Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 2)

Bürgermeister Ir. be -§M» über die Lage ber Stabt Reiibsbiirg 
Die Entwicklung der städt. Finanzen seit 1924. — Steigende steuerliche Belastung der Bevölkerung. — Die Verhältnisse der städt. Werke. — 
Der neue Haushaltsplan. — Der Angelpunkt der ganzen Finanzgeftaltung ist die Höhe der Schulden und der jährlichen Zins- und Tilgungslast. 
Zn der gestrigen öffentlichen Kollegiensitzung 
legte Bürgermeister Dr. de Haan eingehend die 
"age der Stadt dar und begründete den Entwurf 
zum Haushaltsplan 1930-31. Wir geben nach 
stehend die Ausführungen ungekürzt wieder, damit 
die Bürgerschaft ein völlig klares Bild van der 
Lage der Stadt erhält. 
Meine sehr geehrten Damen und Herren! 
Der Magistrat hat nach § 87 der Städteordnung 
jeder Jahr, bevor der Haushaltsplan festgestellt wird, 
in tgj.-ntlichcr Sitzung der städtischen Kollegien einen 
vollständigen Bericht über die Verwaltung und den 
Ş-and der Gemeindeangelegenheiten zu erstatten. Zweck 
und Aufgabe des Berichtes ist es, alle zur Veurtei- 
ung der Gemeindeangelegenyeiten erforderlichen Ein 
zelheiten ausführlich und zusammenhängend darzu- 
legcn, damit sich jeder Bürger ein eigenes Urteil über 
die Art und Ergebnisse der Gemeindeverwaltung bil 
den kann. 
Die Praxis hat es mit sich gebracht, daß ein sol 
cher Bericht erst nach Abschluß der Iahresrechnung in 
der Mitte des neuen Etatsjahres nachträglich fertig 
gestellt und der Oeffentlichkeit übergeben wird, wäh 
rend bei der Feststellung des neuen Haushaltsplanes 
nur ein allgemeiner kurzer Ueberblick über das zu 
Ende gehende Etatsjahr gegeben wird. 
Auch wir werden diesen Weg beschreiten, wollen 
aorr versuchen, Ihnen jetzt vor Feststellung des neuen 
Haushaltsplanes eine möglichst erschöpfende-klare Dar 
regung der Verhältnisse unserer Stadt zu geben. Jah 
resberichte der letzten Jahre liegen leider nicht vor. 
Daher ist das Recht der Bürgerschaft noch erheblich 
begründeter, zu wissen, wie es um den Stand der 
Demeindeangelegenheiten aussteht. Ich bitte Sie da 
her, es als meine Pflicht ansehen zu wollen, wenn ich 
Ihre Aufmerksamkeit vor den eigentlichen Beratungen 
des Haushaltsplanes in diesem Jahre über Gebühr in 
Anspruch nehme. Ich halte es auch für Sie selbst 
die Sie auf Jahre die Geschicke der Stadt zu lenken 
berufen sind, für eine dringende Notwendigkeit, klar 
mit offenen Augen zu erkennen, vor welcher Aufgabe 
Sie stehen. 
Gestatten Sie mir zunächst 
eisen kurzen Menmnen UebetMil 
Aks die deutschen Kommunen in das Etatsjahr 192g 
hineingingen, hatten wir die Befürchtung, daß sich 
der Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung, der nach 
der Hochkonjunktur des Jahres 1927' im Jahre 1928 
eingesetzt^ hatte, wahrscheinlich im Jahre 1929 fort 
setzen würde. Die Befürchtung oder Voraussage hat 
sich leider in vollem Umfange erfüllt. Abhängig war 
der Verlauf des Wirtschaftsjahres wesentlich von der 
Entwicklung der Reparationsfrage und dem Fortschritt 
der innerdeutschen Finanzreform, sowie der unlösbar 
damit verbundenen Berwaltungsreform. Unser Grund- 
übel im Jahre 1929 war der außerordentlich starke 
.Kapitalmangel, der durch den geringen Zufluß aus 
dem Auslande noch wesentlich verstärkt wurde. Einer 
Unterbringung von 1668 Millionen R-ll Anleihe im 
Auslande des Jahres 1927 stehen nur 639 Millionen 
Reichsmark im Jahre 1929 gegenüber. Das große 
Kapitalbedürfnis steigerte die Zinskurve für tägliches 
Geld bis 9,58 Prozent, für Monatsgeld bis 9,99 Proz.. 
