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Der WâfrasssNksKgrsfz
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40 Millionen Fronen oller Völker und Rassen
.bilden die geschlossene Organisation des Interna
tionalen Frauenbundes der soeben in Wien seine
Generalversammlung abgehalten hat.. Seit Jah
ren mehrte sich die Zahl der Länder, die sich den
Zielen der Frauenbewegung und deren weltum
spannenden Gedanken des Fortschrittes in der
Entwicklung erschlossen und Bindung suchten zu
.gemeinsamer Arbeit. Im Rahmen der Tagung
fanden mehrere wichtige Konferenzen und öffent
liche Versammlungen statt, wobei der vom Interna
tionalen Frauenbund einberufenen Landfrauen-
konferenz eine besondere Bedeutung zukommt. In
allen Erdteilen haben sich bereits Landfrauen-Or-
ganisationen gebildet, aus denen sich in absehbarer
Zeit eine Weltorganisation konstituieren wird. Von
Lady Aberdeen begrüßt und unter dem Vorsitz der
Gräfin Margarete Keyserling!, Deutschland, wurde
eine Reihe landwirtschaftlicher Probleme erörtert.
Man hat dabei den Mangel der Organisationen
der landwirtschaftlichen Bevölkerung hervorgeho
ben und eine landwirtschaftliche Schulung, Be-
kanntgebung der neuesten Forschungen durch die
Vermittlung der Frau, durch Borträge etc. emp
fohlen. Es konnte auch festgestellt werden, daß sich
durch den Verdienst und die Arbeit der Landfrau
Einkommen- und Lebens-Standard verbessert hat.
Großen Beifall fand der Vortrag von Miß Fry-
singer vom Landwirtschaftsministerium der Ver
einigten Stalen. Die Vortragende beleuchtete die
Markt- undAbsotz-Probleme,Standardisierung land
wirtschaftlicher Produkte und betonte die Not
wendigkeit fachlicher Schulung, Bildung und Er-
holungsmöglichteiten für die Bäuerin zu schaffe».
700 Delegierte, darunter solche aus den fernsten
Ländern der Erde waren erschienen, auch promi
nente Vertreterinnen, bekannt auf dem Gebiet der
Frauenbewegung, Wissenschaft usw. konnte man
dort sehen. Wien als Kongreßstadt gab den Ver
anstaltungen einen anmutigen Rahmen. — Der
Begrüßungsabend in dem herrlichen Festsaal der
Hofburg wurde zur Heerschau von Frauen eines
Lunten Völkergemisches. Bundeskanzler Dr. Scho
ber konnte mit Recht sagen „Meine Damen und
nebenbei meine Herren"; neben der Präsidentin,
Lady Aberdeen, sah man die greise Führerin der
österreichischen liberalen Frauenbewegung, die 91-
jährige Marianne Hainisch, und in den Reden, die
die beiden „Großmütter der Frauenbewegung", wie
Alice Salomon geäußert haben soll, hielten, wurden
die Erinnerungen lebendig, die auf Jahrzehnte zu
rückreichen. Was die zweite Frauengeneralion an
Arbeit leistete, kam in den Berichten zutage, die von
den zehn Kommissionen des Internationalen Frau
enbundes betreffend ihre Tätigkeit, innerhalb der
letzten Geschäftsperiode erstattet worden sind; es
wurden aus den großen Fragenkomplexen heraus
Anträge erstattet, die z. B. besonders was weib
liche Polizei, Schutz- und Heiratsalter betreffend,
bemerkenswert sind, ferner die Schaffung eines
Versicherungssystems für weibliche Auswanderer
angeregt. Mme. Avril de St. Croix schlägt zum
Studium die Frage der Ausweisung und Wieder-
einbllrgerung fremdländischer Protestuierter vor.
