HMWiààĢmmlmm
öes Kr§rshKrsL-wsäeLbmrKes.
Am Sonntag-Vormittag fand in dar Schweizer
halte die sehr gut besuchte ordentliche Mitgliedrrver
jammlung des Kreishandwerkcrbundes statt. Unter
den Anwesenden sah man den Präsidenten der Hand
Werkskammer, Horn, Präsident des Nordwestdeutschen
Handwerkerbundes Willmann-Hannover, Landtagsabg
Schneidermeister Kohrt - Kiel. Bürgermeister Dr.
de Haan hatte der Versammlung ein Glückwunsch-Te
legramm aus Altona übersandt. Der Kreisvorsitzende
schmiedeobermeister Wriedt-Rendsburg, eröffnete und
leitete di« Versammlung. Der Vorsitzende begrüßte
die zahlreichen Teilnehmer und die Ehrengäste und
hieß alle zu der Iubiläumstagung herzlich willkom
men. Er führt« u. a. aus, der Kreishandwerkerbund
sei aus kleinen Ortsgruppen und Bünden gegründet
und von zielbewußten, energischen Handwerkskollegen
geführt worden. Es galt damals, den Handwerker im
wirtschaftlichen Gedanken zum Kreishandwerkerbund
zu vereinigen und durch zähe Mitarbeit der Mitglie
der den Vorstand zu unterstützen, damit eine ersprieß
liche Arbeit zum Segen des Berufsstandes und zum
Wohl« d«s ganzen Volkes erreicht wird. Wir haben
es tn zehnjähriger Arbeit erreicht, nicht nur den Bund
§» erhalten, sondern darüber hinaus ihn in mannig
faltiger Art zu erweitern und zu festigen. Wir wollen
danach streben, daß alle außenstehenden Kollegen mit
uns in einer Front zusammenstehen, damit, wenn die
Stunde uns ruft, man das Handwerk geschlossen fin
det. Getreu des Wahlspruches unseres verehrten Alt
meisters wollen auch wir danach handeln: „Nur Einig
keit ist Macht". Die Ausführungen fanden starken
Beifall bei allen Teilnehmern.
Anschließend erstattete der Geschäftsführer des
Kreishandwerkerbundes, Dr. Feddersen, den Geschäfts
bericht, den wir bereits in der letzten Nummer un
serer Zeitung veröffentlichten.
Di« satzungsgemäßen Vor-standswahlen fanden
schnelle Erledigung. Schifsmann-Hademarschen und
Ehlers-Audorf scheiden satzungsgemäß aus. Eine Neu
wahl bleibt den Bezirken vorbehalten. Eine vorge
sehene Satzungsänderung wurde zur nächsten außer
ordentlichen Generalversammlung aufgehoben. Für die
Kassenrevision wurden Treedc-Hademarschen, Dalke-
Rendsburg, Thiessen-Nortorf und als Ersatzmann
Gosau-Puls gewählt. Ueber die Festlegung des näch
sten KreishanÄwerkersages entspann sich eine lebhafte
Aussprache. Man einigte sich schließlich einstimmig auf
Znnien. Für den nächsten außerordentlichen Hand
werkertag wird nach Abstimmung gegen den Vorschlag
Nortorf Audorf festgelegt. Da Anträge der Ver
sammlung nicht vorlagen, nahm der Direktor der
Nordwestdeutschen Versicherungs-Gesellschaft, Bartho-
latus, noch über die Vorteile der Versicherung für den
Handwerkerstand das Wort. Seine Ausführungen
wurden mit Beifall von der Versammlung aufgenom
men. In einem Schlußwort dankte der Vorsitzende
allen Teilnehmern für ihre treue Mitarbeit und schloß
die eindrucksvolle Versammlung mit der Hoffnung, daß
der Kreishandwerkerbund auch in Zukunft blühen und
gedeihen möge.
