Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 3)

LanDsszsîlung 
Schîeswîg-Solstsînîschs 
123. Jahrgang. 
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„Dis am Sonntag in Berlin vollzogene Grün 
dung einer „Deutschen Staatspartei" stellt eine 
einseitige Aktion der Demokratischen Partei und 
der Volksnationalen Reichsvereinigung dar. Sie 
ist ohne Heranziehung oder auch nur Benachrich 
tigung der beiden stärksten Gruppen der staats 
bürgerlichen Mitte, der Deutschen Volkspartei und 
der Wirtschaftspartei, erfolgt, obwohl die Deutsche 
Volkspartei bereits zu Verhandlungen über einen 
Zusammenschluß eingeladen und die Wirtschafts 
partei sich zu diesen Verhandlungen bereit erklärt 
hatte. Die einseitige Berliner Aktion bedeutet' 
daher keine Förderung des notwendigen Zusam 
menschlusses der staatsbürgerlichen Mitte, sie trägt 
vielmehr die Gefahr zu einer weiteren Zersplitte 
rung jener Kräfte in sich. 
Die Deutsche Volkspartei ist nach wie vor be 
reit. den Gedanken des Zusammenschlusses praktisch 
Zu fördern, wenn dazu alle Parteien und Grup 
pen der staatsbürgerlichen Mitte herangezogen 
werden." 
Don Dr. Hermann Ullmann. 
Wir Deutschen, als politische Nation noch un 
erfahren und zu spät angetreten, verfallen sehr 
leicht einem unfruchtbaren politischen Pessimis 
mus. Unser innerpolitischer Zustand scheint vie 
len umso hoffnungsloser, als wir gerade jetzt, so 
fern wir, geschlossen auftreten, eine unzweifelhaft 
in Fluß geratene außerpolitische Entwicklung aus 
nutzen könnten. In der Tat liegt die Gefahr 
vor, daß wir die Gelegenheit, den eisernen Ring 
um uns zu lockern, wieder einmal vor lauter 
Innenpolitik versäumen. Wer aber die inner- 
politischen Vorgänge der letzten zwölf Jahre auf 
merksam und mit dem nötigen inneren Abstand 
verfolgt hat, der weiß schon seit langem, daß wir 
durch den Zustand der Parteienauflösung, in den 
wir eingetreten sind, hindurch müssen, wenn wir 
die innerpolitische Grundlage für eine klare 
Außenpolitik gewinnen wollen. Die alten Par 
teien, fast ohne wesentliche innere Wandlungen 
aus Ueberlieferungen und persönlichen Beziehun 
gen der letzten Vorkriegszeit hervorgegangen, kön 
nen ohne stärkste innere Aenderung, ohne kriti 
sche llebergänge, die vorübergehend zerstörend und 
auflösend wirken müssen, nicht tauglich werden 
für die Mitarbeit an den Zukunftsaufgaben, die 
uns von der europäischen Krise gestellt werden. 
Insbesondere gilt das für die Rechte, die in eine 
heillose Sackgasse gedrängt worden war. Hilgen 
berg, der übrigens, von seinen Absichten aus ge 
sehen, viel zu spät hervorgetreten ist, war bloß 
Mit der neuen Staatspartei tritt eine weitere 
politische Neubildung zu den Wahlen in die Er 
scheinung. In einem Artikel „Die Rechte lebt" 
von Dr. Ullmann an anderer Stelle dieses Blattes 
werden die weltanschaulichen Voraussetzungen für 
den Bruch mit Hugenberg und seiner Richtung in 
der Deutschnationalen Volkspartei und die neuen 
Ziels gekennzeichnet. In der Deutschen Staats 
partei tritt eins weitere Gruppe zur Sammlung 
des Volkes auf einer neuen weltanschaulich 
volksgemeinschaftlichen Grundlage in die Erschei 
nung. Zwischen diesen beiden Neugruppierungen 
steht noch die Deutsche Volkspartei unschlüssig, aber 
auch sig rvird sich dem Ruf der neuen Zeit nicht 
Mehr lange entziehen können. Von ihrer Haltung 
könnte es abhängen, ob nicht eine Zufammen- 
saffung der ganzen weltanschaulichen Neugrup 
pierung zur Wahl, zum mindestens in Form der 
Listenverbindung, sich durchsetzen und somit der 
Mahlkampf entschlossen nach rechts und links ge- 
Sen den Radikalismus geführt werden könnte. 
