-
Sie schrak aus ihrer Erstarrung auf und ver
harrte demütig vor mir. Langsam hob sie ihre
vunüersamen Augen. In deren Tiefen schrie die
2ual der Kreatur.
„Mein Leid ist groß, Herr! Mir graust vor
mserem armseligen Leben. Allein stehe ich in der
Welt und bin weniger als ein Wurm. Allen bin
«h im Wege und zur Last. Die Eltern sind lot.
Der Oheim plant, mich gegen ein paar Hammel
rn den Agh-a zu verkaufen . .
»Nimm mich zu Dir, Herr! Ich kann tanzen,
-veben, waschen und kochen. Und will Dir danken
und dienen, Herr! . . .“
Grübelnd saß ich neben der dunklen Schön
heit. Warum war ich ihr hierher gefolgt? Was
wollte ich von ihr? Und was sollte ich mit diesem
kindjungen Wesen beginnen, auf meiner Fahrt
durch ^.unis und Algier, und dann in meiner
europäischen Heimat?
In ungewissen Zaudern schüttete ich ihr alle
Silbermünzen. die ich besaß, in die Hand. Und
ihre Hände spielten traurig mit ihnen und ließen
sie durch die schlanken Finger rinnen gleichwie
Wüstensand.
Schwerfällig erhob ich mich und riß mich aus
dem Zweifel meiner Empfindung:
»Laß mir Zeit, Mädchen! Nach einem halben
Mond kehre ich zurück, dann wollen wir sehen!"
Unvermutet schnell war der Abend genaht.
Der Himmel, der in kristallglimmendem Blaugrau
flirrte, war plötzlich von Flammenfarben in
feuriger Wallfahrt überzuckt. Das gezackte Palmen
band der Küstenoase war zu tiefvioletten Sprina-
strahlen erstarrt.
Als ich mich wandte, stand die bronzebraune
WiLb-lume wieder einsam auf der Dünenkrone,
allein in der unendlichen Oednis der Steppen
weite. Beschwörend hob sie die Arme, selbst ein
verlöschender Sonnengruß, und war gleichsam ge
kreuzigt an einem grausamen Himmel, der sich,
von Glut überlodert, im Sonnenuntergang ehern
-zu einem patinierten Grûnşpanhà wandelte.
Aus zerhauenem Visierrand drang es wie schwar
zes^ Blut, guoll gleichsam wie Pech und teerige
Tusche, die alles erbarmungslos in Finster tauchte.
Der Boden, über den ich gebeugt dem Auto zw
schritt, war plötzlich fremd und feindlich und von
Abgründen erfüllt. j
Als ich nach zwei kurzen Wochen wieder
kehrte voll Reue, daß ich nicht den Mut zu helfen
fand, war ich allein auf der Dünenhöhe. Das
Haus der Haare war verschwunden. Gleißend
stand die Sonne über der Syrte. Doch der far
benfunkelnde Blütensturm über der Eafara-
Steppe war erloschen. Ueber die Wüstenweite floß
aus gestürzter Lazururne der Himmelskuppel weiß
flammendes Feuer, lockernd unter einer phantasti
schen Sonne.
Der Sand siedete. Der Elutenwind hatte
ihn in Wellen gerippt. Kreiselndes Hakfagras
hatte verschlungene Spiralen um eine kleine
Muschel gezeichnet. Diese Muschel war der Perlen-
kranz ihrer Zehen, der Abdruck ihres zierlichen
Fußes und ihr Abschiedsspiegel, das als letzte
Spur die liebliche Wildblume hinterließ . . .
Unbeirrt pilgert die Lichtprozefsion der Sonne
über die Syrte . . .
H. Heise.
Auch dieser Preis soll alle zwei Jahre in Höhe von
2000 Mark ganz oder geteilt verliehen werden,
und zwar für wissenschaftliche Arbeiten auf dem
Gebiete der plattdeutschen Sprachforschung. Er
trägt seinen Namen nach dem berühmten Volks
kundler Karl Möllenhoff, der — aus Marne in
Dithmarschen gebürtig — von 185« — 1884 als
Professor der Germanistik in Berlin lebte.
Ein auch bereits im Vorjahre schon vorgese
hener „Fehrs-Preis" soll episches oder lyrisches
schaffen in plattdeutscher Sprache fördern, so wie
der^ holsteinische Dichter Johann Hinrich Fehrs
(1838—1916) beides in mustergültiger Weise
vereinigte. Der „Allgemeine Plattdeutsche Ver
bands die Hamburger Vereinigung „Quickborn"
und andere Vereine beteiligen sich zusammen mit
der „Schule des Niederdeutschen" in der „Norag"
an dieser Stiftung.