Nach der Mittagspause veranstaltete die Orts
gruppe Rendsburg und Umgegend im Sängerbund
Nordmark vor dem Eonventgarten ein Platzkonzert.
Sie beging damit gleichzeitig den
ersten deutschen Liedertag 1930,
der vom Deutschen Sängerbund ins Leben gerufen
worden ist. Zweck dieser Veranstaltung ist, den wei
testen Kreisen des Volkes die Schönheit und schlichte
Innigkeit des deutschen Liedes, insbesondere des Volks
liedes, unter freiem Himmel wirksam zur Empfindung
zu bringen. Darum soll dieser Tag am letzten Sonn
tag im Juni jedes Jahr in Stadt und Land abgehal
ten werden. Die Leistungen des Chors waren sehr gut
und wurden von der überaus zahlreichen Zuhörerschaft
freudig aufgenommen.
Anschließend traf man die Vorbereitungen für den
Festumzug öes Hanöwerks.
Schon lange vor Beginn war die ganze Stadt in Be
wegung. Fensterfronten wurden belegt und in den
Straßen sich die günstigsten Plätze ausgesucht. So kam
es auch, daß die Zuschauer in den Straßen Spalier bil
deten und es vorzogen, von einer Stelle aus einen ge
schlossenen Blick zu erhalten. Gegen 3 Uhr setzt« sich der
lange Zug von der Hindenburgstraße aus in Bewe
gung, vorauf 2 reitende Herolde in alter Tracht, denen
erne ländliche Reitergruppe folgte. Darauf kamen
rn fünf festlich geschmückten Kutschen die Ehrengäste
des Kreishandwerkertages, vorauf die Altmeister der
Ortgruppe Rendsburg. Hinter der ersten Kapelle folgte
die neueingeweihte Fahne der Rendsburger Orts
gruppe, die damit zum ersten Mal der gesamten Oef-
fentlichkeit gezeigt wurde. Im langen Zuge schlossen
sich dann die Ortsgruppen des Kreishandwerkerbun
des an, die alle mehr oder minder stark vertreten wa
ren, so die Ortsgruppen Hademarschen. Büdelsdorf,
Jevenstedt, Hohn, Innren, Langwedel, Daale, Haale,
Legan und Todenbüttel. Im zweiten Teil des Zuges
hinter der zweiten Kapelle folgte die Ortsgruppe
Rendsburg mit ihren zahlreichen Festwagen, als erste
die Bäcker und Konditoren in blendendem Weiß. Im
gegenfatz dazu die Gruppe der Schornsteinfeger, schwarz
auf schwarzem Pferd. Das Zimmerhandwerk hatte auf
ihrem Wagen das vollständige gerüst eines Hauses auf
gebaut. Vom Dachsparren herab grüßten zwei Lehr
linge die umstehende Menge. Bunt wie die Farben
war der Wagen der Fachschule der Malerinnung,
während die Dachdecker wiederum ein gedecktes Dach
gerüstzeigten, auf dem hoch oben der Gehilfe thronte.
Weiß gekleidet kamen dann die Mitglieder der
Friseurinnung, auf einem Wagen zeigten sie die Zu
kunft des Friseurs: einen modernen Haarpflegeappa
rat. .Unter einem blauen Baldachin zeigte die Satt
ler- und Tapezierinnung Gegenstände ihres Handwerks,
wählend die Schlachter unter dem Motto „Vom alten
Fleischerstand zum modernen Fleischerladen" alte und
moderne Einrichtungen ihres Gewerbes zeigten.
So folgte Wagen auf Wagen, daß es kam möglich
erschien, alle gleich stark im Gedächtnis zu behalten.
