Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 2)

Nr. Ill 
Zur Unterhaltung 
Beilage der Schleswķg-Holsteinļschsn Landeszeitung (Rendsburger Tageblatt) 
Dienstag, den 13. Mai 
Norwegens KKAsuak-rS Inàèîäum. 
Die Vollendung des Domes von Trondhjem. 
Don Friß Löwe. 
Norwegen feiert in diesem Jahre ein nationales 
Jubiläum von hervorragendster. Bei '-j. Es 
sind 900 Jahre seit dem Tode Olavs, d«. heiligen, 
verflossen, der im Jahre 1030 in der Schlacht von 
Stiklestad fiel. Seit dieser Schlacht datiert die Ein 
führung des Christentums in Norwegen. Anläß 
lich des 900-Iahr-Iubiläums steht noch ein anderes 
großes Ereignis bevor. Der berühmte Dom von 
Trondhjem, das schönste aller nordischen Bauwerke, 
ein Meisterwerk gotischer Kirchenbaukunst, wird 
wieder neu erstehen. Der wieder aufgebaute 
Trondhjemer Dom ist für das norwegische Volk das 
Symbol der Freiheit und Selbständigkeit ihres 
Landes. Trondhjems stolze Kathedrale ist der kon 
zentrierte Ansdruck norwegischer" Kultur und 
Kunst. 
Olav der Heilige war es, der das große Werk 
der Einführung des Christentums in Norwegen voll 
brachte. Auf einer seiner Wikinger-Fahrten wurde 
er in England mit der neuen Lehre bekannt und 
ließ sich später in Rouen taufen. Voller Begeiste 
rung für die neue Lehre kehrte er im Jahre 1018 
nach Norwegen zurück und vollendete das Werk, 
das feine Väter begonnen hatten. Da er jedoch 
hierbei scharf zugriff, erwuchsen ihm viele Feinde. 
Die Zahl derselben wurde immer größer, west er 
versuchte, in Norwegen eine starke zentralisierte Kö 
nigsmacht zu errichten. Die Erbitterung und der 
Widerstand gegen ihn wurde so groß, daß er im 
Jahre 1028 aus Norwegen nach Rußland flüchten 
mußte. Im Jahre 1030 kehrte er jedoch mit einem 
starken Heere durch Schweden nach Norwegen zu 
rück. Die norwegischen Fürsten, die seinen Haß 
fürchteten, sandten ihm ein großes Heer entgegen. 
Bei den: Orte Stiklestad kam es am 29. Juli 1030 
zur Schlacht, in der Olav fiel. Rach feinem Tose 
hatte es den Anschein, als ob die Sache, für die er 
gekämpft hatte, verloren fei. Aber nun geschah das 
Merkwürdige. Gerade durch seinen Tod gelangten 
die beiden Ideale, für die er gekämpft hatte, — die 
Einführung des Christentums und der norwegische 
Einheits-, der Reichsgedanke — zum Siege. 
Am Abend noch der Schlacht von Stiklestad 
begaben sich der Eigentümer des in der Nähe lie 
genden Bauerngutes und fein Sühn auf das 
Schlachtfeld, um den Leichnam des Königs zu su 
chen. Sie fanden ihn und versteckten ihn auf ihrem 
Hofe. Später legten sie ihn in einen Sarg und be 
erdigten ihn in Trondhjem in einem Sandhügel 
am Nidelv. Bald durchschwirrten eigenartige Ge 
rüchte das Land, von Wundern, die vom Leichnam 
des Königs ausgingen. Man erzählte, daß Blinde, 
die an feinem Leichnam gerührt hätten, wieder 
sehend geworden seien n. a. m. Die Stimmung 
schlug um und ein Jahr nach der Schlacht war 
Olav ein Heiliger, zu dem das Volk betete. Olavs 
Freund, der Bifchoş ^rimkell, ließ den Leichnam 
ausgraben und erl en toten König für eigen 
Märtyrer und Hett^-..-. Der Leichnam wurde in 
einen silbernen Sarg gelegt und am Hochaltar der 
St. Clemenskirche, die Olav errichtet hatte, aufge 
stellt. Ueber der Stelle aber, wo sein Leichnam m 
dem Sandhügel beigesetzt war, wurde später eine 
kleine Holz-kap«! "richtet. Diese ist der Vorläufer 
für die mächtige ^-omkirche von Trondhjem, die auf 
derselben Stelle gen Himmel ragt. 
