar heute nicht mehr von Seeräubern 
heimge,ucht; aber die gefiederten Piraten sind ge 
blieben. Es sind die schwarzbeschopften Hut- oder 
Lachmöwen, und ihre Opfer sind die geschickter 
ischenken Pelikane, die von den gefräßigen Raub 
möwen um ihre Beute betrogen werden. „Eines 
Tages", schreibt Dr. Gudger in einer amerikani- 
chen Fachzeitschrift, „als ich in der Lagune die sich 
tummelnden Haifische beobachtete, sah ich eine Lach 
möwe, die sich im leichten Flug auf den Kopf ein-s 
Pelikans herabließ. Bei der Berührung flog der 
Pelikan sofort auf, während die Möwe ihn be 
ständig umkreiste. Als er aus der Höhe einen 
chwimmenden Fisch auf der Oberfläche des Wassers 
erblickte, flog der Pelikan herunter und packte ihn. 
Auf dem Wasser schwimmend, reckte er den Kopf in 
die Höhe und streckte und drehte den Hals und 
Schnabel, sichtlich bemüht, den Fisch in eine Lage 
zu bringen, die ihm gestattete, die Beute mit dem 
Kopf voran herunterzuschlingen und dadurch die 
Unzuträglichkeiten zu vermeiden, die seinem Schlund 
von ben aufrechtstehenden, spitzen Fisch flössen droh 
ten. Während er noch mit dem Manöver beschäf 
tigt war, hatte sich die freche Möwe wieder auf 
,einem Kopf niedergelassen. Mit herabgeneigtem 
Schnabel griff sie den zappelnden Fisch und erhob 
sich mit ihm unter dem lachenden Glucksen der Ge 
nossen in die Luft. Die lustige Szene, bei der der 
Pelikan der Geprellte war, wiederholte sich während 
des Nachmittags noch mehrmals. Meine Freude, 
hier eine Szene aus dem Vogelleben beobachtet zu 
haben, die den Zoologen bisher unbekannt geblie 
ben, war aber nur von kurzer Dauer. Einige 
Wochen später bekam ich Dr. Holders Buch „Längs 
der Korallenriffe Floridas" in die Hände, aus dem 
ich er,ah, daß schon der Vater des Verfassers in den 
sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in der 
selben Lagune als Augenzeuge den gleichen Vor 
gang des öfteren beobachtet hatte. 
Kindermund tut Wahrheit kund. 
Ein dreijähriges Kind hat dieser Tage die 
Würde eines Pariser Gerichtshofes in ein schallendes 
Gelächter umgewandelt. Die 15: Strafkammer, die 
sich hauptsächlich mit Verbrechen Jugendlicher und 
mit Vergehen wie dem Verlassen der Familie usw 
beschäftigt, verhandelte einen Fall, in dem ein Vater 
angeklagt war, seine Familie ohne Hilfsmittel im 
Stich gelassen zu haben. Die verlassene Frau er 
schien mit ihrem dreijährigen Söhnchen vor Gericht. 
Der Kleine fand die Roben und Barette der Richter 
>o lustig, daß er in ein Helles Lachen ausbrach und 
in feinem Vergnügen kleine Jndianertänze im Saal 
ausführte. Auch die weitere Verhandlung wurde 
häufig durch die Juchzer und kleinen Schreie des 
Kindes unterbrochen, worauf die Mama stets mit 
einem scharfen „Halt den Mund!" ihren Sprößling 
wieder zur Ruhe brachte. Schließlich hatte das 
Kind ein gepttetes Benehmen angenommen, und 
einer der Anwälte erhob sich zu einer langen Rede. 
Mit dem oratory chen Pathos der Franzosen sprach 
er immer aufgeregter und feuriger, erging sich in 
immer längeren Sätzen und fand gar kein Ende. 
Schließlich wandte er sich halb zu den Richtern und 
halb zu dem Publikum und erklärte: „Und nun, 
meine Herren, was sagen Sie dazu?" Einen Augen 
blick herrschte tiefes Schweigen, dann wurde dieses 
durch ein helles Kinderstimmchen unterbrochen, das 
ausrief: „Halt den Mund!" Diese Aufforderung, 
allen aus der Seele gesprochen, wirkte so unwider- 
stehli chkomisch, daß auch die Richter in die allgemein 
ausbrechende Lachsalve einstimmten. 
Die dänische Inquisition, ein unbekanntes 
Kapitel. 
Auch in Dänemark hat es eine Inquisition 
gegeben, nicht nur im Mittelalter, sondern 
auch noch in neuerer Zeit. Ein aufschlußreicher 
Beitrag des dänischen Kulturhistorikers Peter 
Linde in einer Kopenhagener Zeitung wirft ein 
grelles Schlaglicht auf dieses verhältnismäßig 
wenig bekannte Kapitel der dänischen Justiz. 
