Der Landvolkprozetz in Itzehoe.
Itzehoe, 21. Juli. Im Jtzehoer Landvolk-
prozeß wurden am heutigen Montag zunächst die
Zeugen der Staatsanwaltschaft zu der Nothilfe
aktion vernommen. Als erster Zeuge sagt der
als Führer des Jungdeutschen Ordens bekannte
Arzt Dr. Hogreoe aus Leck aus, der der Not
hilfeversammlung in Leck beigewohnt hat und in
den Nothilfeausschuß gewählt worden war. Er
kann sich nicht erinnern den Eindruck gehabt zu
haben, daß man mit der Nothilse die Behörden
hätte ausschalten wollen. Ebenfalls habe er kei
nerlei Aufforderung zum Steuerstreik gehört.
Ueber die Nothilfeversammlung in Itzehoe
sagt Kriminalassistent Eiese aus, er habe nicht
gehört, daß die Versammlungsleitung dazu auf
gefordert habe, daß die Steuerzettel der Land
wirte in Säcke gesammelt und an das Finanz
amt geschickt werden sollten. Er habe vielmehr
gehört, daß auf die Frage eines Versammlungs
teilnehmers, ob man überhaupt keine Steuern
zahlen solle, seitens der Versammlungsleitung
erklärt wurde, wer zahlen könne, solle die Steu
ern zahlen.
Sodann entspinnt sich ein längeres Frage-
und Antwort-spiel zwischen Staatsanwaltschaft,
Verteidigung und Zeugen über die Frage, ob
letzterer wahrgenommen habe, daß die Nothilfe
als Ersatz der Behörden anzusehen gewesen wäre.
Der Zeuge bleibt bei der Aussage, daß er ledig
lich festgestellt habe, die Nothilfe solle alle Be
lange des Landvolkes gegenüber dem Verwal-
tungsapvarat wahrnehmen.
Auch der von der Staatsanwaltschaft als
Zeuge geladene Kriminalassistent Schwarke kann
keinen der Anklagepunkte bekräftigen. Er fe
st ätigt, daß er am Ausgang des Saales einen
jungen Mann, vermutlich einen Landmannssohn,
gesehen habe, der einen Sack offen hielt. Die
das Lokal verlassenden Bauern hätten in diesen
Sack Papier hineingeworfen. Ob das jedoch die
Steuerbescheide gewesen seien, kann der Zeuge
nicht angeben.
Im weiteren Verlauf öer Zeugenverneh
mung im Landvolkprozeß erklärt der Kauf
mann Wulf, Tönning, öer in der Nothilfever-
sammlnng in Garöing anwesend war, es sei
nur zum Ausdruck gebracht worden, daß man
mit gesetzlichen Mitteln gegen ungerechte
Steuern kämpfen wolle. — Einen ähnlichen
Eindruck hat auch der Buchdrucker Dierks aus
Garding «bekommen.
Ueber die Nothilfeversammlung in Eckern
förde bekundet Bürgermeister Heim als Zeuge,
daß er öer Meinung gewesen sei, öer Haupt
redner öer Versammlung, Muthmann, habe
zum Steuerstreik aufgefordert. Die Versamm
lung sei von dem Angeklagten Messer geleitet
worden. — Der Obersteuersekretär Stäbener
gibt aus dem Stenogramm fast die ganze Rede
Muthmanns wieder.
Zeuge Gosch wird unvereidigt gehört- er
erklärt, öer Angeklagte Messer habe s. W. nicht
zum Steuerstreik aufgefordert. Dr. Schuld hat
te den Eindruck, daß die Versammlung einen
demonstrativen Charakter gegenüber den Be
hörden tragen solle. — Die nächsten Zeugen
Sohrt, Petersen, Langholz und Naeve sagen
nichts wesentlich Neues aus- von direkter Auf
forderung zum Steuerstreik wissen sie nichts.
