liner eigentlich von ihren Etadtvätern verlangen
können.
Papier! Papier! Papier!
Ein Hauptmerkmal der gesamten Huginschen
Dichtungen sind die köstlichen Naturstimmungen.
Die Naturbilder nehmen daher auch in ihrer
Lyrik einen breiten Raum ein und zeigen die
echte „Hineinschau-Phaniasie" der Dichterin.
Eine prächtige Schilderung der Landschaft der
schleswig-holsteinischen Ostseeküste haben wir in
dem Gedicht „Morgen":
„Mit mildem, weich-verschwommenem Blau
Umschließt der Himmel rings die Welt —
Herbstgoldene Welt —
Weit, weit hinein in heimatduft'ges Land
Dringt frei mein Blick,
Und goldnes Feld schiebt hinter Feld sich fort,
Und bläulich zieht sich Knick um Knick hindurch.
Nur ganz von Fern des Erntevolkes Stimmen,
Sonst ist so heilig still die Luft . . ."
Regensburg?" — „Ja, Ellen macht die Ausnahme-
prüfung ins Gymnasium." — „So, so, nächstes
Jahr kommt meine Irma auch dazu. Ich weiß
aber noch nicht, ob ins Gymnasium oder in die
Realschule. Bei den Mädchen soll man halt doch
auch ein bisserl drauf schaun, welche Mützenfarbe
ihnen gut steht."
Drollige Geschichten.
Das große Hindernis.
Einer Bürgersfrau aus Rhein,göheim von der
Schwergewichtsklasse wurde, da sie dringend nach
einer Wohnung suchte, zum dritten Mal eine Woh
nung zugewiesen, die sie jedoch wie die beiden vor
hergehenden wieder ausschlug. Sie wurde nun vor
das Eemeindehaupt zitiert, der ihr gründlich die
Leviten las: „Ja, Katrin, was fallt denn dir net
ei, meenscht mer sin grad for dich do?" Aber die
Katrin läßt sich nicht einschüchtern und meint:
„Beigermeeschter, die Wohnung,e hette mer schon
gehaßt, wann aber 's for mein Hinnere zu klä is,
taugt mer e ganze Villa nix."
Zn die Falle gegangen.
Bei einer Verhandlung gegen vier Burschen
aus Traunstein wegen Wilddieberei waren als
Beweismittel vier Gewehre, die man im Walde
gefunden hatte, auf den Eerichtstisch gelegt wor
den. Die Wilddiebe jedoch leugneten hartnäckig
und wollten die vier Gewehre nicht als die ihrigen
anerkennen. Man mußte die vier Burschen frei
sprechen und eben wollten sie schon den Eerichts-
jaal verlassen, da rief ihnen der Vor!sitzende nach:
„Eure Gewehre könnt ihr jetzt mitnehmen!" Die
vier ließen sich das nicht zweimal sagen und jeder
nahm ein Gewehr an sich. Erft das schallende Ge
lächter der Zuhörer belehrte sie, daß sie sich nun
zum Schluß doch verraten hatten.
Sonderbare Wege.
In einer Reutlinger Zeitung war folgendes
Inserat zu lesen: „Gefunden wurde ein künstliches
Gebiß und kann abgeholt werden bei der Latrinen
verwaltung."
Beste Qualität.
Ein Hausierer wandert von Haus zu Haus,
Zahnstocher, das Päckchen zu 25 Pfennig, anbie
tend. Als sich eine brave Hausfrau über den hohen
Preis entsetzt, meint der Hausierer gutmütig:
„Enä Frau, so guate ham 's no nia ghabt. Die
ham's überall jahrlang, da bricht eahna koana ab."
„Die Wirtschaft ist das Schicksal!"
