Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 3)

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Die Atlantikmädels. 
Roman von G. Meerstedt. 
26) (Nachdruck verboten.) 
Da fiel das illustrierte Blatt raschelnd her 
unter — Poldi von Kronegg stutzte — und die da 
unten, die hatte er fallen lassen. Das Blatt hatte 
sehr beredt gesprochen, als er in seinen Erinne 
rungen beinahe jemand zu nennen vergessen hätte. 
Aber nach dieser Richtung hin hatte er nun ein 
mal verfügt. Ein bißchen voreilig, wie er jetzt 
geneigt war zuzugeben. Die Hela ritt scharf, das 
wußte er, das sah er auch hier, die ließ sich nun 
nicht mehr in die Zügel fallen, sonst — hier in 
dem alten Schloß an der Donau wäre schon Platz 
für ein junges Blut gewesen — alte Bediente, 
freilich untadelig und in Tüchtigkeit und Anhäng 
lichkeit erprobt, aber eben alt-alte Möbel, alte 
Herrschaften an Wänden und auf Kommoden — 
bis auf seinen Schreibtisch. Was hier stand, war 
zwar ein bißchen leichtsinnig, hatte dafür aber 
auch keinen Schimmel angesetzt. Es sollte aber 
auch keinen ansetzen. Es flog auf und davon — 
wie dis Sepherl. Warum sollte er's leugnen. 
Fahrende Leute haben eben kein Sitzfleisch —. 
„Stenzler, kräftig einheizen!" sagte am Abend 
der gnädige Herr Poldi. 
„So, so," meinte Cäcilia Hupereit, „und das 
mitten im Mai, Herr Poldi hat wohl durch das 
Blatt ein b-ßchen Zug gekriegt —" Aber die 
mütterliche Seite Cäcilias beschloß, ihrem gnä 
digen Herrn Poldi in diesem Zustand nichts nach 
zutragen und ihm den Kaiserschmarrn extra locker 
zu backen. Man konto doch nicht wißen, ob er 
nicht noch auf irgendeine Art Vernunft annahm. 
Es war am letzten Tage des August. Vis 
Ende September wollte der Zirkus Diabelli in 
Hamburg bleiben und dann wieder nach Berlin 
übersiedeln. Und doch gab es für drei Lieblinge 
des Publikums an diesem Tage eine Abschiedsvor 
stellung. Hela. Mary und Leopold verabschiede 
ten sich schon einen Monat früher von den Ham 
burgern, weil sie im September pausieren woll 
ten. Sie konnten sich das leisten. 
Und an diesem letzten Abend, dem eine Reise 
in die Schweiz zu dreien folgen sollte, geschah es, 
daß Leopold mit dem Pferd stürzte. Er brach 
nicht den Schädel und auch nicht das Genick. Er 
erlitt auch keine inneren Verletzungen. 
Aber am anderen Tags stand in den Zeitun 
gen zu lesen: 
„Eines der beliebtesten Mitglieder des Zirkus 
Diabelli hatte am gestrigen Abend das Miß 
geschick, sich während der Vorstellung bei einem 
Sturz mit dem Pferde, den Fuß zu brechen. Wie 
uns von ärztlicher Seite gesagt wurde, ist mit 
einer baldigen Besserung zu rechnen. Es ist nur 
bedauerlich, daß der Künstler, der eine vier 
wöchentliche Erholungspause in der Schweiz ver 
bringen wollte, nun wahrscheinlich diese Zeit zur 
Heilung seines Fußes gebrauchen wird." 
Die drei waren schon drauf und dran gewesen 
Sieg zu rufen, da schlug sie ein überlegener Geg 
ner ab, 
Hela und Mary hatten schon einmal jemand 
mit gebrochenem Fuß gesehen, der dann auch her 
ausgemußt hatte aus der Zunft. Kitty war 
schließlich glücklich darüber gewesen, daß sich für 
sie alles so gewendet hatte. Aber was sollte aus 
Leopold werden, wenn er aus dem Ganzen nicht 
als der Reiter hervorging, der er gewesen war? 
Denn die Aerzte machten kein Hehl daraus, daß 
der Bruch an einer ungünstigen Stelle war. 
Auf Hela und Mary lasteten schwere Sorgen. 
