Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 2)

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Was Dichter 
und Politiker sagen. 
Rheinland-Kundgebung namhafter Persönlich 
keiten. 
Wenn in diesen Tagen durch die rheinischen 
Lande, die vom Druck der fremden Besatzung be 
freit werden, ein Ausatmen geht und die Freude 
der rheinischen Bevölkerung im ernsten Feiern 
zum Ausdruck kommt, fo wird das ganze deutsche 
Volk, für welches das Rheinland lange Jahre die 
Fesseln der Fremdherrschast getragen hat, an die 
sem frohen Ereignis im Inneren herzlichen Anteil 
nehmen. Zu lauten Festen ist die Zeit nicht ange 
tan. Dafür sind die wirtschaftlichen Lasten, die 
unserem Vaterland aufgebürdet worden sind, zu 
schwer. Das Rheinland wird dazu noch lange un 
ter den Nachwirkungen der Bösatzungszeit, die 
seinem Wirtschaftsleben schwere Wunden geschla 
gen hat, zu leiden haben. Es bedarf durchgreifen 
der Maßnahmen des Reiches, diese Schäden in 
allen besetzt gewesenen Teilen des Westens zu 
mildern. So wie Reich und Volk in den Jahren 
der Besatzung dem Rheinlande ihre Unterstützung 
geliehen haben, so hofft die rheinische Bevölkerung 
auch auf weitere Hilfe, damit die Folgen der Be 
satzungszeit bald überwunden werden 
Wir denken in der Stunde, die dem rheinischen 
Volk die Freiheit wieder gibt, an alle deutschen 
Volksgenossen in West und Ost, die noch nicht wie 
der mit dem großen Vaterland verbunden sind. 
Möge auch für sie bald der Freiheitstag anbre 
chen! Unser gemeinsames Ziel muß bleiben, 
Deutschlands Selbständigkeit und Freiheit wieder 
herzustellen. 
Dr. h. c. Konrad Adenauer. 
Oberbürgermeister von Köln. 
Die Rheinlandräumung, so sehr sie als eine 
Erlösung empfunden wird, kann auf dem bitteren 
Weg der Befreiung des deutschen Volkes nicht 
höher als eine Geste der Gegner gewertet werden. 
Die Besetzung war nichts anderes als die in Frie 
denszeiten härteste Form eines gegnerischen Wil 
lens: durch rein militärische Gewalt das besiegte 
Volk unter Druck zuhalten. Dieses härteste Druck 
mittel hat versagt. Die Gegner beginnen einzu 
sehen, daß die auf inneren Löbensständen der 
einzelnen Völker beruhende Entwicklung Euro 
pas nicht durch Gewalt zu regeln ist, man hat die 
llntauglichkeit des krassesten militärischen Gewalt 
mittels erkannt und gibt die Besetzung auf. 
Kann darum schon ein Schritt auf dem Wege 
zur deutschen Freiheit gewonnen gelten? Das 
Aeußerste, was durch die Rheinlandräumung er 
reicht ist, bleibt, daß die Gegner die Zwecklosigkeit 
der schärfsten Form ihres Militarismus erkannt 
haben. Ihren Militarismus und den Wahn, ein 
lebenskräftiges Volk, auf dessen Existenz Europa 
nicht verzichten kann, in einem unhaltbaren Zu- 
siande modernen Helotentums zu halten, haben die 
Ģegner durch die Geste der Rheinlandräumung 
nicht aufgegeben. Sie werden erst begreifen ler 
nen müssen, daß Europa und mit ihm sie selbst 
zugrunde gehen müssen, wenn dem deutschen Volke 
nicht die Lebensfreiheit gelassen wird, die seinen 
unvertilgharen biologischen Kräften entspricht. 
In dieser Erkenntnis, die nach bitteren Erfah 
rungen den Sieger- und Diktatorenwahn der Geg 
ner heilen wird, kann erst die Hoffnung auf eine 
Befreiung des deutschen Volkes und ganz Euro 
pas wurzeln. Der Freiheitsweg des deutschen Vol 
kes und der ganz Europas beginnt mit der Revi 
sion der Friedensverträge. Ein Europa, das auf 
dem papierenen Rationalismus der Friedensdik 
tate beruht, bleibt unfrei und geknechtet zugleich 
mit dem deutschen Volke. 
