123. Jahrgang.
Sd^eswig-Soifteittifdje LandsszsîLung
123. Iahrgarrs.
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ZgMersîgg, den 15. îîîaî
1930
Nach dem hannoverschen ein mederschlesischer Fall
von grundsätzlicher Bedeutung.
Thema: Gefährdung der Selbst-
üeenmttimg.
Der Niedcrschlesische Provinziallandtag behan
delte, wie aus Breslau gemeldet wird, einen natio
nalsozialistischen Antrag gegen den Oberpräsiden
ten Lüdemann. ^ Den ersten Teil des Antrages
„Der Herr Oberpräsident genießt nicht das Ver
trauen der niederschlesischen Bevölkerung" setzte
der Vorsitzende ab, weil der Provinziallandtag
nicht zuständig sei, einem Staatsbeamten das
Mißtrauen auszusprechen. Es blieb also nur der
zweite Teil des Antrages übrig: „Die preußische
Staatsregierung wird ersucht, ihn sofort abzube
rufen." — Die Abstimmung ergab 24 Stimmen
für das Mißtrauensvotum, 48 dagegen. Demo
kraten, Zentrum und Sozialdemokraten stimmten
dagegen, dis Deutsche Volkspartei und dis Kom
munisten enthielten sich der Stimme.
Dieser uiederschlesische Fall besitzt, ähnlich wie
der Konflikt zwischen einem Teil des hannoverschen
Provinziallandtages und dem Oberpräsidenten
Roske s ob schon dieser sich speziell auf die drei
Baudrate zugespitzt hat), über parteipolitische In
gredienzien hinaus eine politisch grundsätzliche
Seite. Diese besteht in der Frage, ab eine pro
vinzielle Eelbstvermaltungskörperschaft das Recht
haben soll, den Verbleib des non der Staatsregie
rung ernannten obersten Provinzialboamten von
ihrem Votum abhängig zu machen. Nach parla
mentarischem Brauch, der ja nun einmal in weite
stem Maße in Deutschland gelten soll, und auch
nach den Gepflogenheiten der Logik müßte dies
eigentlich der Fall sein. Denn die innere Voraus
setzung für ein ersprießliches Verhältnis zwischen
dem von der Staatsrcgicrung gesandten leitenden
Beamten und dcni Provinzparlament sollte doch
das Vorhandensein des Vertrauens der Mehrheit
des Sclbstverwaltungskörpcrs sein, mit dem der
Staatsbeamte entscheidend zu arbeiten hat.
Dem Vorgehen des Oberpräsidenten im nie
derschlesischen Provinziallandtag muß man also
aus rein grundsätzlichen Erwägungen kritisch ge
genüberstehen. Ein bedeutender Rest der Ange
legenheit blieb »ngcklärt, und er betrifft nicht
mehr und nicht weniger als die Gefährdung der
Selbstverwaltung durch eine — in solchen Fällen
wenigstens — irrtümlich beratene Staatsautorität.
Amļ und MMmöMg.
# Auf dis Erwägung, daß in unserem poli
tischen Leben und der Gesetzgebung ein Moment
größerer Ruhe fehle, sind Vorschläge zurückzufüh
ren wie der, dem Reichspräsidenten umfänglichere
verfassungsmäßige Befugnisse zu geben, neben dem
Reichstag eine auf mehr Stetigkeit beruhende
zweite gesetzgebende Kammer zu bilden, oder mit
dem Sturz einer Regierung auch den Reichstag
aufzulösen. Jedenfalls ist die Abfärbung des par
teipolitischen Wirrwarrs auf Staatspolitik und
Verwaltung kein Segen fürs deutsche Volk. Da
mit soll nicht gesagt sein, daß nicht auch schon
früher in dieser Beziehung gelegentlich gesündigt
wurde.
Symptomatisch für die kritische Einstellung in
der Gegenwart ist folgender Vorschlag an die
Reichsregicrung, der soeben der Oeffentlichkeit
unterbreitet wird.