Hela verbarg sie nicht der Freundin gegenüber, 
wahrscheinlich, weil sie ein Recht darauf hatte, 
Mary hielt sich mehr zurück, machte alles mehr 
mit sich ab. 
Und wirklich, nach drei und einer halben 
Woche erklärten dis Aerzte, daß der Bruch schlecht 
angeheilt sei, daß der Fuß aufs neue gebrochen 
werden müsse und daß damit die Aussicht auf eine 
Fortsetzung von Herrn Eggs Zirkuslaufbahn gleich 
Rull fei. 
Und Hela und Mary sahen den Blick, den sie 
schon einmal gesehen harten, als man einem un 
glücklichen Menschenkind die Perdienstmöglichkeit 
abgesprochen hatte. Rur beherrschter. 
Ein Augenblick des Schweigens. Ein Augen 
blick des Besinnens bei Mary. „Und es wird doch 
noch alles gut!" schwang Marys helle, klare 
Stimme durch das Krankenzimmer. Da atmeten 
auch Hela und Leopold auf. In Marys Zuversicht 
war etwas Hochreißendes. Sie hatte immer einen 
Stock bereit, den sie dem in ijhrer resoluten Art 
in die Hand drückte, der nicht weiter konnte. „Rur 
eine Stunde lassen Sie mich nachdenken, Leopold! 
Das Leben ist ja schließlich keine Mausefalle — 
schwapp, ist die Klappe herunter, und nun Schluß. 
Und außerdem glaube ich auch gar nicht, daß es 
Ihr Ideal war, Zirkusreiter zu spielen —“ 
Ueber Leopolds sorgenvolles Gesicht huschte 
der Schatten eines Lächelns: „Kleine, tapfere, 
kluge Mary! Ich glaube, Sie würden sich sogar 
noch als Stierkämpferin versuchen, wenn es sein 
müßte —" 
„Das Leben habe ich noch immer als Stier- 
kampf betrachtet, Leopold Egg. Auf die Ge 
wandtheit kommt es an — hier wie dort. Hör 
nern ausweichen, Hörner packen, anders schafft 
man's nicht. Mir hat das Spiel noch immer 
Spaß gemacht —" 
Als die beiden Mädels dann allein waren, 
fragte Hela: „Und was nun, Mary —?" Ihre 
Stimme klang hart, verbittert. Sie hatten sich 
beide gebeugt, soviel sich zwei Menschen beugen 
konnten. Sie hatten gearbeitet, hatten sich ein 
schränkt. Das Schicksal war kein ritterlicher Geg 
ner. 
Mary antwortete nicht gleich. Sie dachte dar 
über nach, wie sie etwas ausdrücken sollte. Ach 
was, wozu erst ein ganzes Romankapitel voraus 
schicken, wenn einem doch nur die Pointe helfen 
konnte. 
„Hela", sagte Mary, „wir kennen uns nun 
schon fast ein Jahr. Du und Leopold, ihr beide 
werdet nie sagen können, daß ich in dieser Zeit 
auch nur andeutungsweise nach Dingen gefragt 
hätte, die ihr offenbar für euch behalten wolltet. 
Aber jetzt — heiratet euch, Hela, das ist der beste 
und wohl auch der einzige Ausweg, den es hier 
gibt. Unser beider Kontrakte sind so, daß ihr euch 
das ohne Gefahr leisten könnte. Und Leopold 
könnte, damit er sich nicht irgendwie beschämt 
fühlt, das Geschäftliche für uns ordnen. Zurecht 
stoßen will ich ihn schon, bis er's gelernt hat, die 
Direktoren und Agenten am Rockkragen zu packen 
und solange hochnihalten, bis sie es eingeieben 
haben, daß wir nicht übers Ohr zu hauen sind." 
„Mary!" Eine Weichheit zitterte in Helas 
Stimme, dis ihr neu an der Freundin und Kame 
radin war. „Mary, Leopold Egg ist mein Bru 
der! Wir waren einmal die Krvneggs auf einem 
Schlößchen in Oesterreich, ehe das Artistenleben 
und die Rot uns zwang, unseren Namen zu teilen. 
Du aber bist eine kleine Aristokratin vom Scheitel 
bis zur Sohle, der anständigste Kerl, der mir je 
vorgekommen ist." 
