Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 2)

Nr. 138 
ur Unterhaltung 
^ļlags der Schleswķg-Holflemļschen Landeszeļtung (Rendsburger Tageblatt) 
Montag, den 16. Juni 
<d 
Mofeffsrerr-Ģrschrchten. 
Ein ehemaliger Schüler kam zu Hensel und 
klagte ihm sein Leid. Er sei an das Gymnasium 
von N. versetzt, das sei ein trostloses Nest, in dem 
er versumpfen müsse. 
„Wieviel Einwohner hat es denn —?" 
„Neuntausend." 
„Na, als Goethe nach Weimar kam, hatte es 
3000 Einwohner. Es wird von Ihnen gar nicht 
mehr verlangt, als daß Sie in N. dreimal so viel 
leisten als Goethe in Weimar geleistet hat, und 
das können Sie bei der Einwohnerzahl glatt tun!" 
Bei dem verdutzten Gesicht des jungen Man 
nes fügte Hensel hinzu: „Wir haben seit einiger 
Zeit eine Methode, den Verkehr mit großen Män 
nern auf Flaschen zu ziehen, die Bücherschrank ge 
nannt wird. Wenn Sie in N. einen Platz fin 
den, um sich Goethes und Platos Werke hinzu 
stellen, und dann doch versumpfen, so liegt die 
Schuld lediglich bei Ihnen." 
Von dem schönen kollegialischen Verhältnis in 
Hsnfels Straßburger Zeit zeugt eine hübsche Ge 
schichte, die er mit Naunyn erlebte. Dieser be 
handelte ihn während einer Krankheit mit rüh- 
tenbei Sorgfalt in seiner Wohnung. 
Bei seinem ersten Ausgang suchte Hensel Nau 
nyn auf, bedankte sich bei ihm und bat um seine 
Liquidation. Naunyn sagte: „Das können wir 
gleich abmachen: Sieben Besuche zu 10 M, macht 
70 Jl. Das was Sie mir neulich über Kant ge 
sagt haben, war mir 80 M wert. Also hier haben 
Sie 10 JL und die Sache ist erledigt." 
Damals machte der „Rembrandt als Er 
zieher" in Straßburger Professorenkreisen viel 
von sich reden. Als an einem Abend allgemeine 
Begeisterung darüber laut wurde, sagte Hensel: 
niemand könne das Buch zu Ende lesen. Von al 
len Seiten darob angefallen, fragte er auf Ehren 
wort jeden einzelnen, ob er es zu Ende gelesen 
habe, und es stellte sich heraus, daß in der Tat 
niemand dazu gelangt war und der einzige, der 
es ganz durchgelosen hatte, Hensel war, der be 
hauptet hatte, dies sei unmöglich. 
Hensel war als sehr gütiger Examinator be 
kannt. Einmal aber klagte ihm ein sehr tüchti 
ger, aber auch sehr nervöser Student: „Sie sollen 
sehen, Herr Professor, schon bei der ersten Frage 
breche ich zusammen!" 
Als nun das Examen begann, fragte Hensel: 
„Wie haben Sie denn heute nacht geschlafen, Herr 
Kandidat?" 
„Danke vielmals, sehr gut, Herr Professor," 
stotterte er. 
Worauf Hensel: „Na, sehen Sie, die erste 
Frage haben Sie schon mit sehr gut beantwortet, 
was wollen Sie denn eigentlich?" 
Der Student bestand das Examen. 
„Weshalb wünschen Sie denn das zu wissen?" 
„Ich wohne in Oberursel, und in einer hal 
ben Stunde geht der letzte Zug dahin. Ich kann 
mir auch noch ein Auto nehmen, aber das ist teuer, 
und ich würde es nur tun, wenn ich noch die Aus 
sicht auf einige so schöne Geschichten hätte." 
„Wenn die Sachen so liegen, dann kann ich 
Ihnen gar nichts Besseres raten, als daß Sie 
sehen, Ihren Zug noch zu kriegen. Wie ich mich 
kenne, kommt gegen Ende des Abends nur noch der 
Anhub zum Vorschein. Ich fürchte, Ihr Hierblei 
ben würde sich nicht rentieren!" 
