Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 2)

otm Tripolis, der Hauptstadt des Droi-Städte-Lan- 
des, blieb nichts übrig als der figurenreiche Mare- 
Aurcl-Bogen, unter dessen Vierfrontgewölben sich 
einst Oäas Straßen kreuzten. In die Wache der 
alten Zitadelle, der einstigen Burg der Malis, Beys 
und Gouverneure, hoben sich einige Kostbarkeiten 
gerettet, die ephesifche Artemis, Roma und Venus 
Pudica. 
Während Oäa unter den Häuserwürfeln und 
Moscheenkuppeln des neuen Tripolis, unauffindbar 
eingesargt ist, bewahrten die beiden anderen ver 
wehten Wüstenstädte jene erhabenen Ruinen, die im 
Wechsel der Herrschervölker unsterbliche Kultur 
epochen aufeinander türmten. Im Gegensatz zu den 
räuberischen Methoden vergangener Jahrzehnte be 
schränkt man sich nicht darauf, unter Durchwlihlung, 
Zertrümmerung und Wiederzuschüttung der Kult- 
stätten Funde zu bergen, sondern der nationale 
Ehrgeiz erforscht weithin die Bezirke unter Erhal 
tung der Ausgrabungen und ihrer Wiederherstel 
lung. Und die ans Licht gehobenen Schätze finden 
nach Rekonstruktion der Baulichkeiten an Ort und 
Stelle ihre Wiederaufstellung im alten Rahmen. 
Seit Araberzeiten vom Sand begraben, be 
freien sich die gewaltigen Hafenanlagen von Leptts 
Magna mit Leuchtturm, ihren Kais und Freitreppen 
aus ihrer Schuttlast. Sorgsam errichtet jahrelange 
Gelehrtenarbeit die festlichen Säulenhallen und 
Statuengalerien der Paläste, Tempel und Thermen. 
Riesenreliefs werden in wissenschaftlichem Puzzle 
spiel zusammengefügt, um als Giebelkronen die 
zerstreuten und wieder aneinander gepaßten Stein 
blöcke zu kränzen. Kalksteinquader mit den Hohl 
kehlen ihrer Marmorverkleidung türmen sich zu Zy 
klopenwänden und umsäumen das großmächtize 
Rechteck der Reihen von Eipollinsäulen und Bogen 
hallen, den Riesenresten jener Gebäudegruppen, die 
das Kaiserforum umzirkten. Palaftskulpturen und 
korinthische Kapitelle harren zwischen abgesprengten 
Gorgohäuptern der Meduse ihrer Aufstellung. Im 
Feierreigen ihrer Friese und Granitsäulen und aus 
feinstem Pfeilerschnitzwerk erhebt sich majestätisch 
die Prachtbasilika. Hinter der Palästra der gigan 
tischen Thermen locken über Hohlböden und Heiz 
räumen die marmorgetäfelten Bäder und Schwimm 
becken. Aus verfallenem Trümmerwust aufgerich 
tet, reckt sich der Triumph des vierfrontigen Ehren 
mals, des Ianusbogens für Septimius Severus. 
Archäologisch und architektonisch überwältigend er 
steht aus der Wüste die alte Kaiserstadt in einzig 
artiger Großartigkeit. 
Auch Sabratha, die dritte Dreistadt, erhebt sich, 
aus dem Verwesungsstaub erstehend, in ihrer anti 
ken Pracht. Jenseits des heroischen Iupitertempels. 
der Basilika-Mosaiken am Forum und der Zisternen 
ist das Amphitheater, fast so groß wie Roms Kolos 
seum, in den Kalkfelsboden eingesenkt und steigt in 
zwölf Sitzreihen bis zum Dodenniveau empor, das 
die weiteren Holzausbauten trug. 
Auch des Aristipp, des Kallimochos und Erato- 
fthenes Geburtsort Kyrene wacht mit Agora, Ther 
men und Tempeln langsant aus dem Wüstenschutt 
auf. Zeus, Hermes und Satyr, Malereien 
und Mosaiken römischer Landsitze, Dea Afrika 
und die Epheben mit Len Bronzewrmpern 
zeigen neues Leben, indes in den alten Fel 
sengräbern noch troglodytisch Beduinen 
nisten. 
Die allerköstlichste Kostbarkeit aber wan 
derte nach Rom ins Museo nazionale delle 
Terme. 
Venus Cyrenaike! 
„Afrodite diomene da Eirene, Arte del IV. 