Und nun kam alles, was die beiden Krön- 
eggs in einer fremden Umgebung, was sie feit dem 
Tode ihrer Mutter gelitten hatten. „Weißt du, 
Mary, es ist soviel Anständigkeit' unter den fah 
renden Leuten, mehr oft, als unter den Unseren. 
Aber wir sind nun mal nicht unter Artisten ge 
boren. Nichts weiter hat uns zur Kunst erzogen, 
als die Not. Und das ist zu wenig, um ein gan 
zes Leben lang bei ihr auszuhalten." 
„Und euer Onkel Poldi —? Du sagst, er 
steht gut da. Sollte ihm inzwischen die Einsam 
keit nicht zuviel geworden sein?" 
„Unser Onkel Poldi versteht sich zu unter 
halten. Er war Hauptmann beim Deutschmeister- 
Regiment. Da weiß man zu leben. Du mußt ihr 
dir nicht als alten Herren vorstellen, Mary, der 
sich Katzenfelle über den Rücken hängt gegen 
Rheumatismus. Stelle ihn dir wie Leopold vor 
nur älter. Er macht eine tadellose Figur, der 
Poldi. Nur in manches hineinversetzen konnt» 
er sich nicht — hat sich wohl auch keine Mühe dar 
um gegeben. Damals flatterte gerade so ein» 
vom Tingeltangel um ihn herum, eine, der das 
Artistenleben nur Mittel zu einem leichtfertiger 
Leben war. Auf die ist der sonst gescheite Poldi 
sicher hineingefallen. Erlebt habe ich es nicht mehr 
mit. Aber ich habe einen guten Blick für Ti 
etwas. Ums Purzelbaumschlagen hat der Poldi 
zeit seines Lebens immer etwas gegeben. Und wx 
er leichte Kunst witterte, da verrenkte er sich der 
Hals. Uns würde er sie natürlich nicht verzeihen 
(Fortsetzung folgt 
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Beilage der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung (Rendsburger Tageblatt) 
Dienstag, den 22. Juli 
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OsfchichLsrr vomMmprrmckek 
Von Josef Winckler. 
Erdgewachsen and in steter Verbindung mit den 
Menschen und den Schicksalen, die er schildert, steht 
Josef Winckler als einer der echten und unmittelbarsten 
Erzähler unserer Tage vor uns. Humor, der alles andere 
ist als trockener Literatenhumor, adelt ihn, Humor, der 
derb ist wie das Volk selbst. Dieser Dichter hört in das 
Volk und die Menschen hinein, insbesondere in seine 
merkwürdigen westfälischen Landsleute. Westfälische 
Menschen sind es deshalb auch, die er in seinem neuen 
Buche schildert „Im Banne des Zweiten Gesichtes", 
Schicksale und Gestalten um Hans Nyland. (Deutsche 
Buchgemeinschaft G. m. v. H„ Berlin.) 
Es gibt in ganz Deutschland nur in Westfalen 
echten Pumpernickel, das ist wahr. 
Dor vielen Jahren heiratete ein feiner Prmz 
von Cistanien eine westfälische Grafentochter von 
Tecklenburg, die ob ihrer Schönheit berühmt war. 
Viele Freier hatte die Stolze verschmäht. Nun lud 
sie zur Hochzeit sämtliche abgewiesenen Bewerber 
nochmals ein, und nach der Trauung begann dos 
prunkvolle Fest auf dem Schloß. Und die westfäli 
schen Adligen sahen den cistanischen Prinzen sich 
eitel spreizen zur Seite der schönen Gemahlin, d'e 
den Neid aller Augen bemerkte und sich daran noch 
mehr ergötzen wollte. Darum sagte sie: „Ei — der 
schönste Tänzer soll mich jetzt zum Reigen führen!" 
Und alle Ritter tanzten, ober der Prinz war 
der schönste Tänzer. 
Abermals forderte die Braut zum Wettstreit 
auf und sagte: „Ei denn — wer am zierlichsten sin 
gen und Laute spielen kann, soll mir den ersten 
Hochzeitskuß geben!" 
Und alle spielten und sangen, aber der Prinz 
sang und schlug am zierlichsten die Saiten. 
