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stiert Weise ausgewirkt, berm das Personal in
beiden Betrieben ist fast durchweg deutsch.
Wie deutsch die Betriebe sind, drückt sich auch
in dem Aussehen der Städte Lüderihbucht und
Tsumeb aus, die neben Swakopmnud noch den
Eindruck der rein deutschen Städte von einst
machen.
Haben die Tsumebminen sich seit dem Kriege
durch Ausbau der Hüttenanlagen und Vertie
fung der Stollen bis auf 500 Meter ganz unge
heuer vergrößert, so sind auch die Lüderitzbuchter
Diamantanlagen in staunenswerter Meise ge
wachsen. Die Zentralwäsche von Elisabethbucht
ist eine der modernsten Anlagen der Welt. Hier
wird, man möchte sagen, die ganze Wüste durch
das Sieb geschüttet.
Wo früher die Diamanten mit der Hand aus
dem Sand geklaubt wurden, schöpfen heute gewal
tige Bagger in Tag- und Nachtarbeit den Sand
bis in eine Tiefe von 10 bis 15 Dieter, und zehn
elektrische Züge führen ihn in ununterbrochener
Fahrt auf das Band der Waschanlage, das tät
lich Mengen ins Meer schüttet, die kein Fracht
schiff laden könnte.
Di« Zinnfelder nördlich des Erongogebirges
haben noch nicht den erhofften Erfolg gebracht.
Dis kostspieligen Aufbereitungsanlagen der ver
schiedenen Besitzer verschlingen völlig die Ein
nahmen und was die neuerlich bei Rehobot ge
machten Goldfunde ergeben werden, mutz die
Zukunft lehren.
Ich sprach vorhin von den Kraftwagen. Trifft
inan diese schon auf allen größeren Farmen, denen
.sie zum Betrieb ja auch durchaus nötig find, so
«erden die Städte, vor allem die Hauptstadt
^ Windhuk von Autos geradezu überflutet.
Die Hauptgeschäftsstraße in Windhuk ist
ànds bei Ladenschluß fast so lebensgefährlich
wie der Leipziger Platz in Berlin und die schwar
zen Verkehrspolizisten müssen dieselbe lebhafte
Gymnastik treiben wie ihre weißen Kollegen in
Europa.
Die weite Verbreitung des Autos mag neben
der Uninteressiertheit der Unionsregierung dazu
beigetragen haben, daß der Ausbau des südwester
Bahnnetzes so langsam vorwärtsschreitet.
Nach dem Bau der Verbindungsstrecke Up-
pington-Kalkfontein während des Krieges und
Fertigstellung der schon zu deutscher Zeit vorbe
reiteten Bahnstrecke Otjiwarongo-Outjo ist der
Bau der Bahn Windhuk-Gobabails begonnen und
bis Witvley fertiggestellt worden.
Die Wetterführung dieser Strecke durchs Bet-
schuanaland nach Rhodesien wird von Südwest
wie von Rhodesien gewünscht und geplant. Sie
wird auch eines Tages erfolgen, wenn auch be
zeichnenderweise die Unionsregierung dieses Pro
jekt nicht unterstützt, da diese Verbindung dett
südafrikanischen Dahnen und Häfen, vor allem
Kapstadt, großen Abbruch tun würde. Für den
südwester Handel wäre natürlich eine Bahnver
bindung mit Rhodesien von gewaltigem wirt
schaftlichen Vorteil.
Die Arbeiterfrage hat sich seit dem Kriege
leider verschlimmert. Litten die Farmer früher
schon unter dem Mangel an eingeborenen Farm-
arbeitern, so ist dies heute, obgleich die neuerlich
eingezäunten Farmen nicht mehr so viel Vieh
hüter bedürfen, noch mehr der Fall.
Der Grund hierfür ist, daß ein großer Teil
der Eingeborenen heute in Reservaten lebt. Dort
weiden ^ sie, wie einst zu Zeiten, ehe der weiße
Mann ins Land kam, ihre großen Rinderherden
und denken nicht daran, Arbeit auf Europäer-
farmen zu tun. Ihre Großmannssucht und Faul
heit ist durch die Einführung der Reservate und
Aufhebung der deutschen Regierungsverordnung,
wonach die Eingeborenen nur Kleinvieh, aber
nicht Großvieh halten dürfen, in einer für alle
Farmer sehr empfindlichen Weise gestärkt worden.