Secolo a. CH.", meldet stoisch die Kennschrift 
in dem kleinen Seitengemach, dessen Enge 
Tempeltüren aufreißt, dessen Decke auf 
berstend sich in unermeßliche Höhen weitet, 
geweiht durch eine Göttin. 
Ein Werk nur von Menschenhand? Ein 
Leib, aufglühend aus blendendweißem Mar 
mor? — In der schlichten Gelassenheit einer 
wahrhaft olympischen Ruhe hebt sich die Herr 
liche, dem Schaum entsprießend, ins Licht, 
mit jener nnirdischen Beschwingtheit, in die 
empor sich nur die Einmaligkeit der Begna 
dung erlöst. — Emporschmelzend in makel 
loser Reine, deren Erhabenheit überwältigt, 
deren unerhörte Eindringlichkeit den Be 
schauer in staunender Andacht verstummen 
läßt. 
Mit gebrochenen Füßen, ohne Arme, ohne 
Haupt, und doch vollkommen, vollbringt die 
Schaumstrahlende das Wunder einer Offen 
barung ... 
einer Offenbarung, wie sie nur dem heid 
nisch-heiteren Himmel von Hellas ward, wo 
das Haus der Götter widerhallte vom lachen 
den Geleucht unsterblicher Schönheit. 
H. Heise. 
Bunte Welt. 
Ein französischer Major als Scheik. 
Es war um die Jahrhundertwende, als das 
Sckicksal des französischen Majors Voulet, der 
das Tschad-See-Gebiet der Wüste Sahara er 
forschte, allgemeine Teilnahme erweckte. Da 
mals kehrten zwei Offiziere der aus fünf fran 
zösischen Offizieren und etwa tausend Riff- 
Leuten bestehenden Expedition mit der Kunde 
zurück, der Major sei von plötzlichem Wahn 
sinn befallen worden. Er habe versucht, seine 
Truppen gegen eine französische Parrouille zu 
führen und sei dabei erschossen, seine Mann 
schaft zerstreut worden. Nun aber, nach dreißig 
Jahren, bringt der sranzösische Oberstleutnant 
Zeltler, der seit dem Jahre 1920 zweimal den 
Schauplatz jener Schreckensszene aufgesucht yai, 
ganz andere Nachricht nach Europa: der Major 
Voulet hat noch im Jahre 1924 tief in der Sa 
hara gelebt. Er hatte die Tochter eines Einge 
borenenstammes geheiratet und war ein mo 
hammedanischer Scheik geworden. Bei jenem 
Zusammenstoß ist er keineswegs ums Leben 
gekommen, sondern ist mit einem großen Teil 
der Riff-Leute und seiner Braut in die Wüste 
zu deren Vater geflohen. Dieser war Herr über 
eine Oase, und hier ließ sich Voulet nieder. Es 
wurde ihm die Herrschaft über den Stamm 
übertragen. Zeltir hat diese Kunde aus dem 
Munde eines Eingeborenenhäuptlings, der 
unter dem Major Voulet gedient hat und noch 
heute den Säbel und die Uniform des franzö 
sischen Offiziers besitzt. 
Ucberraschungen bei einer Volkszählung. 
Eine Volkszählung in Deutschland erfaßt 
dank einem exakt arbeitenden Apparat geüb 
ter Beamten auch den letzten Bürger. In 
Australien dagegen bringt ein solches Unter 
fangen Schwierigkeiten mit sich, nicht, weil 
der Zählapparat unvollkommen oder die Be- 
völkerungsziffer besonders groß wäre — 
Australien hat ja trotz seiner ungeheuren 
Ausdehnung von rund 8 Millionen qkm nur 
6 230 000 Bewohner — sondern deswegen, 
weil eine große Anzahl Australier ein un 
stetes Leben führt. Es gibt dort nämlich 
eingeborene Nomadenstämme, die, über das 
ganze gewaltige Gebiet zerstreut, von einem 
Fleck zum andern ziehen. Da versagen die 
sonst so bequemen Zählformulare, und es 
bleibt den wissensbegierigen Beamten nichts 
anderes übrig, als diesen wandernden Völ 
kern nachzuspüren. Man kann sich ausrech 
nen, daß es unter solchen Umständen nicht 
gut möglich ist, das Ideal statistischer Voll 
kommenheit zu erreichen, und so gibt es bei 
jeder Volkszählung Ueberraschungen. So hat 
man bei der letzten Zählung der Eingebore 
nen von Australien und Queensland gefun 
den, daß diese gegenüber der letzten Auf 
nahme um 1138 zugenommen haben, aber 
nicht auf Grund natürlicher Vermehrung. Die 
unvorhergesehene Bereicherung war einfach 
darauf zurückzuführen, daß man einige bei 
der letzten Zählung nicht erfaßten Nomaden 
stämme in Queensland mitzählen konnte, die 
wohl beim letztenmal gerade „unterwegs" 
waren. Die Zählung hat übrigens auch be 
stätigt, daß die eingeborene Bevölkerung 
Australiens dem Aussterben entgegengeht, in 
manchen Gegenden, so in Tasmanien, sind 
die Urbewohner schon vollständig verschwun 
den. 