„Seht ihr, daß ich als Gemahl den Fremden 
mit Recht euch vorgezogen hab' —?" triumphierte 
die Grafentochter — „warum zürnt ihr also?" 
Da bliesen die Hörner schmetternden Tusch, und 
einer der verschmähten Freier trug einen großen, 
schweren Pumpernickel in den Saal und setzte hn 
paß! mitten auf die kristallene Galatafel. Die Braut 
ergrimmte dunkelrot, denn sie glaubte sich verspottet 
von solch plumpen Geschenk, ober der junge Ritter 
verneigte sich tiefer und hub die Stimme: 
„Hochedler Prinz von Cistanien — Ihr tanzt 
am schönsten, Ihr singt am zierlichsten: darum dürst 
Ihr auch den ersten Schnitt durch düs Hochzeits 
gebäck tun!" 
Schon glaubte die Braut an ein verstecktes Ge 
schenk, wie solcherlei Scherze des öfteren >n der 
Ritterzeit im Schwange gewesen. Und der Prinz 
ergriff ein langes Messer, um den Pumpernickel zu 
schneiden. Aber so viel er auch darüber zog, den 
Arm darunter bog und mit aller Kraft drückte, er 
vermochte nicht das starke Brot zu trennen, hingegen 
der junge Ritter mit seinem Degen schnitt bis ans 
Heft gelassen die erste Scheibe ab: 
„Seht, er hüpft wie ein Has, er singt wie ein Hahn, 
Schöne Gräfinne, doch Ihr heiratet keinen Mann!" 
Da lachten alle Hochzeitsgäste: „Kiekt den 
Smandbort!" und die Braut verhüllte sich totenwe:ß 
m ihren Myrtenkranz, und alle Geladenen packten 
die Geschenke wieder in die Wagen und fuhren 
heim: „Denn heiratet sie keinen Mann, ist auch kein 
Hochzeitstag!" 
Seit dieser Stunde heißt es im Sprichwort, daß 
niemand in Westfalen eher heiraten darf, bevor er 
nicht den Pumpernickel schneiden kann! 
» 
Es war ein reicher Mann in Beesten, der hatte 
drei Kinder, und das Beste vom Schönsten, das 
Fei::ste vom Leckersten schmeckte ihren Gaumen nicht. 
Sie aßen kaum Prinzessinnenbrötchen und brasilia 
nische Kartöffelchen. Und hockten bleichwangig mit 
geschwollenen Knien, ohne Lachen und Fröhlichsem 
am Tisch. Da schickte der Vater sie im Reisewagen 
ins Gebirge hinauf, daß die Luftveränderung ihre 
Gesundheit stärke. Sie aßen noch leckere Speisen, 
die nur hier wuchsen, und es fehlte an nichts. Ver 
gebens. Da schickte die Mutter sie im Reisewagen 
über die Berge hinaus bis zu jenem berühmten 
Badequell, darin sogar Fallsüchtige gesund werden. 
Und sie aßen wiederum noch feinere Speisen, die es 
nur hier gab, und es fehlte an nichts. Vergebens. 
Da fuhren Vater und Mutter zusammen mit ihnen 
im Reisewagen durch das Gebirge und noch über je 
nen Heilquell hinaus in das ganz fremde Land, wo 
die Kapelle der heiligen Familie steht und sogar 
Wunder geschehen. Und hier speisten sie von sil 
bernen Tellern Mandel und Manna, die Pilger aus 
dem Morgenland ihnen mitgebracht, tranken Lacr>- 
mae Christi und beteten und opferten mehr als alle 
anderen für ihre Gesundheit. Vergebens. 
Mit drei verschrumpelten Krüppelchen im Rei 
sewagen kehrten die Eltern hoffnungsloser in die 
Heimat zurück. 
Nun hatte der reiche Mann einen armen Knecht 
mit sieben Söhnen, und die balgten mit sieben run 
den Köpfen am Gitter des Tores, wie die Krllppel- 
chen hindurch getragen wurden. Und der reiche 
Many ließ den Knecht kommen: „Du haft keine 
Prinzessinnenbrötchen, keine brasilianischen Kartöf 
felchen für deine Söhne; du schickst sie nicht ins Ge 
birge, nicht an den Dadequell und auch nicht zum 
Gnadenort — wie aber wachsen sie wie junge Stiers, 
als wollten sie siebenhundert Jahre alt werden?" 