E. E. Kolbenheye r. 
Run ist das Rheinland frei — ein von Her- 
zen kommendes „Te Deum laudamus" erschallt 
aus sangesfrohen Kehlen, ein Dankgebet, daß wir 
diese Stunde der Freiheit erleben durften. 
Auch meine alte liebe Vaterstadt Trier, die 
mit am schwersten und am längsten heimgesucht 
war, ist wieder frei, sie, die im Laufe der Jahr 
hunderte so viel schon erdulden mußte. AIs Goethe 
sie vor 180 Jahren in schwerer Kriegszeit besuchte, 
schrieb er: „Ich wünschte wohl, die Stadt in guter 
Jahreszeit, an friedlichen Tagen zu sehen, ihre 
Bürger näher kennen zu lernen, welche von jeher 
den Ruf haben, freundlich und fröhlich zu sein. 
Bon ersterer Eigenschaft findet sich in diesem 
Augenblick noch Spuren, von der zweiten kaum; 
und wie sollte sich Fröhlichkeit in einem so wider 
wärtigen Zustande erhalten!" . . . 
Jahre lang haben die Trierer freundlich sein 
müssen — weiß Gott, wie schwer es ihnen ge 
worden ist, obwohl diese Eigenschaft nach dem 
obigen klassischen Zeugnis ihnen von jeher ange 
boren war, aber fröhlich, nein, fröhlich konnten 
sie nicht fein. Möge ihre Fröhlichkeit, welche die 
ölte Stadt meiner Kindheit auch mir ins Herz 
selegt h^t, nun von neuem erwachen, wenn die 
Gloàn und Glöckchen der Kirchen und Kapellen 
den Tag der Befreiung begrüßen, und möge diese 
Fröhlichkeit im sonnigen Moselland Kind und 
Kinder kind ungetrübt erhalten bleiben von nun 
an und in Ewigkeit! 
Clara Viebig. 
Die schönsten Punkte der Rheinpfalz. 
Oben: Zweibrücken und Ludwigshafen. 
Unten: Marktplatz von Landau und Stiftskirche von Kaiserslautern. 
Wenn um die MMernachtsstunde des 
30. Juni der letzte Eindringling den deutschen 
Boden verlassen haben wird, gilt den Rhein 
ländern und Pfälzern, die — ihrer deutschen Hei 
mat unerschüttert treu — mehr denn elf Jahre 
Leiden und Lasten feindlicher Besetzung trugen, 
unser dankerfüllter Gruß! Wohl ist ihre end 
gültige Befreiung unserer Freude, unseres Jubels 
wert. Alle Freude, aller Jubel darf uns aber 
nicht den Blick dafür trüben, daß hier kein End 
ziel erreicht ist. 
Gewiß ist eine der Fesseln und vielleicht die 
niederdrückendste, weil sichtbarste, von uns ge 
nommen,- aber zähen Kampf wird es noch kosten, 
bis wir auch die Brüder an der Saar dem frem 
den Joch entrissen haben. Wohin wir blicken: 
in West, Oft, Nord und Süd blutet das verstüm 
melte Reich aus offenen Wunden. Der allgemeinen 
Wehrpflicht beraubt, zu einem Wehrsystem ge 
zwungen, das die Grenzen fast schutzlos den Ge 
lüsten unruhiger Nachbarn preisgibt, sieht dieses 
Reich auch in jenen Gebieten, in denen mit der 
Räumung das sichtbare Zeichen unserer Knecht 
schaft verschwindet, seine Souveränität in Fesseln: 
der angsterfüllte Haß unserer Feinde verbietet dem 
deutschen Soldaten die Rückkehr in seine alten 
Standorte im Westen! 
An solchen Knebelungen ändert die Räumung 
nichts. Da darf es auch jetzt für uns kein Rasten 
geben. In unermüdlichem Ringen aller, die sich 
Deutsche nennen, heißt es: vorwärts der vollen 
Befreiung entgegen! Ich glaube an die Kraft 
und den Geist unseres Volkes zu solchem Ringen, 
weil ich an dessen inneren Kern glaube, und da 
rum bin ich auch unerschütterlich im Glauben an 
die Zukunft des Reiches. 
v. Mackensen, General-Feldmarschall. 
Auf dem Wege zur äußeren Freiheit tun wir 
einen großen Schritt vorwärts. Möge ihm folgen 
ein Fortschritt auf dem Wege zur inneren, see 
lischen Freiheit unseres Volkes! 