Ueber Kamps gegen Mädchenhandel, aber auch über
Kindeswohlfahrt, Volkshygiene, Lichtspielwesen u.
a. m. wird gesprochen und selbst die Frauenstimm
rechtalliance, deren Präsidentin Mrs. Corbett Ash
by, eine der bedeutendsten und sympathischsten Er
scheinungen des Kongresses ist, muß infolge ihres er
weiterten Programms, das auf staatsbürgerliche
Frauenarbeit übergreift, zu einer Art Arbeitstei
lung und -Vereinigung mit dem Internationalen
Frauenbund gelangen! Von großem Interesse sind
die Berichte der Delegierten des Völkerbundes, be
sonders auch der Vortrag, den in einer privaten
Wirtschaftskonferenz unter Vorsitz des Handels
ministers Dr. Michael Hainisch Sir Arthur Salier
vom Völkerbundssekretariat über „Wirtschaftliche
Faktoren und Weltfrieden" hielt. Vom Jnter-
nätionalen Arbeitsamt war Mlle. Mundt entsandt;
man konnte klar die Bedeutung der Fühlung von
Frauenbewegungen mit diesen großen internatio
nalen Zentren erkennen. — Großen Eindruck auf
die Oefsentlich-keit machte der Abend der Jugend,
die als dritte Generation auf den Plan trat, als
Rednerinnen Alice Salomon, Mme. Pichon Lan-
drey. Miß Cristitsch und eine begabte junge Oester
reicherin, Fräulein Christel Beck-Mauagetta; die
Themen der Reden in Frageform, das letzte Thema
„Was wir jungen von der Frauenbewegung er
warten?" — Abgeklärt hingegen klangen die Rü
den am Abend des 3. Juni: „Frauen als Vermitt
lerinnen internationaler Verständigung", Dr. Va
leria Parker (amerikanische Nationalökonomin),
Mlle. Shebeko, ehemaliges Reichstagsmitglied (Po
len), Miß Cornelia Sorabji, Rechtsanwältin (In
dien), die glänzende Rcdnerin Prinzessin Cantacu-
zene (Rumänien) und Gertrud Bänmer mit einem
hervorragenden Referat, behandelten das aktuelle
Thema. Daurch olle Referate zog der Friedens
gedanke, im Einklang mit der „goldenen Regel"
des Internationalen Frauenbundes. „Tu du an
dern, wie du willst, daß man dir tue.* — An diesem
Abend kam auch das englische Parlamentsmitglied
Mr. Clive Morrifon-Bell zum Wort, der ein
Modell gefchafen hat, das in proportioneller Veran
schaulichung die Zollschranken, zeigt, die die Völker
voneinander trennen. Dieses Modell war im
Vestibül der Hofburg zu besichtigen. — Alan kann
dem Kongreß auch die große optische Wirkung nicht
absprechen, die er auf die Oefsentlichkeit ausübte;
dem tiefer Blickenden bleibt die Frage offen, wie
wird die Entwicklung der Zukunft fen?, wo sich
die sogenannten Frauenfragen immer mehr ver
zweigen. Daß da die weltanschauliche Einstellung
nicht übersehen werden kann, lehrt bereits die Ge
genwart; im Hinblick auf weltanschauliche Ein
stellung hat die katholische Fraucnovganisation Oe
sterreichs, die kurz vorher au dem katholischen in
ternationalen Fvauenkongreß in Rom teilgenom
men hat, von einer offiziellen Beteiligung an dem
Wiener Kongreß abgesehen. — Zu dem Frauenhand
buch, das vom Bund österreichischer Frauenver
eine gelegentlich dieses Kongresses langer Hand vor
bereitet, herausgegeben wurde, hat die sozialdemo
kratische Frauenbewegung ein ihren eigenen Stand
punkt vertretendes sozialistisches Gegenstück ge
wissermaßen als Begrüßung des Kongresses erschei
nen lassen. — In verschiedener Form ist also An
regung von dieser großen Frauentagung ausge
gangen, und eine Reihe offizieller Empfänge,
künstlerischer Darbietungen, interessanter in die
Togungsmaterie einschlägiger Besichtigungen haben
das bunte bewegte Bild dieser letzten Wiener Kon
greßzeit noch verschönt und es ist zu hoffen, daß
damit den Frauenfvagen und vor allem der Völker
verständigung ein neuer Erfolg beschieden sein wird.
Olga Rudel-Zeynek.
Berlin: Die Generalversammlung às Ver
bandes Deutscher Erzähler wählte u. a. 2 Frauen
als Beisitzerinnen und zwar Vicki Baum und Clara
Vieüig.