Was nun die 
Stellungnahme der Deutschen Volkspartei 
äur Sache angeht, so lehnt die Partei nach der 
Nationalliberalen Korrespondenz vorläufig ab, 
weil sie die Aufspaltung in eine neue konservative 
„Rechte" und eine bürgerliche „Linke" nicht als 
den Weg der Sammlung zu der denkbar größten 
staatsbürgerlichen Einheit betrachten kann. Sie 
werde an einer umfassenderen Sammlungsbestre 
bung festhalten. ■ Wenn sie das wirklich tut und 
in diesem Sinne Einfluß nach beiden Seiten hin 
Nehmen würde, würde ja vielleicht noch das Ziel 
einer staatsbürgerlichen Einheitsfront erreicht 
werden können, jedenfalls aber die Möglichkeit des 
Vorgehens in Listenverbindung gegeben sein. Am 
Mittwoch werden die Vertreter der Volkspartei 
wit der neuen Gruppenbildung der Rechten zu 
einer Besprechung zusammentreten. Hoffentlich 
wird man zu einem vernünftigen Uebereinkom- 
Men gelangen. 
Pressestrmmen. 
Die volksparteiliche „Kölnische Zeitung" er 
härt sich für die Staatspartei. Das Blatt spricht 
die Hoffnung aus, daß dis erste Verärgerung (ge 
weint ist die Verärgerung der Deutschen Volks 
partei, daß ihr Sammlungsruf etwas zu wenig 
Beachtung fand) bald einer vernünftigen Ueber- 
ļegung weichen wird. Auch dieses Blatt tritt für 
die wirkliche Sammlung einer staatsbürgerlichen 
Mitte ein. Dis „Vossische Zeitung" tritt ebenfalls 
lür die Staatspartei ein. verspricht sich von ihr 
aber auch nur eine Vollendung, wenn auch die 
Volkspartei ihre gegenwärtige Haltung ändere 
Und das Vermächtnis Strefemanns, den Gedanken 
^îner staatsbürgerlichen Eemeinfchaştsfrant, wahr- 
fachen würde. Auch die „Deutsche Allgemeine 
Zeitung" bearüßt die Neugründung freundlichst. 
^ie „Tägl. Rundschau" äußert sich zurückhaltend, 
bemerkt aber, daß der Neichsautzenminister Dr. 
^urtius mit der neuen Staatspartei sympathisiere 
und wahrscheinlich ihm nahestehende Politiker aus 
den Strefemann-Reihen mithinüberziehen würde. 
^'e „Berliner Börienzeitung" glaubt, daß die lin 
ken Erupven der Demokraten nicht mitmachen 
werden. „Deutsche Tageszeitung", „Kreuzzeitung", 
„Lokal-Anzeiger" und „Deutsche Zeitung" lehnen 
.e Reugründung ab, sie nennen die Neugründung 
einen Rettungsanker für die demokratische Partei 
und meinen, sie sei in ein schwarz-rot-goldenes 
7-uch eingewickelt. — Das „Berliner Tageblatt" 
kommt in einem „Ein Versuch" überschriebenen 
Artikel zu dem Schluß, man werde die weiteren 
Morte und Taten sowie auch das weitere Schicksal 
vor Deutschen Staatspartei Schritt für Schritt be 
obachten und prüfen müssen. 
Der „Jnngdeutsche", 
der übrigens Mahraun als den Führer der neuen 
Partei bezeichnet, begründet die Eingliederung der 
Volksnationalen Neichsvereinigung in die Deutsche 
^taatspartei u. a. folgendermaßen: 
„Die volksnationale Bewegung müßte eigent 
lich auf Grund ihrer Entwicklung ganz selbständig 
vorgehen. Sie müßte jede Rücksicht auf andere 
Parteien ablehnen und sich langsam in unaufhör 
lichem Kampfe in die politische Machtstellung hin- „ 
einarbeiten. Aber der Allgemeinzustanö erfordert gierungsblatt sich sogar auf Aeußerungen der sonst 
tn dieser Stunde das Eintreten für die Sammlung. 