Ueber die Nothilfe-Versammlung in Nie
büll wird als erster Zeuge der dortige Krimi
nalbeamte Schubert vernommen, der die Ver
sammlung dienstlich besucht hat. Er führt aus,
daß die Versammlung von dem Angeklagten
Bossen geleitet worden sei. Redner sei der
Angeklagte Petersen, Hogelund, gewesen. Auch
dieser Zeuge kann keine Aussagen im Sinne
der Anklage machen. An Hand des Protokolls
wird festgestellt, daß der Zeuge früher bekun
det habe, es sei wohl ein Beschluß gefaßt wor
den, die Stenerzettel dem Finanzamt zurück
zusenden, doch habe man den Beschluß nicht
Nijeiter durchgeführt.
Polizeioberinspektor Ziems, Rendsburg,
berichtet dann über die Rcnösburger Nothilfe-
Versammlung, die von Wulf-Eisenöorf gelei
tet worden sei. Er gibt an, nicht den Eindruck
gehabt zu haben, das zum Steuerstreik aufge
fordert sei. Ebenso nicht, daß eine Amtsan
maßung vorgelegen habe.
Die Zeugen Polizei - Oberwachtmeister
Mohr und Polizei-Hauptwachtmeister Thie
mann, beide in Husum, haben die Versamm-
sung am 4. März 1929 im Schützenhvf über
wacht. Beide hatten damals den Eindruck ge
wonnen, daß alle Anträge, die zur Verlesung
gelangten, vorher abgefaßt waren, da sich ihre
Formulierung sonst nicht so schnell hätte be
wirken lassen. Die Versammlung wurde von
dem Angeklagten Hönck geleitet. Unter den
Anträgen befand sich auch einer, der forderte,
daß, wenn Vollziehungsbeamte in den Dör
fern zwecks Vornahme von Pfändungen er
scheinen sollten, so solle man diese unter Zu
hilfenahme der Feuerwehr hinausjagen. Hönck
habe hierzu geltend gemacht, daß ein solches
Vorgehen gegen die Gesetze verstoßen würde
und infolgedessen nicht befolgt werden dürfe.
Bei der Beschlagnahme öer Zeitung „Die
Grüne Front" hat Polizei-Oberwachtmeister
Mohr bemerkt, daß öer Austräger Gehrts un
gefähr soviele Exemplare dieser Zeitung bei
Wir haben uns zu dem bekannt, was wir
getan haben, weil wir es vor unserm Gewissen
als Recht empfinden. Wir bitten, uns bis zur
Schlutzverhanblung von dem Erscheinen vor dem
Gericht zu entbinden.
Aus jede Benachrichtigung des Gerichts wer
den wir uns sofort einfinden.
Den 21. Juli 1930.
H. Hönck, Harbleck, bei Oldenswort, Tel. 91.
M. Wulf, Eisendorf.
Hnffimmîgfeiîen
in der Lsnönslk-SchrMMung.
Itzehoe, 21. Juli. Wie bei der „Schleswig-
Holsteinischen Tageszeitung" scheinen jetzt auch
in der Leitung der Zeitung „Das Landvolk"
Umwälzungen bevorzustehen. Dem Verneh
men nach erschienen am Montag im Landvolk-
Betriebe mehrere Aufsichtsratsmitglieder und
forderten Entfernung mehrerer Angestellter,
u. a. des gegenwärtig im Jtzehoer Prozeß an
geklagten Pramor. Die betreffenden Personen
weigerten sich, die Räume zu verlassen, worauf
die Aufsichtsratsmitglieder die Polizei um
Unterstützung baten. Die Polizei, die die
Rechtslage offenbar als nicht ganz klar er-
Das Bayreuther Festspielhaus,
die historische Stätte der Richard Wagner-Festspiele, in dem soeben die diesjährigen
Festspiele begonnen haben. Auch diesmal ist der Andrang aus aller Welt so groß,
daß sämtliche Plätze zu den Vorstellungen verkauft sind.
auf
hat
des
sich hatte, wie er auch bei Verteilung der Zei
tung „Das Landvolk" zu haben pflegte.