„Staats- und Ministerpräsidenten, die Mini
ster des Reiches und der Länder, die Senatoren
der Hansestädte, die höheren Verwaltungsbeam-
tcn, Oberpräsidenten. Regierungspräsidenten,
Landräte, sowie die Bürgermeister der Städte und
Vorsteher der Landgemeinden haben bei der
Uebernahme ihres Postens sofort alle Partcibin-
dungen zu lösen und ihr eventuelles Abgeordneten-
maudat niederzulegen. Sie haben sich, solange sie
ihr Amt bekleiden, seder parteipolitischen Stel
lungnahme sowohl in den Parlamenten, wie in
den politischen Versammlungen zu enthalten."
Muer Betes Mrîtzs nach Bämae.
Reichsinnenminister Dr. Wirth hat an die
Weimarer Regierung ein neues Schreiben ge
richtet. Wie verlautet, ist in dem Schreiben
zum Ausdruck gekommen, daß die Anempfeh
lung politischer Gebete in Berlin keine Gegen
liebe finde.
Das Thüringer Kabinett hielt am Mitt
woch eine Sitzung ab, in der u. a. über die
Besetzung der Polizeidirektorenposten verhan
delt wurde. Minister Dr. Frick, der einige Po
lizeidirektorenposten mit Nationalsozialisten
besetzen will, legte seine Personalpläne vor.
über die sich das Kabinett jedoch nicht einigen
konnte, so daß in dieser Frage am Donners
tag abermals Verhandlungen stattfinden wer
den.
Offenbar hat sich die Spannung zwischen
Reichsinnenministerium und thüringischem
Kabinett, besonders dem Ministerium Frick,
wieder erhöht. Im Reichsministerium steht
man auf dem Standpunkt, daß die Schnlge-
vete Fricks politisch gefärbt und nicht zu recht-
fertigen seien. Außerdem glaubt man, daß die
Fricksche Personalpolitik untragbar sei.
Sächsische KsmmMîsļen übecfaHen
25 Verletzte.
T-U. Dresden, 15. Mai. (Eig. Funkmeldung.)
Am Mittwochabend überfielen im benachbarten
Heidenau etwa 150 Kommunisten eine Gruppe von
Nationalsozialisten, die sich zu einer Versammlung
begeben wollten. 25 Personen wurden verletzt,
18 davon mußten in Krankenhäuser eingeliefert
werden. Rechtsanwalt Dr. Mangler-Dresden, der
in der nationalsozialistischen Versammlung spre
chen sollte, wurde niedergeschlagen und erlitt einen
Schädelbruch. Andere Nationalsozialisten wurden
durch Hieb- und' Stichwaffen schwer verletzt. Die
8 Mann starke Ortspolizei stand dem Ueberfall
machtlos gegenüber. Als eine Polizeibereitschaft
aus Dresden eintraf, waren die Angreifer ver
schwunden.
:Js * *
Ein billiger MichsmchrschUMN.
Es hat Aufsehen erregt, daß im Reichswehr-
etat unter Einnahmen „18 Reichsmark für den
Verkauf eines Schuppens in Münster" verbucht
worden sind. Eine Zeitung hat darauf einen Be
richt über das Aussehen des Schuppens gebracht.
Dazu erfährt man nun aus Reichswehrkreisen, daß
der Schuppen vor einem Jahre abgebrochen und
zu Bedingungen, wie sie im Reichswehretat ange
geben find, verkauft worden ist. Es hat sich her
ausgestellt, daß nach Abzug der Unkosten sür den
Abbruch und dis Abbeförderung des Materials
nicht mehr als 18 Reichsmark als Einnahme ge
bucht werden konnten. c
Eine Rede des Reichstagsabgesrdneten
Schlange-Schönittgen in Rendsburg.
Drei Aufgaben im ftaalSpolilifchen
Aufbau Deutschlands.
Vor einem größeren Kreifo geladener Persön
lichkeiten aus Schleswig-Holstein sprach am Diens
tagnachmittag in Rendsburg der Reichstagsabge
ordnete Schlange-Schöningen. Er führte
u. a. aus:
10 Jahre nach der Staatsrcvolution stehen
wir am Anfang einer Parteirevolution. Die
Menschen sind es müde, in den Volksversammlun
gen nur mit Kritik gespeist zu werden an dem,
was nicht fein sollte, sie wollen das hören, was
werden soll und sich erfüllen kann, wenn alle
Kräfte angespannt werden. Angesichts der deut
schen Rot brauchen wir eine Verständigung der
Vernünftigen über die Parteischranken hinweg.