Der ernste Herr sagte: „Ich denk, ich werd's 
doch riskieren —!" 
Als man nach zwei Stunden aufbrach, schüt 
telte er dem Professor die Hand und sagte: „Ich 
danke, Herr Professor, es hat sich rentiert —!" 
Sportgerechtes rmd 'gŞhrliches k. o. 
Wenn der sportlich interessierte Lai einem 
Boxkampf beiwohnt oder ihm lösend in den Zei 
tungsberichten nacherlebt, kann er sich kaum vor 
stellen/daß es dabei ohne ernsthafte Verletzungen 
abgehen sollte In Wirchlichkeit ist der k. o.-Schlag 
keineswegs gefährlich, wenn er nur richtig geführt 
wird, d. h. wenn beim Schlag nur eine der sieben 
Körperstellen getroffen wird, die so empfindlich 
sind, daß dabei eine Ohnmacht oder Betäubung 
von kürzerer oder längerer Dauer, aber ohne ir 
gendwelche Folgen, hervorgerufen wird. Es kommt 
beim sportgerechten Boxen daher nicht auf die 
Wucht des Schräges an, sondern auf seine korrekte 
und zielsichere Führung. Die erwähnten Stellen 
find die beiden Halsschlagadern links und rechts, 
ferner die unterste Herzspitze, der Magen, die Le 
ber und ein Nervenbündel, das knapp unterhalb 
des Brustkorbes liegt, „Solarplenus" genannt, so 
wie die Kinnspitze. Bei einem Schlag auf eine 
dieser Stellen setzen die Nerven, die die Blutge 
fäße zusammenziehen, auf gewisse Zeit ihre Tätig 
keit aus. Die Blutgefäßmuskeln, die in norma 
lem Zustand stark verengt find, weiten sich aus, 
das Blut bleibt in diesen geweiteten Gefäßen ste 
hen, wodurch die Blutzirkulation ins Stocken ge 
rät, die Folgen sind ein Sinken des Blutdrucks 
und Blutleere im Gehirn, woraus sich Ohnmacht 
und Bewußtlosigkeit ergeben. Nach kurzer Dauer 
verfliegt diese Wirkung des Schlages wieder, die 
Nerven neh>men ihre Tätigkeit wieder auf, und 
durch die Verengung der Blutgefäße beginnt das 
Blut wieder seinen gewöhnlichen Kreislauf. Auf 
eine dieser Stellen, die Leber, hatte es Sharkey 
bei seinem verhängnisvollen Schlag abgesehen, den 
er gegen seinen Gegner führte; er traf jedoch — 
ob mit oder ohne Schuld bleibe dahingestellt — 
die Stelle nicht und führte einen jener gefährlichen 
Schläge in die Eingeweide-gegend, die, wie auch 
Genickschläge, streng verpönt sind und die sofortige 
Disqualifizierung zur Folge haben. Gefährlich ist 
unter Umständen der Schlag auf die Kinnspitze. 
Dabei wird eine Erschütterung der Bogengänge 
im Mittelohr hervorgerufen, und darauf das ver 
längerte Mark von Klein- und Eroßgehirnrinde 
reflektorisch beeinflußt, wodurch sofort Schwindel 
und montane Betäubung eintreten; bei einem sehr 
schweren Schlag kann der Getroffene eine Gehirn 
erschütterung mit allen üblen Folgen davontragen. 
Ditvlk Welt. 
Unterirdische Städte. 
In einem Vortrag, den Hensel in Frankfurt 
o. M. hielt, waren Freunde und Verwandte aus 
Marburg herübergekommen und saßen, nach gut 
überstandenem Vortrag, in sehr fröhlicher Stim 
mung im Bahnhofsrestaurant, und Hensel erzählte 
eine Geschichte nach der anderen. 
Plötzlich erhob sich am Nebentisch ein langer, 
ernster Herr und verbeugte sich :„Herr Professor, 
ich möchte mir die Anfrage erlauben, ob heute noch 
viele so schöne Geschichten kommen?" 
