Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 3)

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LanDsszSlLung 
123. Jahrgang. 
123. Jahrgang. 
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Mnşşş. hpn 14 Jrili s 
Antifaschistische Luftpost über Mailand. 
Da Bassanesi am Gotthardt über verbote 
nes Festuņgsgeļäude geflogen und auf solchem 
verunglückt ist, wird er sich nach seiner Gene 
sung vor den schweizerischen Militärbehörden 
wegen Uebertretung des Flugverbotes zu ver 
antworten haben. 
Französische GrmzMchMtzMN. 
Paris, 14. Juli. (Eig. Drahtber.) Die franzö 
sische Regierung hat die Polizeitruppen an der ita 
lienischen Grenze stark vermehrt. Sie sollen die 
Grenze überwachen und verhindern, daß faschistische 
Elemente die Grenze überschreiten und Zwischenfälle 
Hervorrufen. In der Nähe von Lyon hat man 
greße militärische Uebungen abgehalten. Es han 
delt sich vor allem darum, die Stadt gegen Gasan 
griffe aus der Luft zu verteidigen. 
Um die Kopfsteuer. 
Steirerschaukel. 
Eine Schaukel geht bekanntlich eimna^ 
hierhin und einmal dahin. So schaukelten 
auch die Meldungen über die Steuerberatun 
gen der Parteien mit der Regierung qm 
Sonnabend hin und her. Sogar die ultima 
ratio des Artikels 48 wurde wieder angedeu 
tet. Der Kampf unter den Regierungspar 
teien galt hauptsächlich der Kopfsteuer, auch / 
Bürgerabgabe genannt, die den Gemeinden 
in ihren überhaushohen Schwierigkeiten hel 
fen soll. * 
Aber man schaukelt heut ja so gern, und 
darum kann das, was am Sonntagmorgen 
noch so schien, Sonntagnachmittag schon wie 
der anders aussehen. Jedenfalls opferte 
man einige Sonntagsstunden den Beratun 
gen über die Deckungsvorlage. Es wirk 
darüber gemeldet: \ 
Am Sonntag setzten im Reichstage die 
Finanzsachverständigen und einige Partei 
führer der hinter der Regierung stehender' 
Reichstagsfraktion gemeinsam mit Vertreter!' 
der Finanzministerien der größeren deutschest 
Länder ihre Besprechungen über die Tek- 
kungsvorlagen, insbesondere über ihre Er 
gänzung durch eine Kopfstener. fort. 
In den Beratungen machte besonders der 
preußische Fiuanzminister die stärksten Bel 
denken gegen eine Kopfsteuer uuļ> gegen di« 
Möglichkeit ihrer Durchführung geltend. Ir 
nicht ganz so scharfer Form äußerte sich auch 
der bayerische Regiernngsvertreter gegen di' 
Kopfstener. Trotzdem wurden die technischest 
Möglichkeiten für die Durchführung dei 
Kopfsteuer durchgesprochen. Tie Fraktionen 
behielten sich ihre endgültige StcNungnahm« 
vor, doch gelang es — wie ve-rlautct —, ein' 
Annäherung in den Auffassungen der Regie 
rungsparteien herbeizuführen. Beschlüsse 
wurden zwar nicht gefaßt, doch geht die Ten 
denz dahin, es im wesentlichen bei den voi 
einigen Tagen von der Regierung aufgestell 
ten Ergänzungsvorschlägen zu den Deckungs 
vorlagen zu lassen. 
Die Kopfsteuer soll für das Rechnungs 
jahr 1930 den Gemeinden fakultativ zur 
Verfügung gestellt werden, und zwar iss 
Höhe von mindestens 6 RM. pro Kopf. Falls 
die Realsteuersätze, die am 1. Juli in Krafi 
waren, überschritten werden, sollen die Ge 
meinden zur Einführung der Kopfsteuer ver 
pflichtet sein. Vom 1. April 1931 an soll dis 
Kopfsteuer überhaupt obligatorisch sein. 
