Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 3)

Mord attentat einer Lady. 
Sie überfällt die Gattin ihres Geliebten in dessen Villa und 
schießt fie nieder. 
Ein sensationelles Eifersuchtsdrama hat sich 
tn Mareil-Marly bei Paris zugetragen. Eine rei 
che Engländerin, Lady Owen, hat auf die Frau 
ihres Eeliebten, des Besitzers einer Klinik, Dr. 
Paul Gastaud, mehrere Revolverschüsse abgeftu 
ert und sie lebensgefährlich verletzt. Die unmittel 
bare Veranlassung des Dramas war die Weige 
rung Dr. Gastauds, sich scheiden zu lassen und 
Lady Owen zu heiraten sowie seine deutlich ge 
zeigte Absicht, die Beziehungen zu ihr zu lösen. 
Lady Owen befindet sich in Haft und hat den be 
rühmten Rechtsanwalt Henry Torres zu ihrem 
Verteidiger bestellt. 
Dr. Castaud, der im zweiundvierzigsten Le 
bensjahr steht, besitzt in Mareil-Marly, das nicht 
weit von Saint-Eermain-en-Laye liegt, eine luxo- 
rios eingerichtete Villa, die von einem herrschaft 
lichen Park umgeben ist. Dort pflegte seine 
ZSjährige Gattin Leonie den Somtnlr zu ver 
bringen. Dr. Gastaud kam, wenn ihn seine Be 
rufstätigkeit nicht in Paris zurückhielt, fast je 
den Abend hinaus. Es hieß, daß die Eheleute in 
bester Harmonie lebten. Vor einem Jahre jedoch 
hatte der Arzt Beziehungen zu der 34jährigen 
Lady Owen angeknüpft, einer Witwe, die eine 
geborene Edmonds Nodot, aus einer vornehmen 
Familie in Havre stammt und mit Sir Theodor 
Owen, Eeneralkommissär für Ceylon auf der gro 
ßen Ausstellung in Wembley, verheiratet gewesen 
war. Ihr Mann hinterließ ihr ein großes Ver 
mögen. Dr. Eastaud, der, obwohl er viel Geld 
verdiente, in finanzieller Bedrängnis war, lieh 
von der Lady hunderttausend Francs. Dadurch 
kam er in Verbindung mit der Engländerin und 
bald entwickelte sich zwischen Leiden ein intimes 
Verhältnis. Vor drei Monaten teilte sie ihrem 
Geliebten mit, daß sie sich Mutter fühle und 
drängte darauf, daß er sie eheliche. Zuerst schien 
Dr. Eastaud auf den Vorschlag einzugehen, aber 
dann zog er sich immer mehr zurück und suchte 
Zusammenkünften mit der Lady aus dem Wege 
zu gehen. Zwei Tage vor dem Attentat hatten 
sie wieder eine Unterredung miteinander. Dr. 
Gastaud erklärte rund heraus, daß er seine Frau 
nicht zu verlassen gedenke. Nun beschloß Lady 
Owen, Frau Gastaud aus dem Wege zu räumen. 
Vor einigen Tagen forderte sie ihre Kammer 
zofe auf, sie auf einem Besuch bei Dr. Gastaud 
in Mareil-Marly zu begleiten. Da die Zofe von 
der Feindschaft zwischen ihrer Herrin und der 
Arztgattin Kenntnis hatte — diese soll von dem 
Verhältnis gewußt und der Lady gedroht haben,, 
sie werde ihr übel mitspielen — rief sie Dr. Ea 
staud auf der Klinik an, um ihn zu warnen. Er 
war jedoch abwesend, und so sprach die Zofe mit 
seinem Freund, Dr. Bernard, der antwortet«, er 
werde sich sofort zu Frau Dr. Eastaud in die Villa 
begeben. Er eilte tatsächlich nach Mareil-Marly. 
Doch kaum war er im Salon erschienen und hatte 
begonnen. Frau Eastaud vorsichtig auf das Er 
scheinen der Lady vorzubereiten, als schon die Tür- 
glocke ertönte. Er stürzte in den Vorraum, öffnete 
selber die Tür und sah sich Lady Owen gegen 
über. Sie trat mit raschen Schritten e ; n und 
wollte weiter gehen. Dr. Bernard verstellte ihr 
den Weg und rief ihr zu: „Machen Sie keine 
Dummheiten!" Inzwischen aber war Frau Ea 
staud in den Vorraum gekommen und bei ihrem 
Anblick erhob Lady Owen die rechte Hand, in der 
sie unter einem Seidenschal einen Revolver ver 
borgen hielt und schoß durch den Schal auf die 
Rivalin dreimal. Frau Eastaud stürzte zusam 
men. Dr. Bernard packte den Arm der Mörderin, 
aber dieser gelang es nichtsdestoweniger, noch ein 
viertesmal zu schießen und die auf dem Boden 
Liegende zu treffen. Völlig beherrscht, sagte die 
Lady sodann: „Telephonieren Sie der Gendarme 
rie, damit sie mich verhafte." Dr. Bernard be 
mühte sich um das Opfer des Attentats, das auf 
der rechten Brustseite, am Bauch und an der Seite 
Schußverletzungen aufwies und brachte es auf 
die Klinik Dr. Gastauds. 