Heute noch bietet Deutschland zur Freude unserer
Gegner das alte germanische Schauspiel des Kam
pfes aller gegen alle. Daran werden wir zugrunde
gehen, wenn wir nicht zu größeren Zusammen
fassungen kommen in einer einheitlichen politischen
Willensbildung, soweit es die großen Fragen des
Staate^ und der Wirtschaft betrifft, und wenn
wir nicht die brennenden Tagessragen lösen, über
deren Vernachlässigung uns auch die Zukunft ver
loren gehen würde.
Ein erster Schritt auf diesem Wege ist durch
die Schaffung der Negierung Vrüning-Schiele-
Treviranus gemacht. Je stärker diese Regierung
unterstützt wird, umso energischer wird sie die
drängenden Aufgaben in Angriff zu nehmen ver
mögen. Wer sie offen oder versteckt bekämpft, darf
sie nicht anklagen, daß sie zu wenig leiste. Drei
Aufgaben stehen mir klar vor Augen, die teils
gleichzeitig, teils nacheinander gelöst werden müs
sen und die sich gegenseitig bedingen.
1. Der organische Wirtschaftsausbau. Er er
trägt keinen Aufschub. Seine Grundlage ist die
Laiidrmrtschast. Die kommende Ernte ist ihr
Schicksal. Roch eine verschleuderte Ernte bedeutet
das Ende der Landwirtschaft und damit der deut
schen Wirtschaft überhaupt. Darum muß eine ge
waltige Landvülkbeiveguirg in ganz Deutschland
erstehen, nicht als Bewegung des wirtschaftlichen
Egoismus, sondern der staatlichen und wirtschaft
lichen Notwendigkeit, welche, ohne andere Berufs- I
- 1
arbeit mit diesen die Kcrntrnppe des Gedankens
wird: Deutschland kann nur von der Scholle aus
gesunden. Wir begrüßen es, daß Schiele als Vor
kämpfer dieses Gedankens im Ministerium sitzt;
wer ihn in seiner Arbeit hindert, muß als Schäd
ling der Landwirtschaft gebrandmarkt werden. '
2. Wir brauchen eine neue große Rechte, wenn
wir nicht von der Linken überrannt werden wol
len. Dkd Politik der Unwirklichkeit, die auf der
bisherigen Rechten in den letzten beiden Jahren
getrieben wurde, hat zu deren Zerfall geführt.
Darum müssen neue Wege gesucht werden, die mei
ner Meinung nach nur in der Synthese zwischen
berufsständischer Einstellung im Lcnrde und staats
politischer Einstellung im Parlament gefunden
werden können. Mehr und mehr geht ein Zug
durch das Land und namentlich durch das Land
volk, daß diejenigen Männer in die Parlamente
gesandt werden sollten, welche das Vertrauen
ihres Berufsstandes durch persönliche Leistung er
worben haben; aber sie sollen in das Parlament
gehen nicht in eigenem Berufsegoismus, sondern
mit dem Willen zur Erfüllung der Staatsnotwen
digkeiten. Rur so kann die neue große Rechte
durch gleiche Zielsetzung der einzelnen Berufs
gruppen in den großen Fragen des Staates und
der Wirtschaft allmählich entstehen.
Erst dann wird man an die dritte große Auf
gabe herantreten können, den organischen Neubau
des Staates. Wir alle kennen die Fehler des
Systems, und durch fast alle Parteien geht mehr
oder weniger die Erkenntnis, daß manches in
Deutschland so wie jetzt, nicht bleiben kann. Ich
bekenne mich zu der organischen Durchdringung
dieses Systems mit unseren Gedanken, die nur all
mählich erfolgen kann, weil wir unter den Augen
unserer Gegner jenseits der Grenzen und in einer
Zeit der höchsten wirtschaftlichen Not keine Gewalt
und keine Unruhen gebrauchen können, die einen
Trümmersturz zur Folge haben müssen, der uns
alle und mit uns das Vate-land begraben würde.