Da kam die Schlosser- und Maschinenbauer-Zwangs
innung mit einer eingerichteten Werkstatt, ihr folgten
die Schneider und Schneiderinnen, die besonders bei
der Frauenwelt Begeisterung hervorriefen. Man sah
hier moderne Kundenbedienung und einige geschmack
volle Modelle. Die Schmiede führten auf ihrem Wa
gen neben der Werkstatt mit offenem Feuer sogar ein
kleines Pferd mit, <bas unterwegs beschlagen wurde
Auf dem Schuster-wagen waren Meister und Geselle
eifrig dabei, zu hämmern und zu besohlen. Hinter
dem Tischlerwagen folgte ein Milchträger in aller
Tracht mit blanken Messingkesseln. Er erinnerte an
den Hamburger Wasserträger Hummel und soll auch
auf diesen Ruf prompt reagiert haben. Die moderne
Milchverarbeitung wurde auf dem Wagen der Milch
händler gezeigt, nur schade um den schönen Schlag-
rahm, der so nebenbei floß. Mancher aus den Zu
schauerkreisen hätte gern eine kleine Probe gekostet.
Den Schluß des Zuges bildete der Blumenwagen der
Gärtner.
Nach Jahrzehnten zeigte so das Rendsburger
Handwerk in wunderbarer Geschlossenheit, daß es be
müht ist, in dem Wirtschaftskampf der Rachkriegszeit
erfolgreich zu bestehen, und eindrucksvoller konnte der
Bevölkerung nicht gezeigt werden, daß das Handwerk
gerade in der Jetztzeit für das deutsche Volk eine Not
wendigkeit ist, und der Existenzkampf dieses Berufs
zweiges findet wohl nach dieser für Rendsburg ein
zigartigen Demonstration in allen Kreisen größere Be
achtung als zuvor. Hoffen wir nur, daß diese Kund
gebung des Handwerks sich noch mehr als bisher da
hin auswirkt, daß man das Wort „Kauft am Platze
beim Handwerker" nicht nur nachredet, sondern auch
in die Tat umsetzt.
Den Schluß der Tagung bildete ein«
große ôffezrîîrche krmögebmrg
irr öer LtaöLhatte,
die in Anbetracht des prächtigen Sommerwetters gut
besucht war.
Der Vorsitzende des Kreishandwerkerbundes,
Schmiedeobermeister Wriedt, sprach nach Begrüßungs
worten allen denen, die zum Gelingen der Tagung
beigetragen haben, den Dank des Kreishandwerker
bundes aus. Er begrüßte daun die Ehrengäste.
Landrat Steltzer dankte im Namen der behörd-
liichen Ehrengäste und gedachte besonders des verstor
benen Führers des Kreishandwerkerbundes, Böhrnsen.
Im Namen der Vertreter der freien Wirtschaftsver
bände dankte Landtagsabgeordneter Kohrt für die
Begrüßun'gsworte.
Dann nahm Dr. Feddersen das Wort zu einem
Referat
5 Jahr« Organisatisnsardeit und Ausblick.
Der Redner sprach über die Arbeit der Organisationen
tn den letzten 5 Jahren, in denen er als Kreisge-
chäftsführer für den Handwerkerstand gearbeitet habe.
Wenn auch trotz der Not der Zeit noch viele Hand
werker beiseite stünden, so sei der Kern des Hand
werkerstandes doch gesund. Er dankte allen denen, die
an dem Aufbau dieser Organisation, die bis in die
äußersten Orte des Kreises gedrungen sei, mitgeholfen
hätten. Aus der Winterarbeit hab« er die Erkennt
nis gewonnen, daß man auch im größten Rahmen ver
buchen müsse, die Zustände gemeinsam mit den anderen
bodenständischen Organisationen zu ändern. Heute be
ende man sich in einer Staat- und Wirtschaftskrise
größten Ausmaßes. Es seien aber starke Kräfte am
Werk, eine Neugestaltung der Dinge herbeizuführen.
Alle Pläne und Vorschläge zu einer solchen Neugestal
tung unserer politischen Verhältnisse setzten voraus,
daß die berufsständischen Formierungen gesund seien.
Wenn der Ruf der Verantwortung an die berufsstän
dischen Organisationen herantrete, dann müßten sie
bereit sein, diese zu übernehmen. Nur wenn das ge-
chehe, könne man auch dem nächsten Jahrzehnt der
Entwicklung des Kreishandwerkerbundes hoffnungs
voll entgegensehen.