Während den Farmern schwarze Arbeiter
fehlen, laufen weiße Arbeitslose im Lande her
um. Es ist fast wie in Deutschland, wo für die
Landarbeit nur noch ein geringer Teil der Be
völkerung brauchbar ist. Wie wir hier auf Polen
und Tschechen als landwirtschaftliche Saisonar
beiter zurückgreifen müssen trotz der l'A Milli
onen Arbeitslose, so suchen heute drüben Weiße
vergeblich Arbeit und Brot, während den Far
mern schwarze Kräfte fehlen.
Trotz alledem kann man von einem wirt
schaftlichen Aufstieg in Südwest wohl reden, und
die augenblickliche, durch die jahrelange Dürre
hervorgerufene Depression kann wohl eine Unter
brechung des Aufstieges bedeuten, sie wird aber,
wie auch der Administrator im Landesrat äußerte,
die wirtschaftliche Weiterentwicklung des Landes
nicht aufhalten.
Als Schülerin der Kolonialen
Frauenschule in Aachen.
Zu der Kolonialtogung in Aachen am 12. bis
15. Juni waren auch 18 Schülerinnen von der
Kolonialen Frauensch-ule in Rendsburg gefahren.
Wir bringen nachstehend einen kurzen Äbfchnttt
aus einem Reisebericht, den eine geborene Süd-
Westerin über ihre Eindrücke geschrieben hat. In
ihrer frischen Art schreibt sie über die schöne
deutsche Landschaft und die herrlichen Baudenk
mäler, die sie aup ihrer Reise gesehen hat und er
zählt dann von dem Aufenthalt in Aachen:
Noch an denn ebben, Nachmittag fuhren wir
über den Rhein, immer fort nach Westen zur alten
Kaiserstadt Aachen. Hier war das Ziel und der
Höhepunkt der Fahrt erreicht. Mit herzlichen Will
kommensgrüßen empfingen uns unsere freundlichen
Gastgeber, und wir hatten in Aachen so recht das
Gefühl der Zugehörigkeit zu den Deutschen hier
im Vaterland, die mit warmen Herzen für unsere
Kolonien arbeiten, werben und Opfer bringen, was
uns besonders die Darbietungen der folgenden Tage
in Aachen bewiesen haben.
Von allen Seiten kamen die Teilnehmer, Ab
geordnete und Gäste, zur großen Hauptversamm
lung des Frauenbundes der deutschen Kolonial
gesellschaft. Hier konnten wir einen Einblick tun
in die ausgedehnte und segensreiche Arbeit des
Frauenbundes und mit eigenen Augen sehen, wie
für unser liebes Afrika gearbeitet wird. Wir
hörten einen Dortrag über Ostafrika zur besonderen
Freude unserer Mitschülerinnen, deren Eltern schon
wieder dort tätig sind. Unsere Landsleute -drüben
hatten eine sehr gute Regenzeit und überhaupt ein
gutes und aussichtsreiches Jahr. Im krassen Ge
gensatz dazu brachte 1930 unserem Sonnenlande
eine Dürre, wie sie fast beispiellos dasteht. Armes
Südwest! Wann fängst du wieder an zu blühen?
Verzage nicht, du bist nicht verlassen, nicht ver
gessen. In größter Opferwilligkeit und Treue ge
denkt man deiner. Trotz Arbeitslosigkeit und schlech
ter wirtschaftlicher Lage wirkt der Frauenbund un
aufhörlich für dich. Ohne diese beharrliche Arbeit
und Rührigkeit hätte nicht geleistet werden können,
was wir als schöne Erfolge drüben selbst erlebten:
Unsere Schulen, Pensionate, Stipendien! Wir alle
empfanden an diesem Sonnabendmorgen: Ein star
ker Wille, die Kolonien nicht im Sti-ch zu lassen,
weiter dafür zu werben, zu arbeiten und zu sorgen,
führt alle, die hier versammelt sind, beseeligt alle
und tröstet und stärkt diejenigen, die dem Vater-
lande treu draußen stehen, draußen kämpfen und
ringen und um bestehen zu können, anerkennende
und fürsorgende Liebe brauchen.
