We Schauerlichkeit einer einsamen Nachtfahrt im
eisig kalten Norden zeigte. Der Chauffeur ließ
den Wagen trotz Nebel und Regen rasen, und
ganz allmählich erklommen wir die Höhe des
Fjelds. Der Wald hörte auf und die typische
Fjeldenvegetation begann. Ich sah davon in die
ser Nacht allerdings nichts, ich fror entsetzlich. In
zwischen wurde die Fahrt immer schneller, dabei
sahen wir kaum den Weg. Ich rückte aus meiner
Ecke heraus und bohrte meine Augen in die Fin
sternis hinein. Es wurde mir fast unheimlich.
Endlich hatten wir die Höhe erreicht, und nun
ging es bergab. Um drei Uhr waren wir glücklich
am Ofotfjord, an dem wir noch ein beträchtliches
Stück entlang fuhren, und um vier Uhr morgens
hatten wir die Fähre in Oeyor erreicht. Ich war
froh, daß ich diese Schreckensfahrt glücklich über
standen hatte. Der Fährmann war endlich auf
gestanden und brachte nach mehreren Versuchen
seine Fähre glücklich an die Felsen heran. Ich
sprang ins Boot, und wir fuhren über den Fjord
nach Narwik. Es war eine wenig erfreuliche Fahrt
durch die kalte Nacht; als wir an der Landungs-
brücks anlegten, dämmerte bereits der Morgen.
Brinke Welt.
Eine Anekdote vom Balkan.
Robert Neumann erzählt, unter anderen
kleinen Geschichten vom Balkan, im Julihest von
Velhagen und Klasings Monatsheften:
Diese Geschichte ist verbürgt, und es ist von
ihr sowohl im Vierzehnten Bericht des Politischen
Komitees zu Odessa an Lenin die Rede als auch
in einer Chiffredepesche des österreichisch-ungari
schen Botschafters Grafen Mensdorff an den ^Mi
nister Czernin. Ein> Balkanstaat, dessen Namen
ich nicht nennen will — und der es im übrigen
verstanden hat, anläßlich der großen Teilung der
Beute sich den Wanst wie wenig andere vollzu
schlagen und feine Grenzen um ein beträchtliches
nach Norden und Westen weiterzurücken —, ein
Balkanstaat wußte, als der große Brand in Euro
pa anbrach, so lange und geschickt zwischen Mittel
mächten und Entente zu lavieren, bis schließlich
um ihn zwischen Oesterreich und Rußland ein
regelrechtes Wettbieten anhob. Sagten die einen
Beute zu im Nordosten, so versprachen die andern
Land im Südwesten, sprachen die einen von Geld,
sprachen die andern von Gold, wußten die einen
den Weg zu drei Ministern zu finden, so be
stachen die andern drei weitere — es war zu
keinem Ende zu kommen. Verhandelte man mit
den Russen in Odessa, so verhandelte man mit
den Oesterreichern in Budapest — bis es schließ
lich doch den Russen gelang, dem Minister des
königlichen Hauses ein kleines Bankdepot in der
Schweiz zu errichten, und so den ganzen Staat
auf ihre Seite zu ziehen. „Also topp", sagte der
Russe. Aber der Unterhändler der Balkanleute
lehnte sich in seinem Sessel zurück und sagte:
„Noch einen Augenblick. Wir sind also bereit,
für unsere heiligen Belange zum Schwert zu grei
fen. Aber ist den Herren bekannt, daß unsere
Ausrüstung höchst mangelhaft ist?" Der Russe
winkte ab und sagte: „Was Ihre Armee zur
vollen Ausrüstung braucht, wird selbstverständlich
von uns zur Verfügung gestellt." — „Alles?" —
„Alles." — „Dann bitte ich um Aufnahme dieses
Punktes in den Vertrag." Aber auch als dieser
Wunsch erfüllt war, konnte der Balkanmann sich
noch nicht zur Unterzeichnung verstehen, „lleber-
morgen, meine Herren, übermorgen," antwortete
er auf alles Drängen. Das war am 12. Sep
tember. Am 14. erschien der Balkanmann in
Odessa. „Ein Mann — ein Wort." sagte er mit
Lächeln und unterschrieb.
Erft am 13. traf bei den Russen die offizielle
Mitteilung ein, daß sie dem neuen Bundesgenos
sen eine neue Artillerie zur Verfügung zu stellen
hätten — der Bundesgenosse hatte am 13. seine
gesamten Kanonen an Oesterreich verkauft, an der
Landesgrenze übergeben und mit blanker Münze
bezahlt bekommen.
Elektrische Gerichtsdiener.