Der älteste Backofen der Welt gefunden. 
Dis vorzüglich erhaltenen Reste eines Back 
hauses, das man für das älteste, von einem zivi 
lisierten Volke benützte Gebäude dieser Art an 
sprechen darf, wurde kürzlich von der Expedition 
des Field-Museums und der Universität Oxford 
in Mesopotamien an der Stelle der uralten Stadt 
Jemdet Nasr freigelegt. Die Backstube besteht au» 
einer Anzahl von Lehmöfen, die nach der Meinung 
von Henry Field, des Kustos der anthropologischen 
Abteilung des Fieldmuseums für Naturgeschichte, 
um 4000 v. Christi erbaut sein dürste. Die Oefen 
bestehen aus großen Lehmhügeln, die im Innern 
ausgehöhlt und mit Schächten versehen sind, die 
sich nach oben verjüngen und der Hitze den Durch 
zug nach oben gestatten. Am Fuße befinden sich 
die Feuerstätten, die groß genug sind, um einen 
ausgewachsenen Menschen im Innern zu beher 
bergen. In den Feuerstätten fand man noch hoch» 
getürmte Haufen von Asche der alten Feuer. Töpfe 
und Pfannen mit dem zu backenden Brotteig wur 
den auf die Spitze der Oefen gestellt, wo ihnen 
durch die Schächte die für das Backen erforderliche 
Hitze zugeführt wurde. 
Wie mau heute nach Mekka pilgert. 
Ter alljährliche Pilgerzug nach Mekka ist 
wieder in vollem Gange, und Jeddah, der 
Hafen von Mekka, ist erfüllt von einer drän 
genden, aufgeregten Menschenmenge. „Pilger 
in immer wachsender Anzahl kommen ans 
Java, den Malaienstaaten und China", so 
schildert ein indischer Mohammedaner, der 
soeben seine Wallfahrt beendigt hat, seine 
Eindrücke. „Die unternehmenden Orientalen 
wissen aus dieser besonderen Art des Reise 
verkehrs einen schönen Nutzen zu ziehen. In 
Hongkong hat sich eine besondere Gesellschaft 
gebildet, die alte Boote notdürftig wiederher 
gestellt hat und mit diesen halben Wracks so 
viele Reisen wie möglich ausführt. Die Be 
hörden sehen jetzt wenigstens darauf, daß 
jeder Pilger auch gleich ein Retourbillett 
lösen muß, damit er nicht mittellos in Ara 
bien liegen bleibt. Man tut auch alles, um 
alte Leute von der Pilgerfahrt abzuhalten, 
deren Lebenssehnsucht es ist, in der Heiligen 
Stadt zu sterben. Besonders der britische 
Konsul in Jeddah weiß ein Lied von den vie 
len hilflosen, gestrandeten Existenzen unter 
den Mekkapilgern zu singen, denn sehr viele 
von ihnen sind britische Staatsangehörige. 
Die Wahabiten, in deren Besitz sich gegen 
wärtig die heiligen Stätten befinden, sind 
fanatische Puritaner unter den Mohamme 
danern. Sie halten unerschütterlich daran 
fest, daß Allah und nicht Mohammed verehrt 
werden müsse, denn so habe es der Prophet 
selbst angeordnet. Trotzdem hat der Brauch 
um sich gegriffen, nach Medina zu seinem 
Grabe zu pilgern. Hier aber stehen wahabiti- 
sche Wächter und dulden nicht, daß ein Wall 
fahrer anbetend in die Knie sinkt,' sogleich 
wird er mit einem Stocke fortgetrieben. Noch 
immer ziehen Karawanen von Kamelen nach 
Mekka. Aber schnell eilende Automobile für 
jene, die nicht soviel Zeit auf die Reise nach 
der heiligen Stätte verwenden können, über 
holen sie und lassen sie weit hinter sich." 