Vereinigte Staaten: Die Landwirtschaftliche
Fakultät an der Universität Wisconsin stiftete 1909
fünf jährliche Preise für Persönlichkeiten, die sich
während des Jahres besonders um die Landwirt-
ichaft verdient gemacht haben. Dieses Jahr emp
fingen zwei Frauen Preise: Mrs. Meredith, wel
che die Familienfarm nach dem Tode ihres Gatten
allein leitete und besonders die Viehzucht ent
wickelte; ihre Tiere erhielten mehrfach Preise auf
Ausstellungen; — ferner Mrs. Hamrahan, die eine
Farm in äußerst schlechtem Zustand übernahm und
sie zu hoher Blüte brachte.
London: Wie berichtet, wird die Londoner
Polizei demnächst acht Frauen für den Detektiv
dienst anstellen. Diese Detektivinnen werden sich
mit von Frauen verübten Verbrechen besassen und
außerdem in Fällen von Mädchenhandel sowie beim
Verkauf von Rauschmitteln Untersuchungen durch
führen.
BuchcmpfchlkMA.
Führende Frauen Europas. Im Verlag <£.
Reinhardt, München, erschien der zweite Band des
von Elga Kern herausgegebenen Werkes, das
Selbstdarstellungen bedeutender Frauen aus den
verschiedensten Ländern und Arbeitsgebieten ent
hält. (Preis 7.50 Rm.) Dieser Band umfaßt 25
Beiträge; man trifft aus Namen, die man im ersten
Band vermißte, so namentlich Ricarda Huch, die
eine einfache sachliche Schilderung ihres Werdegangs
gegeben hat. Enrica von Handel-Mazetti findet
Worte über das unbeschreibliche Glück des Schaf
fenden, die ihr alle schöpferischen Frauen nach
fühlen werden. Eine reizvolle kleine Dichtung ist
die Jugend- und Heimatschilderung der Französin
Colette. Die Chemikerin Professor Andronikow-
Wrangcll gibt eine Rückerinnernng an die Bolsche-
wlstenherrschaft in den baltischen.Provinzen, die
die Forscherin in schwere Gefahr brachte. Marianne
Hainisch, die mehr als 90 jährige österreichische
Frauenführerin, die Moskauer Physiologiepro
fessorin Lena Stern, Helene Vacaresco, die rumä
nische Völkerbundsdelegierte, Margherita Sar-
fatti, die Bigraphin Mussolinis, die tschechische
Senatorin Plaminkowa seien besonders erwähnt.
Auch wenig genannte Namen findet man, denn dis
Herausgeberin sieht es als ihre Hauptaufgabe an,
der Allgemeinheit zu zeigen, daß es auf allen Kul
turgebieten Frauen gibt, die Spitzenleistungen voll
bringen, also häufig solche, die außerhalb ihres
Fachkreises unbekannt sind. Die Schwierigkeit der
Auswahl zeigt sich natürlich auch in diesem Band;
immer werden die verschiedenen Richtungen, Be
strebungen, Weltanschauungen finden, daß sie nicht
genügend oder überhaupt noch nicht berücksichtigt
sind. Auch ist der Begriff der „Führenden Frau"
nicht auf die Mehrzahl anwendbar. Doch bleibt
dem Leser der Eindruck tapferen zielsicheren Stre-
bens und bedeutender Leistungen und das ist schließ
lich das Wesentliche. Johanna Dewitz.
Vsm Màè Schàihess
LàrrSwà.
Die Jahresberichte der kolonialen Frauenver
eine zeigen, daß Rendsburg verhältnismäßig große
Ortsgruppen besitzt. Gewiß ist darum auch hier für
Schriften Interesse, die vom Leben und Wirken
Deutscher im fernen Ausland berichten. Eine be-
sondere Stellung in diesem Schrifttum nehmen
die Werke Albert Schweitzers ein. Und wer seine
Werke, Zwischen Wasser und Urwald, Mitteilungen
aus Lambarene; Aus meiner Kindheit und Ju
gendzeit; Perfall und Wiederaufbau der Kultur.