„Das weiß ich nicht —" sagte der Knecht. 
° „Du willst dein Geheimnis nicht verraten, treu 
loser Schuft!" ries der reiche Mann und schlug den 
Knecht, daß er wie gelähmt lag. Da gruben seine 
sieben Söhne den Garten, trugen Säcke und Zuber, 
liefen auch als Boten, und der reiche Mann merkte 
gar nicht, daß sein Knecht nicht die Arbeit getan. 
Nun erzürnte er sich noch mehr und drang heftiger 
in ihn, die Wahrheit zu bekennen, schlug ihn noch 
grausamer und ließ ihn ins Gefängnis werfen, end 
lich sein Leugnen preiszugeben. Da brachen die 
sieben Söhne das Gefängnis los und trugen den 
Vater auf ihren Schultern nach Haus! In dieser 
Nacht schlich die reiche, arme Frau heimlich in die 
Wohnung des Knechtes, fiel vor seiner Frau in die 
Knie und jammerte: „Sag' mir, liebe Frau — 
warum sind deine Kinder so stark und gesund?" 
Die wußte auch keine Antwort, und jetzt verwan 
delte sich die reiche Dame in eine feurige Furie und 
stach mit ihrer Nadel die Mutter durch die Brust. Da 
stürmten die sieben Söhne herein uno warfen die 
reiche Frau mit vierzehn Arnwn hoch in die Luft, 
daß sie durch den Schornstein wieder in ihren Pa 
last hinabfiel, und aller Schrecken war groß. 
Und nun hörten die entsetzten Eltern, wie die 
sieben Söhne aus Spaß alle zusammen im Takt mit 
dem Munde pfiffen, so gellend, daß die Fenster 
klirrten und Mäuse und Ratten aus dem Keller 
sprangen. Und die drei Krüppelchen wurden wach 
davon und schrien aus ibren Betten: „Woher pfei 
fen die so schön? Woher pfeifen die so schön? Wir 
wollen's wissen, denn wenn wir so pfeifen könnten, 
würden wir gesund!" 
„Ja, darüber bin ich doch am meisten erstaunt 
— wenn ich das nur wüßte, woher die auch so pfei 
fen können —?" grübelte der reiche Mann, der sich 
unters Bett verkrochen hatte. Und er schickte zum 
König des Landes eine Botschaft über dies Rätsel, 
und der König begab sich mit großem Gefolge in 
Krön' und Zepter prächtig zu den sieben Söhnen 
und fragte sie: „Sagt an, woher könnt ihr so 
pfeifen?" 
„Ja — das kommt ja bloß vom Krustenessen!" 
lachten diese und pfiffen, als spiele ein ganzes Re 
giment auf Querpfeifen. 
Seit dieser Zeit flöten alle Iungens, die Pum 
pernickel essen... 
Weķî. 
Ein Baby vor Gericht. 
Eine der merkwürdigsten Verhandlungen aller 
Zeiten hot in diesen Tagen in Winnipeg (Kanada) 
stattgefunden. Dort war ein Baby von sechs Mo 
naten angeklagt der nächtlichen Ruhestörung und 
mußte sich, weil das Gesetz keine Altersgrenze für 
Angeklagte kennt, vor Gericht verantworten. Na 
türlich wurde es im Kinderwagen hingefahren und 
nahm an den Verhandlungen weiter nicht teil. Es 
schrie nur, wie es jede Nacht schrie, und deshalb war 
cs ja auch angeklagt worden. Aber der Kläger fiel 
mit seiner Klage durch, denn der Richter schloß sich 
den Ausführungen des Verteidigers an. Dieser 
hatte gesagt: Cs ist nicht nur die Pflicht und das 
Recht, sondern beinahe der Beruf des Babys, zu 
schreien, und wer das nicht hören kann, der vergißt 
eben, daß er als Baby selber geschrien und andere 
Leute auch gestört hat. 
Ein Fememord im Theater. 
