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123. Jahrgang.
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SsMcheņd. Len 16. Mm
1936
Gedanken zur Zeitgeschichte.
Im Kampf um eine Neuordnung der
innenpolitischen Kräfte.
Ein Aufsatz und eine Zuschrift.
şG Der Bruch mit dem überlebten Parteien
system der materialiftisch-liberalistischen Zeitepoche
der Vergangenheit wird in Deutschland immer be
wußter vollzogen. Der Kampf der Generationen
ist auf Entscheidung eingestellt. Das Ringen
der Geister auf der sogenannten „bürgerlichen"
Seite, ein Begriff der liberalistischen Zeit, der
aller Voraussicht nach mit dem Sieg der jungen
Kräfte verschwinden wird, geht heute nur noch um
die beiden Fragen: „Wird es den alten Parteien
gelingen, eins Synthese, d. h. einen Ausgleich, im
Ringen der Kräfte zu finden?" und „Wie weit sind
die neuen Kräfte bereit, sich auf einen solchen Aus
gleich einzustellen?" Kompromisse alten Stils, d. h.
der Kuhhandelei durch Mandatssicherung
und Vertuschung des Grundsätzlichen,
lehnt die junge Generation ganz ent
schieden ab. Es kann sich dabei also lediglich
darum handeln, ob der Parteiismus — etwa
Brandenburgs stets gerühmtem historischen Vor
bilde Preußen, gegenüber folgend — um größerer
Ziele willen die neue Krästeentmicklung st ü tz e n
will, bis sie zur vollen Reife sich entwickelt hat.
Ein Ausgleich zur Sache ist allerdings erschwert,
weil Parteibürokratien und Partei-
dogmatismus der lebendigen Entwicklung
gegenüber sich z. T. sehr souverän, d. h. unum
schränkt überlegen, oder gar immun, d. h. in diesem
Zusammenhange unangreifbar zu fühlen scheinen.
Mögen diese sich nicht falschen Täuschungen hin
geben!
Links von den bürgerlichen Gruppen sind die
neuen Entwicklungslinien in der Ueberwindung
einer rein klassenkämpferischen Einstellung weni
ger sichtbar, weil hier das Funktionärsystem
die Lago noch fast völlig zu beherrschen scheint und
ihr gegenüber der neue Geist Deutschlands sich um
so schwerer durchsetzen kann, weil die unglückliche
wirtschaftliche Lage Deutschlands unter dem Druck
von Versailles außerordentlich hemmend wirkt
und die S o z i a l p o l i t i k in ihrer auf S e l b st-
z w e ck abgestiinmten Einstellung von weiten
Kreisen noch nicht genügend durchschaut wird.
Auf der sogenannten bürgerlichen Seite, in
sonderheit bei den vom platten Lande ausgehen
den Kräften, scheint man gewisse Gefahren zu ver
kennen. Der Gedanke gewinnt bewußt oder un
bewußt an Boden, den Marxismus, also die klas
sen k ä m p f e i i s ch c Parole des Prole
tariats. durch eine einseitige berufs-
ständische Parole, also einer neuen klassen
kämpferischen intimarxistischen Front, bekämpfen,
d. h. also den Teufel durch Beelzebub
austreiben zu wollen. Man erreicht damit aber
in Wirklichkeit nur, daß sich der Kl a s s e n g e -
danke verewigt und zwischen dem Arbeiter
und dem Bauern, zwischen Stadt und Land, eine
dann fast unüberbrückbare Scheidewand aufrichtet,
welche die Neuordnung der innenpolitischen Kräfte
zum Wiederaufbau eines neuen Deutschlands aus
neuen Kräften und mit neuen Zielen fast hoff
nungslos machen würde.
Ueber die hier kurz erörterten Dinge wird
nachfolgend aus einem Aufsatz der „Kölnischen
Zeitung" also einem führenden volkspartei
lichen Organ, berichtet, und in einer Zu
schrift an uns Stellung genommen (siehe hierzu
auch die Zeitgedanken der letzten Sonnabend-Nr.).