Vor einem niederbayerischen Amtsgericht wur
de kürzlich ein Zeuge von dem Vorsitzenden ge
fragt, in welcher Weife er sich über den Leumund
des Angeklagten äußern könne. Der Zeuge
meinte: „In wirtschaftlicher Beziehung ist der An
geklagte ganz brav." Als der Vorsitzende fragte,
was er denn unter „wirtschaftlicher Beziehung"
verstehe, war der Zeuge ganz erstaunt über den
Bildungsmangel des Vorsitzenden und erklärte:
„No ja, in wirtschaftlicher Beziehung dös is, wenn
ma im Wirtshaus beinandsttzt!"
Armer Obcrhirte!
In einer höheren Lehranstalt in Freising
schrieb ein Schüler bei einem Aufsatz über die
Schönheiten des Domberges u. a. folgendes:
in rotem Ornat schreitet der Oberhirte seg-.
nend durch die Reihen seiner Gläubiger."
Die mordende Leiche.
In einer Amberger Zeitung konnte man vor
kurzer Zeit folgendes lesen: „In Haugenrieb ver
starb dieser Tage die Frau des Bauern Jacob
Beslmeisl unter mysteriösen Umständen. Man
vermutete anfänglich, daß ihr Mann sie ermordet
habe; bei der Sektion der Leiche stellte sich jedoch
das Gegenteil heraus."
Bunte Welt.
Das ist die Hauptsache.
Im Eisenbahnabteil sitzt eine Dame mit ihrem
Töchterchen, eine zweite Dame ihr gegenüber. Es
entwickelt sich folgendes Gespräch: „Fahren S' nach
Papier! Papier! Papier!
Wie wir dem „Tägl. Korr." entnehmen, um
faßt die gedruckte Vorlage für die nächste Stadt
verordnetensitzung der Stadt Berlin 152 (in Buch
staben: hundertzweiundfünfzig) Quartseiten. Es
wird innerhalb und außerhalb Berlins feit Mona
ten über die seltsame Wirtschaft in Amtsstellen
Berlins geklagt; uns scheint, daß man auch die
Papierverschwendung in den Kreis derjenigen Ge
genstände einbeziehen sollte, die künftig mit mehr
Sparsamkeit zu bewirtschaften sind; denn bei 152
Quartseiten Vorlage wird doch wohl kein Mensch
mehr glauben, daß nur einer der 226 Stadtverord
neten in der Lage gewesen sei, sich auf die Sitzung
mit jener Sorgfalt vorbereiten, die die Ber-
Rarkosc mit Rum.
Den Teilnehmern des Kongresses, den das
englische Institut für Gesundheitspflege in Port-
mouth veranstaltet, ist Gelegenheit geboten, die
Verhältnisse, unter denen die Chirurgen der engli
schen Flotte vor 125 Jahren arbeiten mußten, mit
denen zu vergleichen, wie sie heute an Bord der
modernen Schlachtschiffe bestehen. Der Admiral
Sir Keyes, der den Kongreß im Namen
der Flotte begrüßte, hat zu diesem Zweck
die Delegierten zur Besichtigung des Ho
spitals oder, richtiger gesagt, des Verbandplatzes
von Nelsons Schlachtschiff „Victory" eingeladen.
Sie erhalten dort ein instruktives Bild der Ver-
wundeienpflege jener Zeit, als „dem Arzt kein
anderes Betäubungsmittel als ein Schluck Rum
und kein anderes Heilmittel als ein Teerpflaster"
zur Verfügung stand. Dem Besuch des Schlacht
schiffes soll sich dann die Besichtigung des mit allen
Errungenschaften der modernen Technik ausge
rüsteten Hospitals eines britischen Kriegsschiffes
und des Marinelazaretts in Haslar anschließen.
Zum Lächeln und Lachen
Kein Zweifel mehr.
Lotte ist sechzehn Jahre alt, Lotte mutz kochen
und haushalten lernen. Lotte hat einen Pud
ding gekocht.
„Woran sehe ich denn nun, ob er gut ist?"
fragt Lotte die Mama.
„Stecke ein Messer hinein, und wenn es rein
herauskommt, ist der Pudding gut," sagt die er
fahrene Mama.