Dr. E u g e n Schiffer, Reichsminister a. D. 
* 
Der Tag, an dem der letzte fremde Soldat 
deutschen Boden verläßt, ist auch für mein Gefühl, 
trotz allem, was der Nation zu tragen bleibt, ein 
Tag der Freude und tiefer Erleichterung. Ein 
Stachel ist damit aus dem Fleische Deutschlands, 
dem Fleische Europas gezogen, eine Last allen 
denen vom Herzen genommen, die ein wenig 
wahrscheinlicher geworden. Er bleibt auf Erden 
immer unwahrscheinlich genug. 
Thomas Mann. 
* 
Der Rhein ist nicht bloß eine wirtschaftliche 
Größe, ist nicht nur von strategischem Werte, hat 
nicht nur politische Bedeutung. Sein eigentlicher 
Sinn für Deutschland liegt viel tiefer: Er ist 
Sinnbild des Deutschtums, wie es sich im Nibe 
lungenliede und im Kölner Dom darstellt. Rhein 
land. das ist das Aachener Münster Karls des 
Großen, ist wie keine andere Landschaft deutsches 
Sagenland, hier reift das edelste Traubengut der 
Welt, das edelste Erzeugnis deutscher Erde. Ja, 
ein Sinnbild ist der Rhein! 
Möchte seine Befreiung auch ein Sinnbild 
sein, so wie das erste zersprengte Glied der Kette 
dem Sklaven schon Freiheit bedeutet! 
B ö r r i e s, Frhr. von Münchhausen. 
* 
Ich hatte einmal einen guten Freund, er 
hieß Gustav Stresemann, einen Mann mit ganz 
deutschem Herzen, optimistisch und idealistisch. Das 
Hoffnungsfrohe lag in seiner Wesensart, und so 
auch in seiner Politik. Ueber die ungeheuerlichen 
Lasten, die uns der Poungplan aufbürdet, habe 
ich öfters mit ihm sprechen können, und dann 
pflegte er meinen Zweifeln mit den Worten zu 
begegnen: „Erst wollen wir den Rhein frei haben, 
um aufatmen zu können — und alles Weitere ab- 
hier der Weg und die Wegbereitung zu höheren 
Zielen fein. Oder wie Heinrich von Stein einmal 
sagt: die Leidenschaft, durch die wir besser werden. 
Was uns die endlich erreichte Befreiung des 
Rheinlandes sagt? 
Daß wir unsere Kräfte doppelt anstrengen 
sollen, zu erhalten, was uns geworden, um es 
vor neuen Ueberfällen und Gefahren männlich 
zu schützen. In diesem Sinne wollen wir uns 
freuen — und handeln! 
Artur B r a u f e w e t t e r. 
Zeitungszensur im besetzten Gebiet. 
Eine der ersten Maßnahmen der feindlichen 
Militärbehörde nach ber Besetzung des Rhein 
landes war die vollständige Unterdrückung der 
Presse. Später wurde diese in schärfster Weise 
zensiert. Junge Offiziere, deren oft bisher noch 
nicht einmal ausgeübter Lehrerberuf sie in den 
Augen ihrer Vorgesetzten für den Posten geeignet 
erscheinen ließ, begrüßten die willkommene Ge 
legenheit, als Zensoren eine scharfe Attacke auf 
alle Regungen des Deutschtums reiten zu können. 
Was sie oft auf dem Schlachtfeld versäumt hatten, 
das holten sie mit dem Rotstift nach. Aber auch 
diese Machtvollkommenheit genügte den Zensoren 
nicht. So zeigte einer von ihnen einen rheinischen 
Redakteur an, weil dieser ihm dauernd Artikel 
vorgelegt haben sollte, die Grund zu Beanstan 
dungen gaben. Obwohl die Veröffentlichung «kt 
Nichtveröffentlichung derselben vollständig in der 
Hand des Zensoren-lag, wurde der Redakteur doch 
zu zwei Monaten Gefängnis und zu 4CflO Mark 
Geldstrafe verurteilt. Selbst Hirtenbriefe waren 
vor dem Rotstift dieser Zensoren nicht sicher, und 
so mußte es sich der verstorbene Kardinal Hart 
mann gefallen lassen, daß in einem seiner Hirten 
briefe das Wort Vaterland herausgestrichen 
wurde. Der Redakteur aber, der das Wort stehen 
ließ, weil der Zensor es einmal übersehen hatte, 
wurde verwarnt. Erscheinungsverbote waren an 
der Tagesordnung, selbst wenn sich .der Verleger 
die redlichste Mühe gab, dem Feind keine Deran- 
> lassung zum Einschreiten zu geben. 