Im Herzen Aachens liegt seine historische Schön
heit: Der Dom. der alle Kaiserdom. In seinen
starken, wuchtigen Formen des romanischen Bau
stils gleicht er einer Festung, wirkt er unersch-ütter-
lich, versinnbildlicht er die Krafts Karls des Gro
ßen, stark und mächtig. Hier liegt der Grundstein
des Deutschen Reiches, der alten Macht, des alten
Reichtums, hier ist der Sitz des ersten Kaisers, des
Kämpfers für das Christentum. Der Gedanke, in
einem Raume zu stehen, der solch große Persönlich
keiten in sich barg, Menschen von Ruhm und Be
deutung, ein,Raum, in dem Worte erklangen, d>e
nie vergessen werden, in dem Taten geschahen, von
denen die Jahrtausende sprechen, ist erhebend und
löst eine feierliche Stimmung in uns aus. Wir
dürfen im oberen Säulengang den alten Kaiserstuhl
Karls des Großen bewundern, der in seiner Ein
fachheit so «hrfurchtgebietend wirkt. Von jenem
Platz aus tst der Blick in den Dom der großartigste.
Nach der Besichtigung der unermeßlich reichen
Schatzkammer verlassen wir das ehrwürdige Ge
bäude und wandern zum Rathaus. Wir treten ein
in den alten Raum, den Krönungssaal. Große
Freskengemälde zeigen uns die wichtigsten und be
deutendsten Momente aus dem Leben Karls des
Großen und schließen mit der Krönung Ludwig
des Frommen.
In ernster Betrachtung stehen wir vor diesem
bildlichen Geschehen. Ein Luftzug streift uns; mir
ist's, als fei es ein Wehen großer Geister.
Diesen ersten Tag der Aachener Ereignisse
schließt ein schönes, geselliges Beisammensein, der
Aachener Bürger und ihrer Gäste.
Melanie Kietz, Osona (Südwest-Asrika).
Bunte Welt.
Die deutsche Sprache in Finnland.
Deutsche Sprache und deutsche Kultur haben
im Norden und Osten eine starke Stellung inne,
die den Deutschen selbst nicht immer bewußt ist.
Dies war das Hauptereignis der Ausführungen,
die der bekannte finnische Volkskundeforscher Prof.
Kaarle Krohn kürzlich als East des ostpreußischen
Freundeskreises der Deutschen Akademie in Kö
nigsberg über,die Bedeutung der deutschen Sprache
als Verkehrssprache im Norden und Osten machte.
Danach ist der frühere Einfluß des Französischen
allmählich weitgehend durch das Deutsche zurück
gedrängt worden, und die Versuche, statt dessen
das Englifche als internationale Verkehrssprache
durchzusetzen, sind nicht gelungen. Soweit eine
Fremdsprache gebraucht wird, ist Deutsch die üb
liche Umgangssprache geworden Alle Gebildeten
in Skandinavien und Finnland lernen es als erste
fremde Sprache; es wird auch von der finnischen
Kaufmannschaft bevorzugt. Mehr als die Hälft«
der Doktordissertationen an den finnischen Hoch
schulen wird Deutsch geschrieben, so daß die deutsche
Sprache auch im wissenschaftlichen Leben Finn
lands und Skandinaviens ihren Platz behauptet.
Der Bettler als Philantrop.
In Pittsburg gehört ein Bettler namens
Henri Tober seit mehreren Jahrzehnten zu den
stadtbekannten Persönlichkeiten. Vor längerer
Zeit erschien Tober nun beim Bürgermeister
von Pittsburg und überreichte ihm zu seiner
größten Ueberraschung einen Betrag in Höhe
von 80 000 Dollar zum Bau einer Handwerker-
schule für Waisenkinder.
Erst jetzt stellte es sich heraus, daß der
Greis kein Bettler im wörtlichen Sinne dieser
Bezeichnung war, sondern nur an krankhaftem
Geiz litt.
Tober war ein regelmäßiger Besucher aller
Märkte von Pittsburg, auf denen er sorgfältig
alle Abfälle zusammensuchte. Aus diesen Ab
fällen kochte er sich dann Suppen, die seine ein
zige Nahrung während seines ganzen Lebens
waren.