Auf Antrag der Verteidigung werden noch
drei weitere Zeugen auf Gerichtsbeschluß ge
laden.
Die Verhandlung wurde sodann
Dienstag 9,45 Uhr vertagt.
UMeļnuns öer BatfdMpng
durch Lnelģàum.
Itzehoe, 21. Juli. Wie wir erfahren,
Dr. Luetgebrune soeben die Verteidigung
Hofbesitzers Wulf-Eisendorf und des Kaufmannes
Hönck-Harbeck niedergelegt.
Zur Begründung erhalten wir folgende Zu
schrift mit der Bitte um Veröffentlichung:
An den Vorsitzenden des Schöffengerichts
Itzehoe.
Wir haben Herrn Rechtsanwalt Luetgebrune
den Auftrag zu unserer Verteidigung entzogen,
weil wir nicht mit römisch-semitischen Rechtsknis-
sen das, was wir getan und zu verantworten
haben, verdrehen und bemänteln wollen und eine
solche Verteidigung unserer Auffassung des
Kampfes des Landvolkes um die, Erhaltung deut
scher Art und den sittlichen Zielen dieses Kampfes
zuwider läuft.
Der Treueschwur der Wiesbadener Fugend
auf dem Festplatz Unter den Eichen, wo nach der Aufführung des Weihespiels „Deutsch
lands Strom" dem Reichspräsidenten Huldigungen dargebracht wurden.
kannte, stellte anheim, beim Gericht eine einst
weilige Verfügung zu erwirken.
*
Wie dazu von öer Zeitung „Das Land
volk" mitgeteilt wird, sind in der Schriftlei-
tung des Blattes keine Aenderungen einge
treten, wenn auch in gewissen Punkten Un
stimmigkeiten vorgelegen haben. Es sei in
jeder Weise alles beim Alten geblieben.
Vor einem neuen LMMprszch.
Husum, 21. Juli. Ein neuer Landvolkprozeß
wird demnächst in Husum beginnen. Diesem Pro
zeß liegen die Vorgänge vom 1. Juli 1929 zu
Grunde. Damals wurde der Landvolkführer Ham-
kens nach einer vorangegangenen Versammlung
von etwa 300 bis 400 Bauern zum Gefängnis ge
leitet, wo er eins Strafe verbüßen sollte. Da der
Umzug verboten war, kam es zu einem Zusammen
stoß mit der Polizei, die von der Masse zurückge
drängt wurde. Die Anklage richtet sich gegen Paul
Adam Roß-Fledderwurth, gegen den Redakteur
Kühl-Jtzehoe, gegen Oberleutnant a. D. Weschke-
Jtzehoe, gegen den Landwirt Koch-Struvenhütten,
gegen den Kaufmann Johnsen-Itzehoe sowie gegen
den zur Zeit in Altona in Untersuchungshaft be
findlichen Landwirt Claus Heim, der in die Bom-
benaffäre verwickelt ist. Dis Anklage lautet auf
Widerstand gegen die Staatsgewalt, Aufruhr und
Aufforderung zum Ungehorsam. Die Anklage
schrift ist den Angeklagten bereits zugestellt wor
den.
ZnskMMchW mil Kommunisten.
Frankfurt (Oder), 21. Juli. Zu Zusammen
stößen mit der Polizei kam es hier bei einem
Roten Treffen der KPD., an dem sich etwa 1700
auswärtige Kommunisten beteiligten. Zahlreiche
Kommunisten versuchten, eine Abteilung der Po
lizei zu umzingeln und zu entwaffnen. Die-ein
gesetzten Reserven, die der bedrängten Abteilung
zu Hilfe kamen, wurden mit Fahnenstangen und
Stöcken angegriffen. Als die Beamten darauf
hin von ihren Gummiknüppeln Gebrauch machten,
schleuderten die Kommunisten Steine, Flaschen,
Bierseidel und andere Gegenstände. Erst als die
Polizei ihre Schußwaffen fertig machte, ließen die
Kommunisten von ihrem Angriff ab. Mehrere
Polizeibeamte sind verletzt.
