Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 3)

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123. Jahrgang. 
123. Jahrgang. 
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Geweihte Ordnung. 
Gedanken zur LeWsfchèchis 
Entwicklung gekommen, die sich den Idealen 
des sozialen Lebens immer mehr entfremdet hat, 
eine Zeit, die nicht mehr imstande ist, wertvolles 
staatliches Leben aufzubauen. 
Als Mussolini den faschistischen Staat begrün 
dete, stand er vor der Tatsache, daß der Libera 
lismus und seine extremen Weiterbildungen den 
Staat entgöttert hatten. Ich verstehe unter die 
ser Entgötterung die Zerstörung all der geistigen 
Mächte, die dereinst sein Wesen gebildet. Herr- 
schertum und Herrscherwürde, nationale Ehre und 
Vaterlandsliebe hatten ihren Elanz verloren und 
eingebüßt. 
Wenn Musiolin? der Entgötterungdes 
Staates nachdachte, so mußte er einsehen, daß 
die französische Revolution mit ihrin Ideen von 
Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit die ge 
weihte Ordnung des staatlichen Lebens von Grund 
aus zerstört hatte. Der Staat wurde nur noch 
als dis irdische Ordnung sinnlicher Verhältnisse 
gedacht. Ehe und Familie, Heimat und Volk gal 
ten nur noch als reines Naturprodukt und ver 
loren jeden höheren Sinn und Wert. Das Leben 
wurde immer ungeistiger, und durch die Eleich- 
heitsidee ermutigt wagte sich das Untermensch- 
liche immer kühner und gewalttätiger hervor. Da 
mit war das Prinzip der Unterordnung zerstört, 
denn wenn alle Menschen gleich waren, verlor es 
augenscheinlich seine Berechtigung. 
Der Staat Mussolinis will von neuem eine 
geweihte Ordnung des Lebens er 
richten. Ohne sie sind die Erundverhältnisse 
der Gemeinschaft unhaltbar. Erinnern wir nur 
an das Verhältnis von Eltern und Kindern, von 
Vorgesetzten und Untergebenen, von Führern und 
Gefolgschaft, von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 
Mit ihm vergehen jene Werte, die das Leben 
stärken und erhöhen: Herrschaft, Würde, Autori 
tät, Gehorsam, Disziplin, Fügsamkeit, Zuversicht, 
Ergebenheit, Dienen und Demut. Mechanis 
mus und Gewalt können das Prinzip der Un 
terordnung nicht ersetzen, weil sie anarchisch 
sind und alle sozialen Bindungen lösen. 
Und warum bleiben wir nicht bei dem Ge 
danken einer naturhaften Ordnung des sozialen 
Lebens stehen? Warum dieser immer neue Ap 
pell an das Uebersinnliche, dieser Gedanke, daß der 
Staat und die Gemeinschaft geweiht sein möchten 
durch höhere Mächte? Weil die Leugnung 
dieser Mächte uns immer wieder zu 
Boden wirft und wir nichts Festes und Un 
bedingtes haben, an dem wir uns aufrichten kön 
nen. Weil dann die eine politische Meinung so 
gut wie die andere ist und kein Ideal mehr das 
Ganze bestimmt. Diesem politischen Rela 
tivismus ist das Parteileben unserer 
Zeit entsprungen. Jede dieser Parteien hat ihr 
besonderes Interesse im Auge. Sie weiß das, was 
für sie gilt und nicht das, was für alle gilt. 
Parteileben und Parteidogma haben 
das Antlitz der Dinge entstellt und bedrohen 
die Sicherheit des sozialen Lebens. 
Richt mit Unrecht hat Mussolini die Parteiführer 
mit den großen Baronen des Feudal 
systems verglichen, die schroff und rücksichtslos 
ihre Ziele verfolgen. Alles kommt darauf an, 
den Parteivorteil zu wahren. Nutzen und Wohl 
fahrt sind die Losungsworte der Zeit. Darauf, 
allein läßt sich aber kein wahres Gemein 
schaftsleben aufbauen. Alles Leben der 
Welt muß in einer höheren Ordnung 
der Dinge begründet sein. 