Ebenso sammelte er seit Jahrzehnten Holz-
stückchen und alle brennbaren Stoffe, die er
finden konnte. Bezeichnend ist jedoch, daß er
diese Brennstoffe nicht etwa zum Heizen seiner
Wohnung verwendete, denn selbst bei der
grimmigsten Kälte ließ er seine Wohnung un
geheizt. Er stapelte die gesamten Abfälle zu
großen Haufen auf, die dann verfaulten. Das
Angebot der mit seinem Gelde gegründeten
Hanöwerkerschule, in dem Gebäude zu wohnen
und an der gemeinsamen Tafel mitzueffen,
schlug er aus. Er erklärte, daß er sich bei sei
ner Lebensweise zufrieden und glücklich fühle,
und keine Aenderung in seinen Lebensgewohn
heiten wünsche.
Nun ist der greise Henri Tober dieser Tage
gestorben. Zur größten Ueberraschung der
Stadt hinterließ er ein Testament, in dem er
seiner Stiftung ein Grundstück im Werte von
100 000 Dollar und 22 000 Dollar bares «Seld
vermachte.
Die Erklärung für diese Vermögensan
sammlung ist recht einfach. Henri Tober hatte
als zwanzigjähriger Jüngling ein Vermöge»
geerbt, daß er nie angegriffen hat und das im
Laufe der Jahrzehnte riesenhaft angewachsen
war.
Eine Lehrerin will die Mutter einer Schü
lerin besuchen, die im sechsten Stock einer Miets
kaserne wohnt.
Am Hauseingang fragt sie einen Knaben:
„Kannst du mir sagen, mein Junge, wo Frau
Müller wohnt?"
„O ja, kommen Sie nur mit." Er steigt ihr
voran die Treppen hinaus und bleibt schließlich,
als sie glücklich säst unterm Dach angelangt stud,
stehen, zeigt aus eine Tür und sagt:
„Da wohnt Frau Müller. Aber sie ist jetzt
nicht zu Hause. Sie sitzt unten im Hof auf dor
Bank."
Das Schicksal
des Grafen Rhoden.
Roman von Otfrid von Haustein.
Topflight by Literatur. Verlag Gloria, Berlin. Steglitz.
7) (Nachdruck verboten).
--Kuno tst da. Darf ich ihn zu dir führen?"
„Iuftizrat Mergener hat dir geraten? Ich
werde den Iuftizrat zu mir bitten. Gut, führe Kuno
herein. Der Iuftizrat ist dein Gegenvormund, und
wenn er... Ich kann ja deinem Verlobten, wenn
er es àmal ist, nicht verweigern, ihn zu emp
fangen.^
Wie Kuno an Margaretens Seite das Zimmer
der alten Dame bettat, lag wieder das Lächeln auf
seinen Lippen, das ihn so unangenehm machte. Der
Besuch der alten Dame und die Komödie, die er
spielen sollte, waren ihm zuwider.
„Derehrteste Tante, gestatte, daß ich dich erge
benst begrüße und gleichzeitig um Verzeihung bitte,
wenn ich nicht zuerst zu dir kam, ehe ich mir Mar-
garetens Jawort erbat. Ich denke, du wirst uns
auch jetzt deinen Segen gebend
„Ich kann nicht verhehlen, daß deine Werbung
um Margarete und ihr Einverständnis mir vollkom
men unerwartet kamen und daß ich noch gestern
andere Hoffnungen hegte. Jetzt werde ich vor eine
vollendete Tatsache gestellt, da ich aber vorläufig noch
der Vormund meiner Tochter bin, kann ich eine
Einwilligung zu dieser plötzlichen Verlobung nicht
geben, ehe ich darüber mit meinem Berater, Herrn
Iuftizrat Mergener, gesprochen habe."
„Selbstverständlich, Tante. Ich finöe das ganz
tn der Ordnung, und so will ich auch heute deine
kostbare Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.
Meine liebe Margarete, erlaube, daß ich mich auch
von dir verabschiede. Ich darf wohl hoffen, Tante,
von dir ein paar Zeilen zu bekommen, sobald du
mit dem Iuftizrat gesprochen hast."
Er ging, nachdem er auch seiner Braut die Hand
geküßt.
Es war beiden Damen eine Erlösung, als kurz
darauf der Iuftizrat vorfuhr.
„Mein lieber, alter Freund, ich habe Sie mit
Sehnsucht erwartet, und wollte Sie soeben durch
einen Boten zu mir herausbitten lassen. Was geht
denn nur vor?"
.Haben Sie Vertrauen zu mir?"
„Unbegrenztes!"
