Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 3)

ôd)leswîg-ï5olfteînÌfd)e LanDsszsîtung 
123. Jahrgang. 
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Wie dieser Aeberblick zeigt, beruht die Not des 
Etats im wesentlichen auf der Wirtschaftskrise und der 
dadurch bedingten Arbeitslosigkeit. Wie sich die Ent 
wicklung am Arbeitsmarkt gestalten wird, läßt sich 
heute noch nicht übersehen. Es mutz auch vor einer 
allzu pessimistischen Betrachtungsweise gewarnt wer 
den. Immerhin mutz ernsthaft mit der Möglichkeit 
gerechnet werden, daß die Zahl von 1.6 Millionen 
überschritten werden wird. Es kommt darauf an, das 
Hauptübel in unserer gesamten öffentlichen und pri 
vaten Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit, an der Wurzel 
zu packen, das heißt mit allen nur möglichen Mitteln 
zu versuchen, sie herabzudrücken. In dieser Beziehung 
sollen die eingeleiteten Maßnahmen zur Arbeitsbe 
schaffung nachdrücklich fortgesetzt werden. Im Rech 
nungsjahr 1930 sind für die Arbeitslosenversicherung 
und für die Krisenfürsorge insgesamt 685 Trillionen 
Mark im Etat zur Verfügung gestellt. 
dem Datum vom 27. Juli 1930 ausgegeben 
wurde, veröffentlicht mit den Unterschriften 
sämtlicher Minister die „Verordnung des 
Reichspräsidenten zur Behebung finanzieller, 
wirtschaftlicher und sozialer Notstände". 
Auf Grund des Artikels 48 der Reichsver- 
fasiung verordnet der Reichspräsident im ersten 
Abschnitt „Deckungsmaßnahmen für den 
Reichshaushalt 1930", die zum Ausgleich des 
Defizits die Reichshilfe der Personen des öf 
fentlichen Dienstes, den Zuschlag zur Einkom 
mensteuer für die Einkommen von mehr als 
8000 Mark, den Zuschlag zur Einkommensteuer 
der Ledigen enthält. 
Der zweite Abschnitt handelt von der „Er 
schließung von Einnahmen für die Gemein 
den". Der 8 1 bestimmt, daß die Gemeinden be 
rechtigt und in gewissen Fällen auch verpflich 
tet sind, eine Steuer auf den örtlichen Ver 
brauch von Vier (Gemeinde-Biersteuers oder 
eine Bürgerstcuer oder beide Steuern neben 
einander zu erheben. 
Der dritte Abschnitt behandelt die Ost- 
hilfe (landwirtschaftliche Sieölungs- und Kre 
dithilfe, Vollstrecknngsschnhs, der vierte Ab 
schnitt die Arbeitslosenversicherung, Kranken 
versicherung und Reichsversorgung. Die wich 
tigste neue Bestimmung ist, daß bis zum 
1. April 1931 das Reich, wenn die Mittel der 
Reichsversicherungsanstalt nicht ausreichen, 
nur die Hälfte des Fehlbetrages in der Form 
von Darlehn zuschießt, die übrige Hälfte durch 
erneute Beitragserhöhung oder durch Ein 
schränkung der Leistungen aufgebracht werden 
muß. 
Im fünften Abschnitt, der von der- Ver 
hütung unwirtschaftlicher Preisbildungen han 
delt, wird der Reichsregierung die Ermächti 
gung erteilt, Verträge oder Beschlüsse, die Ver 
pflichtungen über die Art der Preisfestsetzung 
oder die Förderung von Preisen enthalten, für 
nichtig zu erklären oder eine bestimmte Art 
ihrer Durchführung zu untersagen. Das bedeu 
tet, daß die Regierung unter Umständen, wenn 
die Verhandlungen mit einem Kartell über die 
Preissenkung zu keinem Erfolge führen, zur 
Auflösung der Kartelle schreiten wird. 