Nach zehn Minuten kommt Lotte:
„Der Pudding muß sogar wunderbar gewor
den sein; ich habe gleich alle schmutzigen Messer
hineingesteckt und sie sämtlich rein herausbekom
men
Drastischer Vergleich.
„Können Sie diese Schriftzüge entziffern?"
„Nein, entweder ist das chinesisch, oder ein
Arzt hat's geschrieben."
Eine treue Seele.
„Nun, wie sind Sie denn mit der neuen Uhr
zufrieden, die Sie bei mir gekauft haben?"
„Nach einer Seite hin außerordentlich gut. Die
Uhr ist wirklich zuverlässig und anhänglich wie
ein Freund."
„Wußte ich, meine Uhren sind alle gut!"
„Ja, wenn ich gehe, dann geht sie auch, und
stehe ich, gleich bleibt die treue Seele auch stehen."
„Dem Herrn, den ich eben so höflich grüßte,
bin ich viel schuldig geworden."
„Ein Wohltäter?"
„Nee, bloß mein Hauswirt."
Geleitet von Schachmeister Brinckmann.
Eine verzwackte Kombination!
a b c d e t g ii
Weiß: Dr. L. Schwarz: Brinckmann.
Allzuviel war in der Tarrasch-Aera im Schach
von Methode, Stratagemen, von aufgeplusterten
Theorien die Rede, allzuwenig von der be
rückenden Romantik der Kombination, dem Mit
reißenden des Abenteuers! Schach ist kein rein
logisches Problem, sondern mehr noch das Problem
des Kampfes mit seinen kühnen Entwürfen, sei
nem Auf und Ab, seinem unsicheren Ende. Die
Phantasie, das starke Gefühl spielen durchaus
erste Geigen in diesem Orchester erhebender An
triebe.
Die Kombination, die aus obiger Stellung
entspringt, wird — so hoffen wir — ihrer scharfen
Pointen wegen das Gefallen unserer Leser finden.
1. 8-3—05 Sf6Xd5!
Ein unerwartetes Damenopfer, das in seinen
letzten Konsequenzen keineswegs auszurechnen
war, sondern zum guten Teil aus dem richtigen
Gefühl für die Möglichkeiten dargebracht wurde.
2. Lg5Xe7 Ke8Xe7
3. Lc4Xd5 Lc8—g4
Das ist der Angelpunkt der Kombination. Tie
Antwort k2—Î3 verbietet sich für Weiß wegen ÜXk3.
Die Dame muß also schon die Flucht ergreifen.
Aber wohin? Auf Dck3 würde Le2, Dc3, Lf3 mit
der Doppeldrohnng TXs2 und Se2+ folgen, auf
Del nicht weniger schrecklich IR3! Es bleibt der
weißen Jungfrau also lediglich die finstere Ecke bl.
4. Ddl—bl Sd4—e2+
5. Kgl—hl Tg8—h8
6. g2—g3 Lg4-f3+
7. Khl—h2 Ta8—gS!
Jetzt ist der schwarze Aufmarsch beendet. Alle
Figuren wirken beim entscheidenden Ansturm
mit.
8. Kb2—h3
Um dem auf li4 drohenden Einbruch vorzubeu
gen. Es zeigt sich jedoch, daß es keinen Widerstand
mehr gibt.
8. Th8Xh4! -1-
9. g3Xh4
Oder KXh4 Th8+ usw.!
9. Se2—14+
10. Kh3—h2 Tg8—g24-
11. Kh2—ht Tg2—g4-i-
12. Khl—h2 Tg4Xh4-(-
;; .nebst Matt im nächsten Zuge.
Paul Enderlmg
Hi Slita Breiter mis
Copyright 1929 by Karl Köhler u. Co.,
Berlin-Zehlendorf, Machnower Str. 24.
(Nachdruck verboten.)