für Kontokorrentschuldzinsen bis 14 Proz, So mußte 
das Jahr 1929 ein Jähr der Erschütterung des Selbst 
vertrauens, ein Jahr der Wirtschaftsstockung allgemein 
werden- 
Das Heer der unterstützten Arbeitslosen schwoll 
auf Millionenzahlen an und ein allgemein lähmen 
der Pessimismus hatte Platz ergriffem Und doch, 
meine sehr geehrten Damen und Herren, sollte man 
stch vor einer einseitig schwarzseherischen Betrachtung 
hüten, da ohne allen Zweifel auch Lichtpunkte im 
deutschen Wirtschaftsbild des Jahres 1929 liegen. 
Fest steht wohl, daß die industrielle Produktion 
gegenüber 1928 keinen Rückgang erfahren hat, daß bei 
Kohlenförderung beispielsweise ein Rekordjahr mit 
tJ" 3 ' 5 Millionen Tonnen gegen 111,5 Millionen des 
Wahres 1913 allein für das Ruhrgebiet vorliegt. Die 
.eunche Ausfuhr hat sich gegenüber dem Vorjahre um 
m u î °ìne Milliarde 3Ut auf 12,7 Milliarden 
J ’ “°? on °in großer Teil auf den Fertig- 
Ņļļņ- ķpor lallt. Die Einlagen bei den deutschen 
Sparkassen haben ,m Fahre 1929 eine Steigerung von 
6.99 Milliarden R-ic auf 9,7 Milliarden 9Ul erfahren 
Trotz der schweren wirtschaftlichen Zeit ist also auch 
der eine oder andere Lichtblick vorhanden, und es 
ware für uns alle ein Verhängnis, daö zur Katastrophe 
fuhren müßte, wenn wir mrt erschlafften Nerven und 
fchwarzsehcrischem Pessimismus unser Schiff ohne feste 
Hand am Steuer den Wellenbergen preisgeben würden. 
Leider hat uns das vergangene Jahr auch in der 
'"nerpolitischen Entwicklung einer praktischen Lösung 
^ innerdeutschen Schicksalsfragen keinen Schritt 
uäher gebracht. Trotz aller Kundgebungen. Denkschrif 
ten und Konferenzen, trotz der oft zur Katastrophe 
9Ä auswirkenden Lage der deutschen Gemeinden, ist 
weder die seit Jahren geforderte Reichsfinanzreform 
noch die Verwaltungsreform in ihren Zielsetzungen 
irgendwie klarer herausgestellt oder gar ihrer prakti 
schen Verwirklichung näher gebracht worden. 
Wenn man den verantwortungsbewußten Geist in 
°n deutschen Gemeindeverwaltungen nicht zum Erlie 
gen bringen will, wenn man ernstlich Verständnis 
aufbringen will für das. was die Gemeinden in Zeiten 
de: Not für die Allgemeinheit geleistet haben und noch 
heuie leisten müssen, dann sollte man mir allergrößter 
--eichleunigung an Lösung dieser, uns immer wieder 
versprochenen Schicksalsfragen Herangehen, bevor es 
spät ist, bevor das Kartenhaus von unten herauf 
zusammenbricht und die Wirtschaft zum Erliegen ge- 
r««MLL ip. 