Wir veröffentlichen beides besonders gern ge
rade in diesem Augenblick, weil in Rendsburg
am Sonnabend und Sonntag der Provinzialaus
schuß der Deutschen Volkspartei tagen wird. Wir
wünschen und Haffen, daß sich in Schleswig-Holstein
führende Persönlichkeiten der alten Parteien fin
den mögen die entschlossen und mutig genug sind,
in dem Kampf um eine Neuordnung über Partei
bindungen und Egoismen binweg den Weg zu
neuen Entwicklungen zu suchen. Die jetzt begin
nenden Auseinandersetzungen innerhalb der Wäh
lerschaft sind so weit gediehen, vast man in der
Oefşentlichkeit von einer letzte nM in utevor
Zwölf vom Standpunkt der alten Parteien aus
sprechen kann und
res empfehlen darf, wenn man den Anschluß an
die Kräfte des neuen deutschen Idealismus noch
finden will.
In dem von H e l l p a ch geschriebenen Aufsatz
in Nr. 242 der „Kölnischen Zeitung" heißt es u. a.:
„In dem politischen Lager rechts von der
Sozialdemokratie wächst der Wille zu einer in
nenpolitischen Neuordnung von Tag zu Tag.
Die Wählerschaft ist erwacht und will sich von
den bisherigen politischen Parteien nicht weiter
am Gängelbande führen lassen. Sie will zwei
erlei, nämlich einmal eine Ueberwindung des
sich immer mehr aufspaltenden Parteiunwesens,
also eine Beseitigung der kleineren politischen
Gruppen, und zweitens eine grundsätzliche
Neuordnung der innenpolitischen
Kräfte.
Die Umgruppierung und Neuordnung in
der deutschen Wählerschaft hat alle Parteien von
der Demokratie bis ganz nach rechts hin erfaßt.
Hier ist aber der Wille zur Neuordnung der
Kräfte noch nicht einheitlich. Es haben sich ver
schiedene Bewegungszentren gebildet, von denen
drei Gruppen besonders in Erscheinung getreten
sind. Das sind die Gruppen der Volks-
gemeinschafts- und Erneuerungs
bewegung, die ihren organisatorischen Mit
telpunkt in der Volksnationalen Reichsvereini
gung gefunden haben, dann diejenigen Gruppen,
die einer bürgerlichen Sammlung zu
neigen und auf eine Verschmelzung der Deut
schen Volkspartei mit den Demokraten und der
Wirtschaftspartei hinarbeiten, und schließlich die
Gruppen, die früher im Rahmen der Deutsch-
nationalen Volkspartei standen und die sich zum
Teil nach berufsständischen Gesichtspunk
ten wie die Christlichnationalen Bauern, zum
Teil aber auch nach weltanschaulichen
wie der Christlichsoziale Volksdienst und
Volkskonservativen neu zu ordnen versuchen."
Mit diesen drei Gruppen rechnet auch Prof.
Hellpach. Er und sein Kreis haben sich aber noch
nicht entschlossen, zu welcher Gruppe sie stoßen
wollen. An die Gruppe der bürgerlichen Samm
lung ist das Ultimatum Hellpachs gerichtet. Sein
Herz gehört aber eigentlich nicht dieser bürgerlichen
Sammlung, die ja doch mehr oder weniger eine
Sammlung auf materieller und bürgerlich-inter-
essenmäßiger Grundlage fein müßte. Sein Herz
und sein Geist gehören einer innenpolitischen Syn
these zwischen der geistesfreiheitlichen Richtung im
deutschen Staatsbürgertum und einer neuent-
steyenden konservativen Richtung. Auch Hellpach
weiß, daß die Begriffe „liberal" und „konservativ"
überholt sind, und daß sie insbesondere für die
Kriegs- und Nachkriegsgeneration kaum noch Gel
tung haben. Er stellt darum auch fest, daß eine
Neuordnung lediglich nach diesen Begriffen nicht
möglich ist. Ebenso lehnt er in seinem Artikel in
der „Köln. Ztg." eine mechanische Fusion von
P a r t e i e n. ab. Was er wünscht, ist ein Zusam
menschluß vor allem der Demokratischen Partei
und der Deutschen Valkspartei und der neuen Be
wegungen nach geistig-weltanschaulichen wie auch
innenpolitisch-taktischen Ecsichtspunlten.
Dabei stellt er nach einer Aufforderung an
Dr. Scholz und Koch, unzweideutige Erklärungen
abzugeben, fest, daß „weder die Demokratische
Partei, wie sie augenblicklich ist, noch die Volks
partei, wie sie augenblicklich ist, ein . •* Sam
melbecken (für eine große Partei der Mitte) für
sich allein darstellen kann", sondern daß „nur das
große Beispiel der Selbstüberwindung beider durch
völligen Zusammenschluß die Anziehungskraft zu
entfalten vermag, um Ströme jungen politischen
Wollens in die Fusion hineinzuleiten".