In Nordafrika gibt es ganze Ortschaften, 
die ihre Wohnungen unmittelbar unter der 
ebenen Oberfläche haben. So liegt z. B. im 
südlichen Tunesien die Stadt Matmata mit 
8000 Einwohnern, die der schwedische Sahara 
reisende Gösta Moberg besucht hat. In dieser 
Stadt sieht man keine oberirdischen Wohnge 
bäude, vielmehr nur große Löcher von 16 Me 
ter Umfang und 9 Meter Tiefe. Die Wohn- 
räume der einzelnen Familien liegen auf 
dem untersten Boden, während die oberen 
Stockwerke der unterirdischen Häuser Ar 
beitsräume und Vorratskammern sind. Auch 
Schulen, Kaufläden, Versammlungshäuser, 
kurz alles, was zu einer Stadt gehört, liegt 
unter der Erde. Aehnlich ist die von dem 
Orientsorscher C. Rathjens beschriebene Trog- 
lodytenstadt Gharian in Tripolitanien; sie 
besteht ebenfalls ganz aus Schachthöhlen, die 
aus dem weichen Kalkstein gegraben sind. In 
der Tiefe der Wohnhöhlen befindet sich eine 
Art Hof, zu dem ein schräger Gang hinab 
führt. Von ihm ans zweigen sich nach den 
Seiten in der Form eines Rechtecks mit Ton 
nengewölbe Wohnungen ab, die im Sommer 
kühle, im Winter warme Räume geben. 
Neue Möglichkeiten für den Taxi-Luftverkehr. 
Neben der Einführung des Taxi-Luftverkehrs 
bei der deutschen Lust-Hansa hat jetzt auch der 
Norddeutsche Luftoeràhr in Bremen, der unter 
Leitung des Piloten Edzard steht, einen Taxi- 
Luftverkehr eingerichtet. Die Gesellschaft benutzt 
hierzu den neu herausgebrachten und für Taxi- 
verkehr besonders entwickelten Sperber-Typ. Die 
ses Flugzeug befördert einen Führer und drei 
Passagiere nebst Gepäck mit einer Geschwindigkeit 
von 160 bis 165 Stundenkilometern. Die Ver 
wendung solcher kleinen und billigen Flugzeuge 
im Taxiverkehr der Luftfahrt soll in Zukunft im 
mer mehr herangezogen werden, da diese.Art Flug 
zeuge einen rentablen Betrieb bei verhältnismäßig 
niedrigem Flugpreis gestatten. Im Taxiverkehr 
der Norddeutschen Lustverkehrsgesellschaft z. B. 
kostet ein Flugkilometer 32 Pfg. für eine Person, 
22 Pfg. für zwei Personen und 19 Pfg. für drei 
Personen. Es werden sich also in Zukunft, sofern 
der Taxiverkehr noch weiter ausgebaut werden 
kann, Luftreifen zu einigermaßen erschwinglichen 
Preisen durchführen lassen können. Auf der Grund 
lage dieser Kilometerpreise würde z. B. ein Wo 
chenendausflug von Berlin an die Ostsee und zu 
rück etwa 225 Mark kosten d. h. wenn drei Per 
sonen einen solchen Flug unternehmen, 75 Mark 
für eine Person. 
diese schwimmenden Hotels nicht weniger als 4666 
Besucher nach Schweden. 
Für diesen Sommer haben wohl vor allem der 
Ausstellung wegen bereits 20 Touristendampfer 
ihren Besuch in Stockholm angesagt, die Reisebüros 
und Hotels sind mit Anfragen überhäuft, so daß 
allem Anschein nach 1930 ein Rekovdjohr des fchwe- 
oifchen Fremdenverkehrs zu werden verspricht. 