Groß geworden sind wir durch „Verantwortikng" 
— durch Verantwortung eines jeden sich selbst gegen 
über, seiner Familie gegenüber, der Allgemeinheit 
gegenüber. Nur durch Wtederausrichtung dieses Ver- 
aniwortungsgesühles eines jeden — nicht durch Ab 
wälzung der Verantwortung — können wir wieder 
hochkommen in der eigenen Familie, sowie in der Ge 
meinde und im Staat. In der Kommunalpolitik ist 
Selbstverwaltung ohne Setbstoerantworlung ein hoh 
les Faß. 
Ein Wechsel in der Leitung einer Gemeindeverwal 
tung durch Neuwahl des Magistrats und des Stadt- 
oerordnetenkollegiums, sowie, wie es bei uns der Fall 
ist, eine Neuwahl des Leiters der Verwaltung — be 
sonders wenn sie wenige Wochen vor Beginn eines 
neuen Etatsjahres erfolgt ist — bringt ungeheure 
Schwierigkeiten mit sich und stellt große Anforderungen 
an alle Kommissionsmitglieder und Beamte. Ich 
glaube aber, von dieser Stelle aus der Bürgerschaft 
jagen zu können, daß alle mit vollstem Verantwor 
tungsgefühl an diese Arbeit herangegangen sind, und 
daß alle auch in Zukunft von diesem geraden, offe 
nen Wege nicht abweichen werden. Wir verwerfen 
jeden schwarzsehertschen Pessimismus, obwohl uns der 
außerordentliche Ernst der Lage der Stadt klar vor 
Augen steht; wir warnen vor jedem übertriebenen 
Optimismus — wir fordern aber von der Bürgerschaft 
eine sachliche Mitarbeit, ein Verständnis jür die 
Schwierigkeit unserer Arbeit. Wie wir jede sachliche 
Kritik an unserer Arbeit voll und ganz würdigen und 
als erste Beamte allen Vevölkerungsschichten zür Ver 
fügung stehen, so lehnen wir alle im Dunkeln vor sich 
gehenden Quertreibereien, Manöver und Intrigen ab. 
Wir werden den geraden Weg gehen mit der Möglich 
keit vollster Einsichtnahme durch alle Bevölkerungs- 
kreise — dasselbe verlangen wir von der Bürgerschaft, 
Nur jo ist in Zeiten größter Not eine Arbeit zum 
Segen der Allgemeinheit möglich. 
Betrachten wir zunächst einmal 
die Lnlrmàg unserer fmmm 
feit der Stabilisierung unserer Währung. 
Für das Haushaltsjahr 1925-26 schloß der Etat 
im Ordinarium ab in der Ausgabe und Einnahme mit 
etwa 1,8 Million NM, Der Grunderwerbsfonds ist 
bei allen diesen Betrachtungen nicht berücksichtigt. Die 
für das Jahr eingesetzte Zins- und Tilgungslast für 
die Schulden der Stadt belief sich auf 24 660,— RM, 
der Anteil an den Reichssteuern nach dem Etat auf 
390 060,— RM. das Aufkommen an indirekten Ge 
meindesteuern auf 35 040,— RM, an direkten Ge 
meindesteuern auf 894 000,— R-ll. Der Wohlfahrts 
etat bedeutete für die Stadt einen Zuschuß von 
78 000,— RM, die Kreis- und Provinzialabgaben be 
lasteten die Stadt mit 150 000,— RM. 
Die Städtischen Betriebswerke sollten 150 000,— 
RM an die Stadt abliefern. Die Erundoermögcns- 
steuer betrug 200 Proz., und 234 000,— R-ll, das be 
deutet einen Zuschlag von 400 Proz., wurden an Ge 
werbesteuern aus der örtlichen Wirtschaft heraus 
geholt. 