Der Lautsprecher, den wir anfangs nur vom
Rundfunk her kannten, ist heute viel mehr mit dem
öffentlichen Leben verbunden. Seine durchdringende
Stimme wird jchon bei den verschiedensten Gelegen
heiten benutzt. Z. B. finden wir auf mehreren
Berliner Stadtbahnhöfen Lautsprecher, die beim Ab
fahren jedes Zuges „Zurückbleiben" rufen. Neuer
dings haben sie sogar im Gericht ihren Einzug ge
halten. Hier treten sie an die Stelle des Gerichts
dieners. Es ist allgemein üblich, daß kurz vor dem
slg asu»i(§ asg buniquohaeasstpiisN reuie uuiöoc^
sich im Flur aufhaltenden Zeugen, den Kläger uns
Beklagten zum Eintritt in den Verhandlungssaal
auffordert. Diese Arbeit übernimmt jetzt der Laut
sprecher. Der Richter braucht sich dabei gar nicht
von feinem Platz zu entfernen, sondern bespricht
ein kleines, auf dem Verhandlungstisch aufgestelltes
Mikrophon, dessen Sprechströme über eine Verstär
kereinrichtung zu dem im Flur angebrachten Laut-
precher geleitet werden. Es ist daher nicht möglich,
daß die Aufforderung des Richters an die warten
den Parteien überhört wird. In einem Bezirks
gericht in Wien hat man die ersten erfolgreichen
Versuche mit dem Lautsprecheraufruf gemacht. Zn
æicn Jsltten aus Mangel an Hilfsbeamten die Pro
tokollführer das Aufrufen nebenbei zu besorgen. Da
mit es nicht versäumt oder vernachlässigt werde, ent-
chloß sich das österreichische Justizministerium, „elek
trische Gerichtsdiener" aufzustellen. Die Berliner
Firma Siemens u. Halske erhielt den Auftrag, eine
von ihr vorgeschlagene sogenannte Lautrufanlage
probeweise einzurichten. Der Verhandlungstisch
im Straf- und der im Zivilverhandlungssaal erhiel
ten je ein Mikrophon. Die Einrichtung bewährte
sich fo gut, baß bas Ministerium die Einführung an
allen Wiener Gerichten plant.
Eine Goldrüstung der Völkerwanderungszelt.
Ein wertvoller Grabfund aus der Dölkerwan-
derungszeit ist kürzlich in Italien gemacht worden
und erscheint jetzt auf der Londoner Ausstellung
frühmittelalterlicher Kunst in Burlington Fine
Arts Club: die Goldrüstung eines langobavdischen
Häuptlings aus der Zeit um 600. Das Grab Atti
las, wenn es je wieder ans Licht treten sollte, kann
diesen Fund kaum übertreffen; er stellt sich dem be
rühmten Schatz des Grabes des Frankenkönigs
Ehilderich in Tournai an die Seite. Wie Prof.
Tancred Boranius von der Londoner Universität in
der Bruckmannfchen Monatsschrift „Pantheon" be
richtet, ist der Schatz reich mit Zellenschmelz deko
riert. Es ist ein großer Halsschmuck, ein Helm, ein
Schild, ein Sporn, ein Schwert, eine Lanzenspitze.
Pferdegeschirrstücke usw. Das wiederholte Auftre
ten der Kreuzessymbole läßt keinen Zweifel übria,
daß es sich um ein christliches Grab handelt. Auf
dem Halsschmuck ist vorn eine Figurenszene darge
stellt mit einem bärtigen Häuptling und einer Sie
gesgöttin, die in falschem Lateinisch als Picturta
gekennzeichnet ist. Der Sporn aus massivem Gold
wiegt mehr als 400 Gramm und ist reich mit Gru-
ben-Email dekoriert. Dank der wundervoll guten
Erhaltung stellt der Schatz ein klassisches Stück ,n
der Geschichte der Kunst der Völkerwanderungszeit
dar.
Der Ansturm der Kanalfchwimmer.
Nach Londoner Blättern ist in diesem Jahr
eine besonders stattliche Zahl von wagemutigen
Schwimmern, die trotz allen Fehlschlügen dem
Ehrgeiz nicht widerstehen können, den Kanal zu
durchqueren, an den verschiedensten Punkten start
bereit versammelt und wartet nur eine günstige
Gelegenheit ab, um ins Wasser zu gehen. Im
Hinblick auf die große Zahl der Schwimmer könnte
maNş fast auf den Gedanken kommen, daß das
Scheitern des Kanaltunnels nur dazu beigetragen
habe, dem Sport der Kanalschwimmerei einen
neuen Ansporn zu geben. Unter den Kandidaten
sind so ziemlich alle Völker und Altersklassen ver
treten. Deutschland, Aegypten, Indien, Südafrika,
Amerika, Frankreich und andere Länder haben
Vertreter entsandt, nur Australien glänzt durch
Abwesenheit. Daß es den Kanalschwimmern nicht
an Nachwuchs fehlt; bezeugt die kleine Joan
Brunton. ein zwölfjähriges englisches Mädel, das
zum Wettbewerb mit den Großen angetreten ist.
