à- .Alm.
»Mmal nach den: entgleitenden Leben. Kam Got
tes Friede — kam Frigga, die holde Frau, noch
einmal zum Abschied ihr ins Haus? Doch wäh
rend die jungen Bräute sich vor der alten Frau
neigten, um ihren Segen für das neue Leben zu
erbitten, holten die Freundinnen ihre Hochzeits-
geschenke herbei., Auch Krassen hatte eine kleine
Eabe bereitet, die war verschwenderisch mit bun
ten Bändern geschmückt, und als Sarah sie in
ihren Korb legte, umhüllte sie das Kind mit ihrem
weiten Mantel und küßte es darunter. Dann
gingen die Bräute wieder fort, still und feierlich,
wie sie gekommen, und nun war es Moiken lieb,
datz sie vorhin noch nicht das Oellämpchen ent
zündet hatte und sie nun ganz im Dunkeln saßen.
Ihre Augen standen voll Tränen, und ihr Herz
schlug so voll und warm, datz sie es durch den gan
zen Körper fühlte.
Moiken hatte bei sich gemeint, datz die Hoch
zeit selbst kaum schöner sein könnte als dieser Vor
abend, doch nun trat der folgende Tag mit ganz
anderen Ansprüchen auf. Vom frühen Morgen
an herrschte festliche Unruhe im ganzen Kirchspiel.
Wer nicht selbst Braut oder Bräutigam im Hause
hatte, richtete doch auf die eine oder andere Art
für eine nachbarliche Hochzeit. Moiken ließ alles
wie im Traum an sich vorüber gehen: das Ee-
schmücktwerden daheim und das Schmücken der
Bräute im Nachbarhause, und alle Scherze und
Neckereien, die — ganz nach altem Brauch — da
mit zusammenhingen. Das Nahen des stattlichen
Brautzuges, der Anblick der flotten Jungmännsr
hoch zu Roß, die drollige Predigt, die Maren, die
alte Magd, ihnen aus der Eiebelluke hielt — das
altes glitt nur so an Moikens Sinnen vorüber,
ohne sie doch ganz zu wecken.
Erst als sie inmitten der andern Brautjung
fern vor Uwe Peters Haustür stand, wo die
Bräute ihren Verlobten in feierlichem Tanz zu
geführt werden sollten, da — unvermutet und so
mit nur desto stärker, durchzuckte es Moiken plötz
lich wie ein heißer Strahl und schreckte sie jäh aus
der traumhaften Stimmung, die sie vom gestrigen
Abend her noch immer umfing, denn hellauf juchzte
eine Geige, wie sie es nur in Paul Cornelsen
Lunds Händen tun kannte. Moiken halte noch
nichts davon gehört, daß auch er heimgekehrt war.
Nun stand er nicht weit von ihr ebenfalls unter
den Hochzeitsgästen. Er war einen Schritt vor
getreten, um besier die Arme rühren zu können.
Nun stand er so rank und schlank vor den derbe
ren Genossen, den schmalen Kopf mit dem dunklen
Haar auf die Geige geneigt, der lebhafte Blick
von einem zum andern springend. Er lachte, als
er Moikens aufleuchtenden Augen begegnete.
Alle anderen sahen auf die Bräute, und wer
nachdenklichen Sinnes war, auch auf ihre Verlob
ten. Die Bräute hatten ihre Wünsche nach Deut
schen Hochzeitskleidern begraben müssen; der
Vater hielt, fest an der alten Tracht. Sie leuch
teten in Weiß uitd Rot, in Gold und bunten Stei
nen — ganz nach altem Brauch. Ihre Verlobten
aber waren nach neuester Pariser Mode gekleidet
in blaue Röcke aus feinstem vlämischen Tuch, mit
blitzenden Billanten in den Spitzen an Hals und
Handgelenken, und ihre weitzgepuderten Perücken
waren stutzerhaft gekürzt. Die alte und die neue
Zeit traten sich hier gegenüber. Uwe Peters stand
mit ernstem Blick daneben, und wer sonst nach
denklichen Sinnes war, schaute auch hin und wie
der — von den Bräuten zu ihren Verlobten und
wieder zurück zu den Bräuten. Moiken aber sah
nur den Geiger — nur ihn — und versank ganz
in sein Spiel.