* * *
§rnu Sîrefemann ösnkl.
Frau Stresemann hat an den Reichspräsiden
ten nach Eltville folgendes Telegramm gerichtet:
»Für Ihr gütiges Gedenken an meinen ver
storbenen Mann spreche ich Ihnen, sehr geehrter
Herr Reichspräsident, meinen aufrichtigsten Dank
aus.
Ihre ergebene Käte Stresemann."
Mmļtiķm m Kr« WM.
Bienenstich verursacht Autounglück.
TU. Guben, 21. Juli. Auf der Fahrt von
Berlin nach Schlesien erlitt der Direktor der
Krappitzer Papierfabrik Rose einen schweren
Autounfall. Eine Biene stach den Direktor»
der am Steuer saß, in den Hals. Der Direk
tor verlor die Herrschaft über den Wagen, öer
gegen einen Vanm raste. Rose und eine mit
reisende Dame erlitten schwere Kopfverletzun
gen.
Sieben weitere Todesopfer des Hansdorser
Bergwerksunglncks geborgen.
TU. Nenrode, 21. Juli. Wie das zustän
dige Bergrevieramt Waldenburg mitteilt, sind
neuerdings weitere sieben Leichen geborgen.
Demnach sind noch 17 Tote in der Grube ver
schüttet. Die Bergungsarbeiten sind in den
letzten Tagen auch am Sonntag ununterbro
chen fortgesetzt worden und schreiten rüstig
weiter.
Masienerkrankung bei einer Hochzeitsfeier.
Vnxtehude, 21. Juli. (Eigene Meldg.)
Einen tragischen Ausgang nahm eine am
Sonntag in Buxtehude abgehaltene Hochzeits
feier. Nach dem Mahl stellte sich bei den Gä
sten Unwohlsein ein. Der Zustand der Betrof
fenen verschlechterte sich schnell, und öer herbei
gerufene Arzt erkannte bei 14 Personen eine
vergiftungsähnliche Erankung. Den Erkrank
ten, bei denen sich das Fieber bis auf 40 Grad
steigerte, wurden sofort Gegenmittel gereicht,
worauf sich einige wieder in ihre Wohnungen
begeben konnten. Als ernst wird der Zustand
eines 80 jährigen Herrn aus Hamburg bezeich
net. Die beschlagnahmten Speisereste werden
gegenwärtig untersucht- fest steht nur, daß
Trichinose nicht in Frage kommt, da Schweine
fleisch nicht gereicht wurde.
Humor d§s Auslandes.
„Ein stellungsloser
de Gabe."
bitte um eine mil-
(Judge.
760
Wetterbericht des Oeffentl. Wetterdienstes.
Das über öer südl. Nordsee gelegene Tief
brachte bei lebhafter Luftströmung im küsten
nahen Gebiet verbreitete Niederschläge. Stel
lenweise waren sie.auch von elektrischen Ent
ladungen begleitet. Auf der Rückseite, beson
ders über England steigt der Luftdruck ziem
lich rasch an. Dies hat dort eine lebhafte nörd
liche Strömung zur Folge. Die noch auftreten
den Schauer der Rückseite des sich in östlicher
Richtung ausdehnenden Tiefs werden morgen
die Witterung noch unbeständig gestalten. Das
Zuströmen warmer Luftmassen aus Süöost-
enropa wird wieder in den Ausläufer über
Böhmen zur Bildung, eines selbständigen
Kernes führen.
Verlag und Druck: HeinrichMöllerSöhue
Rendsburg.
Chefredaktion u. Verlagsleitung: Ferö. Möller.
Verantwortlich für Leitartikel: F e r d. Möller,
für Politik: Adolf Gregori, für den
allgemeinen Teil und Feuilleton: Herbert
Puhlmann, für den wirtschaftlichen Teil:
Dr. I o h. Gosch, für den provinziellen
und örtlichen Teil: i. V. Dr. T h o m a n n, alle ir
Rendsburg.