Paul Enderling 
ii lila Me: Ş 
Copyright 1929 by Karl Köhler u. Eo„ 
Berlin-Zehlendorf, Machnower Str. 24. 
l7) (Nachdruck verboten.) 
Sie trampelte vor zorniger Ungeduld mit den 
Pützen, als sie ein paar Minuten auf ein freies 
Luto warten mußte. Und dann fuhr der Wagen 
ichleppend wie eine Schnecke. — „Ah, wenn ich ihn 
ienken dürfte!" Endlich kam sie doch an. 
„Warten Sie!" 
Sie mußte erst ein Dutzend Firmenschilder über 
prüfen, ehe sie entdeckte, daß das Büro im dritten 
stock lag. Sie rannte zwei Treppen hinauf, ent 
seckte erst hier, daß es einen Lift gab, und fuhr 
impor. 
Eine Tür stand auf und sie trat ein. Da die 
Ningel nicht zu funktionieren schien und aus ihr 
stlopfen niemand antwortete, betrat sie entschlossen 
pas nächste Zimmer. 
Herr Schädler hielt in seinem Gespräch mit dem 
Fräulein inne. „Sie wünschen?" » 
„Herr Dollingen —", stieß sie, noch atemlos 
hervor. 
Das Fräulein lächelte mokant. „Bedaure, der 
Herr ist nicht anwesend. Richt wahr, Herr Schäd- 
ier?" 
„Rein, wirklich, das kann ich beschwören." Auch 
rr lächelte nun. 
„Hier ist nichts zu lachen", fuhr Jutta die bei 
den an. „Ich verbitte mir dos. Ich will eine Aus 
kunft." 
Herr Schädler bezwang sich sofort. „O, bitte, 
oweit wir dazu in der Lage sind ". Die hüb- 
che Dame schien ihn zu interessieren. 
„Sie werden mir doch die private Adresse von 
Herrn Dollingen angeben können?" 
Herr Schädler blättert eeifrig in einem Buch. 
»Krumme Straße 00, Charlottenburg." Er nannte 
oie Fahrtverbindungen und bemerkte mitten >m 
Saß, daß die Dame schon wieder draußen war. Der 
Mund blieb ihm eine Weile offen sttiM. 
„Wer kann das gewesen sein?" fragte Fräulein 
Esenwein neugierig. 
„Eine Schönheit — auf alle Fälle " 
„Wenn ich mich so anziehen könnte", erwiderte 
Pas Fräulein spitz, „wäre ich auch schön". Die Pu 
derquaste tanzte auf ihren Wangen. 
Herr Schädler zuckte grinsend die Achseln. 
Jutta fuhr bis zum Charlottenburger Rathaus 
und stieg dor! aus. Unterwegs war ihr e-ngefallen, 
daß sie unmöglich im Auto dort vorfahren konnte, 
wenn es auch nur ein Mietswagen war. 
Sie überquerte die Berliner Straße und ent 
deckte zu ihrer Freude das Straßenschild. Aber die 
Nummer? Welche Nummer war es doch gewesen? 
Sie hätte sie sich doch aufschreiben sollen. Ach, in 
ihrer Aufregung hätte sie den Zettel doch längst ver 
loren. 
In einem kleinen Weißwarengeschäft gab ihr 
eine junge Frau Bescheid. Jutta sing einen Blick 
unverhüllter Neugier auf. Wußte man hier schon 
alles?" 
Als sie in dem halbdunklen Flur des bezeichne 
ten Hauses stand, wußte sie schon, daß noch nichts 
gutgemacht war. Der Hauch des Unglücks saß an 
diesen braun gestrichenen, abgeblätterten Wänden. 
Ihr Mut sank. 
Auf ihr Klingeln oben wurde ein rundes Guck 
fenster beiseite geschoben, dann öffnete sich vorsichtig 
die Tür. Man schien hier auf ungebetene Gäste 
gefaßt zu sein. 
„Sie wünschen?" fragte Malwine leise. 
Jutta sah in ein verweintes, verblühtes Gesicht 
und wußte im gleichen Augenblick, daß die Schwe 
ster Georgs vor ihr stand. Sie wollte nach ihm fra 
gen, aber da sie bemerkte, daß sich die benachbarte 
Flurtür vorsichtig öffnet, bat sie: „Darf ich nicht 
eintreten? Ich werde Sie nicht lange aufhalten." 
Malwine nickte und machte den Weg frei. Als 
der Besuch im Korridor stand, wurde die Tür wie 
der verschlossen. Sie vermutete eine Kundin und 
fragte: „Sie kommen wegen einer Perlarbeit?" 