In den folgenden Jahrhunderten wurde der 
heilige Olav nicht nur Norwegens großer National- 
heiliger und kirchliches Symbol, sondern auch das 
Symbol der nationalen Sammlung und die Perso 
nifikation des Reichsgedankens. Aber die historische 
Bedeutung des heiligen Olav geht noch weiter. 
Von Trondhjems ehrwürdiger Domkirche, wo fein 
Leib am Hochaltar im heiligen Schrein schlummerte, 
gingen Zeichen und Wunder aus. So wurde er 
der Nationalheilige des ganzen Nordens und der 
erste nordische Heilige von internationalem Ruf. 
Ueber ganz Nordeuropa breitete sich der eigen 
artige Olavskult ans. Man erbaute Olavskirchen, 
Olavsklöster und stiftete Olavsgeftllschaften. 
In Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, 
in den Ostseeländern und die Nordseeküsten entlang 
bis Holland, auf Island, in Großbritannien und 
Irland gibt es heute noch sichtbare Zeichen des 
Olavskult und lebende Olavstra-ditionen. Olavdar- 
stellungen findet man in kirchlichen Skulpturen und 
Malereien, in Siegel-, Stadt- und Landschaftswap 
pen ringsum im Norden. Aus allen diesen Län 
dern wanderten das ganze Mittelalter hindurch Pll- 
gerzüge nach Trondhjem. Aus der Heiligenvereh 
rung wuchs durch die Arbeit von Jahrhunderten 
Trondhjems große Domkirche, die prächtigste Kathe 
drale des Nordens empor, die jetzt im Jubiläums 
jahre äußerlich und innerlich in ihrem alten Glanze 
wieder erstanden ist. 
An der Stelle, wo einst -die kleine Holzkapelle 
stand, ließ König Olav Kyrre eine Steinkirche er 
richten, die „Heilige König Olavkirche in Nid-aros". 
Diese Kirche war der ursprüngliche Bau des jetzigen 
Doms. Der Sarg mit den Gebeinen des heiligen 
Olav wurde am Hochaltar der Kirche beigesetzt und 
stand dort 500 Jahre. Immer mehr wuchs die Be 
deutung der Kirche. Der Zustrom der Pilger wurde 
immer größer. Im Jahre 1152 wurde in Trondhjem 
ein Erzbischofsttz errichtet. Der dritte Erzbischof, 
Eystein Errlandsson, entschloß sich, eine große 
Kathedrale an Stelle der alten Kirche zu errichten. 
Im Jahre 1248 wurde das Fundament für das 
Schiff gelegt, und der Ban wurde im Jahre 1320 
vollendet. Die Kirche war die größte und pracht 
vollste im ganzen Norden. 
Die Zeiten änderten sich. Schwere Jahre ka 
men für Norwegens Volk. Krankheiten, Kriege, 
Hungerjahre verheerten das Land. Die Selbständig 
keit Norwegens ging verloren. Nach der Einfüh 
rung der Reformation plünderten die -dänisch-nor 
wegischen Könige systematisch die norwegischen Kir 
chen und Klöster. Auch die Domkirche litt hierun 
ter schwer. Der silberne Sarg Olavs wurde noch 
Kopenhagen gebracht und dort in Münzen umge 
schmolzen. Die Kirche verlor ihre reichen Land 
güter und die wertvollen Gaben, die den Weiter 
bau des Domes ermöglichten. Große Brände richte 
ten in -den Jahren 1328, 1432, 1531, 1708 und 1719 
große Verheerungen an. Mittel, nach diesen Brän 
den die Kirche zu restaurieren, fehlten völlig. So 
blieb der Dom in einem erbarmenswerten Zustande 
liegen. 
Aber schließlich begann sich im norwegischen 
Volk der Gedanke zu regen, daß man dieses Bau 
werk, das die Geschichte des norwegischen Volkes 
und Landes in so vielen Beziehungen symbolisierte, 
nicht in einem derartig verkommenen Zustande lie 
gen lassen könne. Im Jahre 1869 begann die Idee 
,für den Neuaufbau der Domkirche greiftare Ge 
stalt anzunehmen. 