Das ist die Ueberzeugung Musiolinis, und 
diese Idee verlieh ihm die Kraft schöpferischer Ge 
staltung. Richt das Fremde gibt dem Staate Mus 
solinis die Weihe, sondern das Eigene, was mit 
seiner Wesensart als Form der Gemeinschaft zu 
sammenhängt. Rur die sittliche oder moralische 
Weltordnung kann die Würde und Macht des 
staatlichen Lebens begründen. 
Jedes Gemeinschaftsleben muß von 
Vernunft und Geist durchwaltet fein, Ungeistig- 
keit und Vernunftlofigkeit zerstören das Funda 
ment des Staates. Die Sittlichkeit ist nicht 
eine Sache des einzelnen. Auf die Bildung 
eines sittlichen Gemeinschaftswil- 
l e n s kommt es an, der zur Herrschaft gelangen 
muß. Es kann sein, daß in einem Staatswcsen 
die Privatmoral noch eine Zeitlang die öffentliche 
Moral überdauert, aber bald muß auch sie ver 
nichtet werden, wenn der staatliche Wille ungeistig 
und unsittlich geworden ist und der moralischen 
Ordnung widerstrebt. 
visch und unterwürfig wird, statt stolz und frei zu 
sein. Unter der Fremdherrschaft kann sich ein 
Volk verlieren, sich selber untreu werden. Sie, 
die zur Willkür der Tyrannei eines fremden Wil 
lens führt, hat nur ein Gutes, nämlich dieses, 
daß sie in den Besten und Edelsten der Nation 
die glühende Sehnsucht nach Freiheit erweckt und 
den großen vornehmen Naturen zur rechten Zeit 
auch die rechte Kraft verleiht, das Fremde zu 
überwinden und die Tyrannei zu stürzen. 
Mussolini wußte aber auch, daß es Eigen 
herrschaft geben kann, die von dem Volke als be 
quem und angenehm empfunden wird, weil sie 
keine allzu großen Anforderungen stellt, eine Ord 
nung, die keine höheren Werte repräsentiert und 
in der Schicksalsstunde des Volkes notwendig ver 
sagen muß. Das ist der parlamentarische 
regierte V o l k s st a a t, der die Leitung und 
Führung, das Schicksal und die Wohlfahrt der 
Nation den Zielsetzungen und Umtrie- 
benderverschiedenen Parteirichtun 
gen ausliefert, die Macht und Einfluß ge 
winnen wollen. Die Art der Unterordnung, die 
hier stattfindet, ist dem Staatsgedanken Mussoli 
nis ebenso fern wie die Herrschaft der Fremden. 
Denn nichts ist so trügerisch wie die Vorstellung, 
daß sich in der allgemeinen Volksvertretung der 
wahre Wille des Volkes kundgibt. Dieser wahre 
Wille — das lehrt uns die Geschichte an zahl 
reichen Beispielen — ist immer nur im Bewußtsein 
des einzelnen, niemals aber im Bewußtsein der 
Masse vorhanden. Dieser wahre Wille, der auf 
das gerichtet ist, was die Sendung eines 
Volkes und die Verwirk!ichung seiner 
Idee ausmacht. 
Wenn die Massen avancieren in dem Sinne, 
daß die revolutionären Führer, die aus ihrem 
Schoße auftauchen, die Gewalt an sich reißen, dann 
zerrtdasGewichtder Masseanallem 
höheren Leben, die Werte der Menschheit 
versinken in dumpfe Trübheit und das Gemein 
schaftsleben ist jedes höheren Sinnes entfremdet 
und entäußert. Dann ist das Ende einer 
neten Verhältnisse, deren das soziale Wachstum 
so dringend bedürftig ist. Alle aufbauenden 
Kräfte, wie soziale Gliederung, Sicherheit und 
Schutz, gehen von dem Prinzip der Ordnung aus. 
Es gibt nur noch e i n anderes Prinzip, das die 
selbe fundamentale Bedeutung für das Gemein 
schaftsleben besitzt, nämlich Entwicklung und 
Fortschritt. Das sind die Kräfte, die das 
Leben weiterführen und zu immer neuen Gestal 
tungen drängen. Es liegt etwas Erfreuendes und 
Beglückendes in dem Gedanken vorwärtszukom 
men, nachdem wir solange haltgemacht hatten oder 
auf breiter staubiger Straße in eintöniger Gegend 
nichts von diesem Vorwärtskommen bemerkten. 