Jutta nickte schnell. Hier war ein Ausweg. So 
konnte sie den Anfang hinausschieben, den Ueber- 
gang suchen und abwarten, ehe sie die entscheidende 
Frage tat. „Ja. es ist ja jetzt die große Mode." 
Malwine ging voran und öffnete die Tür zu 
dem Zimmer. Frau Dollingen saß auf dem Sofa, 
eine Brille auf der Rase, und stopfte einen Strumpf, 
von dem sie nur flüchtig aufblickte. 
„Eine Kundin, Mutter. Die Dame will eine 
Arbeit. Eine Tasche nicht wahr? S-e wandte sich an 
Jutta, die verlegen, wie nie in ihrem Leben, da 
stand. 
Die alte Frau warf ihr einen fast argwöhni 
schen Blick zu und machte Anstalten, sich zu erheben. 
„Bitte, bleiben Sie!" bat Jutta fast flehentlich. 
„Hier ist ja ein Stuhl." Wieviel Falten die alte 
Frau hotte! Wieviel Angst und Sorge war da ein- 
gegraben! 
Malwine zeigte Muster. „Ich habe sie selber 
entworfen, allerdings in Anlehnung an ältere Vor 
bilder. Wir hatten ja genug davon bei uns zu 
Hause in Dorpat." 
„In Dorpat —", wiederholte Jutta sinnend. 
Georg Dollingen hatte oft genug von seiner Heimat 
erzählt. 
„Wie meinen Sie?" fragte Malwine verwun 
dert. 
„Nichts. Ich kenne einen Herrn, einen Balten, 
freilich aus Riga. Es sind jetzt so viel Balten bei 
uns." Fast hätte sie losgeweint. So viel Traurig 
keit saß in diesem Zimmer. 
„Ich nehme also die Tasche mit dem Georginen 
muster. Wie teuer ist sie?" 
Malwme nannte den Preis, dem sie gleich zu 
stimmte. Sie fühlte, daß ein Erstaunen in der Lust 
lag: wahrscheinlich kam es nicht so oft vor, daß 
Kundinnen den Preis, ohne zu handeln, anerkann 
ten. 
„Darf ich fragen, wer so freundlich war, mich 
bei Ihnen zu empfehlen?" 
Jutta stand auf. Nun mußte sie wohl gehen. 
„Wer war es?" Sie suchte nach einem Ausweg. 
„Nun, Sie brauchen ihn natürlich nicht zu nen 
nen. Ich begreife, daß das manchen Damen unan 
genehm ist." 
Frail Dollingen hatte den Strumpf weggelegt 
und die Brille abgenommen. Als Jutta in die gro 
ßen Augen sah, die die Augen Georgs waren, sagte 
sie mit jähem Entschluß: „Ich will ehrlich sein. Ich 
kam eigentlich aus einem anderen Grlinde hierher." 
Die beiden Frauen starrten - sich stumm an. 
Jutta fühlte Feindschaft in ihren Blicken aufglim 
men. „Wo ist Georg Dollingen?" fragte sie mit 
allem Aufgebot ihres Mutes. 
Das Schweigen hielt an. Es wurde gleichsam 
dichter, drohender. Es wuchs. Und das schnelle 
Ticken der kleinen, lächerlich kleinen Wanduhr be 
tonte die Stille noch mehr. 
Jutta wandte sich zu der alten Frau, die un 
willkürlich, wie in einer Abwehr, die Hände erhob. 
„Sie dürfen nichts Falsches von mir denken. Ich 
komme nicht aus Neugier. So niedrig müssen Sie 
mich nicht einschätzen. Ich würde mich selber ver 
achten —" 
„Weswegen kommen Sie denn? fragte die 
Mutter bitter. „Meinen Sie, wir hätten in dieser 
Zeit die Menschen nicht genugsam keilnen gelernt?" 
Jutta ?sah an ihr vorüber. „Ich habe ihn ge 
kannt," antwortete sie mit zitternder Stimme, die 
allmählich Festigkeit gewann. „Ja, ich habe ihn gut 
gekannt. Und nun frage ich: wie steht es mit ihm?" 
Ehe die alte Frau etwas sagen konnte, trat 
Malwine hinzu. „Es hat doch keinen Zweck, etwas 
zu verheimlichen, Mutter. Dos ganze Haus weiß 
es ja, die ganze Straße, vielleicht die ganze Stadt. 