60 Jahre hindurch hat man an dem Wieder 
aufbau des Domes gearbeitet. Fraglos werden die 
großen Festlichkeiten, die in diesem Jahre in -dem 
ehrwürdigen Dom und in Trondhjem stattfinden, 
ein ergreifendes Erlebnis fein für die Tausende und 
Abertausende, die aus der ganzen Welt hier zu 
sammenströmen werden, um das große norwegisch« 
Nationaljubiläum — -das Olavjubiläum — mitzu 
feiern. 
Im Anschluß an die kirchlichen Feierlichkeiten 
und an das Jubiläum werden in Trondhjem unter 
dem Sammelnamen „Historische Ausstellungen des 
Olavjubiläums" historische, kirchliche und kulturelle 
Ausstellungen stattfinden. Auch wird eine große 
Ausstellung moderner norwegischer Kunst und die 
sogenannte „Tröndelagsutstilling" — eine die Fi 
scherei, Industrie, Landwirtschaft usw. umfassende 
Ausstellung — eröffnet werden. Die Geschichte Nor 
wegens, der norwegischen Städte und der norwe 
gischen Kirche werden in Sonderausstellungen be 
leuchtet werden. Moderne Kunst — Gemälde und 
Skulpturen -— werden eigene Abteilungen erhal 
ten. Auf Skanfen und Mdarö wird das norwegische 
Erwerbsleben zu Wäffer und zu Lande zeigen, 
wie weit Norwegen heut im Prodnktions- und Um- 
satzleben gekommen ist. 
- Der herrliche norwegische Sommer wird dies 
mal im Zeichen des Olavjubiläums und -der Aus 
stellung stehen, die norwegische Kultur, norwegischen 
Gewerbefleiß, Norwegens kulturelle Vergangenheit 
und Fortschritt zeigen wird. Die Einweihung des 
neurestaurierten Teiles der Dom-kirche wird am 
Olavstage ,dem 29. Juli, begangen werden. In Ver 
bindung mit ihr werden Festgottesdienste und an 
dere Festlichkeiten stattfinden. 
So wie in alten Zeiten zahlreiche Pilgerscha- 
ren nach der alten Krönungsstadt am Nidfluß ström 
ten, wird im Jubiläumsjahr 1930 ein großer Frem 
denstrom aus -der ganzen Welt -das natürjchöne nor 
wegische Land, -das Land der Mitternachtssonne, 
aussuchen, um an den Festtagen in Trondhjem teil 
zunehmen. 
Musikpädagogische Tagung in Stettin. 
Am Sonnabendvormittag wurde in Stettin 
die öffentliche Tagung des Reichsverbandes Deut 
scher Tonkünstler und Musiklehrer von dem Vor 
sitzenden des Hauptvorstandes, Dr. Arnold Ebel- 
Be.rlin eröffnet. Dr. Ebel wies auf die großen 
Aufgaben der Erneuerung der deutschen Musikkul 
tur hin, deren Ziel ein wahrhaft volkstümliches 
Musikleben sei, das nichj mehr d-ie Grenze zwischen 
der Musik sür den Künstler und der Musik für den 
Menschen kenne. Der Vertreter der Regierungs 
behörde, Oberregierungsrat Vahr, betonte, zwar 
werde von den Privatmusiklehrern die staatliche 
Aussicht als lästig empfunden, im Grunde genom 
men aber trage sie mit der Auswahl geeigneter 
Lehrkräfte auch nur zur Förderung des Musik 
wesens bei. Superintendent Meyer stellte zwischen 
der Kirchenbehörde und den Tagungsteilnehmern 
die Verbindung her, indem er die gesunde Kraft 
der Singbeweg-ung als wirksames Gegenmittel für 
die musikalische Entartung der Zeit bezeichnete. 
Ferner -sprachen die Vertreter der Stadt Stettin 
und der Stettiner Th-eatergem-einde. Besondere 
Bedeutung gewann die öffentliche Tagung durch 
den Vortrag von Ministerialrat Professor Leo 
Kestenberg-Berlin, der über die Beziehung zwischen 
Staat und Musik sprach. Ş 
Mm ķôchrîņ n«S Lachen. 
Der Rekrut. 
Leutnant: „Füße auswärts? Hörst du nicht, 
Pettersjon?" 