Endlich führten die Bestmänner die Bräute
ihren Verlobten zu, die nun mit ihnen den Rei
gentanz eröffneten. Schnell hatte jede Brautjung
fer einen Tänzer gefunden, nur Moiken vergaß
sich und blieb neben dem Geiger stehen, wie ge
bannt von der sprudelnden Tonfolge, die unter
seinem Bogen hervorströmte.
Als der Tanz beendet war, wurde Moiken
von den andern Brautjungfern fortgezogen. Sie
fuhr mit zur Kirche und stand mit den andern
hinter den Bräuten im Altarraum. Sic sah die
wehenden Fahnen und hörte das Jauchzen,
Schießen und Lärmen, das den wieder heimkeh-
trank mit den andern, sang und lachte, aber das
alles war nicht so richtig Hochzeit. Das war ein
Fest wie andere Feste auch, kaum höher zu wer
ten als etwa der Petritag. Hochzeit — hohe Zeit
wurde erst wieder, als endlich die Geige wieder
klang.
Die Hochzeit im Hause Musiolini.
Donnerstagvormittag um 11 Ilhr 30 Minuten
fand in Rom die kirchliche Trauung der Tochter
des Diktators, Edda Musiolini, mit Galeazzo
Eiano, dem Sohn des Verkehrsministers, statt, der
zurzeit Attaches bei der italienischen Botschaft am
Vatikan ist. Die Trauung fand in der zu Beginn
dieses Jahrhunderts von Pius X. in der Dia No
mentana erbauten Kirche St. Giuseppe statt, die
unweit der Villa Torlonia liegt, die seinerzeit dem
Duce und seiner Familie von dem Fürsten Torlo
nia als Wohnsitz überlassen wurde. An der Hoch
zeit, die im engsten Familien- und Freundeskreise
gefeiert wird, nehmen etwa 100 Personen teil.
Die Trauzeugen der Braut waren Arnolds Mus
solini, der bekanntlich das faschistische Hauptorgan
„Popolo d'Jtalia" leitet, uird Fürst Eiovanno
Torlania; für den Bräutigam unterschrieb die
Hochzeitsurkunde der italienische Außenminister
Grands und Graf de Vecchi, der italienische Bot
schafter am Vatikan. Bemerkenswert ist, daß sich
das junge Paar unmittelbar nach der kirchlichen
Trauung, dem römischen Brauch entsprechend, nach
St. Peter begeben wird, um vor dem Apostelgrab
zu beten. Ein Empfang durch den Papst findet
nicht statt. Wohl aber hat Pius XI. anläßlich der
Hochzeit Edda Mussolinis einen Rosenkranz aus
Gold und Malachit überreichen und dem jungen
Paar durch den päpstlichen Nuntius den apostoli
schen Segen erteilen lassen. Ebenso hat das ita
lienische Königspaar bereits vor einigen Tagen
bei einem persönlichen Empfang dem Brautpaar
ein kostbares Geschenk übergeben. Auch der Gou
verneur von Rom, die faschistische Partei, der Se
nat, die faschistische Kammer, sämtliche Regierungs-
Mitglieder, dis Redaktion des „Popolo d'Jtalia"
und die Provinz Forli, in der Mussolini geboren
ist. haben reiche Geschenke in der Villa Torlonia
abgegeben. Erwähnt sei, daß auch der Herzog von
Aosta, der Vetter des Königs, der ein glühender
Anhänger Mussolinis ist, zwei große Bronzelöwen
überreichen ließ. Mittwochnachmittag fand in dem
prächtigen alten Garten der Villa Torlonia ein
großer Empfang statt, den Mussolini seiner Toch
ter gab. An diesem nahm neben sämtlichen Mi
nistern, Unterstaatssekretären und der Partei-
Hierarchie u. a. auch das gesamte diplomatische
Korps teil.