Das Etatsjahr schloß mit einem Unterschuß von 
rund 15 261,— R-ll ab, der auf neue Rechnung vor 
getragen wurde. Die tatsächlichen Jstausgaben und 
Jsteinnahmen vermag ich Ihnen für die einzelnen 
Positionen nicht zu geben, sie sind nur aus den Büchern 
der Stadtkaffe zu ersehen und nicht, wie man es als 
zweckmäßig ansehen kann, in dem Haushaltsplan des 
nächsten oder übernächsten Jahres aufgeführt worden, 
Scho» das Etatsjahr 1926-27 brachte eine wesent 
liche Erhöhung der Etatssätze. Die Erundvermögens- 
steuer erscheint mit 256 Proz, gegen 206 Proz. und 
muß statt 160 000,— R-ll für das Jahr 207 000,— R-ll 
einbringen, die Gewerbesteuern stellen 400 Proz, nach 
dem Ertrag. 600 Proz. nach dem Kapital dar. Während 
im Vorjahre noch 390 600,— ÏÏL.il als Anteil an Reichs 
steuern aufkamen, sind für das Jahr 1926-27 nur 
270 000,— 3<LM. angesetzt, - dafür stiegen die indirekten 
Gemeindesteuern von R-ll 35 400,— auf R-ll 46 040,—. 
Die jährliche Zins- und Tilgungslast dagegen 
versechsfachte sich auf etwa 142 500,— R-ll gegen bis 
her 24 600,— R-ll. Der Fürsorgeetat verdoppelt sich 
fast, er steigt von 78 000,— R-ll auf 128190,— R-ll. 
Die Ablieferung der städtischen Werke an die Stadt 
bleibt mit 150 000,— R-ll im Etat bestehen. Der Ab 
schluß des Rechnungsjahres zeigte einschließlich des 
Unterschusses des Vorjahres eineu Unterschuß von etwa 
103 000,— R-ll, der durch llebertragung aus dem 
Extra-Ordiuarium gedeckt werden mußte. 
Hatte man eine Erhöhung der Eewerbesteuerzu- 
fchläge im Etatsjahr 1926-27 noch vermieden, so gelang 
das auch noch einmal bei Aufstellung des Haushalts 
planes 1927-28 — aber wiederum trat eine Erhöhung 
der Erundvermögenssteuer von 250 Proz. auf 300 
Proz, ein. Die jährliche Zins- und'Tilgungslast für 
die gemachten Schulden erhöhte sich von 142 500,— 
R-ll auf 191 500,— R-ll. der Fürsorgezuschuß wurde 
etwa mit dem gleichen Betrag eingesetzt, während der 
Zuschuß für das Schulwesen, der sich von 323 520,— 
R-ll im Jahre 1925-26 auf 315 056,— R-ll im Jahre 
1926-27 sogar etwas ermäßigt hatte, auf 384 636,— 
R-ll laut Etatsansatz hinaufschnellte. Während im 
Jahre vorher 317 060,— R-ll durch direkte Gemeinde 
steuern aufgebracht werden sollten, mußten für 1927-28 
390 000. —R-ll vorgesehen werden, und außerdem noch 
die Abgabe der städtischen Werke im Etat um 26 000,— 
R-ll auf 176 000,— R-ll erhöht werden. 
Der Jahresabschluß dieses Jahres 1927-28 ergab 
einen Unterschuß von 359 046,— R-ll wovon 91 484 — 
R-ll vor Abschluß der Jahresrechnung durch Ueber- 
tragung aus dem Extraordiuarium gedeckt wurden. 
Hierbei ist zu berücksichtigen, daß dieser Unterschuß 
von 859 046,— R-ll lediglich in diesem einen Rech 
nungsjahr entstand, da ja der Unterschuß des vorher 
gehenden Jahres ebenfalls aus dem Extra-Ovdinarium 
gedeckt worden war. 