Der sechste Abschnitt betrifft den Haushalt 
für 1930, der bis zum Ende des Etatsjahres, 
31. März 1931, festgelegt wird und in dem ins 
gesamt 169 Millionen Mark abgestrichen wur 
den. 
Dem Zwecke der Deckung der Fehlbeträge dienen 
insbesondere die Reichshilfe der Personen des öffent 
lichen Dienstes und die einmaligen außerordentlichen 
Zuschläge zur Einkommensteuer im Rechnungsjahr 
1930. Der Reichshilfe unterliegen die Beamten und 
Angestellten der öffentlichen Hand im weitesten Sinne, 
dis Angestellten der öffentlichen Hand allerdings nur 
insoweit, als sie nicht der Arbeitslosenversicherung un 
terliegen. Dagegen sind entsprechend den Beschlüssen 
des Reichstags-Ausschusses auch die Bezieher von Auf 
sichtsratstantiemen der Reichshilfe unterworfen. 
Die einmaligen außerordentlichen Zuschläge zur 
Einkommensteuer im Rechnungsjahr 1930 bestehen 
erstens in einem sünsprozentigen Zuschlag zu der für 
1929 veranlagten Steuer. Diesem Zuschlag unterliegen 
Einkommen über 8000 Mark, und zwar ohne jeden 
Abzug. Zweitens wird ein Zuschlag zur Einkommen 
steuer der Ledigen erhoben. Als ledig gelten auch ver 
witwete oder geschiedene Personen, aus deren Ehe 
Begründung 
dieser Notverordnung heißt es: Die Reichsregierung 
hat davon abgesehen, den Notetat, der am 31. Juli 
1930 abläuft, zu verlängern. Das würde eine geord 
nete, den gegenwärtigen Verhältnissen entsprechende 
Ausgabenwirtschaft ausschließen. Vorbehaltlich einer 
vom neuen Reichstag vorzunehmenden Feststellung 
des Reichshaushaltsplans 1930 durch Gesetz soll daher 
für die Haushaltsführung des Reichs im Jahre 1939 
der von der Reichsregierung dem Reichstag vorgelegte 
Haushaltsentwurf unter Berücksichtigung der Beschlüsse 
des Plenums in zweiter Lesung gelten. Der Fehlbe 
trag beläuft sich, wie bereits früher bekannt gegeben 
ist, auf 780 Millionen. Davon entfallen rund 469 
Millionen auf den Fehlbetrag bei der Reichsanstalt 
für Arbeitslosenversicherung, 150 Millionen aus die 
Krisenfürsorge und 160 Millionen auf Mindereingünge 
aus Steuern und Zöllen. Von diesem Fehlbetrag sol 
len 269 Millionen durch Erhöhung des Arbeitslosen 
versicherungsbeitrags bf 1 Prozent von 314 auf 4 A 
Trchêsn öss Schrsàns. 
Von 4000 Toten der Erdbebenkatastrophe 
sprechen Berichte der italienischen Zeitungen. 
Einzelheiten hierzu und die neuesten Bilder 
befinden sich ans der 3. Hauptblattseite. 
760 Millionen 
Kinder nicht hervorgegangen sind. Vom Zuschlag be 
freit sind unverheiratete Frauen, denen Kinderermäßi 
gungen zustehen, und ferner Steuerpflichtige, die zum 
Unterhalt ihrer geschiedenen Ehefrau oder eines be 
dürftigen Elternteils seit einem Jahre mindestens 10 
v. H. ihres Einkommens aufwenden und denen deshalb 
eine Ermäßigung der Einkommensteuer bewilligt wor 
den ist. Der Zuschlag zur Einkommensteuer der Ledigen 
wird bei den Lohnsteuerpflichtigen im Wege des 
Steuerabzugs in der Zeit vom 1. September 1930 bis 
31. März 1931 erhoben. Bei den veranlagten Einkom 
mensteuerpflichtigen unterliegen. * da der Ledigenzu 
schlag nur für 7 Monate gelten soll, nur 69 v. H. der 
Jahressteuer für 1929 dem Ledigenzuschlag. 