Lady Owen gab im ersten Verhör unumwun 
den zu, daß sie in der Villa erschienen war, um 
Frau Eastaud niederzuschießen. Sie hatte den 
Revolver knapp vor dem Attentat gekauft. Sie 
wurde dem Gericht in Versailles eingeliefert. Der 
Zustand der Arztgattin ist besorgniserregend. 
* * 
Kürtms Schreckenstaten 
bewirten. 
48 Morde und Mordversuche, 
35 Brandstiftungen! 
Berlin, 1. August. (Eig. Meldung.) Die 
in den letzten Wochen von der Düsseldorfer 
Kriminalpolizei zur völligen Aufklärung des 
sogenannten Kürten-Komplexes geleistete Ar 
beit hat, lt. „Berliner Tageblatt", umfangrei 
ches neues Beweismaterial für die Täterschaft 
Kürtens gebracht, durch das auch der letzte 
Zweifel an seiner Schuld erstickt ist. Als auf 
geklärt und Kürten nachgewiesen, völlig unab 
hängig von seinen Aussagen und einem even 
tuellen Widerruf, können nicht weniger als 
48 Morde bezw. Mordversuche und 35 Brand 
stiftungen gelten. Kürten hat die während sei 
ner Vernehmungen durch die Kriminalpolizei 
gezeigte Taktik, umfassende Geständnisse abzu 
legen, und immer neue Verbrechen auf sich zu 
nehmen, vor dem Untersuchungsrichter nicht 
beibehalten. Er hat dafür den freilich miß 
lungenen Versuch unternommen, verschiedene 
seiner Geständnisse zu einzelnen Morden zu 
widerrufen. Für fast sämtliche Fälle des Düs 
seldorfer Mordkomplexes ist Peter Kürten als 
Täter überführt. 
In Kreibitz (No-vdböhmen) wurde eine Falsch- 
ncklnzerbonide aufgehoben, die Novdböhmen und 
Sachsen mit gefälschten Zweimarkstücken und tsche 
chischen Fünfkronenstücken überschwemmte. 
Bei Gibraltar sind ein englischer und ein spa 
nischer Dampfer zusammengestoßen und so schwer 
beschädigt worden, daß sie sofort zu sinken began 
nen. Die Besatzungen wurden von Hilfsschiffen ge 
rettet. 
In Bonn ist ein Iungflieger tödlich abgestürzt. 
Bei einem Zusammenstoß zweier Autobusie bei 
Hassel wurden vier Personen getötet und neun 
verletzt. 
Hankau — ein ZWsites TfchnngLscha? 
Die große chinesische Stadt Hantau ist im Norden und Süden von chinesi 
schen kommunistischen Streitkräften bedroht. Die Verhängung des Stand 
rechtes und die Flucht fast aller Ausländer sind der Beweis für die außer 
ordentlich ernste Lage der Stadt. Man befürchtet, daß Hantau das Schicksal 
der Stadt Tschangtscha teilen wird, die vor wenigen Tagen nach ihrer Erobe- 
berung durch die kommunistischen Streitträfte geplündert und teilweise 
in Brand gesteckt wurde. 
Instandsetzung des MISS" 
in Latzehnrst? 
TU. Newyork. 2. August. (Erg. Funkmel 
dung.) Wie aus Montreal gemeldet wird, ist 
es möglich, daß das englische Luftschiff „R. 100" 
zur Beseitigung der Schäden an den Stabili- 
ierungsslächen nach Lakehnrst gebracht wer 
den soll. Lakehurst hat nämlich die einzige 
Lustschiffhalle auf dem amerikanischen Fest 
and, in der man derartige umfangreiche Jn- 
tandsetzungen in Ruhe vornehmen kann. 
Das englische Luftschiff „R. 100" hat mit 
seinem Flug nach Kanada eine imposante Lei 
stung hinter sich gebracht, die erst auf Grund 
Straßenbahn mit 70 Personen ins Wasser gestürzt. 