Die Fraktionen werden sich heute mit 
dieser Frage zu beschäftigen haben. Bei den 
Demokraten und der Bayrischen Volkspartei 
machen sich Widerstände gegen die Kopfsteuer! 
geltend. 
Wie die Telegraphen-Nnion ergänzend zu 
der Kopfsteuer erfährt, soll diese anch nach 
dem 1. April 1931 nur dann obligatorisch sein, 
wenn die Realsteuern über den Satz vom 
1. Juli 1930 hinausgesteigert werden sollen. 
Ter Plan, mit der Kopfsteuer eine Real- 
stcuersenkung zu erzwingen, ist fallengelassen 
worden! Um den Schwierigkeiten der Ein 
ziehung der Kopfstener zu begegnen, ist in 
Aussicht genommen, sie bei den Lohn- und 
Gehaltsempfängern durch die Arbeitgeber 
zusammen mit der Lohnsteuer einzuziehen, 
während sie bei den anderen Steuerzahlern 
in zwei Teilen sährlich erhoben werden soll. 
Reichskanzler Brüning dürfte am Diens 
tag die 2. Lesung der Deckungsvorlagen mit 
einer Rede einleiten. 
Italienische Vorwürfe gegen Frankreich und die Schweiz, 
Zu Gerüchten, daß ein im Gotthardtgebiet 
verunglückter Flieger über Mailand antifaschi 
stische Flugblätter abgeworfen habe, wird Ber- 
stner Blättern aus Mailand gemeldet, daß am 
Freitag ein Flugzeug, dessen Rationalität nicht 
festgestellt werden konnte, in großer Höhe die 
Außenbezirke der Stadt überflog und beson 
ders aus die Kaserneu Pakete mit Flugblättern 
antifaschistischen Inhalts abwarf. Eines der 
Pakete, das 6 Pfund wog, durchschlug das Dach 
einer Fabrik. 
Der Zwischenfall hat 
bemerkenswerte Weiterungen 
im Gefolge, insofern als ihm das faschistische Jta- 
lien große Bedeutung beimißt und, weil der ver 
unglückte Flieger ein in Paris lebender italieni 
scher Flüchtling ist, die Mitwirkung französischer 
Kreise hinter dem antifaschistischen Akt wittert. 
Auch gegen die Schweiz, wo der italienische Flie- 
£ er mit Hilfe eines französischen Kollegen die 
Flugblätter übernahm und in deren Gebiet er ab 
kürzte, richten sich heftige Vorwürfe des Sinnes, 
aß man das Treiben von Feinden des Faschis 
mus dulde. 
Es seien folgende 
Einzelheiten 
verzeichnet: Der Flieger heißt Giovanni Vassa- 
nesi und stammt aus der Provinz Piemont. Er 
gab vor den schweizerischen Behörden an, daß er 
von dem französischen Flugplatz Le Vourget auf 
gestiegen und nach Bellinzona geflogen sei. Auf 
dem Rückfluge habe er wiederum den Weg über 
den Simplon nehmen wollen, habe sich aber in 
folge des dichten Nebels verirrt. Auf dem St. 
Eotthardt fei er gegen einen Felsen geschleudert 
worden. Er erlitt dabei einen Beinbruch und 
andere innere Verletzungen und mußte nach An 
dermatt ins Krankenhaus gebracht werden. Sein 
Flugzeug wird von schweizerischem Militär streng 
bewacht. 