Ueberrestc der alten Raubritterburg Ostenhagen 
gefunden. 
bn. Beim Ausheben einer tiefen Kuhle auf 
dem Buhrfeindtfchen Hofbesitze Kranenweide im 
Reg.-Bez. Stade stieß man auf verschiedene außer 
gewöhnlich große Tierknochen. Wahrscheinlich wird 
es sich um Pferdeknochen handeln. Unweit dieser 
Fundstelle fand mit mächtige rohbehauene, unten 
zugespitzte Eichen- und Efchenpfähle, die teils auf 
recht, teils schräg in einer Tiefe von 4 Metern 
eingerammt waren. Geschichtsforscher vermuten, 
daß es sich unr Ueberreste der alten Raubburg 
Ostenhagen handelt. Da die Erbauung dieser Burg 
schon lange Zeit vor der Eindeichung der Oste 
stattgefunden haben muß, so werden die aufgefun 
denen Pfähle schon ein hohes Alter aufzuweifcn 
haben. Sehr wohl möglich ist — und das wird 
von Sachverständigen vielfach angenommen — daß 
die ganze Burg auf eingerammten Pfählen erbaut 
gewesen ist, also eine Art Pfahlbau war, weil zu 
jener Zeit die Osteniederungen sehr sumpfig ge 
wesen sein werden. _ 
Der Fremdenverkehr Schwedens. 
Nach dem Bericht der Schwedischen Derkehrs- 
vereinigung wurde Schweden 1929 von mehr als 
56 000 Fremden besucht. Deutschland führt mit 
11000 Personen, dann kommt Amerika mit 7700, 
Norwegen mit 7600, Finnland mit etwas über 7000 
und England an fünfter Stelle mit beinahe 7000. 
In den letzten Jahren pflegten auch große Touri 
stendampfer Stockholm zu besuchen. 1929 brachten 
Die kostbarste Jade-Sammlung der Welt. 
In London wird im nächsten Monat die be 
rühmte Wong-Sammlung altchinesischcr Iadearbei- 
ten öffentlich ausgestellt werden. Diese Sammlung 
sucht, was Vollständigkeit und Reichtum an kostba 
ren Stücken angeht, ihresgleichen. Sie besteht aus 
527 Stücken, deren Wert auf 600 000 Mark geschätzt 
wird. Der von dem spanischen Wort „ijada" abge 
leitete Name Jade bezeichnet, wie der gebräuchlichere, 
dem griechischen „nephros" nachgebildete Name 
Nephrit, Niere und weist damit auf die Heilkraft 
hin, die man von altersher dem Stein bei Nieren 
krankheiten zuschrieb. Die Chinesen halten ihn für 
den kostbarsten aller Edelsteine. Nephrit, der echte 
Jade, ist ein Magnesiumsilikat; seine Farbe spielt in 
verschiedenen Nuancen'von Grün, Gelb und Grau. 
Die Chinesen bezogen das Material für ihre Arbei 
ten zumeist aus Turkestan. Da der Stein verhält 
nismäßig weich ist, bildet er einen vorzüglichen Stoff 
für feine Schnitzarbeiten. Eine andere Iadefpiel- 
ort ist das dem Nephrit äußerlich ähnliche Jadeit von 
rein weißer Farbe. Zuweilen zeigt er Flecke von 
fmaragd- oder apfelgrüner Farbe, während der in 
Birma gewonnene Iadert durch feine rote Färbung 
bemerkenswert ist. Vermutlich wurde das Material 
einiger Stücke der Wongfammlung, die rötliche 
Spuren zeigen, in Birma gebrochen. Hier und da 
sieht man in dieser Sammlung auch Iadesteine von 
dunkelgrüner, fast schwarzer Farbe. Diese Stücke, 
von denen manche vor 2000 oder noch mehr Jah 
ren hergestellt sein mögen, sind wahrscheinlich aus 
der eisenreicheren Abart des Jadeits hergestellt, dem 
dunkelgrünen Ehloromelanit, das ebenfalls zu Sie 
gelsteinen, Säbelgriffen, Amuletten, Waffen und 
Werkzeugen schon in vorgeschichtlicher Zeit verarbei 
tet wurde und deshalb für die Kenntnis dieser 
Epoche von größter Bedeutung ist. 
Der Schêem§en§ott. 
Skizze von Walter Oertel. 
„Ja, dieses Mal bin ich ziemlich knapp davon 
gekommen", sagte der bekannte Forscher und Eroß- 
wildjäger Lord Craven zu seinem Freunde Sir 
Bixby und wies auf die sorgfältig präparierte 
Haut einer mächtigen Boa, die an einer Wand der 
Halle ausgespannt war. „Es fehlte nicht viel, 
dann hätte mich der Bursche da gehabt. 