Pettersson: „Entschuldigen Sie, Herr Leut 
nant, ich stehe auch so, aber man kann es nur nicht 
sehen. Die Stiefel sind zu groß." 
Das Schlaflied. 
Tante: „Ueber eine Stunde singe ich dem 
Jungen -schon vor, und er schreit immer noch fort! 
Was soll ich denn da tun?" — Vater: „Aufhören!" 
Paul Enderling 
Copyright 1929 by Karl Köhler u. Co., 
Berlin-Zehlendorf, Machnower Str. 24 
4) (Nachdruck verboten.) 
„Sie zerdrückte -das Zigarettenende und erhob 
sich. „Jetzt bin ich auf ein paar Stunden -die Toch 
ter des Hauses, die die Honneurs macht. Kommen 
Sie. Mein Vater wird schon ungeduldig fein." 
Der Baron folgte gehorsam. Er hatte allen 
Wünschen Juttas gehorcht. Aber dies Auf und Ab 
ihrer Laune hatte ihn stutzig gemacht. Sie war gar 
nicht mehr so selbstsicher wie einst: sie erklärte sich, 
ja, und entschuldigte sich beinahe. Kein Zweifel: sie 
war nervös. Und natürlich war ein Mann im 
Spiel. Das war auch bet -den kniefreien Juttas so 
üblich. 
Während er hinter ihr herschritt, -durch diesen 
engen Korridor des verbauten Hauses und fein 
Auge über die fchwarzgerahmten englifcheu Stahl 
stiche schweifte, fiel ihm plötzlich ein, was sie von den 
zwei Leben gesagt hatte, die man leben müsse. Was, 
zum Kuckuck, hatte sie eigentlich damit gemeint? 
3. 
Georg Dollingen blickte über die Zeichentische 
hinweg nach draußen, wo die Rathausuhr auf drei 
viertel zwölf stand. Fröhlicher Sonnenschein zit 
terte über den großen Stadtplänen, die die hohen 
weißen Wände zwischen den Atelierfenstern füllten. 
Solche Sonne hätte in der Zeit vor dem Motorrad 
rennen herrschen müssen, dann wäre es eine anstän 
dige Bahn gewesen und viele Stürze wären erspart 
geblieben. 
„Arbeit macht das Leben füß", mahnte Herr 
Schädler, fein Kollege. Er h-atte längst den langen 
Ieichenstift niedergelegt und betrachtete feine Frisur 
in einem Handspiegel. 
l „Arbeit? Wie lange wird dos hier noch 
dauern?" 
„Bin ich ein Prophet?" 
Der Handspiegel flog in die Tasche. Beide 
Herren beugten sich über die Zeichnungen, als sich 
die Tür öffnete. 1 
Vorbeck schlurfte langsam näher. Sein schwam 
miger Körper schob sich zu den Zeichentischen. „Nicht 
zu fleißig, meine Herren. Man muß die Kunden 
warten lassen,, foult Llauben sie, bauen sei eine 
Sache -der Geschwindigkeit und keine Hexerei." Er 
lachte lange über seine Bemerkung, und aus dem 
Nebenzimmer, zu dem die Tür geöffnet blieb, hörte 
inan das begleitende Lachen des Tippfräuleins. 
Auch Herr Schädler hatte beifällig gelächelt. 
Der Architekt machte einen Schritt auf Georg 
Dollingen zu, der allein ernst geblieben war, und 
blieb stehen. „Was ich sagen wollte —" 
Georg Dollingen kannte die Art seines Chefs. 
So kam er jedesmal, wenn er Unangenehmes zu so 
gen hatte: Wie ein Lehrer, der eine tückische Kunst 
pause macht, ehe er dem wartenden Schüler die 
Straft diktierte. Er mochte ein paar überflüssige 
Striche und blickte auf, als er seinen Namen hörte. 
„Die Arbeit an der Schule ist ja wohl nun er 
ledigt, nicht wahr, Herr Dollingen?" 
„So ziemlich, Herr Vorbeck." 
„So ziemlich? Das ist das Höchste, was einem 
gelingen kann", philosophierte der Architekt. „Das 
Schöne wird nie fertig, hat einmal ein Dichter ge 
sagt, damals, als es noch Dichter gab. Nur in der 
Technik kann man von Vollendetem sprechen, weil 
da die Zahl diktiert." 