Entsetzt sah Jutta ihn an. Hatte er vorhin
wirklich nicht zugehört? Sie wollte auffahren, aber
sie bezwang sich. Cs gab ja auch noch andere Deu
tungen bei diesem rätselhaften und widerspruchs
vollen Mann, der ihr Dater war.
So stammelte sie nur, hin und her geworfen
von Glück und Beschämung: „Er wird antwor
ten... er wird kommen... er wird bauen..."
Ein kleines Klirren wurde vernehmbar: die
kleine Bronzemünze war aus ihres Vaters Hand
auf den Boden gerollt. Hatte seine Hand doch ge
zittert?
Sie bückte sich eilig. Als sie dabe-' an seinen
Kopf stieß, lachte sie leicht auf. Dann umfingen ihre
Hände Reinhagens Wangen und sie küßte ihn wie
der. Sie konnte nicht anders.
„Ob du willst oder nicht —", sagte sie dabei,
weinend vor Glück und Zärtlichkeit. Dann Prang
sie auf und rannte hinaus, wie beschämt. Sie ver
gaß ganz die Münze.
Als sie die Treppe zur Halle zur Hälfte hinun
tergelaufen war, blieb sie plötzlich stehen, beide
Hände jäh an die Brust gepreßt.
Unten stand Georg Dollingen und seine Augen
flehten ihr entgegen.
Ihre Knie begannen zu zittern, als sie ihn be
trachtete. Mein Gott, wie blaß sah er aus! Wie
zerwühlt war sein Gesicht!
Es dauerte lange, unendlich lange, bis er
lprach. „Verzeihung, ich komme nur ... ich komme
.. aber können wir das nicht wo anders be
sprechen?"
Sce nickt nur, zu keinem Worte fähig, und ging
sangsam, sich am Geländer haltend, die Treppe hin
ab, dann dicht an ihm vorüber, zum nächsten Zim
mer, dessen Tür sie öffnete. Es war das japanisch«
Zimmer, wo damals Vorheck auf sic eingesprochen
hatte.
Als er ihr Kleid streifte, schoß ein glühendes
Rot in sein Gesicht, und er folgte ihr nach kurzem
Zögern, als bereue er, nun mit ihr allein zu sein.
Sie blieb mitten im Zimmer stehen, die Hand
aus den Teetisch stützend. Warum schwieg er noch
mmer?
Sein Kopf war gesenkt, als er endlich begann:
„Ich hätt« n'chi gedacht, daß wir uns noch einmal
wiedersehen würden... daß wir uns hier wieder
sehen würden... aber ich hielt es für meine Pflicht,
Ihnen und Ihrem Vater gegenüber..."
„Pflicht?" unterbrach sie ihn mit zuckenden
Lippen. „Nur Pflicht?"
Seine Hand machte eine bittende Gebärde:
mach' es mir nicht noch schwerer, als es ist!"
„Sie haben für mich getan", fuhr seine rauhe,
des Redens entwöhnte Stimme fort, „was kein an
derer Mensch für mich getan hätte — und wahr
scheinlich noch mehr, als ich weiß. Sie sind die Ein
zige gewesen, die an mich geglaubt hat, in dieser
grauenvollen Zeit. Ich werde immer Ihr Schuld-
ner bleiben... ich will Ihrer dankbar noch in mei
ner letzten Stunde gedenken, auch wenn sie viel
später kommt, als ich es hoffe, als ich es inbrünstig
hoffe..."
Ihr Ohr fing seine Worte nicht auf; sie sah nur
immer sein zerquältes Gesicht, in dem tiefstes Lei
den seine Spur gegraben hatte. Was sollten ihr da
seine „russischen" Gedanken! Helfen wollte sie ihm;
ihr Blut zog sie zu ihm.
„Aber", fuhr Georg Dollingen dunkel fort, „Sie
werden begreifen, daß ich nur hierher kommen
konnte, um Abschied zu nehmen..."