Beckfche Verlagsbuchhandlung, München, kauft, hilft
mit au seinem Lebenswerk, denn ihr Erlös fü. |
diesem zu. Wer ist denn Albert Schweitzer und wer
ist sein Werk? In dieser Zeit der Skandale und
der Geldgier wirkt es fast wie ein Wunder, seine
Geschichten zu hören. Und wir Deutsche dürfet
stolz und dankbar sein, daß „er unser ist". Albert
Schweißer wurde schon frühzeitig Professor der
Theologie — den Dr. phil. hatte er sich auch schon
erworben — an der Universität Straßbuvg. Außer
dem war und ist er einer der besten Orgelspieler
Deutschlands, ein hervorragender Bachkenner, Ver
fasser eines in 3 Sprachen übersetzten Buches über
Ioh. Seb. Bach. Mit 30 Jahren fängt er an, neben
seiner Lehrtätigkeit auch noch Medizin zu studieren
und wird 1913 Dr. med. Und dann — gibt er
alles in Deutschland auf, seinen Lehrstuhl, seine
Musik, seine Schriftstellerei, Heimat und Freunde,
um nach Zentral-Afrika zu gehen und dort den
Kranken zu helfen, von deren großer Not er gehört
hatte. Das Gleichnis vom reichen Mann und ar
men Lazarus läßt ihn nicht mehr los: vier Euro
päer mit allen Mitteln der Wissenschaft sind der
reiche Mann, die Schwarzen, zumal die Zentral-
Asrikas, in der Heimat der Schlafkrankheit, leiden
Not körperlich und seelisch wie der arme Lazarus.
Es ist für Schweitzer ein Gebot christlicher Nächsten
liebe, zu helfen, wo die Not am größten ist. Alles,
was sein Bach-Buch und seine Orgelkonzerte ein
gebracht haben, widmet er seinem Hilfswerk, das
durch die Güte vieler Freunde in Deutschland und
anderer Länder für mehrere Jahre sichergestellt ist,
und schisst sich mit seiner Frau, die die Kranken
pflege erlernt hat, 1913 nach Lambarene im Kon-
gogebiet ein, wo ihm auf dem Gebiet der franzö
sischen Missionsstation ein Haus zur Verfügung ge- <
stellt wird. Von seinem ersten Arbeitsja.hr be
richtet sein Buch: Zwischen Wasser und Urwald,
weiteres schildert er in den „Mitteilungen aus
Lambarene". Er findet so erdenklich viel Not vor,
daß seine Tage immer zu kurz für alle Arbeit sind.
„Daß ich die Tage der Qual von ihnen nehmen darf,
das ist es, was ich als die größte Gnade empfinde,
denn der Schmerz ist ein schlimmerer Herr als der
Tod." Die Bescheidenheit, die auch aus diesen
Zeilen spricht, ist der Grundzug seines Charakters,
er ist das Werkzeug, Gott gibt Kraft und Gnade.
Er ist nicht nur Arzt, er ist auch Missionar. Er
sieht, was ein Europäer ohne eigenen Augenschein
nie glauben würde, wie grausig das Leben der
armen Menschen ist, die ihre Tage in Furcht vor
Fetischen verbringen. Da hält er es für Menschen
pflicht, den primitiven Völkern eine neue Weltan
schauung zu bringen. Auch der größte Skeptiker,
meint Schweitzer, würde an Ort und Stelle Freund
Ban Kerr Leide« emes
weiblichen Genres.
Vigee Le Brun, wohl die berühmteste fran
zösische Malerin, hat in ihrem Leben eine große
Anerkenung, aber auch viel Neid, Mißgunst und
Verleumdung erlebt. In ihren Lebenserinnerungen
klagt sie immer wieder über die Verleumdungen, die
man gegen sie ausstreute. Das unglaublichste war
wohl die Behauptung, ihre Bilder feien gar nicht
von ihr, sondern von einem männlichen Maler,
M. Menageot, obschon dieser eine völlig entgegen
gesetzte Art zu malen hatte. Auch malte Vigee
Le Brun vor allem Portraits, und alle diese Per
sonen, die ihr gesessen hotten, waren Zeugen ihres
Schaffens. Man sieht, in welchem Maße sich die
Bosheit über die Leistungen einer Frau auswirken
kann. „Obgleich ich das harmloseste Geschöpf war,
das je existierte", schreibt die Malerin selbst, „so
hatte ich doch Feinde; nicht allein waren mir einige
Frauen böse, daß ich nicht so häßlich war wie sie,
auch mehrere Maler konnten es mir nicht verzei
hen, daß ich eine große Zugkraft auf das Publikum
ausübte — und daß meine Bilder teurer bezahlt
wurden als die ihren. Daraus folgte, daß man mir
tausenderlei Dinge nachsagte, von denen mich eines
tief betrübte. Kurze Zeit vor Ausbruch der Revo
lution malte ich M. de Calonne und stellte sein
Portrait im Salon aus; ich hatte den Minister
sitzend, bis zur halben Höhe der Beine gemalt, was
Mademoiselle Arnault, als sie es betrachtete, zu
dem Ausspruch veranlaßte: „Madame Le Brun hat
ihm die Beine abgeschnitten, damit er am Platze
bleibt." Leider war dies witzige Wort nicht das
einzige, zu dem mein Bild Anlaß gab, ich sah mich
bei dieser Gelegenheit Verleumdungen der schlimm
sten Art ausgesetzt. Zuerst wurden tausend abge
schmackte Geschichten über die Bezahlung des Bil
des in Umlauf gesetzt. Die einen behaupteten, der
Generalkontrolleur hätte mir eine große Anzahl
in Kassenscheinen eingewickelter Bonbons zugeschickt,
andere sagten, daß ich in einer Pastete eine Sum
me Geldes, groß genug, um den Staatsschatz zu
ruinieren, erhalten, schließlich tausend Lesarten,
von denen eine so lächerlich war als die andere.