Vassanesi gestand 
dem ihm vernehmenden Offizier der St.-Eottbard- 
Vefestlgung, über Mailand und anderen Orten 
Piemonts aus dem Flugzeuge antifaschistische 
Flugblätter abgeworfen zu haben. Anfänglich 
hatte Bassanesi jede Aussage verweigert, bis er 
sich überzeugt hatte« daß er sich tatsächlich auf 
schweizerischem Boden befand. Flugblätter wur 
den in den Kleidern des Verunglückten noch vor 
gefunden. Ferner fand man in einer Tasche wich 
tige Dokumente, darunter drei Pässe mit dersel 
ben Photographie, aber auf drei verschiedene Nä 
ssten lautend Etwa 100 000 Flugblätter wurden 
über Mailand abgeworfen. Sie sind überschrie 
ben: „Im Namen der Eeheimvereinigung für Ge 
rechtigkeit und Freiheit", und es wird auf ihnen 
?ur Revolution aufgefordert. 
Das Flugzeug ist zunächst von Paris kom 
mend nach Genf geflogen, wo die Verzollung ord 
nungsgemäß vorgenommen wurde. Es flog dann 
weiter nach Bellinzona, wo wiederum eine Lan 
dung erfolgte. Am Freitaavormittag stieg es von 
dort auf, angeblich um über die Ostschweiz auf 
deutsches Gebiet zu fliegen. Statt dessen landete 
es bald darauf nicht weit von Bellinzona in Lo 
gins bei der Eisenbahnstation Osogona (die Orte 
Liegen auf schweizerischem Boden, im Kanton Tes- 
stst), wo unter Aufsicht des dem Flugzeug ent 
legenen französischen Führers von einem Last 
kraftwagen Flugschriften in das Flugzeug verla 
den wurden, das dann damit in südlicher Richtung 
verschwand. Nachmittags startete es abermals ln 
<odrino. Hier verließ der französsiche Flugzeug 
führer die Maickstne. und der Italiener flog allein 
'n nördlicher Richtung weiter. Einige Zeit dar 
aus ist er dann im St.-Gotthard-Gebiet verun 
glückt. Das eidgenössische Luitamt hat seinen Lei- 
an die klnglücksstelle entsandt. 
. Der Abwurf şaschistisch-şeindlicher Aufrufe 
°urch den politischen Flüchtling Bassanesi aus 
Nöenburgs MM§rprMenî Msrden. 
Der oldenburgifche Ministerpräsident von 
Finckh ist am Sonntag in St. Blasien einem Lungen 
leiden erlegen. Der Verstorbene stand im 71. Le 
bensjahre und war seit sieben Jahren oldenburgi- 
scher Ministerpräsident. Das Staatsbegräbnis fin 
det Ende dieser Woche in Oldenburg statt. Das 
Rumpfkabinett wird wahrscheinlich zurücktreten, so 
daß der Landtag einberufen wird, um eine neue 
Regierung zu wählen. 
Bedauerliche Vorfalle in Albersdorf. 
WTB. Albersdorf, 13. Juli. Eine von der 
Nationalsozialistischen Arbeitsgemeinschaft, Gau 
Dithmarschen, nach Albersdorf einberufene öffent 
liche Versammlung, in der Major a. D. Buch 
drucker und Schapke- Berlin sowie Dr. 
Grantz -Albersdorf sprechen sollten, wurde 
gleich bei der Eröffnung durch Zusammenstöße 
zwischen Vertretern beider Richtungen in der na- 
tionaliozialistischen Bewegung auseinanderge 
sprengt. Die Auseinandersetzung zwischen beiden 
Gruppen vollzog sich unter Anwendung von Gum 
miknüppeln, Stahlruten, Stühlen usw. Major 
Buchdrucker wurde das Nasenbein einge 
schlagen; außerdem erlitt er innere Verletzun 
gen. Dr. Erantz wurde durch schwere Schlag- 
wunden am Kopf usw. verletzt. Ein wei 
terer Versammlungsteilnehmer, Richter-Al 
bersdorf, erlitt gleichfalls recht erhebliche 
Kopfverletzungen. An dem Aufkommen des schwer 
verletzten Vothmann -Albersdorf wird 
gezweifelt. Dem Friseur Bootmann ist an der 
Ferse der rechte Fuß vollständig abgeschlagen, ein 
Beweis dafür, wie hestig und mit welchen Mitteln 
einaegrîffen wurde. Viele andere Beteiligte trugen 
leichtere Verletzungen davon. Die Gegner der Natio 
nalsozialistischen Arbeitsgemeinschaft waren — 
nach der Behauptung der Strasser-Anhänger — 
ans der ganzen Provinz zusammenge 
zogen worden. Die Haupträdelsführer feien 
festgestellt worden. 