Sammlung ist der Ruf aller derer, die erkannt 
haben, daß der Steg des Radikalismus auch der 
Sieg des Bolschewismus ist. Wir würden ver 
brecherisch handeln, wenn wir in dieser Stunde 
eine mögliche Sammlungsbewegung, die sich mit 
unserer Hilfe bilden könnte, zunichte machen 
würden. Alle Versuche, eine Sammlungsbewe 
gung unter der Führung der alten Parteien 
herbeizuführen, sind gescheitert. Die Vorbedin 
gung einer Sammlungsbewegung, die Erfolg ha 
ben soll, ist die Verbindung mit neuen Kräften, 
die den alten Parteien nicht zur Verfügung stehen. 
Die alten Parteien haben sich bis zum letzten da 
gegen gesträubt, der jüngeren Generation den 
Platz zur Mitwirkung einzuräumen. Mit dem 
Aufruf für die Deutsche Staatspartei ist ein ganz 
neuer Weg beschritten worden. Der Weg beginnt 
mit der Sprengung einer alten Partei durch den 
Eintritt vieler demokratischer Führer. Der Auf 
ruf, der zur 'Bildung der Deutschen Staatspartei 
an die Oeffentlichkeit ergangen ist, zeigt bereits, 
daß es sich um Persönlichkeiten aus allen bisheri 
gen bürgerlichen Parteilagern handelt. Die Per 
sönlichkeiten gehören dem Lager der Mitte und 
der Rechten, von den Demokraten über Volkspar 
teiler bis zu den Deutschnationalen an. Unsere 
Freunde werden noch viel über den großen Ent 
schluß hören, den wir mit dem heutigen Tag mit 
zuteilen haben. Das wichtigste aber, was bet die 
sem Entschluß mitgesprochen hat, ist die Ueber 
zeugung von der unabweisbaren Notwendigkeit 
der Herstellung einer starken entschlossenen Samm 
lungsbewegung. In ihr ist es die Sendung der 
jungdeutsch-volksnationalen Bewegung, Sauerteig 
zu sein und den Vormarsch zum Volksstaat zu 
sichern." 
Mmmg dsr ZeÄschen SlMZMlm. 
Die Führung der Deutschen Staatspartcs teilt 
mit: „Die Leitung der Deutschen Volkspartei hat 
angesichts der Gründung der Deutschen Staats 
partei nichts anderes zu sagen, als daß sie die um 
getaufte deutsche Demokratische Partei sei. Wie 
eine solche Behauptung gegenüber einer Bewegung 
gewagt werden kann, wie der Gewerkschaftsführer 
Baltrufch und der Handelskammerpräşident 
Schütte-Minden, angehören, und zu der sich be 
reits im Eründungsaufruf mehrere namhafte 
junge deutsche Volksparteiler bekennen, wie Dr. 
Eschenburg, Freiherr Rochus von Rheinbaben und 
Dr. Winfchuh, überlassen wir dem Urteil der 
Oeffentlichkeit. Wir stellen fest, daß bereits jetzt 
Zustimmungserklärungen führender Persönlichkei 
ten der Deutschen Volkspartcj aus dem Lande 
vorliegen, z. V. die des Textilfabrikanten Hans 
Croon-Aachen und des Geschäftsführers der Aache 
ner Arbeitgeherverbände, Stadtverordneter Dr. 
Ziervogel-Aachen. Solche Erklärungen liegen vor, 
ohne daß bisher irgendwelche Beitrittsaufforde- 
rungen ergangen find." 
„Rà eines fitieges“. 
Eine Aeußerung Herriots. 
Der frühere französische Ministerpräsident 
Herriot sagte am Sonntag in einer im Rhone- 
Departement gehaltenen Rede, mit Beunruhigung 
frage er sich, ob sich etwa ein Wiederaufleben des 
Dreibundes zwischen Berlin, Wien und Rom vor 
bereite. Eine solche Verbindung würde seiner An 
sicht nach den Keim eines Krieges in sich tragen. 
Es hat wohl noch gute Weile bis zur Erneue 
rung des Dreibundes, und die deutsche Politik hat 
schon gar keinen Anlaß, sich blindlings der italie 
nischen Außenpolitik anzuschließen. Aber davon 
abgesehen, darf man doch Herrn Herriot fragen, 
ob es nur Frankreich erlaubt fein soll, nach Gut 
dünken Bündnisse einzugehen. Es zeigt sich immer 
wieder jener durchaus nicht den Frieden fördernde 
französische Dünkel, daß einzig und allein was 
Frankreich tut und läßt dem Frieden diene. 