Die Festrede hielt der Bundes^räsident H. Will
mann-Hannover über
Harröwerk
und NcichsMetzgebrmg.
Das zehnjährige Bestehen des Kreishandwerker
bundes Rendsburg als Berufsstandorganisation des
Handwerks bedeute ein zehnjähriges, zähes Ringen für
den Berufsstand. Daß dieses Ringen des Kreishand
werkerbundes und der Gesamtorgauisation des Hand
werks von Erfolg begleitet gewesen sei, offenbare sich
in der Beseitigung des Anschauung, daß das Hand
werk ein überlebter Berufsstand und von der Industrie
abzulösen sei. Leider sei die Wirtschafts-. Finanz- und
Sozialpolitik gekennzeichnet durch schwere Vernachläs
sigung des selbständigen Unternehmertums, insbeson
dere des Handwerks. Man habe nach der Stabilisie
rung der Währung versäumt, dafür Rechnung zu tra
gen, daß neben der tragfähigen Lohnregelung auch
eine Ausgleichung der Zinsgestaltung erfolgte. Man
habe geduldet, daß im Jahre 1924 die Finanzämter
Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozent monatlich — 60
Prozent im Jahre erhoben, und daß Banken und son
stige Geldinstitute Zinsen von 6—10 Prozent monatlich
verlangten. Man habe es nicht für nötig gehalten,
Maßnahmen gegen das Ueberhandnehmen der Kar
telle, Syndikate, Truste und Konzerne zu treffen. Man
habe im Gegenteil diese Gebilde behördlicherseits un
terstützt, während man dem Handwerk und Kleinge
werbe jegliche einheitliche Preisgestaltung untersagte.
Auch die sonstigen gesetzlichen Maßnahmen, wie die
Beibehaltung der Wohnungszwangs-wirtschaft, dyr Be
vorzugung der fast ausschließlich parteipolitischen ge
meinnützigen Baugenossenschaften hätten sich größten
teils sehr nachteilig, teilweise katastrophirl, für dos
Handwerk ausgewirkt, ebenso das Zulasten der Ne
gierungsbetriebe bei der Vergebung von Aufträgen
der öffentlichen Hand, die steuerliche Bevorzugung der
Betriebe der öffentlichen Hand usw. Nunmehr liege
ein Eesctzcntwurs der steuerlichen Erfassung der Be
triebe der öffentlichen Hand vor. Sehr nachteilig für
die Privatwirtschaft habe sich die Berücksichtigung der
öffentlichen Hand bei der Verteilung des im ersten
Vierteljahr 1927 beschlossenen Reichs- und Preußen-
kredite ausgewirkt. Trotzdem fei eine mangelhafte
Rentabilität der Betriebe der öffentlichen Hand fest
zustellen, so daß sehr oft eine Sanierung dieser Be
triebe auf Kosten der Realsteuerzahler erfolge. So
Solle es in Berlin 182 Regiebetriebe geben, von denen
80 Prozent unrentabel seien. Das alles habe zu der
Forderung geführt, daß die Aufbringung der Kom-
munalsteuern von allen Ecmeindeeinwohnern zu er
folgen habe. Insbesondere müsse auch dafür gesorgt
werden, daß von Einsparen im Reich, in den Ländern
und Geeminden nicht nur gesprochen werde, sondern
daß danach auch gehandelt werde.