In einem Theater der chinesischen Vorstadt New- 
yorks wurde dieser Tage der Chinese Hong Da 
Song, der bei seinen Landsleuten in hohem Anse 
hen stand, während der Vorstellung meuchlings er 
schossen. Dieser Mord hat eine Vorgeschichte. Vor 
einigen Monaten war zwischen zwei chinesischen 
Banden ein Konflikt ausgebrochen, der einige Morde 
zur Folge hatte. Der Polizei gelang es nicht, die 
sem Blutvergießen ein Ende zu machen. Schließlich 
wandte sie sich an den Chinesen Hong Da Song, der 
selbst an der Spitze einer Geheimorganisation stand 
und über genügend Autorität verfügte, die streiten 
den Parteien an den Verhandlungstisch zu sichren 
und zur Unterzeichnung eines „Friedensvcrtrages" 
zu bewegen, der notariell bestätigt wurde. Doch 
dieser Vertrag wurde nicht eingehalten; zwei weitere 
Morde folgten. Die Newyorker Chinesen schoben 
die Schuld auf Hong Da Song, und als er eines Ta 
ges das Theater besuchte, wurde er von einem 
Landsmann erschossen. Den chinesischen Sitten 
Newyorks entsprechend warf der Schütze dem Opfer 
den Revolver vor die, Füße und entfloh. In weni 
gen Sekunden hatten alle Zuschauer — es waren 
nur Chinesen im Theater gewesen — das Haus 
fluchtartig verlassen. AIs die Polizei am Tatort 
erschien, konnte sie nur noch die Anwesenheit des 
Direktors und des Kontrolleurs feststellen. Dieser 
Movd im Theater stellt die Polizei vor eine schwere 
Aufgabe: wenn es ihr nicht gelingt, einen Chinesen 
zu finden, besten Machtspruch den Fememorden ein 
Ende bereitet, ist noch mit einer ganzen Reihe ähn 
licher Vorkommnisse zu rechnen. 
Neues Erdöl-Vorkommen l» Thüringen. 
Bei dem Explosionsunglück im Thüringer Kali 
schacht Volkenroda, bei dem drei Grubenbeamte 
ums Leben kamen, ist das Vorhandensein von Erdöl 
festgestellt worden. Da das Land Thüringen über 
ausgedehnte Kalilager verfügt und mit der Mög 
lichkeit zu rechnen ist, daß Erdöl häufiger angetrof 
fen wird, hat sich der Staat Thüringen durch ein 
Notgesetz das Mutungsrecht an den Oelvorkommen 
gesichert. Daß er aber nennenswertes Kapital aus 
den Oelvorkommen schlagen kann, ist nicht anzu 
nehmen; denn so erheblich sind die Oelfunde in Vol 
kenroda nicht. Der Schacht Volkenroda gehört dem 
Burbach-Konzern; das Land Thüringen besitzt Aktien 
davon im Werte von einigen Millionen Mark. 
Kunstharz als Schiffsbaumaterial. 
Der Schiffbau ist seit einiger Zeit um ein 
sehr bemerkenswertes Baumaterial berei 
chert worden, das eventuell, wie uns aus 
fachmännischen Kreisen versichert wird, geeig 
net ist, in vieler Hinsicht eine Umwälzung 
herbeizuführen. Es ist nämlich gelungen, 
das im Schiffbau viel verwandte Glas und 
Marmor durch ein Material zu ersetzen, das 
aus Kunstharz gewonnen wird. Der Ver 
wendung kommt um deswillen eine so große 
Bedeutung zu, weil die Kunstharzplatten, die 
als Ersatz für Marmor und Glas in Betracht 
kommen, nur einen Bruchteil des Gewichts 
von Glas und Marmor haben, und daß sie 
außerdem unzerbrechlich sind. Ferner kann 
Kunstharz in beliebigen Farben geliefert 
werden. Die Erfahrungen, die seit kurzem 
auf einigen großen Schiffahrtslinien mit dem 
neuen Material gemacht worden sind, sind 
außerordentlich befriedigend gewesen. Die / 
Herstellung des neuen Materials geschieht 
in Deutschland, und es soll, wie es heißt, in 
Hamburg in Kürze mit einer großzügigen 
Fabrikation von Kunstharzplatten für den 
Schiffbau begonnen werden. Kunstharz ist 
ein Produkt von Phenol und Formaldehyt, 
und es wird dem Schiffbau in Platten bis zu 
200X60 om geliefert.
	        
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