Die Dame kaun es ja überall erfahren." Sie wandte 
sich Jutta zu. „Mein Bruder sitzt im Untersuchungs 
gefängnis." 
Jutta fühlte, wie olles Blut aus ihrem Gesicht 
wich. „Großer Gott!" stammelte sie, 
„Wundert Sie das? Wußten Sie es wirklich 
nicht?" 
Jutta starrte sie an. „Man hat ihn nicht frei 
gelassen?" 
Frau Dollingen erhob sich. Sie stand, an den 
Schrank gelehnt, aufrecht, leblos, starr wie eine 
Bildsäule. „Woher kannten Sie ihn?" fragte sie 
streng — wie ein Richter, empfand Jutta. 
Ratlos blickte sie um sich. Nie war hier ihr 
Name erklungen. Georg wußte ja nicht einmal 
ihren Namen! Erst jetzt wurde ihr das bewußt. Sie 
fühlte Schuld auf sich wuchten. 
„Woher kannten Sie ihn?" fragte die unerbitt 
liche Stimme der alten Frau wieder. 
Sie zwang sich zur Klarheit. Ich muß ant 
worten — aber was? Alles kann ich hier doch nicht 
erklären — mein zweites Leben, in dem ich mein 
Menschentum vor Erkältung, vor Erstarrung 
wahren wollte — was soll ich davon erzählen? Si 
cherlich hatte er nicht einmal von Johanna Reichert 
gesprochen. Er sah nicht aus, als ob er von seiner 
Liebe berichtete. Aber die alte Frau drüben wartete 
und wartete. Endlich fand sie einen Ausweg. „Ich 
lernte ihn durch Herrn Vorbeck kennen. Ja, dort 
. . . . und dort hörte ich auch von diesem Entsetz 
lichen . . ." 
Die Mutter löste sich von dem Schrank und 
setzte sich wieder. Ihre Augen schienen den feind 
lichen Ausdruck verloren zu haben. 
Acngstlich betrachtete Jutta sie. Sie betrachtete 
ihr abgetragenes Kleid, die runzeligen, abgearbeite 
ten Hände — sie sah Malwines vergrämtes Gesicht 
und ihre Perlenarbe:ten, und sie schämte sich plötz 
lich ihres eleganten Kostüms und ihrer Platinkette. 
Auch Malwine hatte sich, wie aus Erschöpfung, 
niedergelassen. „Ich begreife nicht, wie er dazu ge 
kommen ist. Wenn er noch Schulden gehabt hätte!" 
„Es gibt nur eins, was er uns verschwiegen 
hat", setzte die Mutter hin. „Nur eins —", Und 
jlc starrte Jutta an. 
„Was meinen Sie", fragte sie eingeschüchtert. 
Ihre Seele war wie ein verslatterter Vogel. 
Die alte Frau senkte die Stirn. Mühsam 
brachte sie heraus: „Eine Frau. Ein Mädchen. Was 
weiß ich?" 
Jutta fuhr zusammen. Wieder dachte sie an 
seinen unseligen Satz von dem Verbrechen, daß er 
für sie — für sie —• begehen könne. Und um ihre 
eigenen Erinnerungen zu verscheuchen, diese furcht 
baren Gespenster, rief sie laut: „Aber Sie glauben 
doch nicht auch, daß er das getan hat?" 
(Fortsetzung folgt.) 
Schmerzen und Blutungen am Ausgang« des 
Mastdarms, auch wenn sie noch jo selten auftreten, sind 
meist Kennzeichen von Hämorrhoidalerkrankungen 
Ihr« Entstehung kann heute durch die neuesten For 
schungsergebnisse leicht aus der Welt geschafft werden. 
Wer ein Interesse daran hat, von Hämorrhoidal- 
beschwerden jeder Art Befreit zu werden, wird das 
Vosterisan anwenden, das als Salbe und als Zäpf 
chen in allen Apotheken erhältlich ist. Ausführliche, 
aufklärend« Broschüre über das Posterisan kann man 
sich in den Apotheken kostenlos beschaffen. — Original 
packung Posterisan-Salbe: RM. 1,78; — Posterisan- 
Zäpfchen: RM. 2,65. 
«Äti 
L 
T 
zeibez 
1. Ir 
e 
erfolg 
Koste, 
anlast 
% 
.. T 
möget 
renha 
in Re 
iung 
hoben 
R 
Das § 
des K, 
durg. 
^chluk 
Rend 
orei 
werde 
öffentl 
verliest 
«fe 
Rend 
v 
Wien 
ei 
Krei
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.