Der Redner kam dann auf den Kampf für die
Annahme des Aoungplanes zu sprechen. 700 Mil
lionen, die durch die Annahme des Uoungplanes
jährlich frei werden sollten, wollte man zur Steuer
senkung verwenden, während sich dann heraus
stellte, daß nicht nur nicht diese 700 Millionen zur
Steuersenkung verwandt werden konnten, sondern
diese noch nicht einmal ausreichten, um das Steuer-
defizit zu decken. Es sei tatsächlich
ein Steuerdefizit bezw. Steueraussall von
2 Milliarden Mark festzustellen.
Jede Steuererhöhung, ganz gleich, welcher Art, sei
restlos abzulehnen, solange nicht eine Garantie
geboten sei, daß durchgreifene Maßnahmen über
die Ausgabensenkung getroffen werden. Berücksich
tige man, baß fast jeder sechste Staatsbürger ein
Beamter, Angestellter ober Arbeiter des Staates
sei, dann könne man ermessen, welch gewaltige
Summen durch die öffentliche Verwaltung ver
schlungen würden. Durch die Beamtenbesoldungs
reform .im Jahre 1927 werbe der Etat mit 1,5 bis
1,8 Milliarden Mark belastet, während der da
malige Reichsfinanzmlnister Dr. Köhler damals
die Belastung auf 8—400 Millionen Mark schätzte.
Auch der Reparationsagent habe auf diese Dinge
hingewiesen. Unsere Reparationsleistungen betra
gen nach dem 9. Februar 1918 14,2 Milliarden, dem
eine Anleihe des Deutschen Reiches von 15,3 Milli
arden gegenübersteht, wofür das noch vorhandene
gesamte deutsche Volksvermögen mit etiva 150 Mil
liarden Mark verpfändet wurde. Der Gesamtba
darf des Reiches müsse daher künftig aus Steuer
Mitteln gedeckt werden, wie auch die gesamten Ne
parationslasten durch Steuermittel aufzubringen
seien. Es dürfe nicht außer Acht gelassen werben,
daß wir der B. I. Z. 116 Milliarden an Wechseln,
die ans 58 Jahre verteilt seien und bis zum Jahre
1988 einzulösen seien, zur Verfügung gestellt hät
ten. Sehr beachtlich sei auch, daß der Vorsitzende
der B. I. Z., ein Franzose, erklärt habe, wenn die
Männer in Deutschland bereit seien, 14 Stunden
zu arbeiten, die Frauen statt Pferd und Kuh ge
willt seien, selbst den Pflug zu ziehen» und die Kin
der in Hans und Hos zur Hand gingen, dann sei
Deutschland sehr wohl in der Lage, diese außer
ordentlich hohen Reparationslasten zn zahlen.
Diese hohen Reparationsforderungen seien im we
sentlichen darauf zurückzuführen, daß das Deutsche
Reich sich 1923 durch die Inflation seiner Schulden
gegenüber seinen Staatsbürgern entledigt habe.
Aus alledem ergebe sich mit Naturnotwendigkeit
Forderung der Ausgabensenkung
und der Finanz- und Steuerreform.
Der Steuerzettel müsse wieder so gestaltet werden,
daß ihn jeder Steuerpflichtige auch lesen könne.
Die Hauptsteuer müsse neben der indirekten die
Einkommensteuer sein mit einem beschränkten Zu
schlagsrecht der Gemeinden. Solange die Gewerbe
steuer als Sonöersteuer nicht beseitigt werden
könne, müsse die Einbeziehung der freien Berufe
in die Gewerbesteuer aufrecht erhalten bleiben.
Nachgeprüft werden müsse, wie weit Aemte und
Anwälte einen Rcchnungszuschlag zur Adoea-ng
der Gemeindesteuer vornehmen dürften, da seines
Wissens die staatlich genehmigte Gebührenordnung
noch nicht abgeändert sei.
Auf sozialpolitischem Gebiet müsse unter allen
Umständen verlangt werden, daß die
Arbeitslosenversicherung einer durchgreifenden
Revision
unterworfen werde, damit sich die Arbeitslosen
unterstützung auf die Fälle beschränke, wo der Ar
beiter tatsächlich nicht in der Lage sei, Arbeit zu
erlangen.