Bei Buenos Aires stürzt«, wie vor einigen Tagen berichtet, eine vollbesetzt« Stra 
ßenbahn beim Passieren einer Brücke, die für die Durchfahrt eines Schiffes"geöffnet 
war, in den Riachuelo-Fluß. Fast 70 Personen fanden den Tod. Die Aufnahme zeigt 
Bergungsarbeiten an dem Straßenbahnwagen, von dem nur noch die Stromstana« aus 
dem Wasser ragt. 
genauen Studiums der atlantischen Wetter 
karten der letzten Tage voll gewürdigt werden 
kann. Die Tatsache, daß der Gcnntterstnrnr, 
in den das Luftschiff geriet, ihm unter an 
derem fast genau dieselben Beschädigungen 
beibrachte, wie seinerzeit dem Zeppelin, näm 
lich an den SLnbilisierungsflächen, wird wahr 
scheinlich für künftige Banken eine wertvolle 
Lehre bedeuten. Wir haben alle Veranlassung, 
der Fahrt des „R. 100" die Beachtung zu schen 
ken, die dieser Fahrt im.schlechtesten Wetter 
gebührt, denn angesichts einiger Unzulänglich 
keiten bei den ersten Probeflügen des engli 
schen Luftschiffes hat man in Deutschland hier 
und da etwas voreilig Zweifel an der Lei 
stungsfähigkeit dieses Zeppelin-Konkurrenten 
ausgesprochen, die nun glänzend widerlegt 
sind. Für die weitere Entwicklung der Welt- 
luftschiffahrt ist nichts wichtiger, als daß die 
Männer der Praxis in die Lage versetzt wer 
den. ihre Erfahrungen unbehindert und un 
voreingenommen auszutauschen. Die Haltung 
der deutschen öffentlichen Meinung und ein 
faires Urteil über jede Leistung sind am besten 
geeignet, den Weg dahin zu ebnen. 
* * * 
LuflfchWsmKrmg 
«mf einem Dampfer. 
Ein Kleinlufffchiff auf der „Bremen". 
Newyork, 31. IM. Ein Klemlustschisf ist heute 
<mf dem in den Neuyorker Haftn einfahrenden deut- 
Ichen Ozeandampfer „Bremen" gelandet. Diese 
sensationelle Leistung der Landung eines Luftschiffes 
auf einem fahrenden Dampfer, das erstemal in der 
Geichichte der Luftschiffahrt, vollbrachte ein Klein- 
luiftschisf der Eoodyear-Lustfchiffgeftllfchast. Das 
Landungsmanöver wuvde von einer besonderen 
Landemannschaft ausgeführt, die den 'deutschen 
Ozeanriesen bei 1er Ouaraniäneftation bestiegen 
hatte, und klappte ausgezeichnet. 
Das Luftschiff kam glatt auf das Achterdeck 
nieder, nahm drei Passagiere der „Bremen", dar 
unter den Präsidenten der Goodyear-Geftllschaft, 
auf und startete glatt. Nach diesem so glänzend ge 
glückten Versuch einer Luftschisflandung auf einem 
fahrenden Dampfer, dem die Passagiere begeistert 
Beiftll zollten, wird vorausgesagt, daß man der 
artige Landungen zu einem regelmäßigen System 
ausbauen wird. Passagiere, die es besonders eilig 
hàn. werden dann von Bord eines Luftschiffes 
einen Ozeandampfer besteigen und sich auch vom 
Dampfer aus von einen« Luftschiff übernehmen last 
sen können, das sie dann an den endgültigen Be 
stimmungsort bringt. 
* * * 
Den Sarg auf bem Wege 
zur Beerdigung verloren. 
Paris, 1. August. Ein eigenartiger Unfall «W 
eignete sich am Donnerstag in Lorient bei der Beb 
letzung eines Marineso-ldaten, 'der von eiriem Eiftn« 
bahnzug überfahren und getötet worden war. Der 
Leichnam wurde vorher im Heimatdorf aufgebahrt 
und sollte am Donnerstag auf dem Friedhof von 
Lovient beigesetzt werden. Die Angehörigen und 
Freunde des Verstorbenen hatten sich am offenen 
Grabe versammelt. Als das Leichenauto eintraf, 
stellte man zum Entsetzen 'der Anwesenden fest, daß 
der Wagen leer war. Durch die Erschütterungen 
auf der Landstraße hatte sich die Tür geöffnet und 
der Sarg war hinausgestürzt, ohn« daß der Führer 
etwas davon gemerkt hatte. Man fand den Sarg 
zwei Kilometer vor der Stadt mitten auf der Straße 
liegen. 