Tatsache ist, daß M. de Calonne mir viertausend
Francs in Kassenscheinen in einer Dose schickte, vie
auf zwanzig Louisdor geschätzt wurde. Einige von
denen, die zugegen waren, als ich die Dose erhielt,
leben noch und können es bestätigen; mau wunderte
sich sogar über die geringe Summe, da ich nur kurz
zuvor von M. de Beaujon, den ich in derselben
Größe gemalt hatte, achttausend Francs erhielt,
ohne daß jemandem eingefallen wäre, diesen Preis
zu hoch zu finden. Jdessen wurde dies Thema von
böswilligen Menschen immer wieder zu neuen
Klatschereien ausgesponnen. Man beschuldigte mich
in Schmähschriften, mit M. de Calonne in intimen
Verhältnissen zu leben. Ein gewffser Gorsas, der,
wie man mir sagte, ein wütender Jakobiner sein
sollte, den ich aber niemals gesehen habe, stieß
schreckliche Lästerungen über mich ans". Die Ma
lerin war um so betroffener über die Verleumdun
gen, als sie ein ziemlich einfaches Leben führte und
Herr de Calonne ihr auch nie verführerisch erschien,
„denn er trug von Amts wegen eine Perücke. Eine
Perücke! Stellen Sie sich nur einmal vor, wie ich,
mit meiner Liebe für das Malerische, mich an eine
Perücke hätte gewöhnen sollen! Ich habe stets ein
Grauen davor gehabt, so daß ich eine sehr reiche
Heirat ausschlug, nur weil der Bewerber eine Pe
rücke trug, und nur ungern malte ich solche Her
ren." Die Künstlerin war mit einem Manne ver
heiratet, der sich des ganzen Geldes, das sie ver
diente, bemächtigte, ohne es nötig zu haben. Sie
hatte oft nicht mehr als 6 Francs in ihrem Besitz,
obfchon sie große Summen mit ihren Bildern ver
diente. Doch lassen wir die Malerin mit den ei
genen Worten der Erinnerung sprechen: „Im Jahre
1788 malte ich das Bald des schönen Prinzen Lu-
bomirski, damals ein Jüngling; seine Tante, die
Prinzessin Lubomirfta, schickte mir dafür zwölf-
tausend Francs, ich bat Herrn Le Brun. mir zwei
Louis davon zu lassen, er schlug es mir indessen
ab und behauptete, er bedürfe der ganzen Summe,
um gleich einen Wechsel -damit einzulösen. Ge
wöhnlich kassierte übrigens M. Le Brun das Geld
selbst ein und versäumte sehr oft, es mir zu sagen.
Ein einziges Mal in meinem Leben habe ich — es
war im September 1789 — das Geld für ein Por
trait erhalten, es war das von Bailley de Cruffol,
der mir hundert Louis schickte. Glücklicherweise
war mein Gatte nicht zu Hause, so konnte ich die
Summe behalten, die mir nur wenige Tage später
(den 5. Oktober) dazu -diente, noch Rom zu gehen."