Und die junge Generation will marschieren, 
sie will nicht im Alten stecken bleiben. Gerade das 
ist bezeichnend für die neue Generation: dies 
Marschieren: nicht zu halten, wenn es nicht die 
Zeit dringend erforderlich macht, um die Ziele zu 
bestimmen, damit wir sie um so schneller erreichen. 
Entwicklung und Fortschritt sind immer eine 
Absage an die alte Ordnung der Dinge und ein 
Appell an neue Werte. 
Die neue Ordnung der Dinge soll geweiht 
sein durch Ideale und Werte. Deshalb be 
zeichnet sie Mussolini als Hierarchie. Sie äußert 
sich als freiwillige Unterordnung und 
wertvolle lleberordnung. Diese allein 
sind gemeint. Mussolini will kein System des 
Zwanges. Der Zwang kann höchstens eine Form 
desUebergang essein. Er kann auch nichts 
Bleibendes begründen. Wie kann ein wertvolles 
Gemeinschaftsleben bestehen, wenn ein Volk ge- 
demütigt und niedergeworfen ist durch die Herr 
schaft der Fremden? Dann kommt sein Eigenes 
nicht zur Geltung und sein Bestes und Schönstes 
wird unterdrückt. Das kann dahin führen, daß 
dis Seele des Volkes entstellt wird, daß sie skla- 
•f© Wir haben in den „Zeitgedanken" der 
ätzten Sonnabendnummer aufgezeigt, daß die 
Reichstagsauflösung auf einen Zwiespalt 
Zwischen Staatsbllrokratie und Partei- 
interessentum im wesentlichen zurückzufüh 
ren sei. Erstere sah sich in dem Etatausdem 
Bollen bedrängt, letzteres zeigte nicht die b i s - 
hsrige Froigiebigkeit, weil einmal die 
Pfründe der Sozialbürokratie, z. B. in der Kran 
kenversicherung, zu Gunsten des Staatsetats be 
schränkt, zum andern„Notopfer des Volkes" von der 
Rechten nur bewilligt werden sollten, wenn sie den 
Durchbruch in die preußische Front 
damit erreicht hätte. Die großen Egoismen 
d e r Z e i t hatten sich damit nach rechts und links 
gespalten und ließen den Dritten vor dem Rest 
sitzen. Die Staatsbürokratiö erläßt eine neue 
»Notverordnung" zur Sanierung der öffentlichen 
Finanzwirtschaft, die das Volk bezahlt. 
In dem jetzigen demagogischen Parteisturm 
auf das Volk wird aber der Jnterefsenkampf ver 
deckt und in der Sorge um die Stimmenmehrheit 
diePlakatederVersprechungen heraus 
geholt, die immer bei den Wahlen da waren, aber 
niemals gehalten worden sind. Ein sehr alter 
Ladenhüter ist gerade herausgeholt: „Der neue 
Reichstag, der Reichstag der Refor- 
w s n." Wie oft sollte in den letzten Jahren ein 
Reichstag der „Reformen" kommen. 
Wenn trotz des Versagens des Parteiismus 
ünd der im Volke anerkannten parlamentarischen 
Unfähigkeit eine neue Aufmarschlinie nur 
langsam und vom Volke vielfach mißverstanden in 
neuen politischen Bildungen sich durchzusetzen ver 
mag, so liegt dies beim sogenannten Bürger 
tum in der durchaus weitreichenden politi 
schen und st aatsbürg erlichen Unreife, 
auf der anderen Seite vornehmlich in der gewerk 
schaftlichen Erziehung, welche das Wohl der großen 
Massen mit der Lohn- und nicht mit der A r - 
k> s i t s frage und einem wohlbestallten Funktio- 
uärapparat verbunden hat. Die wachsende Ar 
beitslosigkeit stellt sie lediglich als Folge der „ka 
pitalistischen Weltordnung" hin, ohne die eigene 
Unfähigkeit anzuerkennen, bei jahrelanger Be 
herrschung der Macht irgendwie im Sinne einer 
Reu organisation der Arbeit Frucht 
bares geleistet zu haben. So entstand der V e r - 
iargnngsstaat, an dem wir kranken und zu 
Gründe gehen werden, wenn keine Umkehr erfolgt. 
. Demgegenüber haben wir am letzten Sonntag 
îsi dem Vorwort des Werkes von Professor Dr. 