Neue Erkraukuugen in Lübeck. 
Lübeck, 1. August. Unerwartet find hier 
11 neue Erkrankungen aufgetreten. Es handelt 
sich um Kinder, die vor 3 Wochen geheilt ans 
dem Krankenhaus entlassen wäret«. 
Bsn rŞ. 
Der württembergische Finanzminister Dr. 
Dehlinger und der Gesandte a. D. Raschda« sind 
der Konservativen Volkspartei beigetreten. 
Graf Kalckreuth ist aus der Deutschnationalen 
Volkspartei ausgetreten. 
Wie die „Krsuzzeitung" ersähet, gedenkt die 
Konservative Volkspartei im Wahlkreis Süd 
bayern von Lettow-Vorbeck als Spitzenkandidaten 
aufzustellen, wozu Lettow-Vorbeck sein Einver 
ständnis erklärt haben soll. 
''lmê. 
llebertritt zur Sozialdemokratie. 
Von der Minderheit der Kieler demokratischen 
Ortsgruppe ist Lehrer Wilhelm Mannzen der So 
zialdemokratischen Partei beigetreten. M. ist als 
Schriftleiter der „Schleswig-Holsteinischen Schul» 
zeitung" bekannt. — Dr. med. Leonhart, Kiel, 
ebenfalls zur Minderheit gehörend, tadelt in dem 
özialdemokratischen Kieler Blatt die demokratische 
Partei wegen des Zusammenschlusses mit der 
Vokksnationalen RLichsvereinigung in der Deut 
schen Staatsparter. 
Lie bŞffche MgmMg im ZruS. 
Schlachtsteuer auch im Plenum abgelehnt. 
Im bayrischen Landtag wurde gestern beim 
Finanzgesetz die Bestimmung, die Schlachtstener 
durch Rechtsordnung wiederherzustellen, gegen die 
Stimmen der Bayrischen Volkspartei und der 
Deutschnationalen abgelehnt. Der Führer der 
Bayrischen Volkspartei gab in einer Erklärung 
der Erwartung Ausdruck, daß die Regierung nicht 
mehr zögere, von ihrem Recht Gebrauch zu machen 
und zu verhüten, daß der bayrische Staat in eins 
noch größere Notlage gerate. In der Abstimmung 
über das Finanzgesetz (ohne die Schlachtsteuer) 
wurde dieses mit den Stimmen der Bayrischen 
Volkspartei, der Deutschnationalen, des Bauern 
bundes und der Deutschen Volkspartei gegen dis 
Stimmen der Linken angenommen. In Zusam 
menhang mit Ablehnung des Antrages der Re 
gierung auf Wiederherstellung der Bestimmung 
der Schlachtsteuer durch Rechtsordnung ist für 
Freitag eine Sitzung des Werwaltungsrates ein 
berufen worden. 
BnchempkehZLrWFsn. 
Erdölfunde in Nordwestdeutschland. Die kürzlich 
durch die Zeitungen gegangenen Berichte über neue 
Erdölfunde haben überall das größte Interesse hervor 
gerufen, ist doch die Weiterentwicklung der deutschen 
Erdölindustrie volkswirtschaftlich von Bedeutung. Seit 
dem Verlust von Elsaß-Lothringen ist Niedersachsen 
das einzige Gebiet des Deutschen Reiches, in dem Erd 
öl gefördert wird. Ueber die Entstehung des Erdöls, 
über Erdölgebiete. über Bohrversuche und Gewinnung 
des Oeles, über Entwicklung der deutschen Erdölindu- 
>tvie und über ihre Lage im Vergleich zu der auslän 
dischen gibt Bergrat Riemschneider aufschlußreiche, 
durch Bilder und schematische Darstellungen vorteilhaft 
ergänzte Ausführungen im Augustheft der Zeitschrift 
„Niedersachsen", verbunden mit „Tide" und „Schim 
melreiter" (Earl Schünemann, Verlag, Bremen, Preis 
des Heftes 60 Pfg.). Im selben Heft stellt der be 
kannte Hamburger Architekt Fritz Höger Betrachtungen 
zur norddeutschen Dacksteinbaukünst der Gegenwart an 
(mit Abb) und setzt sich begeistert für den Klinker als 
das schönste Material norddeutscher Baukunst ein. 
MW« 
— aller Systeme, insbesondere W 
j Kielnhefetingea rņlî Ziirnnai-isessal W 
Samfire Eisficiäugn J 
führt aus 8 
& üeiiisüiiii, tsairi 
= Alls KielerlaDdsfr. 5. Ferarul 2152. 
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