Professor Hellpach sieht u. E. nach in diesem
Punkt sowohl die heutige Lage wie die Strömun
gen in der Wählerschaft falsch. Die Verschmelzung
müßte, wenn sie wirklich durchführbar wäre, dem
Führung der Regierung, nicht Fraktionsherrschaft.
Eine bedeutsame Rede des
Reichskanzlers.
Eine Erklärung: Die Regierung Müller am Fraktionsübermut der Sozialdemo
kratie gescheitert. Das agrarpolitische Ostprogramm. Die Erwerbslosenfürsorge
Auf der Provinzialversammlung der nieder-
schlesischen Zentrumspartci führte Reichskanzler
Dr. Brüning n. a. folgendes aus:
Wir waren uns darüber klar, daß mit der An
nahme des Youngplanes ein Einschnitt in die Ge
schichte des deutschen Volkes nach der außen- und
innenpolitischen Seite hin geschaffen wurde. Wir
haben uns in den vergangenen Jahren vielfach
über die Lasten der Reparationen hinweggetäuscht,
weil wir zum größten Teil zunächst einmal ans
ausländischen Anleihen bezahlt haben und wir
haben mit diesen auch eine gewisse Prosperität in
der deutschen Wirtschaft herbeiführen können. Jetzt
stehen wir vor der nüchternen Wirklichkeit, der
wir ohne Illusionen klar ins Auge sehen müssen.
Und das ist der Unterschied gerade nach der innen
politischen Seite. ^
Weshalb ist das Kompromiß von den
Sozialdemokraten im letzten Augenblick
abgelehnt worden?
Angeblich wegen der Befürchtungen inbezug auf
die Arbeitslosenversicherung. In dem letzten Kom
promiß der Demokraten und der Zentrumspartei
stand aber 'nichts von einem Zwange zur Herab
setzung der Leistungen, nichts von einem Aufhören
der Darlehnspflicht des Reiches für die Reichs
anstalt. Es ist heute sehr schwer, zu beurteilen,
welche Gründe die sozialdemokratische Fraktion
veranlaßt haben, damals aus der Regierung zn
gehen. Erst die nächsten Wochen und Monate dürf
ten darüber eine wirkliche Aufklärung bringen.
Sicher ist das eine, daß der Schritt, den die
»f W f nicht von der sozial
demokratischen Partei gebilligt wurde, und daß
jetzt doch die Stimmen aus dem sozialdemokrati
schen Lager zwar vorsichtig, aber deutlich genug
eine Kritik an dem Verhalten der Fraktion aus-
sprechcn. Der Kanzler besprach dann die scharfe
Agitation der sozialdemokratischen Presse. Die
sozialdemokratische Partei hatte sichtlich ein Inter
esse daran, die Fehler der Politik der eigenen
Fraktion durch Angriffe gegen die übrige» Par
teien möglichst vor den Augen der eigenen Wäh
ler zu verdecken. Die sozialdemokratische Presse
hat das aber in einer Form und einem Ausmaß
getan, daß mit der Wahrheit oft ans schärfstem
Kriegsfuß stand. Einmal kommt der Tag, wo
nichts mehr aufgeschoben werden kann, wo die gan
zen Schwierigkeiten aus den Fehlern vergangener
Jahre
sich kataftrophenmäßig zusammenballen
und das deutsche Volk, die Wirtschaft,
die soziale Lage seiner Arbeiterschaft
und der übrigen Schichten vielfach von
Grund aus bedrohen.
Das war die Lage, vor die das neue Kabinett von
Anfang an gestellt war. Wir müssen, da wir nun
frei sind von der ausländischen Kontrolle, alle Kraft
daran setzen, unsere Finanzwirtschaft in Ordnung
zu bringen, damit uns nicht der Vorwurf böswilli
ger Zahlungsrückstände gemacht werden kann. Es
stehen dem Kabinett Aufgaben bevor, die nur im
Zusammenhang und znm Teil schrittweise gelöst
werden können, für die das Kabinett aber alle
Autorität einsetzen wird. Denn cs geht nicht so
FoMeßkVNK Rebe nZkKRe Seite.
intereffenmäßig denkenden und interesienmäßig
gegliederten Bürgertum in einer solchen Gruppe
ein derartiges Uebergewicht geben, daß eine solche
Fusion für diejenigen Kräfte im deutschen Volke,
die sich weltanschaulich neuglicdern wollen, also
sowohl für die sozialchristlich-konservativcn Kräfte
als auch für die volksgemeinschaftlich-erneuerungs
willigen Kräfte eher abstoßend als anziehend
wirken.