Der vorgelegte Etatsentwurf 1928-29, in welchem 
wegen des noch nicht vorliegenden Abschlusses 1927-28 
dieser nicht durch das Extra-Ordiuarium gedeckte Un 
terschuß von 267 562,— R-.it noch nicht einmal enrhalten 
ist, mußte der Rendsburger Bürgerschaft den Ernst der 
Lage zeigen. 
Hatten wir 1925-26: 24 606,— R-ll, 1926-27: 
142 560,— R-ll, 1927-28: 191 500,— N-ll jährlich etats 
mäßig an Zins- uud Tilgungslasten für untere 
Schulden aufzubringen, so wuchs der Betrag für 1928- 
1929 auf 587 000— R-ll, d. h. er erhöhte sich um fast 
400 000,— R-ll. Während 1925-26 etwa 1 / 7a unserer 
Einnahmen, 1927-28 etwa V» unserer Einnahmen 
nach dem Eiert zur Verzinsung und Tilgung unserer 
Schulden verwandt werden mußten, waren es für 
1928-29 etwa %. Oder anders ausgedrückt — aus den 
Kopf der Bevölkerung — die ich mit 18 000 ansetze — 
entfällt 1928-29 eine jährliche Zins- und Tilgungslast 
von 32,61 R-ll gegen 1,37 R-ll im Jahre 1825-26, wo 
bei wir uns immer vor Augen halten wollen, daß es 
sich nicht um Schulden pro Kopf der Bevölkerung 
handelt, sondern um Zinsen und Tilgung zur Verzin 
sung und Abdeckung unserer Schulden. 
Reben dieser ungeheuren Erhöhung der Zins- 
und Tilgungslasten erhöhte sich auch der Fürsorge 
zuschuß um etwa 33 000,— R-ll gegenüber dem Etats 
soll des Vorjahres und der Zuschuß beim Schulwesen 
um etwa 92 000,— R-ll auf 476 620,— R-ll. Hatte der 
Zuschuß für das Schulwesen pro Kopf der Bevölkerung 
1925-28 nach dem Etatssoll noch 17,97 fHJl betragen, 
so war er 1828-28 aus 26,48 R-ll hinausgestiegen. 
Diese Mehransätze auf der Ausgabeseite zwangen 
natürlich zu einer gleichzeitigen Steigerung der Ein 
nahmeseite. Die direkten Gemeindesteuern stiegen von 
390 000,- R-ll auf 543 000,— R-ll. Man läßt dieses 
Mal die Grundvcrmögenssteuer mit 300 Proz. be 
stehen, während man die Eewerbeertragssteuer von 
400 Proz. auf 650 Proz., die Eewerbekapitalsteuer von 
600 Proz. auf 900 Proz. erhöht, wodurch man etwa 
300 000,— 9UI aus der Wirtschaft herausholen will 
gegen 140 000,— R-ll des Vorjahres. Während 1826-27 
auf den Kopf der Bevölkerung 6,11 R-tt au Gewerbe 
steuer entfallen, erhöht stch 1928-29 der Satz bereits auf 
16,28 R-ll. An indirekten Gemeindesteuern will man 
statt 46 240,— R-ll des Vorjahres 62 240,— R-ll ein 
nehmen und die Abgabe der Werke wird von 176 000,— 
R-ll auf 322 000,— R-tt erhöht. So wird der Etat 
1928-29 mit 2.7 Millionen R-ll gegen 1,8 Millionen 
R-ll des Jahres 1925-26 zum Ausgleich gebracht. 
Der für unsere Stadt so verhängnisvolle Jahres 
abschluß 1928-29 zeigte dann jedoch einen Unterschuß 
von 668 632,— 3ÎJL Zu dem verbliebenen Unterschuß 
des Vorjahres von 267 562,— R-tt war ein weiterer 
Unterschuß in Höhe von 461 476,— R-tt bei einem Etat 
von 2,7 Millionen R-tt hinzugekommen 
Wir müssen diese Zahlen hervorholen, um die 
heutige Lage der Stadt zu verstehen; der Bürgerschaft 
müssen diese Zahlen der Entwicklung der letzten Jahre, 
die ihr vielleicht bekannt sind, nochmals vor Augen 
geführt werden, wenn wir Rechenschaft ablegen sollen 
für den Haushaltsplan, den wir vorzulegen gczwui». 
ge» sind. 