Die „Norag", die auch die Hauptkosten der
beiden andern, ebenfalls auf 2000 Mark festgesetz
ten Preise trägt, setzt sich in gleicher Weise für den
„Stavenhagen-Preis" ein, gemeinsam mit den Im
„Niederdeutschen Bühnenbund" zusammengeschlos-
ienen plattdeutsch spielenden Bühnenvereinigungen.
Der aus mecklenburgischem Blute stammende Hann
burger Dramatiker Fritz Stavenhagen (1876—1906)
war der Bahnbrecher der plattdeutschen Bühnen
dichtung von literarischem Werte.
. Alle drei Preise werden nicht auf Grund eines
Preisausschreibens verliehen, sondern sollen nach
dem Ermessen der noch zu bestimmenden Verwal
tungsräte entweder ein einzelnes im Verlauf der
letzten zwei Jahre erschienenes Werk auszeichnen
oder allgemein das Schaffen eines Dichters oder
Forschers anerkennen. Dr. Klaus Witt.
Gefiederte Piraten.
Dnnèk Mt.
Drei niederdeutsche Preise von se 2000 Rm.
Auf Anregung des Niederdeutschen Bühnen
hundes zunächst während des vorjährigen Nieder-
deurichen Bühnentages in Bremen gepflogene Ver
handlungen über die Schaffung eines Preises für
plattdeutsche Dramatik, die den Plan eines „Sta-
venhagen-Prerses" zur Folge hatten, sind nunmehr
durch die von Prof. Dr. Borchling, dem Vorsitzen
den des Vereins für niederdeutsche Sprachfor-
ichung, am 11. Juli auf der Lieler Jahrestagung
des Vereins verkündete Gründung eines „Müllen-
Hoff-Preifes" zum vorläufigen Abschluß gekommen.
Die Gewässer bei dem im Golf von Mexiko ge-
legenen und zu Florida gehörigen Tortugasinseln
werden zwar heute nicht mehr von Seeräubern
heimge,ucht; aber die gefiederten Piraten sind ge
blieben. Es sind die schwarzbeschopften Hut- oder
Lachmöwen, und ihre Opfer sind die geschickter
ischenken Pelikane, die von den gefräßigen Raub
möwen um ihre Beute betrogen werden. „Eines
Tages", schreibt Dr. Gudger in einer amerikani-
chen Fachzeitschrift, „als ich in der Lagune die sich
tummelnden Haifische beobachtete, sah ich eine Lach
möwe, die sich im leichten Flug auf den Kopf ein-s
Pelikans herabließ. Bei der Berührung flog der
Pelikan sofort auf, während die Möwe ihn be
ständig umkreiste. Als er aus der Höhe einen
chwimmenden Fisch auf der Oberfläche des Wassers
erblickte, flog der Pelikan herunter und packte ihn.
Auf dem Wasser schwimmend, reckte er den Kopf in
die Höhe und streckte und drehte den Hals und
Schnabel, sichtlich bemüht, den Fisch in eine Lage
zu bringen, die ihm gestattete, die Beute mit dem
Kopf voran herunterzuschlingen und dadurch die
Unzuträglichkeiten zu vermeiden, die seinem Schlund
von ben aufrechtstehenden, spitzen Fisch flössen droh
ten. Während er noch mit dem Manöver beschäf
tigt war, hatte sich die freche Möwe wieder auf
,einem Kopf niedergelassen. Mit herabgeneigtem
Schnabel griff sie den zappelnden Fisch und erhob
sich mit ihm unter dem lachenden Glucksen der Ge
nossen in die Luft. Die lustige Szene, bei der der
Pelikan der Geprellte war, wiederholte sich während
des Nachmittags noch mehrmals. Meine Freude,
hier eine Szene aus dem Vogelleben beobachtet zu
haben, die den Zoologen bisher unbekannt geblie
ben, war aber nur von kurzer Dauer. Einige
Wochen später bekam ich Dr. Holders Buch „Längs
der Korallenriffe Floridas" in die Hände, aus dem
ich er,ah, daß schon der Vater des Verfassers in den
sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in der
selben Lagune als Augenzeuge den gleichen Vor
gang des öfteren beobachtet hatte.