Bunte Welt.
Die Vögel verlassen Paris.
Die Pariser Vogelfreunde haben eine unlieb
same Entdeckung machen müssen. Der Lärm der
Straßen, das ununterbrochene Getute der Auto
hupen, das Rasseln der Räder und Quietschen der
Bremsen sind den gefiederten Sängern allmählich
zu arg geworden. In ihrer Ruhe gestört, haben
sie Paris verlassen, und die Erweiterung der Ver
kehrswege, die das Abholzen der alten Bäume be
dingt, haben dazu beigetragen, die Abwanderung
der Vögel zu beschleunigen. Es wird den Tieren
immer schwerer gemacht, ein schützendes Obdach
zu finden, und auch die Ernährungsfrage gestaltet
sich immer problematischer. Aber die Vögel ver
schwinden nicht nur aus Paris, auch draußen auf
dem Lande ist ihre Zahl infolge der verstärkten
Abholzung in fortschreitender Abnahme begriffen.
Die Vogelfreunde, die diese Entwicklung der Dinge
mit größter Sorge verfolgen, Haben sich im Inter
esse des Vogelschutzes jetzt zu einer Liga zusam
mengeschlossen. Man ist der Ansicht, daß die Vögel
dem Lande erhalten bleiben könnten, wenn für
eine genügende Zahl von Nistgelegenheiten Sorge
getragen würde. Man hat bisher schon etwa 1500
dieser Zufluchtsstätten in Gestalt von Nistkästen
geschaffen und die Eigentümer der in Frage kom
menden Besitzungen verpflichtet, die Vögel un
behelligt zu lasten. Man hat sich aber damit nicht
begnügt, sondern außerdem in den Räumen wäh
rend der Wintersaison Nistkästen angebracht und
Maßnahmen für die Fütterung getroffen. Auch in
Paris selbst sind Versuche nach dieser Richtung im
Gange. So sucht man beispielsweise im Park
Monceau Sperlings und Amseln wieder heimisch
zu machen. Vier Futterplätze sind dort bereits ein
gerichtet und weitere sollen auch in anderen Parks
der Stadt geschaffen werden. Kurz, man tut alles
Mögliche, um die Vögel an Paris zu fesseln.
Der Traum vom roten Golde.
Ein Landmann aus der Gegend von Holbäk auf
Seeland, der sich in unausgesetzten finanziellen
Schwierigkeiten befand und demnächst seinen Hof
hätte verlassen müssen, ist in diesen Tagen ein rei
cher Man geworden. 'In einer der letzten Nächte
war er gegen seine Gepflogenheit in Schlaf gefallen
und hatte einen eigenartigen Traum, in welchem eine
unbekannte Stimme ihm zuraunte, er werde rotes
Gold finden, wenn er auf einer bestimmten Stelle
seines Landes graben werde. Am nächsten Tage
grub er an dem bestimmten Ort und fand kein Gold,
dafür aber eine starke Ader des wertvollen Rötel
lehms, die sich über sein ganzes Land in einer Aus
dehnung von 40 Tonnen und in einer Dicke von
mehreren hundert Fuß hinzog. Der Lehmfund wird
sicher die Basis einer blühenden Ziegeleiindustrie
werden, und der arme Landmann ist ein gemachte!
Mann.
Zum Lächeln und Lachen
Im Warenhaus.
„Ich möchte 'n Stehkragen für meinen Vater!"
„Solchen, wie ich habe?"
„Ne — 'n saubern!"
*
Sie: „Der Arzt sagt, ich brauche Klimawechsel!"
Er: „Dos trifft sich ja gut. Nach dem Wetter
bericht kann er schon morgen eintreten."
*
„Sie kennen mich erst zwei Tage und machen
mir schon einen Antrag?" -
„Nein, mein Fräulein, ich kenne Sie seit lan
gem! Ich bin der Angestellte, der Ihr Konto auf
der Bank führt."