„Abschied?" wiederholte sie erregt, bereit, zu
ihm zu gehen und ihn zu halten.
„Es muß sein. Das begreifen Sie doch? Als
ich Sie noch unter dem anderen Namen kannte, un
ter den anderen Bedingungen, da hatte ich eine
wahnsinnige schöne Hoffnung . .aber nun ist so viel
in mir zerstört worden ... ich bin nur noch ein Frag
ment meines einstigen Wesens ... und Sie dage^-u
... " Sein Blick irrte, ohne sie zu treffen, über --en
Reichtum des Zimmers, diese erlesenen Kostbarkei
ten, die doch nur ein kleiner Bruchteil vom Hause
Reinhagen waren. Seine Stimme wurde fester:
„Es ist zuviel zwischen uns, als daß ich mir dessen
nicht bewußt werden müßte, auch wenn ich nicht se
hen wollte. Sie stehen so hoch über mir."
Unsinn! — dachte Jutta, aber sie biß sich auf
die Lippen. Sie sah, daß er wund war und ver
zweifelt. Sie sah aber auch, daß aus jedem seiner
verzweifelten Worte seine Liebe sprach, seine sehn
süchtige, herbe Monnesliebe. Lang'tm fühlte sie sich
erstarken: er gehörte so zu ihr wie sie zu ihm. Nie
hatten zwei Menschen so zueinander gestrebt.
Er sprach weiter in einem Sturzbach von Wor
ten, immer neue Gründe für seinen Abschied an
gebend — und jeder neue Grund war nur ein Be
weis mehr dafür, wie unlösbar er mit ihr verbun
den war. „Sie werden begreifen —" Er schloß
unvermittelt mit diesem Wort, das er am häufigsten
gebrauchte.
Jutta lächelte unter Tränen, als sie endlich
entgegnete: „Rein, ich begreife nichts von alledem.
Ich kann Ihrem Gedankcngang gar nicht folgen.
Sie stellen mich ja viel zu hoch. Als Johanna Rei
chert — Sie müssen mir die Verkleidung schon ver
zeihen —"
„O, verzeihen!" wehrte er ab.
„— oder als Jutta Reinhagen — ich bin ein
Mädchen, weiter nichts! Aber da ist doch noch eins:
der Neubau, Sie haben den Brief meines Vaters
noch bekommen?"
„Ja, und er hat mich anfangs sehr ftoh ge
macht."
„Aanfangs?" forschte sie angstvoll. Sie hatte
geglaubt, 'damit die Brücke gefunden zu haben. Seine
Arbeit — die mußte ihn doch halten. Wie hatte er
doch damals, in dem Kaffeehaus der Leipziger
Straße, gestrahlt, als er die Möglichkeit sah, daß
seine Pläne àstalt gewinnen konnten! Warum
richtete ihn jetzt nicht der Gedanke auf, wo die Ver
wirklichung sicher war?"
„Ich kann die Arbeit nicht übernehmen", sagte
er mit Anstrengung.
„Warum nicht?"
„Sie ist mir nicht wegen Eines Könnens über
tragen worden —"
„O, wenn es dos ist!" rief sie lebhaft. „Aber
mein Dater hat sich selber dafür entschieden, ohne
vorher ein Wort darüber mit mir zu sprechen. Erst
vor wenigen Minuten erfuhr ich davon. Ich schwöre
es Ihnen, und Sie werden mir doch glauben?"
„Ich kann es dennoch nicht", antwortete er gc-
guält. „Sie werden begreifen..." Und er setzte
leise hinzu: „Lassen Sie mich gehen!"
Da begriff sie, daß er ihr näher war als je,
näher selbst als damals, da er sie auf den Strand
getragen. „Leicht wie eine Wolke am Sommerhim
mel und schwer wie eine Welt voll Liebe —* O,
sie hatte es gut behalten!