stein oder Hamburg haben in der Versammlung 
mit den brutalen Mitteln der Faust oder des 
Knüppels sachliche Auseinandersetzungen verhin 
dert. Erst nach dem Vorliegen eines Untersu 
chungsergebnisses wird man das letzte Urteil dar 
über abgeben können, ob in Albersdorf versucht 
werden sollte, eine andere weltanschauliche Stel 
lung durch derartige Kampfmittel mundtot zu 
machen. Sehr wesentlich für dieses Urteil wird 
auch dis Stellungnahme der Tageszeitung in 
Itzehoe sein. In diesem Zusammenhange sei 
erwähnt, daß die Tageszeitung in Itzehoe bisher 
gegenüber den Erklärungen der Gruppe um 
Erantz, dis stets mit voller Namensnennung er 
folgten, keine sachlich eingehend« Stellung genom 
men hat. 
Ganz allgemein gesprochen, ist es für eine poli 
tische Ueberzeugung nicht gerade beweiskräftig, wenn 
sie die Aufllärung mit terroristischen Mitteln unter 
binden muß. Die gestrigen Vorfälle in Albersdort 
lassen leider vermuten, daß eine andere Meinung 
mit unzulässigen Mitteln unterdrückt werden soll un" 
dafür find bisher aufrechte Schleswig-Holsteiner 
niemals zu haben gewesen. Damit werden manche 
über die Parteieingeschriebenen hinaus erworbenen 
Sympathien gefährdet. Die Wahrheit muß jedem 
Angriff standhalten könen, oder es ist keine Wahr 
heit. Das darf man auch von Strömungen sagen, 
di« den Anspruch erheben, bas deutsche Volk von 
Grund auf erneuern, zur Freiheit und zu neuen 
Zielen führen zu wollen. Ein« disziplinlose Gruppe 
kann man ignorieren, aber eine weltanschaulich 
anders gelagerte nicht damit aus der Welt schaffen 
daß man ihren Anhängern Kopf und Beine zer 
schlägt. Vluttaat wird immer ihre Früchte gegen 
die tragen, welche Blut glaubten säen zu müssen. 
Diele Bemerkungen gelten ganz allgemein po 
litisch grundsätzlich, ohne in den Streit der beiden 
natioalsozialistischen Richtungen parteiisch einoreb 
,fen zu wollen. 40 
TU. Königsberg, 12. Juli. Wie von der 
„Bauernnotbewegung" mitgeteilt wird, haben in 
verschiedenen Teilen Ostpreußens, besonders in 
der Eeaend von Gumbinnen, Insterburg, Wehlau 
und Labiau Kriminalbeamte im Auftrags der 
Königsberaer Staatsanwaltschaft Hauss»>*>ungen 
bei mehreren Besitzern vorgenommen. Alle aus 
die „Bauernnotbewegung" irgendwie bezüglichen 
Akten seien beschlagnahmt und mitgenommen 
worden. 
Es ist außerordentlich bedauerlich, daß die 
großen politischen und weltanschaulichen Ausein 
andersetzungen nicht mehr mit den Waffen des 
Geistes und der Ueberzeugung, sondern der Stuhl 
beine und der stärkeren Faust anscheinend ausge 
tragen werden sollen. Die um Erantz stehenden 
Gruppen der Nationalsozialisten in Schleswig- 
Holstein hatten Führer der Otto-Strasser-Eruppe 
eingeladen, in Albersdorf zu sprechen Gegnerische 
gesinnte Nationalsozialisten aus Schleswig-Hol- 
Î t' -i
	        
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