Wie Sie ja wissen, war ich dieses Mal in das 
Hinterland der Eoldküste gezogen, um dort zu ja 
gen und auch nach Spuren vergangener Völker 
Ausschau zu halten. Bei einer Rast in einem der 
längs des Lowanrunga belogenen Dörfer hörte ich 
von einem alten Tempel, der, nur zwei Tage 
märsche entfernt, im Gebiet« der Wagunta liegen 
sollte. 
So marschierte ich denn eines Tages mit mei 
nen beiden Hottentoten-Jägern Jim und Cody so 
wie meinen sechs zuverlässigen Watussi nach dem 
Lande der Wagunta ab. Wir hatten nur das Not 
wendigste für einen auf zehn Tage berechneten 
Ausflug mitgenommen, vor allem aber uns reich 
lich mit Waffen und Munition versehen. Denn, 
nach den Aeußerungen der Eingeborenen zu schlie 
ßen, mußten wir uns änf alles gefaßt machen. 
Am Morgen des zweiten Tages erreichten wir 
die Grenze des Gebietes der Wagunta und stießen 
auch bald auf Eingeborene. Sie führten uns vor 
den Häuptling Karambane, der uns im Kreise der 
Stammenoberhäupter empfing. Es war ein 
großer, herkulisch gebauter Neger, dem eine Narbe 
an der linken Gesichtshälfte ein finsteres Aus 
sehen verlieh. Die ihm überreichten Geschenke nahm 
er mit eineni würdevollen Kopfnicken entgegen. 
Auf meine Bitte, den Tempel besuchen zu dürfen, 
erklärte er mir, daß er hierüber erst mit seinen 
Priestern und Zauberern beraten müßte. 
Ich war daher nicht wenig überrascht, als be 
reits nach zehn Minuten ein Bote des Häuptlings 
ankam und mir mitteilte, daß meinem Besuche im 
Tempel nichts im Wege stände. Allerdings for 
dere es die Vorschrift, daß ich den Tempel nur un- 
bewaffnet betreten dürfe. 
Bei diesen Worten fuhr der lebhafte Jim in 
die Höhe. „Paß auf, Master, ich laß mich hän 
gen, wenn da nicht eine Teufelei dahinter steckt." 
Ich winkte ihn zur Ruhe und erwiderte dem 
Boten höflich, daß ich in einer Stunde bereit sein 
würde, mich nach dem Tempel führen zu lassen. 
Nach Ablauf der vereinbarten Zeit erschienen 
zwei alte Männer mit einem Dutzend Wagunta- 
Krieger, um mich abzuholen. Sie waren erstaunt, 
uns alle marschfertig zu sehen, und erklärten, daß 
die Erlaubnis, den Tempel zu besichtigen, nur für 
mich Geltung habe. Nach einigem Hin und Her 
einigten wir uns dahin, daß meine Leute eins 
kleine Strecke vor dem Tempel halt machen und 
dort auf mich warten sollten. 
Die Wagunta führten uns nun auf einem 
ziemlich breiten Wege ein Stück in den Urwald 
hinein bis zu einer Lichtung, auf der ein altes, 
halbzerfallenes Banwerk lag? Nach seiner Bau 
art mochte es phoenizifchen Ursprungs fein. Das 
alte Gemäuer war durch zwei noch gut erhaltene 
Bronzetüren fest verschlossen. Ich übergab jetzt 
meine Büchse an Jim, schnallte auch noch recht 
augenfällig meinen Waffengurt ab. Meinen groß 
kalibrigen Revolver hatte ich schon vor dem Auf 
bruch in die Tasche meines Jagdrockes geschoben. 
Ebenso trug ich versteckt ein zweites Jagdmesser 
sowie eine elektrische Taschenlampe bei mir. Nach 
dem ich noch meinen Leuten eingeschärft hatte, 
mir beim ersten Schuß zu Hilfe zu kommen, ging 
ich in Begleitung von den beiden Priestern auf 
den Tempel zu. Sie öffneten die Bronzetüren ein 
wenig, so daß gerade ein Mann eintreten konnte, 
dann forderte mich der eine Priester durch eine 
Bewegung seiner Hand auf, als erster einzutreten. 