Vom Vorsitzenden des Landesverbandes 
Schleswig-Holstein der Deutschen Volkspartei, Dr. 
Rode, wird mitgeteilt: 
Was wird im Osten gespielt? 
stets angefeindeten polnischen Presse beruft, wo 
nach Deutschland nach Räumung des Rheinlandes 
eine aktive Ostpolitik zu entfalten beginne, die 
Litauen und Polen gefährlich werden könnte. 
Die polnische Presse wird — offenbar in 
dem Gedanken, daß nach der Rheinlandräu 
mung deutsches Interesse sich vermehrt den 
Ostfragen zuwendet in jüngster Zeit be 
sonders ausfällig gegen Deutschland. Der 
„Kurjer Tscherwonny", ein dem Regierungs 
lager nahestehendes Blatt, bringt es sogar fer 
tig, Schadenfreude über das große Unglück in 
Koblenz zu bekunden. „Die Rheinfeiern", so 
heißt es in dem Hetzblatt, „hätten nicht pom 
pöser sein können, wenn der Krieg mit einem 
Siege Deutschlands geendet hätte. Ein Symbol 
ist deshalb dieser Brückeneinsturz, der den 
deutschen Reichspräsidenten endlich veranlaßte, 
seinen Triumphzug durch die wieder eroberten 
Provinzen abzublasen." Und in Gedichtform 
steht in demselben Blatt zu lesen: 
Es wird wie früher erschallen der Kriegsruf 
der Barbaren, 
Und vom anderen Ufer dringt wieder zu dir, 
o Frankreich, 
Der giftige Speichel der niederträchtigen 
Schlange. 
Hier erscheint der elende Boches 
Denke daran Frankreich: 
Solange der Rhein nicht dein für ewig, 
Halte immer die Waffen scharf! 
Dies „Gedicht" ist überschrieben „Die Wacht am 
Rhein". Aus dem Ganzen und seinen Hinter 
gründen geht hervor, wie die polnischen Chau 
vinisten den französischen die Bälle zuwerfen, 
und wie man die Weichselfrage noch immer 
mit der „Rheinfrage" zu verknüpfen sucht. 
dazu berufen, diese Sackgasse erkennbar zu machen, 
indem er die persönliche Verantwortung für den 
letzten Teil des Weges übernahm. Die eigent 
lichen letzten Ursachen der reaktionären Entwick 
lung auf der Rechten liegen vor ihm und außer 
ihm, er ist mehr Werkzeug als politische Kraft 
gewesen, und es ist mehr als Ironie, es ist bis 
zu einem gewissen Grade echte Erkenntnis, wenn 
die linksradikale Presse ihm nachtrauert. Denn 
er war mit seiner legitimistischen.Taktik, der keine 
wirklich legitimistische Ueberzeugung entsprach, 
mit seinen sozialreaktionären Entgleisungen, mit 
seinem ganzen ungekonnten Macchiavellismus. sei 
nem Ressentiment gegen das System und seinem 
Mangel an Ueberlegenheit, sowie «r hervortrat, 
ein ausgezeichnetes Agitationsobjekt für reist vqr- 
teipolitifch eingestellte Kreise der Linken, uro es 
ist für die Linke reichlich unbequem, di« ''âr 
liegenden Ursachen der Krise auf der Rechten nun 
anerkennen zu müssen. Denn was sich offenbart, 
nachdem die Fiktion gefallen ist. als sei Hugen 
berg die Rechte, das ist nicht jo einfach zu be 
kämpfen wie er, das ist, auf weite Sicht, eine 
viel erheblichere Gefahr für den „Marxismus", 
für den Mißbrauch des Staates zu Klassen- und 
Interessenkämpfen, für die bequeme, zweideutige, 
den Staat aushöhlende bisherige Stellung der 
Sozialdemokratie, die ihr gestattet, alle Vorteile 
der Macht ohne deren Lasten und Pflichten zu 
genießen. Was hinter dem einschrumpfenden, in 
seinen Möglichkeiten weit überschätzten Hugen- 
bergapparat auftaucht, das ist eine andere Welt,
	        
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