Ebenso müsse eine
Reform der Reichsvcrsicherungsordnung s
stattfinden, insbesondere seien die Jnnungskran-
kenkassen, die sich tatsächlich segensreich ausgewirkt
haben, auf das nachdrücklichste zu unterstützen. Des
weiteren müsse schnellstens die Beseitigung des
staatlichen Schlichtungswesens herbeigeführt wer
den, da das Schlichtungsverfahren in ganz erheb
lichem Ausmaße an der heutigen Wirtschaftslage
mit schuld set.- Hätten die staatlichen Schlichtupgs-
stcllen forwährend sich zugunsten der Lohnerhöhung
ausgesprochen, dann hätte aus der anderen Seite
sich die Preiserhöhung auch nicht derartig ausivir-
ken können, so daß der Lebenshaltungsinder iu
dem Ausmaße wie geschehen ist, nicht gestiegen
wäre.
Die Lohn- und Preissenkung,
die mit dieser Frage engstens verbunden sei und
die zur Zeit behandelt werde, sei auf das nachdrück
lichste zu unterstützen, weil dadurch die Möglichkeit
gegeben sei, und zwar infolge der Produktionsver
billigung, unseren Export zu erhöhen. Wenn Lohn-
unö Preissenkung Hand in Hand gehen, ergibt sich
dadurch eine Erhöhung der Kaufkraft des Geldes,
so daß sich weder ein Nachteil für Lohn- und Ge-
Haltsempfänger, noch für freie Gewerbetreibende
ergebe. Außerdem dürfe nicht außer acht gelassen
werben, daß durch Herunterdrücken öes Lebenshal-
tungsinüex sich auch eine Verminderung der Bau
kosten ergebe, und somit die Möglichkeit gegeben
sei, die heutige hohe Spanne zwischen Alt- und
Neubauwohnungen, die durch die gegenwärtigen
hohen Baukosten gegeben sei, wesentlich herabzu
drücken. so daß sich dadurch eine gewisse Anglei
chung der Mieten der Neubauwohnungen zu den
Altioohnungen ergebe.
Ebenso würden sich durch die
Verhältnisse in der Landwirtschaft
günstiger gestalten, weil dann auch die Landwirt
schaft billiaer produzieren könne und dem Aus-
lande gegenüber leistungsfähiger sei.
Bei dieser Gelegenheit müsse auch besonders
unterstrichen werden, daß das sogenannte Handels-
klassengesetz, welches die Landwirtschaft jetzt zur
Verbesserung ihrer Marktverhältnisse verlange,
unter keinen Umständen zu einer Zwangswirtschaft
auf diesem Gebiete führen dürfe. Die Einführung
der Zwangswirtschaft auf diesem Gebiete wäre
gleichbedeutend mit dem Beginn bezw. der Wie
dereinführung einer allgemeinen Zwangswirtschaft
und demzufolge der Beseitigung der freien Wirt
schaft, zum Nachteile unseres gesamten Wirtschafts
lebens. Auch die Landwirtschaft müsse den ver
änderten Verhältnissen Rechnung tragen und sich
entsprechend umstellen. Bedauerlich sei nur, daß
man das nicht früher eingesehen habe und bis da
hin nur immer die Hilfe vom Staate erwartete.
Daß eine solche Umstellung möglich sei, werde nicht
nur in landwirtschaftlichen Kreisen selbst zugege
ben, sondern Reichsernährungsminister Schiele
habe kürzlich noch erklärt, daß in landwirtschaft
lichen Kreisen eine intensive Propaganda für die
Umstellung vom Roggen- zum Weizenbau durchge
führt werden müsse. Ebenso wie andere Wirt
schaftszweige sich umstellen mußten, müsse auch die
Landwirtschaft sich hierzu bequemen.
Zuletzt streifte der Redner noch das
Berufsausbildungsgesetz,
welches im Entwurf vorliegt. Mit allem Nachdruck
mies er darauf hin, baß dieses Berufsausbildungs-
gesetz für das Handwerk nur dann tragbar sei,
wenn in demselben die eindeutige Bestimmung ge
troffen werde, baß die Ueberwachung der Lehr
lingsausbildung und die Festlegung von Lehrzu
schüssen (Erziehungsbeihilfe) lediglich Aufgaben
der Innungen und Handwerkskammern sind und
demzufolge auch nicht tariflich geregelt werden
können.