Hellpach scheint selbst nicht mehr an eine solche
Fusion zu glauben. Offenbar ist sein Appell an
die beiden Parteiführer nur noch ein letzter Ver
such und bedeutet für ihn und seinen Kreis sozu
sagen die Bereitstellung eines Sprungbrettes, von
dem aus er und seine Anhänger zu den wirklich
neuen Eruppenbildungen ideeller Art hinüber»
springen wollen.
Also auch hier der Gedanke der „letzten Minute".
Verufsstanö—Nation (*
Unter dieser Ueberschrift wird uns von her
vorragender Seite in Schleswig-Holstein ge,
schrieben:
Männer, die es wissen müssen, verbreiten
in der Öffentlichkeit die Kunde, daß wir zum
Herbst oder Winter wählen müßten. Und wer
die parlamentarischen Vorgänge der letzten
Monate auch nur oberflächlich verfolgt hat.
kann sich nicht denken, daß diese von Streit.
Mißtrauen und Feindschaft erfüllte Führer-
versammlung des deutschen Volkes länger als
noch einige Monate zusammenzuhalten ist.
Dieser Aussicht entsprechend, beginnt man
auch bereits, von Berlin her, von den Partei-
zentralen her langsam auf die Masse des
Volkes einzuwirken. Da sich die Auflösung
des parteiistischen Systems nicht länger ver-
heimlichen läßt, dringen die verwirrendsten
Parolen ins Land: Sammlungsbewegungen
verschiedenster Art, Neugründungen verschie
denster Art. Während die Sammlungsrufe
der Parteiführer nur den Zweck verfolgen,
die verhaßte Parteienherrsch^st noch für eine
weitere Wahlperiode zu sichern und deshalb
von dem richtigen Instinkt des Volkes drau
ßen in der Provinz abgelehnt werden, sieht
alles gespannt auf die Neugründungen.
Die Neugründungen verfügen meist über
aktive, unverbrauchte, parlamentarisch wenig
oder garnicht belastete Kräfte, die Ideen einer
neuen Epoche, vielfach allerdings noch unvoll
kommen gestaltet, geben ihrem Auftreten
Schwung und Rhythmus, aber im Gegensatz
zu dem von der allgemeinen Auflösung noch
wenig berührten technisch-bürokratischen Ap
parat der alten Parteien verfügen sie meist
über eine nur geringe, lückenhafte u. schwache
Organisation. Da diese jungen Kräfte aber
im Bewußtsein ihrer inneren Ueberlegenheit
* Dieser Aufsatz unterstreicht die in dem zweiten
Artikel der „Gedanken zur Zeitgeschichte" in der vori
gen Sonnabend,: ummer zParteiisnrus und die Wand
lung der Volksstimninngk ausgesprochene Forderung
der Ausweitung des Berufsständischen ins Staats- und
Voltspolitische. Wörtlich war ergänzend dazu in dem
Aufsatz von: vorigen Sonnabend gesagt worden: „Auch
da« Problem Arbeiter und Bauer ist als vordringlich
in den Kreis einer solchen Bewegung einbezogen-"
Ein KMergŗrķ mmWel.
Durch Wassereinbruch ist das' Bienenbur-
gcr Kalibergwerk vollkommen vernichtet wor
den. Durch Erdrutsche sind andere Fabriken
ebenfalls gefährdet worden. Der Eisenbahn
verkehr mußte unterbrochen werden und wird
kaum vor 8 bis 14 Tagen wieder ausaenommen
werden können. Ein eingehender Bericht be.
findet sich aus der dritten Hauptblattseite.
.
Die Renten- und Soziallaste» Deutschlands:
14 Milliarde« RM. jährlich.
Im Haushaltsausschuß des Reichstags
wurde bei der Aussprache über den Etat des
Reichswirtschaftsministeriums die Belastung
Deutschlands mit Renten- und Soziallasten
erörtert und aufschlußreiche Zahlen genannt.
Einen ausführlichen Bericht bringen wir iw
Wirtschaststeil.