Burg Ltolzenfels am Rhein. 
warten ..." Er hat nicht einmal die Rhein 
befreiung abwarten können, er ist schon vorher 
in den Sielen gestorben. Am deutschen Strom will 
deutsche Dankbarkeit ihm nun ein Denkmal setzen. 
Und das verdient er auch — das immer wird un 
vergeßlich sich mit seinem Namen verbinden, daß 
er es war, der die Räumung der besetzten Ge 
biete von den alten Feinden durchgesetzt hat, ehe 
die Frist abgelaufen ist, damit wir wieder „auf 
atmen" dürfen und den Weg in die Freiheit zu 
rückfinden. Ein Baum ist gebrochen worden, und 
durch das Geläut der Glocken am letzten Räu 
mungstage klingt auch das Hoffnungssrohe Stre- 
femanns. Hoffnung ist der erwärmende Affekt 
zu mutigem Aufschwung . . . 
Feodor v. Zobeltitz. 
* 
Der Rhein ist frei! Frei von feindlicher Will 
kür und Tyrannei, frei von fremdländischem 
Wort und fremdländischem Druck! Ist wieder 
deutsch und frei und ungehemmt in seinem Lauf! 
Deutscher Sinn kann ohne den Begriff der 
Freiheit nicht gedacht werden. Freiheit aber legt 
Verantwortung auf. Nicht mit Worten und 
tönenden Reden wollen wir dies epochemachende 
Ereignis feiern. Sondern in dem Bewußtsein 
unserer dadurch verdoppelten Verantwortlichkeit: 
den Rhein und unser ganzes, immer noch aus 
tausend Wunden blutendes Vaterland deutsch zu 
erhalten. In jenem altgermanischen Sinne, dem 
die Treue die erste deutsche Tugend, die erste 
deutsche Kraft erschien . Kein Anlaß zur selbst- 
genügsamen Freude an dem Erreichten, sondern 
Anlaß, durch unentwegtes Streben nach dem höch 
sten Erreichbaren zu trachten. Freude muß auch 
Befreite Heimat. 
Aus Rheinlands schwersten Tagen. 
Erzählt von Georg Wagner. 
1918. Trotz der Trauer in der kleinen rhei 
nischen Stadt mußte jeder lächeln, der den An 
schlag dort las, den ersten, mit dem der Feind dis 
Mauern belebte. Wo mochte Fach den Dolmet 
scher herbezogen haben, der ein so ausgezeichnetes 
Deutsch schrieb? „Die Militärbehörde der Ver 
bündeten", stand da, „nimmt das Kommando des 
Landes in ihre Hände." Der Himmel mochte 
wissen, wie groß diese Tatzen da sein würden. 
„Sie erfordert von jedem die strengste Gehorsam 
keit", hieß es weiter. Gehorsamkeit? Was war 
denn das? „Die zur Zeit der Okkupation be 
stehende Gesetze und Vorschriften werden von uns 
verbürgt werden." Ein schönes Deutsch fürwahr, 
doch ein Trost wenigstens. „Die Zivilamte", ver 
sprach der Abschlag weiter, „werden unter Leitung 
und Aufsicht der Militärbehörden ihre Tätigkeit 
fortsetzen." Und dann zum Schluß: „Diese Be 
kanntmachung stellt die Landesbesetzung von den 
Verbündete Heere fest; sie erlegt jedem seine 
Pflicht auf, die darin besteht, in der Arbeit, der 
Ruhe und Zucht die Gegend wieder ins Leben 
zu rufen." Gut, wenn auch nicht schön gesprochen, 
Herr Foch, und handeln Sie bitte danach! 
1923. Fünf Fahre Besetzung hatten das 
Rheinland gelehrt, daß die Bekanntmachung da 
mals ein Wisch war. „Gehorsamkeit?" Ja, Ge 
horsam. den erzwang sich der Feind mit Schwarzen, 
mit Bajonetten gegen wehrlose Bürger, mit Mes 
sern und Pistolen gegen Frauen, die ihm nichj
	        
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