„Dann bitte ich Sie, fragen Sie nicht. Ich
möchte Ihr Herz nicht mit unnötigen Sorgen be
schweren, Glauben Sie mir, es ist für Sie alle das
Beste, wenn diese Verlobung zustande kommt. Ich
will Ihnen nur andeuten, daß Ihres verstorbenen
Gemahls Verhältnisse durchaus nicht so glänzend
waren, wie wir glaubten. Das Vermögen Kuno
Gehrmanns sichert Ihnen allen eine forgsnfvete
Zukunft."
Einen Augenblick erschrak die Baronin, als sei
sie an einer furchtbaren Gefahr vorübergegangen.
Dann aber faßte sie sich schnell.
„Nun, wenn auch Sie es für gut halten, dann
muß ich mich fügen, aber ich verstehe Margarete nicht.
Ich hätte nicht so berechnend gehandelt. Ich würde
lieber mit Erwin ttockenes Brot essen, als Kunos
Reichtum teilen, und wenn es Millionen wären,
denn er bleibt trotz seines freiherrlichen Namens ein
Plebejer!" •
Der Iuftizrat nickte nachdenklich und sah zu,
wie sie seufzend eins der Ka-viarfchnittchen, die Mar
garete zur Bewirtung des Iuftizrats hereingefchickt
hatte, zum Munde führte und mit einem Schluck
alten Portwein hinunterspülte. Er konnte sie sich
wirklich recht schlecht bei trockenem Brot vorstellen.
Die Nachbarschaft war verwundert, als sich die
kleinen Kärtchen einstellten, auf denen die verwit
wete Baroni-n Gehrmann-Windollen, geborene Gräf
in Hollerstein, die Verlobung ihrer einzigen Toch
ter aus ihrer ersten Ehe mit dem verstorbenen Gra
fen Rho-den-Gunz-hausen mit dem Freiherrn Kuno
von Gehrmann-Altkuhren bekanntgab und mit Rück
sicht auf das Trauerjahr bat, von Glückwunsch-besu
chen freundlichst Abstand zu nehmen. Schon wenige
Wochen später fand in aller Stille die Vermählung
statt. —
Auf Windollen war ein ganzes Heer von Hand
werkern eingekehrt, und als sie kamen, hatte die Ba
ronin gern den Vorschlag ihres Schwiegersohnes an
genommen, auf einige Monate ein Bad aufzusuchen.
Es war kein selbstloses Opfer, das Kuno ihr
bot, denn er atmete auf, als sie abgereist war, und
sogar Margarete dankte Gott.
Das Verhältnis zwischen Kuno und seiner
Schwiegermutter war vom ersten Augenblick an auf
Kriegsfuß gestellt. Sie machte ihm fortwährend
Vorwürfe. Sie hielt ihm vor, daß seine geschäft
lichen Unternehmungen eines Aristokraten unwür
dig seien, verbot ihm geradezu den Bau der Fabrik
und wollte nicht einsehen, daß das Gut nun ihm ge
höre. Sie stellte ihm tagtäglich zwanzigm-al Erwcn
als Muster vor und fühlte gar nicht, daß sie Mar
garetens Wunde immer von neuem aufriß. Sie
weigerte sich, die Zimmer im Erdgeschoß zu räumen,
kurz, sie fühlte sich noch immer als Herrin des
Hauses und rügte alles, was Kuno tat, als gewalt
samen Eingriff in ihre Rechte.
Margarete litt Höllenqualen. Sie hing ängst
lich an Kunos Gesicht und war froh, -daß dieser, der
die alte Baronin einfach nicht für voll nahm, mit
seinem ewigen ironischen Lächeln die Vorwürfe über
sich ergehen ließ. Aber täglich zitterte sie, daß er
die Geduld verlieren würde und es zu einem offenen
Bruch kam, und die Mutter die ganze Wahrheit er
fuhr, daß sie nur in ihrem eigenen Hanse geduldet
war. So war es für alle eine Erlösung, als sie ab
reiste.
Kuno hatte auch Margarete beobachtet und war
zartfühlend genug, zu verstehen, daß auch ihr
schmerzlich sein mußte, was nun kam. Er hatte ihr
angeboten, die Mutter zu begleiten und fernzublei
ben, bis die Verwüstungen, die er vornehmen mußte,
geschehen waren, aber sie hatte abgelehnt.