Nund um die.şreiheitsstatue.
Lebe so in deinem eigenen Heim, daß du
deinen Papagei jeder anderen Familie verkaufen
kannst. * (Troy Times.)
In Japan kannst du an der Tracht des Haa
res feststellen, ob ein Mädchen verheiratet ist oder
nicht. Bei uns kannst du nicht einmal feststellen,
db sie ein Mädchen ist.
Juni ist der Monat der Bräute. Die übn-
gen elf sind für die Scheidung bestimmt.
(Wall Street Journal.)
*
Ein Pariser Dichter ging in einen Löwen
käfig und las mit lauter Stimme seine Gedichte
vor. Die Löwen blieben unversehrt.
(Detroit News.)
*
Eine öffentliche Ansprache ist die Kunst, eine
Idee von zwei Minuten mit einem Wortschatz von
zwei Stunden zu verdünnen.
(San Diego Union.)
*
Eine verlorene Minute an einer Eisenbahn
kreuzung erspart dir den ganzen Rest deines
Lebens. (Minneapolis Star.)
Zum Lächeln und Lachen
Berechtigungswefen.
„Warum gar so traurig?"
„Es ist zu schrecklich. Ich wollte in der Ana
tomie meinen Leichnam verkaufen. Aber da hieß
es, sie nehmen nur mehr Leichen mit Abitur!"
Gewissenhaft.
„Herr Sämling, ich wollte Ihnen sagen, daß
gestern unser Klub aufgelöst wurde."
„Aber mein Herr, wie ist es mit der rück
ständigen Miete?"
„Darin haben wir uns schon gestern in der
Sitzung geeinigt; jeder bleibt Ihnen zehn Mark
schuldig."
Beispiel.
„Dreihundert Jahre ist dieses Glas alt", er
klärte der Händler.
„Das mußte unserer Köchin erzählen", sagt
Vüchsenkamp zu seiner Frau.
Der Rundfunkgegner.
Im Hotel einer Kleinstadt beraten die
drei Gäste, ob sie den Abend jetzt mit Skat
spiel oder mit Radiohören zubringen wollen.
„Was bringt denn der Rundfunk heute
abend?" fragt der eine Gast bedächtig.
Man sieht im gedruckten Programm nach:
Uebertragnng aus dem Stadttheater: WagnerS
„Lohengrin".
Und der bedächtige Gast entscheidet: „Dann
spielen wir Skat. Bei „Lohengrin" wissen
wir, was kommt; aber bei Skat wissen wir
noch nicht, was kommt — also ist Skat inters
essanter!"
bekomme leb meine
Ænsuge, Mäntel, Verhänge, Ciardmen, Teppiche usw. schnellstens und gut chemisch gereinigt, gefärbt und gebügelt?
Nur bei der Fa: C. w-àsnn Nach!., Inh.: A. Tapfick Rendsburg, Neue Straße 12, Tel. 3183, Qegr. 1867
öes Ģrmfesr NhoKen.
Roman von Otfrid von Haustein.
Tvpyright by Literatur - Verlag Gloria, Berlin - Steglitz
1) (Nachdruck verboten).
1. Kapitel.
Unter lautem Klang der Jagdhörner fuhr der
lauge Fug der rot und blau bewimpelten Wagen in
schlanker Kurve tu den Vorhof des freiherrlichen
Schosses Windollen, um vor der breitausladendrn
Freitreppe zu halten.
„Mt klingenden Fanfaren!"
General von Wittekopf schmunzelte es hinüber
zu feinem Iagdgenoffen, dem Kommerzienrat und
Buchhändler Bentheim, der selbst wie ein General
in Zivil aussah.
Pschakreff, das Knochengerüst wird wackelig,
wenn der Mensch alt wird."
Der Hausherr. Freiherr von Gchrmann-
Windollen, hatte feine riesenhafte Figur, die in
dem weiten Pelzmantel noch stiernackiger und wuch
tiger aussah wie sonst, erhoben und mühte sich, vom
Wagen zu steigen.