Kindermund tut Wahrheit kund.
Ein dreijähriges Kind hat dieser Tage die
Würde eines Pariser Gerichtshofes in ein schallendes
Gelächter umgewandelt. Die 15: Strafkammer, die
sich hauptsächlich mit Verbrechen Jugendlicher und
mit Vergehen wie dem Verlassen der Familie usw
beschäftigt, verhandelte einen Fall, in dem ein Vater
angeklagt war, seine Familie ohne Hilfsmittel im
Stich gelassen zu haben. Die verlassene Frau er
schien mit ihrem dreijährigen Söhnchen vor Gericht.
Der Kleine fand die Roben und Barette der Richter
>o lustig, daß er in ein Helles Lachen ausbrach und
in feinem Vergnügen kleine Jndianertänze im Saal
ausführte. Auch die weitere Verhandlung wurde
häufig durch die Juchzer und kleinen Schreie des
Kindes unterbrochen, worauf die Mama stets mit
einem scharfen „Halt den Mund!" ihren Sprößling
wieder zur Ruhe brachte. Schließlich hatte das
Kind ein gepttetes Benehmen angenommen, und
einer der Anwälte erhob sich zu einer langen Rede.
Mit dem oratory chen Pathos der Franzosen sprach
er immer aufgeregter und feuriger, erging sich in
immer längeren Sätzen und fand gar kein Ende.
Schließlich wandte er sich halb zu den Richtern und
halb zu dem Publikum und erklärte: „Und nun,
meine Herren, was sagen Sie dazu?" Einen Augen
blick herrschte tiefes Schweigen, dann wurde dieses
durch ein helles Kinderstimmchen unterbrochen, das
ausrief: „Halt den Mund!" Diese Aufforderung,
allen aus der Seele gesprochen, wirkte so unwider-
stehli chkomisch, daß auch die Richter in die allgemein
ausbrechende Lachsalve einstimmten.
Die dänische Inquisition, ein unbekanntes
Kapitel.
Auch in Dänemark hat es eine Inquisition
gegeben, nicht nur im Mittelalter, sondern
auch noch in neuerer Zeit. Ein aufschlußreicher
Beitrag des dänischen Kulturhistorikers Peter
Linde in einer Kopenhagener Zeitung wirft ein
grelles Schlaglicht auf dieses verhältnismäßig
wenig bekannte Kapitel der dänischen Justiz.
Bis zum Jahre 1837 hatte eine Jnquisitions-
kommission ihren Sitz in Kopenhagens sie
konnte die Tortur verhängen. Das alte däni
sche Strafgesetzbuch zeichnete sich durch außer
ordentliche Härte ans. Ein Diebstahl, bei dem
der Wert des gestohlenen Gutes die Summe
von 8 Schillingen überschritt, wurde mit dem
Tode bestraft. Drehte es sich um geringere
Werte, so wurde dem Dieb „nur" ein Ohr ab
geschnitten und ein Schandmal auf die Stirn
gebrannt. Der zweite Diebstahl mußte, ohne
Rücksicht auf den Wert des Diebesgutes, un
weigerlich mit dem Tode gesühnt werden. Die
bische Frauen wurden lebendig begraben. Der
Verkäufer schlechter Waren aus dem Markte
wurde gehängt, Falschmünzer, Wilddiebe, Zau
berer und gemeine Mörder wurden auf die
schrecklichste Art gefoltert. Eine Tortur, die
„Rosenkranz" hieß, bestand darin, daß ein Rie
men mit spitzen Kugeln dem Delinquenten um
den Kopf gebunden wurde. Der Riemen wurde
dann allmählich enger zugeschnallt, so daß die
Kugelspitzen in die Kopfhaut eindrangen. Die
dänische Folter kannte noch andere Marterin
strumente, die den unglücklichen Opfern der
Inquisition die fürchterlichsten Qualen verur
sachten. Heute ist die dänische Justiz von vor
bildlicher Milde. Seit 38 Jahren ist in Däne
mark die Todesstrafe nicht mehr vollstreckt
worden. Die Attribute des Scharfrichters wer
den im Justizministerium aufbewahrt. Sie be
stehen aus einem Block und einem Beil, in
dessen Schaft der Name des letzten Scharfrich
ters — Selstrup — eingraviert ist.
Mm ļâcheln urrh Lachrn.
Kaiser Franz I. und Napoleon.