Es liegt mir oder dem Magistrat völlig fern, ein 
früheres Gremium und frühere führende oder leitende 
oder mitverantwortliche Persönlichkeiten aus diesem 
oder jenem Etatsjahr irgendwie zur Rechenschaft zu 
ziehen oder diesen Herren Vorhaltungen irgendwelcher 
Art zu machen! nein, meine Damen und Herren, wir 
haben Rechenschaft zu geben! wir und ich als neuer 
Vürgerrneister der Stadt Rendsburg haben als nüch 
ternen Zahlen objektive Tatsachen vorzulegen, damit 
die Bürgerschaft erkennt, ganz klar und rücksichtslos 
erkennt, in welcher Lage sich heute, wo wir in ein 
neues Etatsjahr gehen, die städtischen Finanzen be 
finden. Wir wollen keine Vertuschung der ernsten 
Lage, damit erhalten und gewinnen wir kein Ver 
trauen der Bürgerschaft. 
Das Defizit 1928-29 von 669 032,— %M brachte 
uns die Defizitanleihe von 756 666,— R-lt, eine neue 
riesige Schuldenlast kam zu unseren bisherigen hohen 
Schulden hinzu, die jährlichen Zins- und Tilgungs 
lasten mußten nach mehr steigen. 
Wie sah die Jahresrechnung 1928-29 aus? Wo 
konnte auf der Ausgabeseite gegenüber dem Etatssoll 
eingespart werden? Wo reichten die Etatssätze nicht 
aus und wurden überschritten? Konnten die im Etat 
eingesetzten Einnahmeposten erreicht werden? wo 
nicht? wo wurden sie überschritten? Auf der Ausgabe 
seite wurden 97 557,— R-ll in einzelnen Positionen 
weniger ausgegeben als im Etat eingestellt waren. 
Andererseits jedoch in anderen Positionen 611 839,— 
R-ll mehr ausgegeben als vorgesehen waren. Von 
dieser Mehrausgabe wurden im Laufe des Rechnungs 
jahres 184 227,— R-ll durch förmlichen Kollegienbe 
schluß nachüewilligt, der Rest von 427 612,— %Jl erst 
bei Abschluß der Jahresrechnung. 
Die allgemeine Verwaltung weist eine Mehraus 
gabe von 28 958,— R-ll auf; der Titel Stadtvermögen 
6523,— R-ll; der Titel Gemeindeabgaben 122 426,6t 
R-ll; der Titel Wohlfahrtspflege 267 942,83 R-ll; das 
Krankenhaus 53 804,75 R-ll; das Schulwesen 53 537,65 
RM; der Titel Anstalten und Einrichtungen 47 828,86 
R-ll; die Polizeiverwaltung 21 797,09 R-.it; Reichs- 
Staats-, Provinzial-Angelegenheiten 2020,02 31JI und 
der Titel Insgemein 8000,— R-ll Mehrausgabe gegen 
über dem Etatsansatz auf. Die Mehrausgabe bei den 
Gemeindeabgaben ist darauf zurückzuführen, daß etwa 
113 000,— R-ll mehr an Hauszinssteuerhypotheken ver 
geben wurden als zur Verfügung standen. Um diese 
Mehrausgaben zu verstehen, muß man allerdings eben 
falls wieder zurückgehen bis zum Etatsjahr 1925-26. 