Achach-Lcke.
Geleitet von Schachmeister Brinckmann.
Kiel. Holtenauerftraße 228.
lAnschr. an d. Adresse.)
Nachdruck verboten.
Aufgabe
von Bebensee-Lübeck
(Urdruck).
Weiß: Kc3, Tb6, Ba2, c5.
Schwarz: Ka4, Ba6.
Matt in 3 Zügen.
Eine hübsche Miniatur des jugendlichen Verfassers!
Literatur.
Im Verlage der Wiener Sckachzcituug ist jetzt
das Kongretzbuch über das große internattonale
Schachmeistertnrnier in Karlsbad 1929 erschienen.
Die Bearbeitung des reichen Stoffes hat in den
Händen von Becker, Brinckmann, Kmoch, Nimzo-
wltfch, Spielmann, Tartakomer gelegen. Man kann
das umfangreiche und mit peinlichster Sorgfalt
herausgegebene Buch getrost als einen Durch
schnitt durch die Schachgegenivart bezeichnen. Es
bietet über alle Gebiete des praktischen Spiels
wertvollste Aufschlüsse und Anregungen. Wir kön
nen cs nur nachdrücklichst empfehlen.
Betty Wehrte-■ Genhart
Kreuzriege der Liebe
Carl Duncker-Verlag. Berlin W. 62
32) (Nachdruck verboten.)
Geschmeidig glitt sie zur Tür und drehte das
Licht des großen Leuchters aus. Weiches Dämmer
licht herrschte nun in dem behaglichen Raume. Nur
die mattrosa verschleierte Lampe auf dem Kamin-
i^ms warf ihren Schein auf die verführerisch schöne
Frauengestalt, die regungslos im Sessel ruhte.
„Sie werden mich wieder malen, Harry... und
alles wird fein, wie einst..." flüsterte sie. Ihre
Hand stahl sich in die feine. Cr fand nicht die Kraft,
sie abzuschütteln. „Verzeihst du mir nun, daß ich
gekommen bin? Verdammst du mich nun nicht mehr,
weil ich mich nicht losreißen konnte von dir? Ich
durfte meine Pläne fa nicht verraten, als ich dich
jeweils besuchte, durfte nicht gesehen, daß mein Auf
enthalt in Bucheneck war. Du hättest mich durch
schaut und mein Vorhaben vereitelt..."
„Das hätte ich bestimmt", murmelte er vor
sich hin.
„Siehst du?" Sie lachte leise auf. „Und jetzt
bist du doch zufrieden, daß alles so gekommen ist.
Du wirst Neues schaffen aus dem unerschöpflichen
Quell deiner Kunst und ich werde dabei deine Ge
fährtin sein. Du mußt es ja endlich satt haben,
steife, langweilige Madonnen zu malen."
„Madonnen —!" Er sah auf, als erwache er
aus einem bösen Traume. „O Gott... o Gott!"
Er sprang auf, schüttelte den fürchterlichen Alp, der
auf ihm gelastet, ab. Er stürzte zum Fenster, riß
bie Flügel auf und ließ die kühle Nachtluft um seine
fiebernde Stirne streichen.
„Meine „Mater dolorosa"..." Er würgte ein
Stöhnen herunter, das qualvoll aufsteigen wollte
aus seiner Brust. „O, Sufanne ... Susanne ..."
Er hatte das Gefühl, als müsse er diesen geliebten
Namen hinausschreien ins Dunkel der Nacht. War
es nicht, als sei sie soeben bei ibm gewesen, als
hätte sie ihm ihre reinen Hände gereicht, um ihm
emporzuhelfen aus dem Sumpf, in dem er in seiner
zerrissenen Stimmung, in seinem Jammer um sein
verpfuschtes Leben, beinahe rettungslos versunken
wäre?