Stundenlang stand sie am Fenster und schaute
hinüber in den Park. Nun war der japanische Pa
villon zerstört. Sie wollte aufschreien, als sie die
erste Hacke an dem lieben Vau sah. Wie gern war
der Vater dort gewesenI Sie erinnerte sich seiner
Freude, als er vollendet war. Dort hatte ihr Erwin
seine Jugenügedichte vorgelesen...
Und immer mehr Arbeiter stampften auf den
verwüsteten Wiesen und Beeten. In diesen Stunden
haßte sie Kuno und ging ihm aus dem Wege, wo sie
ihn sah.
Windollen, das liebe, alte, friedliche, vornehme
Windollen war tot!
Eines Tages kamen fremde Herren an, mit de
nen Kuno noch erregter verhandelte als sonst.
Tiefe Löcher wurden in die Erde gebohrt, dann ging
der Gutsherr mit strahlender Miene umher. Ein
neuer Sieg seiner Kombinationen: er hatte ein
unterirdisches Kohlenlager gefunden.
Neue Bauten entstanden. Fast der ganze Rest
des Parkes sank zu Boden. Bohr- und Fördertürme
erhoben sich, die Landwirtschaft wurde aufgegeben
und die Scheunen niedergelegt. Kunos Kapital
hatte längst nicht gleicht, aber willig fand er in der
Hauptstadt Fremdes Geld. Eine große Gesellschaft
wurde gegründet, und darüber kam der Sommer.
In der Hauptfabrik surrten bereits die Räder.
Grelle Bogenlampen an hohen, kahlen Eisenmasten,
die an Stelle der grünen Eichen standen, beschienen
einen weiten Platz, auf -dem Avbeitevkolonnen käme»,
und gingen. '
Nur das Herrenhaus selbst stand mtt seinen
grauen Mauern, der altmodischen Freitreppe und
den hohen Fenstern unverändert. Aber wie sah es
im Innern aus! Die Geweihe aus d-em Vovsaal
lagen irgendwo auf -dem Boden. Helles elektrisches
Licht durchflutete die Räume. Aus dem Speifesaal
war ein Bcratungszimmer geworden. Das Ar
beitszimmer -des Vaters war Kunos nüchtern-kahles
Büro, der Musiksalon beherbergte eine Anzahl
Schreiber und in dem Zimmer der Mutter wohnte
der Oberingenieur der Sprengstoffabrik.
Nur der Oberstock war unberührt. Das heißt,
dort war nun die Wohnung der Mutter und die von
Kuno und Margarete. Später, wenn alles in Gang
war, wollten sie ja nicht hier bleiben. Kuno hatte
die Absicht, in der Reichshanptstadt eine Zentrale
aller seiner Unternehmungen einzurichten.
Die Mutter! Margarete schauderte bei dem
Gedanken, an deren Rückkehr, was würde sie sagen!
Wie sollte sie, mit ihren reizbaren Nerven, es auch
nur eine Stunde in diesem Chaos von Lärm und
Unruhe aushalten.
Innerlich war sie Kuno keinen Schritt näher
gekommen, und sie fühlte, daß es auch nie geschehen
könnte. Sie sehnte sich fort, ganz gleich wohin, wo
es einsam und still war, wo niemand sie kannte.
Auch mit der Mutter korrespondierte sie wenig.
Was sollte sie ihr schreiben? Erzählen von dem,
was hier geworden? Es war genug, daß sie es
sehen mußte. Von ihren Seelenqualen sprechen?
Ach, sie verstand sich ja auch mit der Mutter nicht,
das Fühlte sie jetzt. Deren Briefe waren nur voll
von Oberflächlichkeiten, vornehmen Bekanntschaften,
Klatsch aus der aristokratischen Gesellschaft und Din
gen, die ihr so nichtig erschienen.
Eines Tages sandte die Mutter ein kleines Pa-
ket. Nichts lag darin als ein Buch: „Liebe?" Ro
man von Erwin Graf von Rhoden.
Margarete zuckte zusammen. Krampfhaft hatte
sie versucht, nicht an ihn zu denken, und nun stand
er neben ihr und wollte selbst zu ihr sprechen.
„Liebe?" Wo war ihre Fassung hin? Was
hatte das eine Wort auf diesem Buch für einen
Sturm in ihrem Herzen entfesselt!
(Fortsetzung jolgl.j