„Gewiß", bestätigte Dollingen. Was würde 
nun konnn-en? Nie hatte er Dorbeck so gehaßt. 
Nun kam es. „Sie waren bisher bei mir halb 
tags beschäftigt, Herr Dollingen?" 
Der' Angeredete nickte wortlos. Warum ftagte 
dieser Mensch noch? Er wußte doch ganz genau die 
Stunde, wo er ihn ausgenommen hatte. 
Vordeck zwirbelte an den winzigen Härchen auf 
seiner Oberlippe herum. „Die Sache ist nämlich 
die: es ist doch fraglich, ob ich noch länger für Ihre 
gewiß schätzenswerte- Tätigkeit Verwendung habe." 
Georg Do-llingen erhob sich und stand kerzen 
gerade, -die Hand auf die Tischplatte gestemmt. „Das 
soll heißen, daß Sie mich entlassen?" 
Der Architekt lächelte dünn. „ Das klingt viel 
zu heftig. Entlassen — ich bitte Sie. Sie sind doch 
nicht mein Angestellter. Ich habe überhaupt keine 
Angestellten, vielmehr nur Mitarbeiter. Und 'ch 
bin stolz darauf, daß es hier so steht." Seine Micke 
bogen Dollingen aus, der ihn ruhig ansah, und 
schweiften zu dem kleinen Gipsmodell einer Villa 
herüber, das am Fenster stand und verstaubte. 
„Ich kann also noch bleiben?" Dollingen wun 
derte sich selbst, wie kühl seine Frage klang, und es 
erfüllte ihn mit Befriedigung, daß seine Stimme 
nicht gezittert hatte. 
Der andere schien etwas verwirrt. „Aber selbst 
verständlich. Ich bitte Sie. Ich möchte Sie nur 
darauf aufmerksam machen, bast gelegentlich der 
Fall eintreten könnte, daß ich auf Ihre Mitarbeit 
verzichten müßte. Ich sage es nur, damit Sie be 
reit sind. Derert sein ist ja alles, nicht wahr?" 
Georg Dollingen zuckte die Achseln. Es war 
bas ewige Katz- und Mausspiel, das Borb-eck trieb. 
Vielleicht war es bas einzige Mol, wo er etwas wie 
Macht empfand. Man mußte ihm -dies lächerliche 
Gefühl zugute halten. Er setzte sich wieder. „Ich 
bin arcs alles gesoßt, obwohl bi« Dauaussichteu sich 
jo gebessert haben —" 
Dauaussichten?" Der Architekt siel ihm ins 
Wort. „Was verstehen Sie -darunter? Es wirb ge 
baut, zweifellos. Aber wer baut denn? Der große 
Unternehmer, der mit staatlicher Unterstützung Se- 
rienbauten hinlegt." Er warf sich in die Brust. 
„Meine Herren, sehe ich so ans, als ob ich Serien 
bauten mache? Dann schon lieber gleich — wie drü 
ben über'm großen Teich — die Häuser aus einer 
Form gießen. Habe ich nicht recht?" 
Das Tippfräulein, eine kleine, rundliche Dame, 
stürzte herein. „Herr Vorbeck, bitte ans Telephon. 
Herr Reinhagen wünscht Sie zu -sprechen." 
Der Architekt seufzte. „Eine tenftische Erfin 
dung, dies Telephon." 
Als er draußen war, schloß Fräulein Wally 
Eftnwein die Türe. „Nun aber raus, mein« Her- 
ren, ehe er merkt, daß ich ihn verkohlt hà. Na, 
wie stehe ich nun -da?" 
- „Sie sind ein Engel", sagte Herr Schädler, der 
eilig in seinen Mantel fuhr. „Bei der nächsten 
Schönheitskonkurrenz rm Lunapark stimme ich für 
Sie." Er war schon in der Türe. 
Fräulein Wally trat zu Dollingen. „Gehen Sie 
nun nach Hause?" 
Er sah sie verwundert an. „Natürlich, wohin 
sonst?" 
„Wohin sonst?" wiederholte sie schmolleud 
„Na, es könnte ja auch sein daß Sie mich ein wen:g 
begleiten." Sie lachte ihn kokett an. 
„Ausgeschlossen, Fräulein Eftnwein." 
„Huch, was Sie für strenge Augen machen! 