Werde man im vorgetragenen Sinne ernstlich
an die Arbeit gehen und alle parteipolitischen An
schauungen und Strömungen ausschalten, dann
werde es möglich sein, allmählich zu einer Gesun
dung unserer Wirtschaft und somit zn einer Ge
sundung unsererRetchsfinanzen zukommen. Werd«
man aber in der bisherigen Weise weiter wursteln,
dann würden wir in absehbarer Zeit einen völlt-
gen Zusammenbruch unserer Wirtschaft erleben.
Mögen sich ernste und tatkräftige Männer finden,
um das Unheil, welches uns droht, im Interesse
unseres Volkes und Vaterlandes abzuwenden.
Der Vorsitzende, Schmiedeobermeister Wriedt,
sprach zum Schluß dem Redner den Dank der Ver
sammlung aus. Er schloß die Versammlung mit
dem Wunsche, trotz aller Sorgen doch mit Gott
vertrauen in die Zukunft zu schauen. Damit war
die Kundgebung zu Ende.
* * *
* Ans der Haft entwiche«. Der hier in
haftierte Schwerverbrecher Heyn — verurteilt
wegen Diebstahl und Mordversuch — ist aus
öem Krankenhaus, in dem er durch eine vor
getäuschte Blinddarmentzündung hatte Auf
nahme finden können, entwichen. Man ver
mutet, daß sich Heyn, der noch mehrere Jahre
abzubüßen hatte, gegenwärtig noch in Dith
marschen aufhält. — Der Ausreißer konnte
am Sonntagnachmittag um 3 Uhr auf einem
bewohnten Gartengrundstück bei den Byde-
karkenschen Koppeln ergriffen u. durch die Po
lizei dem Zuchthause wieder zugeführt wer
den. Ein in der Nacht auf Sonntag ausge
führter Einbruchsdicbstahl in eine Gartenbudc
dürfte auf sein Konto kommen.
* Kindervogelschießen. , Wiederum ertönte
heute früh ein Weckruf, diesmal vom Trommler-
und Pfeiferkorps der Moltkeschule, in den Straßen
Neuwerts aus Anlaß ihres heutigen Vogelschie
ßens, das die Schule gemeinsam mit der Lornsen-
schule und mit der Hilfsschule feiert. Um 7 Uhr
wurde der vorjährige König von seiner Garde ab
geholt. Um % Uhr marschierten die Knaben mit
Musik von der Moltkeschule nach der Lornsen-
schule. Dann begann der Ausmarsch, der nach
einem Ummarsch durch Neuwerk zur Hindenburg-
straße hinausging. Den Zug eröffnete die Lorn-
senschule. Dann folgte die Hilssschrile und zuletzt
die Knaben von der Moltkeschule. Im ganzen
waren es rund 1200 Kinder. Im Schützenhof und
in der Schweizerhalle begann für die größeren
Knaben das Schießen nach der Scheibe, für die
kleineren Knaben und die Mädchen Vogelwerfen
und sonstige Spiele. Am Nachmittag ist Garten-
konzert im Schützenhof und in der Schweizerhalle.
Abends um 148 Uhr erfolgt der Einmarsch.
* Die erste juristische Staatsprüfung (Refe
rendar) bestand vor dem Oberlandesgericht Kiel
der Rechtskandidat Werner Born aus Rendsburg.
* Die 3. und 4. Eskadron der Fahrabtei-
lmrg 2 rücken am Mittwochmorgen nach dem
Munsterlager aus. Die Rückkehr in die Gar-
ilison erfolgt am 22. Juli.
ISO SS 3S 3 re ST» er ş'-şf' >4 » Je» i wwa