Schlange-Schönlngen gehört zu jener Gruppe
_ / von Reichstagsabgeordneten, welche mit Trevira-
stä'nde schädigen "zu wollen^ in engster Zusammen- i uns, Schiele und anderen zusammen den inneren
Bruch mit dem Hugenbergschen polltischen Kurs
in der Deutschnationalen Volkspartei vollzogen
haben. In der in Rendsburg gehaltenen Rede hat
nun Schlange-Schöningen seine und seiner Freun
de Gedanken über Ziele und Wege dieser neuen
Volkskonservativen Gruppe vorgetragen- Aus ihr
geht zunächst hervor, daß er die w r g a. n ijche
evolutionäre Entwicklung als den ge
gebenen Weg für den Wiederaufbau Deutschlands
ansieht. Nicht über Chaos, sondern über
schöpferische Leistungen soll der Weg
gehen. In dieser Beziehung und in dem Bekennt
nis zur Volksgemeinschaft, d. h. der Sammlung
ans breitester Grundlage, begegnen sich seine An
schauungen mit gleichartigen anderer Bewegungen,
insbesondere der Volksnationalen Aktion. Soviel
man aber ans den vorgetragenen Eedankengängen
entnehmen kann, erstrebt Schlange-Schöningen
eine Sammlung in einer Kombination der
weltanschaulich gegründeten volks-
konservativen Gruppen mit b e r u f s *
Zur àMàm der Mbàl§sen-
veesicherMg.
Der Vorstand der Reichsanstalt fiir Arbeits
vermittlung und Arbeitslosenversicherung hat die
Beratung seiner Reformvorschläge abgeschlossen und
übergibt diese jetzt der Oeffentlichkeit. Nach diesen
Vorschlägen soll die Hauptuuterstützung für die An
gehörigen der fünf oberen Sohnklassen gesenkt wer
den, soweit die Arbeitslohn kein volles Jahr in Ar
beit gestanden haben, soAaß damit gleichzeitig eine
Regelung des Saisonarbeitcrproblems erfolgt. Der
Unterstützungsanspruch soll auf Arbeitslose im Al
ter zwischen 17 und 65 Jahren begrenzt werden^
Weiter ist die Einbeziehung des ländlichen Gesindes
ohne Iahresverträge vorgesehen.
Näheres im Wirtschaftsteil.
ständischer Parole. Er erstrebt offenbar
eine Verbindung zwischen den führenden Schichten
des volkskonservativ eingestellten intellektuellen
Lebens mit den berufsständisch zu organisierenden
Kräften des platten Landes. Es soll ohne wei
teres anerkannt werden, daß in den Bestrebungen
von Schlange-Schöningen Ansätze zu neuen Wil-
lensbildungen im nationalen und politischen Leben
sichtbar werden. Ob aber in dem von ihm einge
schlagenen Wege die Einleitung einer organi
schen Entwicklung oder nur der Versuch
einer politischen Konstruktion gesehen
werden kann, ist ohne tiefere sachliche Aussprachs
nicht ohne weiteres zu entscheiden. Die sich an den
Vortrag anschließende Debatte, deren Wiedergab«
sich bei dem vertraulichen Charakter der nicht öf
fentlichen Versammlung verbietet, ging leidêr seh«
bald die bekannten Abwege einer Diskussion in
parteipolitischen Eedankengängen, di«
diese Klärung nicht bringen konnt«. Wir be
halten uns ein weiteres Eingehen zur Sache vor.
40
Schluß ftt Genf.
Eise itslîkĢsttszsWt
BeŞdîgW «sch is der Jene.
Die Bölkerbundsratstagung in Genf steht
vor ihrem Abschluß. Grandi reist schon heute
ab und Briand morgen. Mit einer gestrigen
Besprechung zwischen Briand und Grandi wur
den die französisch-italienischen Verhandlun
gen, die das Wichtigste im Nahmen der dies
maligen Genfer Tagung waren, abgeschlossen;
sie sollen auf diplomatischem Wege fortgesetzt
werden. In der gestrigen Unterredung wur
den, wie verlautet, noch einmal sämtliche po
litischen Streitfragen zwischen Frankreich
und Italien berührt, wobei sich jedoch die
Möglichkeit einer Annäherung nicht ergabt
Jtalienischerseits wird betont, die italienische
Forderung auf Flottengleichheit dürfe nicht
als ein Handelsobjekt angesehen werden. Das
steht in Uebereinklang mit kürzlichen Aeuße
rungen Mussolinis über das italienische
Machtbcdürfnis zur Sec.
Im Bereich der Mittelmeerfrage, die aufs
engste zujammeuhüngt mit dem Problem der