Herr Schädler, der -dem Zwiegespräch amüsiert 
gefolgt war, ries herüber: „Hindern Sie Herrn 
Dollingen nicht im Training. Er braucht klaren 
Kopf und alle Kräfte für das nächste Rennen.' 
Vorbeck kam zurück und schnauzte dos Fräulein 
an: „Natürlich schon wieder angehängt. Sie haben 
mich wieder zu spät gerufen." 
„Es ist nicht meine Schuld", verteidigte sich -die 
Angegriffene. „Sie kommen nur immer zu spät. 
Sic lassen die Leute zu gern warten." 
Schälle rvektze Zähne. „Auch ich möchte nicht verfehlen, 
Ihnen meine größte Anerlennung und vollste Zufriedenheit 
über die „Chlorodont-Zahnpaste" zu übermitteln. Ich gebrauche 
„Chlorodont" schon seit Jahren und ich werde ob meiner 
schönen weißen Zähne oft beneidet, die ich letzten Endes nur 
durch den täglichen Gebrauch Ihrer „Ehlorodont-Zahnpasto" 
erreicht habe." C. Reichelt, Schwerz, Amt Niemberg, Saalkreis. — 
Chlorodont: Zahnpaste, Zahnbürsten, Atundwaffer Einheits 
preis 1 Mk. bei höchster Qualität. 2n allen Chlorodont« 
Derlaujsstellen zu haben. 
Er lächelte schwach. „Mau -darf seine Kunden 
nicht verwöhnen, Sie kleine Schneegans." Dann 
wandte er sich an Dollingen: „Sie würde -doch eine 
Entlassung, Verzeihung, eine Trennung von mir 
nicht besonders treffen?" 
„Ich verstehe Sie nicht recht?" Vor ihm schwebte 
das verbitterte Gesicht der Mutter, und die Schwe 
ster, die sich über Perlstickereien beugte und sich 
daran -die Augen verdarb. 
„Beim Sport verdient man doch viel Geld, habe 
ich mir sagen lassen. Und vorgestern auf der 
Rennbahn haben Sie ja direkt Sensation gemacht, 
wenn auch nur für kurze Zeit. Aber das ist beim 
Sport nun mal so: den ersten Ozeanflieger feierte 
man wie einen Gott — nach dem elften sieht man 
sich nicht mehr um. Minutenerfolge. Aber sie 
bringen -doch Geld, tmc? Wofür bezahlt man heute 
mehr als für Sensationen?" 
Georg Dollingen fürchtete eine neue Rede.- „Es 
war dc?s erste Mal, daß ich mich an einem solchen 
Rennen beteiligte, und auch nur auf Drängen eines 
Bekannten. Es war übrigens auch das letzte Mal." 
„Aber warum denn? Warum?" 
„Ich habe es meiner Mutter versprochen", ant 
wortete er ruhig. 
Der Architekt zwinkerte -dem Fräulein zu, wagte 
ober nicht, zu witzeln. „Bravo. Eine Empfehlung 
an -die Frau Mutter." 
Als Georg Dollingen -draußen war, fragte er: 
„Verstehen Sie das? Ein Kerl wie ein Baum und 
hängt am Schürzenzipfel -der Mutter." 
„Das finde ich sehr hübsch", entgegnetc sie 
schnippisch. 
„Aha. Das Gemüt. Das gefällt -den Frauen 
also immer noch. Na ja, wer der Nlama gehorcht, 
wird auch ein guter Ehemann, wie?" 
Fräulein Eftnwein lief hinaus. Ihre wütende 
Stimme klang herüber: „Ich habe keine Heiratsab 
sichten. Ich verbitte mir das." 
Befriedigt nickte Vordeck ihr noch. 
(Fortsetzung folgt.) 
588 
eine 
men 
-400 
cas- 
mit 
35 
stat- 
und 
zu- 
irkt 
sich 
S-ut 
Die 
000 
nd» 
UM 
Ro- 
iah. 
nen 
tra 
gen 
roch 
der 
an 
u) 
aft- 
mö- 
10. 
i-ges 
die 
8 4 
von 
vor« 
fort 
ab- 
>. s. 
.187 
2.00 
415 
9. 5. 
136.0 
128.0 
142.8 
-98.7 
29.7 
22.0
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.