Während im Etatsjahr 1924-25 lediglich das Aufkom 
men an Hauszinsfteuermitteln zur Vergebung von 
Hypotheken benutzt war, hatte man im Jahre 1925-26 
52 571,32 R-ll mehr an Hauszinssteuerhypotheken ver 
geben als tatsächlich durch das Aufkommen hereinge 
kommen waren. Im Etatsjahr 1926-27 konnte diese 
Mehrausgabe des Vorjahres auf 83 077,28 R-ll herab- 
gedrückt werden, da man von dem Aufkommen in Höhe 
von 194 009,— R-ll lediglich 174 515,— R-ll ausschüt 
tete. Um den Baumarkt zu beleben, verteilte man 
dann im Etatsjahr 1927-28 357 560,— R-lt, während 
man lediglich ein Aufkommen von 209 495,57 R-ll zur 
Verfügung hatte, so daß die Mehrausgabe des vorher 
gehenden Etatsjahres auf 181081,71 R-ll hinauf 
schnellte. Im Etatsjahr 1928-29 wurden dann, um 
diese Mehrausgabe zum Teil herabzumindern, von den 
aufgekommenen 208 070,25 R-ll lediglich 139 550,— R-H 
ausgeschüttet, so daß eine Mehrausgabe von rund 
113 000,— R-ll übrig blieb. Durch diese Mehrausgabe 
mußte ein erheblicher Zinsverlust eintreten, da man 
die Hauszinssteuerhypotheken zu dem vorgeschriebenen 
Satz von 3 Proz. gab und selbst dafür erheblich höher- 
Prozentsätze im laufenden Kredit zahlen mußte. 
Die Mehrausgabe der Wohlfahrtspflege stellt in 
Zahlen den wirtschaftlichen Rückgang, das Erwerbs 
losenproblem dar, welches bei der jetzigen gesetzlichen 
Regelung zu Lasten der Städte verbucht wird, ohne 
daß die Städte genügend Vorsorge bei ihren Etats 
aufstellungen treffen können. 
Auf der Einnahmeseite steht einer Minderein 
nahme von 183 780,— R-ll, wobei die städtischen Werke 
mit 175 000,— R-.il beteiligt sind, worauf ich weiter 
unten zurückkommen werde — eine Mechreinnahme von 
170 950,— R-ll gegenüber. Diese Mehreinnahme ist 
wohl in erster Linie auf ein Mehr von 40 600,— R-lt 
an Erstattung für Wohlfahrtslasten und ein Mehr von 
84 006,— R-ll an Steuerüberweisungen, direkten und 
indirekten Gemeindesteuern zurückzuführen. 
Mit diesen Zahlen, diesen Mehr- bezw. Minder 
ausgaben, diesen Mehr- bezw. Mindereinnahmen, 
mußte man an die Aufstellung des Haushaltsplanes 
1929-30 herangehen — eine schwere und ernste Auf 
gabe. 
Der Schulden- und Tilgungsdienst mar um 
191 566,— R-ll von 587 606,— R-ll auf 778 560.— %M 
jährlich angewachsen — d. h. auf den Kopf der Bevöl 
kerung entfielen 43,25 R-ll an Schuldenzinsen und 
Schuldentilgung gegenüber 1,37 R-ll im Etatsansatz 
1925-26. Die Wohlfahrtsausgaben stiegen von 
291 936,— R-.il auf 560 525,— R-ll, d. h. der Wohl- 
fahrtszufchuß erhöhte sich um 218 785,— R-lt auf 
376 215,— R-ll; auch der Zuschuß zum Schulwesen 
steigt um etwa 67 600,— R-.il auf 543 411,— R-<l. 
Hatte der Wohlfahrtszuschuß anf den Kopf der Be 
völkerung nach dem Etatsansatz 1925-26 4.33 R-.il be 
tragen, so war er jetzt auf 26,99 R-K gestiegen. War 
der Zuschuß zum Schulwesen von 1925-26 mit 17,97 R-l« 
pro Kops der Bevölkerung auf 26,48 N il für 1928-2» 
gestiegen, so erhöhte er sich für 1929-36 auf 30,20 R-lt. 