„Kommen Sie 'rein, meine Herren! Auf der
Fahrt wird man steif, und Federn haben die Dinger
auch miserable. Brr! Jetzt merkt man die acht
zehn Grad erst. Kalt ist.schön, aber warm ist besser!
Der Oberförster baut uns inzwischen die Strecke
auf."
Währenddessen waren auch die anderen Wagen
vorgefahren und die Gäste abgestiegen, die nun
langsam die Treppe emporgingen und in die große,
mit unzähligen Gehörnen geschmückte Vorhalle tra
ten, wo Diener und Mädchen mit zierlichen weißen
Hauben ihnen die Pelze abnahmen.
Eine schlanke, ernst und sehr vornehm wirkende
junge Dame von etwa zwanzig Jahren erschien in
der Tür des Empfangszimmers. Sofort hatte sich
Kuno von Gehrmann, des Hausherrn Neffe und
Herr auf dem benachbarten-Ältkuhren, von den an
deren gelöst gelöst und ergriff ihre Hand.
„Gnädigste Gräfin und verehrungswürdige Ku
sine, gestatten Sie, daß die ganze Jagdgesellschaft
sich Ihnen zu Füßen legt."
„Ach nein, lieber Better, das wollen wir doch
nicht tun bet ihren steifgefrorenen Gliedern. Kom
men die Herren lieber herein und trinken schnell
einen heißen, Kaffee!"
„Sagen Sie mal, lieber General," wandte sich
Kommerzienrat Bentheim an Wittekopf, „wieso wird
denn die junge Dame mit „gnädigste Gräfin" ange
redet? Ich denke, sie ist des Freiherrn älteste Toch
ter."
„Richtig, lieber Kommerzienrat, Sie sind ja
zum erstenmal hier. Fräulein Margarete ist die
Tochter der Freifrau aus ihrer ersten Ehe mit dein
Grafen Rhoden, aber hier gibt es kein Stiefkind
und keinen Stiefvater. Im Gegenteil, beide sind
ein Herz und eine Seele. Er hätte es am liebsten,
wenn er ihr auch leinen Namen geben könnte, da
mit niemand merkt, daß sie in Wahrheit nicht seine
Tochter ist, aber das geht nicht, denn sie hat einmal
Anwarffchaft auf das riesige gräflich Rhodenfche
Majorat." J
„Also ein Goldfisch?"
„Später mal sicker."
„Wird wohl fleißig geangelt?"
„Sie haben ja einen Angler selbst gesehen."
„Der lange, unangenehme Herr, der sie Kusine
nannte?"
„Ganz recht, der lange, unangenehme Herr.
Ganz meine Meinung, aber Glück hat er nicht/Der
Favorit ist ein ganz anderer. Der ihr eben jetzt
die Hand reicht."
„Der junge Graf Erwin? Dem gönne ich sie
schon eher."
„Kennen Sie ihn?"
Der Kommerzienrat machte ein Gesicht, als habe
er sich etwas merken lassen, was er nicht sagen
wollte.
„Ganz flüchtig, ganz flüchtig! Aber die beiden
passen besser zusammen."
Eberhard von Gehrmann, des langen Kuno
Vater, der in der benachbarten Provinzhouptstadt
ein großes Fabrikunternehmen leitete, war zu dem
Hausherrn getreten, der die Stufen der Freitreppe
ichnell hinaufgeeilt war und nun etwas zusammen
geknickt dastand und die Hand aufs Herz preßte.
„Gerhard, ist dir nicht gut?"
„Nichts von Bedeutung, aber das Herz will
manchmal nicht mehr. Nauheim hat auch'nicht be-
onders geholfen dieses Jahr. Ach was, wir trinken
einen ordentlichen Kurfürsten, dann kommt die olle
Pumvmaschine schon wieder in Gang."
Der Freiherr versuchte fröhlich zu erscheinen,
aber es^wollte ihm nicht recht gelingen. Des Vet
ters Gesicht ruht« mit eigentümlich ernstem und for
schendem Ausdruck auf ihm.
Die Herren hatten sich um die Kaffeetafel ge
atzt und aßen große, mit Obstmus gefüllte Pfann- ,
kuchen und delikate Torten. Auch der Freiherr war
wieder obenauf.
„Langen Sie zu, meine Herren, aber denken Sie
daran, daß in einer Stunde die Raubtierfütterung
beginnt."
Indessen stand der junge Graf Erwin Rhoden
jchon vollständig umgezogen und nun in der Uniform
seines Reichswehrregiments vor der alten Freifrau,
die sich für die anderen Gäste erst an der Tafel
sehen ließ.