Der Zuschlag zur Einkommensteuer der Ledigen 
besteht einerseits in der Wiederhinzurechnung der durch 
die Gesetze von 1927 und 1928 eingeführten Abschläge 
von 25 v. H., höchstens aber 3 R.4t monatlich, ferner in 
einem Zuschlag von 16 v. H. zur Steuer bei den Pflich 
tigen. bei denen sich nicht der prozentuale, sondern der 
feste Abschlag ergibt. Die Veranlagten haben den Zu 
schlag für die Einkommen von mehr als 8000 R°4t und 
den Ledigenzuschlag gleichzeitig mit ihren Einkommen- 
steuervoranszahlungen, also am 10. Oktober 1930 und 
am 10. Januar 1931, zu entrichten. 
Einnahmen für Me Gemeinden. 
Die Ncalsteucrn haben vielfach ein Ausmaß er 
reicht, das an die Grenze des Möglichen geht und nicht 
mebr überschritten werden darf, wenn nicht die Ecsahr 
weiterer Betriebsstillegungen und damit vermehrte 
Arbeitslosigkeit eintreten soll. Die Gemeinden sollen 
niit sofortiger Wirksamkeit das Recht erhalten, Bürger- 
steuer und Geineindcbierstcuer zu erheben, und zwar 
letztere in einen: gegenüber bisher erhöhten Ausmaße. 
Preiserhöhungen werden dadurch, so sagt die Regie 
rung, in nennenswertem Umfange nicht eintreten, da 
den Gastwirten in einer großen Zahl der Fälle vielfach 
nur ein Teil des Gewinnes weggenommen wird, den 
sie dadurch erzielt haben, daß der Preisaufschlag für 
das Glas Bier bei der letzten Bicrstcucrerhöhung er 
heblich über deren Ausmaß hinausgegangen ist. 
Gemeinden, deren Etats durch die Wohlfahriscr- 
ŞîegkMM sprich; m VeWeuWlMh. 
Bei einer Tagung des Reichsverbandes 
deutscher Konsumvereine in Duisburg führte 
Reichsarbeitsminister Stegerivald u. a. aus: 
Mir scheint gegenwärtig die Hauptaufgabe 
zu sein, die Mutlosigkeit und den Pessimismus 
in der deutschen Wirtschaft zurückzudrängen 
und die Wiederherstellung des Vertrauens zu 
Staat und Wirtschaft mit allen erdenklichen 
Mitteln zu pflegen. Die Reichsregiernng wird 
,auf diesem Gebiete alles tun, was in ihrer 
Macht steht. Das Notwendigste ist durch die 
Notverordnung geschehen. 
Bis zum Zusammentritt des neuen 
Reichstages wird ein großes Sanierungspro 
gramm der Reichsregiernng vorliegen. Dabei 
hat die Reichsregierung nicht vor, für den Pa 
pierkorb zu arbeiten. Sie wird im Herbst von 
den hinter ihr stehenden Parteien fordern, daß 
die jetzigen Notverordnungen des Reichsprä 
sidenten und das große Sanicrnngsprogramm 
die Grundlage für jede künftige Regierung 
und Regierungskoalition abzugeben haben. 
Von der Opposition, die die Reichstags- 
auslösnng herbeiführte, sind im Reiche drei 
Gruppe» nicht regierungsfähig: Hugenberg, 
die Nationalsozialisten und die Kommunisten. 
Die Sozialdemokratie, die als einzige unter 
den Oppositionsparteien regierungsfähig ist, 
wird bestimmt im Reichstage keine Mehrheit 
bekommen. Sie ist zufrieden, wenn sie ihre 
jetzige Mandatszahl behauptet. Ohne die ge 
genwärtige Regiernngskoalition oder große 
Bestandteile von ihr ist auch im künftigen 
Reichstage keine Mehrheit möglich. 