So sah die Ausgabeseite aus, als von der Regierung 
die Steuersätze für die Einnahmeseite festgesetzt wur 
den, die für die Erundvermögenssteuer bei 500 Proz. 
432 826,— R-ll, für die Eewerbeertragsteuer mit 1606 
Proz. 300 060,— N-ll und für die Gewerbekapitalsteuer 
mit 2000 Proz. 260 066,— R-ll Aufkommen vorsehen. 
Meine Damen und Herren, stellen Sie stch vor, 
was das bedeutet — während man 1926-27 mit 
110 060,— R-ll an Gewerbesteuern die Wirtschaft be 
lastete, soll sie jetzt 500 000,— R-ll aufbringen, d. h. 
während 1926-27 etwa 6,11 R-ll, 1928-29 etwa 16,28 
R-ll auf den Kopf der Bevölkerung entfallen, steigt der 
Satz für 1929-30 auf 27,77 R-.ll oder anders ausge 
drückt, er verviereinhalbfacht sich. Aehnlich, wenn auch 
nicht bei weitem so kraß, ist die Steigerung der Grund- 
vermögenssteuer. die in ihrem Prozentsatz und ihrem 
Aufkommen nach dem Etat etwa um das Doppelte 
vom Etatssoll 1926-27 zum Etatssoll 1929-30 gestiegen 
ist, d. h. auf den Kopf der Bevölkerung von 11,56 R.4t 
aus 24,— R-ll. 
In einen solchen Haushaltsplan und in eine 
solche Lage der Stadt sind die neuen Kollegien-Mit- 
glieder, die neuen Magistrats-Mitglieder hineingckoin- 
men, dreieinhalb Monate vor Schluß des Rechnungs 
jahres, dreieinhalb Monate vor Inkrafttreten einer 
neuen Etats, für den irgendwelche Vorbereitungen 
auch noch nicht gemacht sein konnten, als ich selļst 
Ende Dezember die Geschäfte übernahm. 
Wie ungeheuerlich hoch unsere Stcuerzuschläge bei 
den direkten Eemeindesteuern find, und wie sie sich auf 
den Kopf der Bevölkerung berechnet darstellen, ersehen 
wir am besten aus einem Vergleich mit anderen 
Städten der Provinz. Rach den mir vorliegenden 
Haushaltsplänen erhoben von 8 schleswig-holsteini 
schen Städten 5 einen Grundvermögenssteuerzuschlag. 
der zwischen 250 und 300 Proz. liegt, 2 einen Zuichlag 
von 200 Proz. und eine Stadt einen solchen von 140 
Proz. In Elmshorn entfällt an Erundoermögens- 
steuer auf den Kopf der Bevölkerung 9,49 R-4l, in 
Wandsbek 13,43 R--tl, in Flensburg 13,64 R^ll, in 
Neumünster 14.26 R--tl, in Schleswig 14,96 R-.ll, in 
Itzehoe 15,31 R-.Ä, in Altona 16,42 R-.ll und in Kiel 
19,58 R-Il; im Durchschnitt also etwa 14.64 R-ll; für 
die Stadt Rendsburg kommt auf den Kopf der Be 
völkerung ein Betrag von 24,06 R-1l, d. h. also mehr 
als das 2,5fache der Stadt Elmshorn. 
Aehnlich liegt es bei der Gewerbesteuer. Di« 
Städte Flensburg, Itzehoe und Schleswig erheben wie 
wir Eewerbesteuerzuschläge vom Ertrage und vom 
Kapital. Umgerechnet entfällt auf den Kopf der Be 
völkerung in Sck'lcswig 11,60 R-4l, in Flensburg 14,55 
R-ll, in Itzehoe 17,78 R-4l. d. h. also im Durchschnitt 
14,64 3Ul; wir dagegen in Rendsburg müssen 27,0b
	        
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