In der Annahme, daß mir die Priester folgen 
würden, zwängte ich mich durch die schmale Spalte 
in das finstere Innere. Ich hatte mich aber ge 
täuscht, denn kaum war ich im Tempel angelangt, 
so wurde die Tür hinter mir zugeschlagen und, 
wie ich hörte, durch einen Riegel verschlossen. 
Ich war gefangen. Meine Gedanken über 
stürzten sich. Wenn mich die Priester in dieser 
Weise von meinen Leuten absperrten, so mußte 
hier im Tempel eine Gefahr auf mich lauern, der 
ich nach Annahme der Neger erliegen würde, so 
sich diese dann über die ihres Führers beraubte 
übrige Gesellschaft hermachen konnten. Doch zum 
langen Nachsinnen war jetzt nicht viel Zeit. Ich 
riß meinen Revolver aus der Tasche und ließ 
meine Batterie aufblitzen, um das Innere des 
Tempels, in das nur durch einige unterhalb des 
Daches angebrachte Oeffnungen ein schwacher 
Lichtstrahl drang, einer genauen Besichtigung zu 
unterziehen. 
Ich brauchte nicht lange zu suchen. In der 
gegenüberliegenden Ecke des Tempels begann sich 
ein großer Knäuel langsam zu entwirren. Zu 
meinem Schrecken erkannte ich eine riesige Boa. 
Es lief mir kalt über den Rücken, denn diese 
Schlangen haben, wenn man ihnen nicht den Kopf 
zerschmettert, ein sehr zähes Leben. Ich mußte 
daher das Schlangenhaupt sicher in der Visierlinie 
haben, bevor ich losdrücken konnte. Langsam ent 
wirrte sich der Knäuel immer mehr. Jetzt erschien 
der schmale Schlangenkopf auf dem hoch aufgerich 
teten Halse. Das Tier hatte mich erspäht und war 
im Begriff, mich anzunehmen. Jetzt mußte ge 
handelt werden, mochte es ausgehen, wie es wollte. 
Mein Revolver knallte. Einmal, und noch ein 
mal, und zum dritten Male. Meine Hand hatte 
nicht gezittert, der Kopf der Schlange fiel von drei 
Kugeln durchbohrt vornüber, während sich die 
Muskeln des Rumpfes im Todeskampfe wanden. 
Mein Schuß hatte außerhalb des Tempels 
einen Höllenlärm ausgelöst. Ich hörte Geschrei 
und Lärm und dazwischen das rasend schnelle 
Knattern der Mehrlader. Dann wurden die Tü 
ren aufgerissen, und Jim und Cody sprangen in 
den unheimlichen Raum, in den nun das helle 
Licht des Tages flutete. Wie ich ganz richtig ver 
mutet hatte, waren die Wagunta über meine Leute 
hergefallen, jedoch unter Verlust von zahlreichen 
Toten abgewiesen worden, und hatten nur Ma- 
bruk, einen Mtussi, durch einen Speerwurf leicht 
an der Schulter verletzt. Auch der verräterische 
Häuptling Karambane befand sich unter den Ge 
fallenen. Rach feinem Tode waren die Wagunta 
in wilder Flucht davon gelaufen und hatten sich 
nicht mehr blicken lassen. Während ich den Tempel 
einer flüchtigen Untersuchung unterzog — er bot 
übrigens nichts besonders Bemerkenswertes — zo 
gen einige Watuffi der riesigen Boa die Haut ab, 
die ich mit nach England nehmen wollte. 
Dann traten wir schleunigst den Rückmarsch 
aus dem Gebiete der Wagunta an, froh, einem so 
ungastlichen Lande den Rücken kehren zu können. 
Wie ich später am Lowanrunga hörte, war 
diese Riefenboa der Gott der Wagunta, dem sie im 
Tempel Ziegen und Wild, mit Vorliebe aber auf 
ihren Raubzügen gemachte Gefangene zum Opfer 
brachten, ein Schicksal, das diese Halunken auch mir 
zugedacht hatten."
	        
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