Diese Tatsache wird die Reichsregiernng 
im Interesse von Volk und Staat auszunutzen 
wissen, und so wird die Arbeit der jetzigen 
Regierung für Gegenwart und Zukunft von 
fundamentaler Bedeutung sein und bleiben, 
ganz glcch, wie die Reichstagswahlen im ein 
zelnen ausfallen mögen. 
In einer Ansprache vor Verarauensleu 
ten der Zentrumspartei in Essen sagte Ste- 
gerwald u. a.: Der einfache Staatsbürger 
frage sich, warum sich über so verhältnismäßig 
einfache politische Zusammenhänge eine 
Reichstagsmehrheit mit gesundem Menschen 
verstand nicht habe einigen können. Die Ant 
wort sei die: weil das deutsche Volk in zahl 
reiche Jnteressentengrnppen und -grüppchen 
auseinandergerissen sei und es keine Gemein 
schaft darstelle, die sich ausreichend innerlich 
verbunden fühle, weil jede Gruppe die andere 
für ihre eigenen Nöte verantwortlich mache, 
weil dem deutschen Volk die volitische Tra 
dition fehle und es daher seine Geschicke selbst 
zu meistern erst lernen müsse. Bon dem deut 
schen Volke sei allerdings in den letzten 15 
Fahren auch fast Unmögliches gefordert wor 
den. Weshalb habe der Reichspräsident Ende 
März dieses Jahres eine Regierung ohne 
snicht gegen) die Sozialdemokratie gewollt? 
Weil er in dem Müller-Kabinett habe beob 
achten können, haß Müller trotz anten Willens 
und klarer Erkenntnis der Wirtschaftlichen 
und finanziellen Notwendigkeiten in der so 
zialdemokratischen Fraktion sich nicht habe 
durchsetzen können, und daß infolgedessen in 
den 21 Monaten sozialistisch geführter Regie 
rung der Staatswagen immer tiefer in den 
Sumpf geraten sei. Es gehe, in diesem Wahl 
kampf nicht um Monarchie oder Republik, um 
Demokratie oder Diktatur, nm Aufbau oder 
Zerschlagung der Sozialpolitik, es gebe viel 
mehr nm die politische und wirtschaftliche Zu 
kunft von Volk und Staat. 
Wie ja nicht anders zu erwarten war, ist 
-.Zahlen!" der Refrain der neuen Notverord 
nung, die sich inhaltlich aufs engste anlehnt an 
die im Reichstag gescheiterte Notverordnung. 
Was an neuen Steuern zum 1. September ent 
richtet werden soll, ist im großen und ganzen 
schon in der Ueberschrift zum Ausdruck gebracht 
und wird den Betroffenen noch früh ge 
nug im einzelnen von den Steuerbehörden 
mitgeteilt werden. Das Negative in der Not 
verordnung wiegt vor. Was. die wichtige Auf 
gabe möglichster Umsetzung der Ausgaben für 
Arbeitslosenunterstützung in Arbeitsbeschaf 
fung betrifft, wobei man übrigens an Arbeit 
nach rationellen Grundsätzen denkt, so begnügt 
Man sich zunächst nur mit Andeutungen. Not 
gedrungen rafft sich das Neichskabinett, weil 
immer wieder gerade die bisher unbegrenzten 
Zuschüsse zur Arbeitslosenversicherung die 
Löcher im Reichshaushalt vergrößert haben, 
zu einer gewissen Energie auf, indem es seinen 
Zuschuß zu den Fehlbeträgen der Reichsver- 
sicherungsanstalt begrenzt. Dem siebt aller 
dings die Möglichkeit nochmaliger Beitrags- 
erhöbnng gegenüber. 
Der Finanzminister Dietrich glaubte, um einen 
Beweis guten Villens zu geben, den Sporstift an- 
'eßen zu müssen, und er gibt die gesamten im Zaus- 
yE^vorgenommenen Einsparungen mit rund 130 
Millionen RM. an. Es wird aber wieder darauf
	        
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