Ihre Augen blitzten in aufkommendem Ueber-
mui. „So, Sie wollen nun gehen, womöglich auf
Nimmerwiedersehen. Wissen Sie auch, was in die
sem Zimmer vor einiger Zeit geschehen ist? Es war
gerade am Abend des Tages, wo man so schändlich
mit Ihnen umging. Sehen Sie sich genau um!
Spüren Sie nicht etwas?"
„Japanisch", stammelte er. „Wunderschön,
diese Satsumavase ... und dies hier ist wohl ein
Utamaro oder ein Hireofhige? Aber..."
„Ja, aber fühlen Sie nicht, daß ein schlechter
Geruch im Zimmer ist? So nach ranzigen Gefllh-
len? Schnuppern Sie mal! Riecht es nicht nach
dem Schweiß eines häßlichen, dicken Mannes, der
mir — mir! — von Liebe stammelt, der bittet,
droht und verspricht, und alles gleich ekelhaft?
Riecht es nicht nach Borbeck?"
Er fuhr zusammen, wie unter einem unvermu
teten Schlag. „Borbeck?" grollte er auf. „Er
wagte es? Er wagte es?"
„Ja, denken Sie, er erlaubte sich das." Ihre
Stimme wurde leiser, lockender, sie wurde girrend
und schmeichelnd: „Was hätten Sie getan, wenn Sie
dazugekommen wären?"
Aus keuchender Brust rangen sich die Worte:
„Ich glaube, ich hätte ihn niedergeschlagen, diesen
Menschen."
Da ging Jutta die wenigen Schritte, die sie
noch von ihm Kennten, und blieb dicht vor ihm
stehen. „Und mit welchem Recht?"
Georg Dollingen sah sie an, zum ersten Mai
in dieser Stunde sah er sie voll an. Ihre goldbrau
nen Augen schimmerten dicht vor ihm zwischen dem
blonden Haarvorhang. Ihr Mund wölbte sich ihm
entgegen. Seine Züge entspannten sich jäh. In
seine Augen kam ein tiefes Leuchten.
„Weil ich dich liebe", sagten seine Angen.
„Weil ich dich liebe", sagte nun auch sein Mund.
„Weil ich dich liebe..."
Als sie eine Weile in seinen Armen gelegen
hatte — und er hielt sie ganz zart und vcrsichttg,
wie einen sehr wertvollen, sehr zerbrechlichen Ge
genstand — fragte sie ihn unter Küssen, lachend und
weinend vor Glück: „Und nun baust du unser
Haus?"
„Es soll das schönste werden."
„Und andere Häuser?"
„Immer neue."
„Ganze Straßen?"
„Ganze Städte?"
. „So ist es recht." Sie lehnte sich an ihn und
machte sich ganz klein. „Ich will nämlich furchtbar
stolz auf meinen Monn sein können."
Ehe er etwas entgegnen konnte, ging eine Tür
auf. die Matte teilte sich, und Reinhagen stand im
Zimmer.
Er schien gar nicht zu bemerken, wie sie auseiu-
anderfuhren, ging auf Georg zu und sagte mit sei
ner reservierten Höflichkeit: „Herr Dollingen, nicht
wahr? Es freut mich, daß ich endlich das Ver
gnügen habe. Ich erwarte Sie schon lange."
Jutta sah ihren Pater an und begriff plötzlich,
daß er längst alles gewußt hatte, daß er sich viel
leicht viel mehr um sie gesorgt hatte, als sie je ahnen
würde. Sie verstand mit einem Male, daß 'eine
Rätsel sich alle mit seinem Wesen erklärten und daß
er ein Meister des Lebens war — nur eben aus seine
Art.
Sie griff rasch nach seiner Linken, und da wäh
rend ihrer Ueberlegung die Hand ihres Paters noch
begrüßend in Georgs Hand lag, hielten sie einander
nun zu dritt wie Verbündete und gegen das Leben
Verschworene: der „bekannte Sammler und Wissen
schaftler", der junge Architekt und Jutta, die nichts
war, als ein Mädchen...
Ende!