Die Künstlerin malte auch ein großes Bild der
Königin Marie Antoinette mit ihren Kindern. Der
König wollte ihr das'Ordensband des Saint-Michel
verleihen, das nur an Künstler und Gelehrte ersten
Ranges verliehen wurde. „Gerade damals hef
teten sich die gehässigsten Verleumdungen an meine
Person, ich fürchtete daher, daß durch eine so hohe
Auszeichnung der bereits erregte Neid den Gipfel
punkt erreichen würde, und von Dankbarkeit durch
drungen bat mich dennoch M. dÄngevilliers, alles
aufzubieten, um den König von dem Vorhaben ab
zubringen, mir die hohe Gunst zu gewähren". —
Obschon Bigee Le Brun einfach lebte, wurde ihr
gern Verschwendung unterstellt. Don einem kleinen
Fest, das ihr 15 Francs gekostet hatte, erzählte
man zuerst in Paris, daß es 20 000 Francs ge
kostet hätte, allmählich brachte das Gerücht es sogar
auf 80 000 Francs. Einen ihrer Pariser Ver
leumder, den sie persönlich nie gesehen, von dessen
ungünstigen Reden sie aber gehört, traf sie in Pe
tersburg. Er besuchte eine Freundin, bei der sie
sich gerade aufhielt und sie versteckte sich hinter dem
Vorhang. Die Freundin brachte nur die Rede auf
Vigee Le Brun, da trat diese hervor und sagte:
„Mein Herr, Sie kennen also Madame Le Brun
sehr gut?" Er ist nun gezwungen, Ja zu sagen —
„Das ist doch seltsam", fahre ich fort, „denn ich,
mein Herr, bin Madame Le Brun, dieselbe, die Sie
verleumdet haben, und ich sehe Sie heute zum
erstenmal in meinem Leben." Diese Worte machten
einen solchen Eindruck auf ihn, daß ihm die Knie
schlotterten. Er nahm seinen Hut, ging hinaus
und ward seitdem nicht wieder gesehen, denn in den
besten Häusern wurde der Befehl erteilt, ihn an der
Tür abzuweisen. In Petersburg fand die Künst
lerin viel Beifall, die große Katharina unterstützte
sie, aber ihr Günstling Zuboff, ein Mann von 21
Jahren, verfolgte sie mit seinem Haß. Die Malerin
malte das Bild der beiden Enkelinnen der Kaiserin
Katharina in einfacher griechischer Gewandung.
Darauf ließ der Günstling Zuboff ihr sagen, daß
Ihre Majestät an der Kostümierung Anstoß ge
nommen hätte. Das Bild wurde nun ganz verän
dert, dann erst erfuhr die Malerin, daß Zuboff ihr
einen Streich gespielt habe. Es blieb aber nicht bei
diesem einen, Vigee Le Brun erzählt noch einen
andern: „Um das Portrait der Großfürstinnen und
andere meiner Arbeiten zu sehen, kamen eine
Menge Menschen zu mir. Da ich nicht meine gan-
zen Vormittage verlieren wollte, hatte ich den
Sonntag dazu bestimmt, mein Atelier zu zeigen, wie
ich es stets in allen Ländern, in denen ich gewesen,
getan. Meine Wohnung lag dem Palast gegen
über, alle diejenigen also, die der Kaiserin ihre
Aufwartung gemacht, hatten nur nötig, ihre Wa
gen wenden zu lassen, um gleich darauf vor meiner
Tür halten zu lassen. Zuboff, der augenscheinlich
nicht begreifen konnte, daß man sich in Massen zu
einer Malerin begab, um Bilder bei ihr anzusehen,
sagte eines Tages zu Ihrer Majestät: „Sehen S''e
nur, Madame, man macht auch Madame Le Brun
den Hof, sicherlich sind es Stelldicheine, die man sich
bei ihr gibt". Zu meinem Gluck glitt die böse
Rede an dem hohen (Seifte, an den sie gerichtet, ab.
Die Kaiserin schenkte den Worten ihres Günstlings,
in denen so viel Ungeschicklichkeit und Hinterlist
lagen, keine Aufmerksamkeit, aber der Prinz von
Nassau hate sie vernommen und teilte sie mir gleich
mit, so entrüstet war er darüber". — Die Verleum
dungen, denen die qroße Malerin ausgesetzt war,
haben ihr manches Mal „das Berühmtsein" verlei
det, besonders, so lagt sie selbst, wenn man das Un
glück hat, Frau zu sein. Und hat man denn je
erlebt, daß ein großer Ruf, welcher Art er auch sei,
nicht Mißgunst hervorgerufen hätte?
Dr. M. Vaerting.