Bei einer Hoftafel zu Ehren des Kaisers Napo
leon gab der kaiserliche Gastgeber Franz I. von
Oesterreich seinem hohen Gaste ein Rätsel auf, das
dieier listen sollte. Er fragte/mit leichtem Lächeln:
„Was ist das? Es hat keine Augen, keine Ohren,
keine Nase, keinen Mund, ja sogar keinen Kopf, keine
Hände und Füße, und ist doch ein Mensch?"
Der sonst allezeit schlagfertige Napoleon ne»,
ŅĢe tue Deutung dieses Rätsels nicht zu finden
und sah seinem Gastgeber ratlos ins lächelnde Ge-
sicht.
.... Tiefer gab nun selbst die Lösung, indem er er-
ttarte: „Es ist ein Oesterreicher, denn dieser hat nach
dem Sprachgebrauch keine Augen, sondern nur
Guckerln; keine Ohren, sondern Watscheln; keine
àse. sondern Schmecker; keinen Mund, sondern eine
Glichen; statt des Kopfes einen Schädel; statt der
Hände nur Pratzen und statt der Füße nur Haxen'"
Die,es launige Porträt des Oesterreichers gefiel
dem Herrscher Europas außerordentlich und er dankte
^.gutgelaunten Gastgeber für die köstliche Aus.
*
Künstler-Anekdote.
Qs war vor dem Krieg. Ein Mufenmsdirektvr
zeigte einem preußischen Kultusminister sein Werk
über persische Fayenzen. Schweigend und undurch
dringlichen Gesichts blätterte der Minister das Buch
von Anfang &is zu Ende durch. Plötzlich kam eine
Tafel, auf der eine Fayence in blau und weiß dar
gestellt war. Und der Minister rief, sichtlich über
rascht: „Ah, die Farben der Göttinger Borussen!"
*
UebertruMpst.
»Also Schauspieler sind Sie?" fragte Herr
Stein. „Na, ich bin Bankier, und Sie können's nur
glaàn oder nicht — seit zehn Jahren bin ich in
keinem Theater gewesen!"
„Das ist noch gar nichts — ich bin schon seit
mindestens fünfzehn Jahren in keiner Bank qe.
wefenl"
*
Herr Kollege.
„Schönen guten Tag. Herr Kollege", begrüßt
ein abgerissener Landstreicher einen auf der Land
straße haltenden Autofahrer. — „Wie so Kol
lege?" fragt dieser unwillig. — „Na. Herr, Sie
machen doch auch die Landstraßen unsicher!"
Die Schuld.
Rautenstrauch ist mit seinem Arzte unzufrie
den. Dr. Knorrig rückt an seiner Brille und sagt
dann verweisend: „Lieber Rautenstrauch, die Wis
senschaft hat nun wirklich so große Fortschritte ge
macht, daß man ihr nichts vorwerfen kann. Wenn
sie Sie nicht zu heilen vermag, so liegt das nicht
an der Wissenschaft, sondern ist in Ihrer Krank
heit begründet."
*
Freuds.
„Endlich!", ruft Günther, als Onkel Hablos
kommt. „Mama hat schon so auf dich gewartet."
— „Wirklich?" staunt Hablos. — „Ja, als ich ihr
sagte, daß du über den Platz gehst, sagte sie: Der
fehlt heute gerade noch."
Günstige Gelegenheit.
„Wollen wir in die Stadt gehen und uns die
Läden ansehen?" fragt ein Mann seine Frau am
Sonntag. — „Aber heute sind sie ja geschlossen."
„Eben deshalb!"
* .
Der Grund.
»Das Treppengeländer ist staubig", bemän
gelte Krach-stahl bei einer Besichtigung des Hauses.
— „Es ist ja wahr", sagte die Hausmeisterin.
„Herrsch, heute haben die Kinder ja Schulferien,
da ist noch keines heruntergerutscht."
*
Unter Freundinnen.
„Ich komme gerade vom Schönheitssalon."
„So? Der war wohl geschlossen?"
Lehrerin: „Wie heißt das Futurum von „ich
liebe"?"
Backfisch: „Ich heirate."
.Bürgermeister Dr. Behrens-Schleswig spricht Saynenavordnungen des Vereins während der Weihrede
Photo: Lausen & Petersen, Schleswig
' - / i ' > ■ ' ' • . " • - •• - , '■ ■
i ‘ / ... 1 , - ' • .
Bilder von der Einweihung der Idstedt-ĢedSchtnIshall«