Mehlis die Folgerungen Mussolinis in der Schaf 
fung von Arbeit und Brot veröffentlicht. 
Şeute bringen wir einen weiteren Abschnitt aus 
bem genannten Werk, der unter der Ueberschrift 
»Geweihte Ordnung" veröffentlicht wird. Diese 
geweihte Ordnung steht in einem besonders krassen 
Gegensatz zu der „geweihten" U n o r d n u n g der 
deutschen Gegenwart. Wir bringen auch diesen 
Rrtikel mit der Einschränkung, daß die Erkennt- 
ņìbe anderer Völker zur Befruchtung und 
ņîcht zur Nachahmung gegeben werden. 
Professor Dr. Mehlis schreibt zur Sache u. a.: 
Ohne Unterordnung ist kein soziales und 
staatliches Leben möglich. Das ist eine schlichte 
selbstverständliche Wahrheit, die immer wieder 
betont werden muß. weil sie so oft vergessen wird. 
Rlles Gemeinschaftsleben bedarf der Un 
terordnung und Ueberordnung. Aber sie genügt 
Wcht allein. Das soziale Leben muß geweiht wer 
ben durch irgendwelche Ideale und Werte, 
und diese Weihe der sozialen Gliederung und Un- 
erordnung ist eins der wichtigsten Staatspro 
bleme. 
. Das Fundament des staatlichen Lebens, 
m dem der Gegensatz und Kampf der verschiedenen 
snenschlichen Interessen zu einer Ruhelage gelangt, 
>t die Ordnung, die der Gesetzgeber begrün 
et und aufrechterhält, die Ordnung, die jedem 
^urger im staatlichen Ganzen seinen Platz und 
einen Wert zumißt und die ein jeder einzuhalten 
, . anzuerkennen verpflichtet ist. Man kann die 
epale Ordnung als dasjenige ansehen, was den 
usgleich der widerstrebenden Interessen und jene 
auer und Beständigkeit garantiert, jene geord- 
Grundsätzliche A useinandersetzungen, 
Führern in den Wahlkampf eintreten, dann 
werden sie eine so tödliche Schlappe erleiden, 
daß das deutsche Bürgertum für Jahrzehnte 
hinaus von jedem parlamentarischen Leben 
ausgeschaltet sein wird. Ueber folgende Vor 
aussetzungen herrscht bei der überwiegenden 
Mehrzahl der bürgerlichen Jugend Ueberein 
stimmung: Die bisherigen Parteiprogramme 
müssen verschwinden. An ihre Stelle sind 
kurze Leitsätze bekanntzugeben, welche die 
Durchführung des sozialen Volksstaates, die 
bessere Verteilung des Nationaleinkommens 
auf alle Schichten des Volkes, die dauernde 
Stabilisierung des öffentlichen Haushalts, die 
gerechtere Verteilung der aus dem Steuer 
aufkommen fließenden Gelder, die sofort in 
Angriff zu nehmende Durchführung einer 
Wahlrechtsreform, einer endgültigen Reichs- 
rcform und die Beseitigung aller partikula- 
ristischen „Belange" zum Ziel haben. Die 
Parteigremien — Vorstände , Hauptausschnß, 
Fraktion — bedürfen einer vollkommenen 
Umbildung. Es darf keine Persönlichkeit 
mehr an einer dieser Stellen erscheinen, die 
mit dem bisherigen Scheitern der bürgerli 
chen Politik irgendwie verbunden ist. Eine 
vollständige, umfassende Reform an Haupt 
und Gliedern muß geschehen. Man kann ruhig 
auf die „Routiniers" und die „erfahrenen 
Praktiker" verzichten. Man kann den bishe 
rigen Führern Dank und Anerkennung wid 
men, Lorbeerkränze und treues Gedenken: 
aber man darf sie, nur wegen ihrer Honorig- 
keit, nicht wieder aufstellen. Das besagt na 
türlich nicht, daß mancher, der bisher unter 
der offenen Anerkennung der Oeffentlichkeit 
an verantwortlicher Stelle gearbeitet hat, auch 
weiter dort arbeiten soll. Er soll, und je a«'ö- 
ßer die Anerkennung, desto besser. Man 
wähle völlig unbekannte, aber entschlossene 
Fortsetzung siehe nächste Seite.
	        
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