Sie war eine streng aristokratische Erscheinung,
mit einem gewöhnlich'etwas hochmütigen Zug in
"ihrem leidenden Gesicht, und paßte eigentlich recht
wenig zu ihrem burschikos saloppen Gatten. Jetzt
aber hatte sie etwas mütterlich Zärtliches in ihrem
Blick.
„Also du mußt wirklich so schnell fort, mein
Junge?"
„Der Dienst, Tante. Ich muß den Nachtzug
erreichen und deshalb nach dem Essen verschwinden.
In Königsberg habe ich sowieso sechs Stunden Auf
enthalt. Da will ich mich denn lieber jetzt gleich
von dir verabschieden und du bist nicht böse, wenn
ich mich dann heimlich drücke, um kein Aufsehen zu
machen. Offen gestanden..."
„Weiß schon, mein Junge, du fühlst dich nachher
nicht recht wohl. Hast recht. Nun, bei Tisch wird
dir's schon schmecken. Ich habe dich neben Marga
rete gesetzt."
Sein Gesicht rötete sich leicht. Er küßte ihr die
Hand, sie aber zog ihn an sich.
„Wir verstehen uns schon. Wart' nur die Zeit
ab, Junge, ich seh's ja gern, wenn Margarete wie
der «ine Rhoden wird,"
„Tante!"
„Bist ja noch fast ein Junge."
„Frau Baronin, die Herrschaften sind ver
sammelt."
Sie nickte dem Kammerdiener zu, lächelte Erwin
einen Gruß und trat zunächst in das Zimmer, in dem
die Damen der Nachbarschaft, die zum Diner nach
gekommen waren, warteten. In der Tür traf sie
auf iïjre zweite vierzehnjährige Tochter Wallburg,
das einzige Kind aus ihrer Ehe mit dem Freiherrn,
ein lebenslustiges junges Ding, der die Freude aus
dem geröteten Gesichtchen strahlte.
„Also hübsch artig! Ich habe deinen Bitten
nachgegeben, obgleich sich's eigentlich noch gar nicht
chickt, daß du dabei bist. Benimm dich bescheiden
und sei nicht vorlaut!"
-Aber Mama!"
Eine kurze zeremonielle Begrüßung, — inzwi
schen waren auch die Herren eingetreten, die die vom
Oberförster bereitete Strecke besichtigt hatten, —
dann ordnete sich der Zug zu dem großen Speisesaal,
in dem die Tafel mit dem leuchtenden Familiensilber
und den blitzenden Kristallen einladend entgegen»
lachte.
Die Freifrau machte am Arm des Generals den
Vortritt, dann folgte der Hausherr mit der Frau
feines Vetters.
Zuerst ging es recht steif zu, doch dann wurde es
lebhafter.
„Meine Herren, wir müssen den Iagdkönig
wählen."
Die Ehre fiel nach einigem Hin und Her Kuno
von Gehrmann zu.
Kuno verbeugst« sich dankend.
Margarete neigte sich zu Erwin.
„Wenn es doch nur erst vorüber wäre! Das ist
mir der schrecklichste Tag im ganzen Jahre. Und
nachher erst, wenn sie spielen!"
Erwin, der ernst vor sich hinschaute und mit sei
nen Gedanken an ganz anderer Stelle zu sein schien,
hatte keine Zeit zu antworten, denn Kuno, der aus
Margaretes anderer Seite saß, belegte sie mit Be
schlag.
„Verehrungswürdige Kusine, was macht ein Kö
nig ohne Königin? Darf ich Ihnen wenigstens für
diesen Abend meine Krone zu Füßen legen?"
Er hatte eine so unangenehme Art, daß man nie
wußte, ob er ernst sprach oder spottete, und doch
fühlte Margarete schon seit Wochen, wie er jede Ge
legenheit benutzte, um ihr offenkundig den Hof zir
machen.
„Aber, lieber Vetter, Fräulein von Kerstlinge
rode ist doch Ihre Dame!"
„Zur Rechten, Kusine, zur Rechten, aber das
Herz sitzt aus der Linken, und da sind Sie!"
Er war zum Glück ungeschickt in seinen Kompli
menten, und nun erwiderte sie lachend: „Sv bieten
Sie mir Ihre Linke, während Ihre Rechte vergeben
ist? Ei, ei, Herr Vetter!"
Verlegen wußte er nichts zu erwidern, und da
in diesem Augenblick Fräulein von Kerstlingerode,
eine etwas angejahrte Dame, die bisher mit ihrem
anderen Nachbar gesprochen hatte, aufsah- mußte er
abbrechen.
(Fortsetzung folgt.)