Bis zum Jahre 1837 hatte eine Jnquisitions- 
kommission ihren Sitz in Kopenhagens sie 
konnte die Tortur verhängen. Das alte däni 
sche Strafgesetzbuch zeichnete sich durch außer 
ordentliche Härte ans. Ein Diebstahl, bei dem 
der Wert des gestohlenen Gutes die Summe 
von 8 Schillingen überschritt, wurde mit dem 
Tode bestraft. Drehte es sich um geringere 
Werte, so wurde dem Dieb „nur" ein Ohr ab 
geschnitten und ein Schandmal auf die Stirn 
gebrannt. Der zweite Diebstahl mußte, ohne 
Rücksicht auf den Wert des Diebesgutes, un 
weigerlich mit dem Tode gesühnt werden. Die 
bische Frauen wurden lebendig begraben. Der 
Verkäufer schlechter Waren aus dem Markte 
wurde gehängt, Falschmünzer, Wilddiebe, Zau 
berer und gemeine Mörder wurden auf die 
schrecklichste Art gefoltert. Eine Tortur, die 
„Rosenkranz" hieß, bestand darin, daß ein Rie 
men mit spitzen Kugeln dem Delinquenten um 
den Kopf gebunden wurde. Der Riemen wurde 
dann allmählich enger zugeschnallt, so daß die 
Kugelspitzen in die Kopfhaut eindrangen. Die 
dänische Folter kannte noch andere Marterin 
strumente, die den unglücklichen Opfern der 
Inquisition die fürchterlichsten Qualen verur 
sachten. Heute ist die dänische Justiz von vor 
bildlicher Milde. Seit 38 Jahren ist in Däne 
mark die Todesstrafe nicht mehr vollstreckt 
worden. Die Attribute des Scharfrichters wer 
den im Justizministerium aufbewahrt. Sie be 
stehen aus einem Block und einem Beil, in 
dessen Schaft der Name des letzten Scharfrich 
ters — Selstrup — eingraviert ist. 
Mm ļâcheln urrh Lachrn. 
Kaiser Franz I. und Napoleon. 
Bei einer Hoftafel zu Ehren des Kaisers Napo 
leon gab der kaiserliche Gastgeber Franz I. von 
Oesterreich seinem hohen Gaste ein Rätsel auf, das 
dieier listen sollte. Er fragte/mit leichtem Lächeln: 
„Was ist das? Es hat keine Augen, keine Ohren, 
keine Nase, keinen Mund, ja sogar keinen Kopf, keine 
Hände und Füße, und ist doch ein Mensch?" 
Der sonst allezeit schlagfertige Napoleon ne», 
ŅĢe tue Deutung dieses Rätsels nicht zu finden 
und sah seinem Gastgeber ratlos ins lächelnde Ge- 
sicht. 
.... Tiefer gab nun selbst die Lösung, indem er er- 
ttarte: „Es ist ein Oesterreicher, denn dieser hat nach 
dem Sprachgebrauch keine Augen, sondern nur 
Guckerln; keine Ohren, sondern Watscheln; keine 
àse. sondern Schmecker; keinen Mund, sondern eine 
Glichen; statt des Kopfes einen Schädel; statt der 
Hände nur Pratzen und statt der Füße nur Haxen'" 
Die,es launige Porträt des Oesterreichers gefiel 
dem Herrscher Europas außerordentlich und er dankte 
^.gutgelaunten Gastgeber für die köstliche Aus. 
* 
Künstler-Anekdote. 
Qs war vor dem Krieg. Ein Mufenmsdirektvr 
zeigte einem preußischen Kultusminister sein Werk 
über persische Fayenzen. Schweigend und undurch 
dringlichen Gesichts blätterte der Minister das Buch 
von Anfang &is zu Ende durch. Plötzlich kam eine 
Tafel, auf der eine Fayence in blau und weiß dar 
gestellt war. Und der Minister rief, sichtlich über 
rascht: „Ah, die Farben der Göttinger Borussen!" 
* 
UebertruMpst. 
»Also Schauspieler sind Sie?" fragte Herr 
Stein. „Na, ich bin Bankier, und Sie können's nur 
glaàn oder nicht — seit zehn Jahren bin ich in 
keinem Theater gewesen!" 
„Das ist noch gar nichts — ich bin schon seit 
mindestens fünfzehn Jahren in keiner Bank qe. 
wefenl" 
* 
Herr Kollege. 
„Schönen guten Tag. Herr Kollege", begrüßt 
ein abgerissener Landstreicher einen auf der Land 
straße haltenden Autofahrer. — „Wie so Kol 
lege?" fragt dieser unwillig. — „Na. Herr, Sie 
machen doch auch die Landstraßen unsicher!" 
Die Schuld. 
Rautenstrauch ist mit seinem Arzte unzufrie 
den. Dr. Knorrig rückt an seiner Brille und sagt 
dann verweisend: „Lieber Rautenstrauch, die Wis 
senschaft hat nun wirklich so große Fortschritte ge 
macht, daß man ihr nichts vorwerfen kann. Wenn 
sie Sie nicht zu heilen vermag, so liegt das nicht 
an der Wissenschaft, sondern ist in Ihrer Krank 
heit begründet." 
* 
Freuds. 
„Endlich!", ruft Günther, als Onkel Hablos 
kommt. „Mama hat schon so auf dich gewartet." 
— „Wirklich?" staunt Hablos. — „Ja, als ich ihr 
sagte, daß du über den Platz gehst, sagte sie: Der 
fehlt heute gerade noch." 
Günstige Gelegenheit. 
„Wollen wir in die Stadt gehen und uns die 
Läden ansehen?" fragt ein Mann seine Frau am 
Sonntag. — „Aber heute sind sie ja geschlossen." 
„Eben deshalb!" 
* . 
Der Grund. 
»Das Treppengeländer ist staubig", bemän 
gelte Krach-stahl bei einer Besichtigung des Hauses. 
— „Es ist ja wahr", sagte die Hausmeisterin. 
„Herrsch, heute haben die Kinder ja Schulferien, 
da ist noch keines heruntergerutscht." 
* 
Unter Freundinnen. 
„Ich komme gerade vom Schönheitssalon." 
„So? Der war wohl geschlossen?" 
Lehrerin: „Wie heißt das Futurum von „ich 
liebe"?" 
Backfisch: „Ich heirate." 
.Bürgermeister Dr. Behrens-Schleswig spricht Saynenavordnungen des Vereins während der Weihrede 
Photo: Lausen & Petersen, Schleswig 
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Bilder von der Einweihung der Idstedt-ĢedSchtnIshall«
	        
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