Er blickte mit nüchternen Augen in das Zim
mer zurück. Auch Rahel hotte sich erhoben. Ein
bö'es Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Was hatte sie
getan? Sie hatte ihn an jenes blonde Mädchen
erinnert, dessen Antlitz er als „Mater dolorosa" auf
der Leinwand verewigt hatte. Es war feine Schü
lerin, wie er sagte, doch sie hatte dieselbe immer nur
von ferne gesehen, da sic Gründe genug hatte, sich
etwas zurückzuhalten. Warum nur mußte sie ihn in
dreier kostbaren Minute an diese sanfte, kühle
Mondscheinprinzessin erinnern? Nun hatte sie das
Netz, das sie so fein um ihn gesponnen, mit unvor
sichtiger Hand zerstört...
„Es ist nun wohl Zeit, sich zurückzuziehen,
Schwester Rahel", sagte der Maler kalt. „Sie haben
morgen nur zu bestimmen, wann der Wagen vor
fahren soll, der Sie nach Bucheneck zurückbringt."
Da war es mit'ihrer Selbstbeherrschung vorbei.
„Niemals werde ich dieses Haus freiwillig ver
lassen. Und wenn Sie Gewalt anwenden wollen —
mm probieren Sie es. Sie werden mich dann ken
nen lernen. Ihre liebe Gattin wird dann erfahren,
daß Sie über ihr Wiederkommen nicht erfreut, son
dern entsetzt sind — daß Sie bereits die Scheidung
eingeleitet hatten. Ha, ha, ha, — nun staunen Sie?
Nicht wahr, ich bin gut unterrichtet! Und daß Sie
draußen im Walde, in den verschwiegenen vier
Wänden Ihres Ateliers ein schönes blondes Mäd
chen verborgen halten. Soll ich hinaufgehen und
Ihrer Frau diese allerliebsten Neuigkeiten verkün
den, sie gleichzeitig um meine Entlassung Litten, da
es mir unmöglich fei, unter einem solchen Dache zu
leben? Sie sprechen nicht, Harry Thorn? Ah —
Sie scheinen doch vorzuziehen, daß ich schweige ...
und dafür — bleibe! Freilich, ein zweites Mal wol
len Sie Ihre Frau wohl nicht mehr ins . i. Irren
haus ..."
Sie stieß einen Schrei aus. Er hatte sich auf sie
gestürzt und schleuderte sie wie ein giftiges Reptil
zur Erde. Schwer keuchend blickte er auf sie nieder.
Seine Hände waren geballt, er mußte feine ganze
Kraft zusammenreißen, um seinem Zorne nicht noch
mehr Luft zu machen. Run hatte sie ihn ja glücklich
in den Händen, die erbärmliche Schlange. Denn
das wußte er genau — seiner armen Frau ein zwei
tes Mal ein Leid zufügen, das brachte er nicht über
sich.
Längst hatte er das Zimmer verlassen, als sich
Rahel erhob. Ihr Antlitz glich dem einer Meduse.
Aus ihren Augen loderte unbezähmbarer Haß.
„Zum zweiten Mal traf mich dein Schlag",
murmelte sie vor sich hin. „Den dritten Schlag
wirft du erhalten. Und dieser Schlag ... trifft dich
ms... Herz!"
*
„Komm herein, Iürg — nun darfst du dir deine
Braut ansehen." Frau Professor Hollen, welcke
immer wieder etwas herumzuzupfen und zu ordnen
fand an Kranz und Schleier, ließ ihren ungeduldi
gen Sohn endlich eintreten.
„Aber das bitte ich mir aus — gehe etwas scho
nungsvoll um mit Susanne. Später kannst du sie
ja in deine Arme nehmen, so viel du willst, aber
jetzt hab acht ans diese weiße Pracht."
Damit drückte sie die Tür hinter sich zu und ließ
das Brautpaar allein.
„Meine Susanne..." stammelte Iürg Holten
in tiefer Bewegung. Er hielt sie an beiden Händen
und schaute sie an, wie eine Erschcniung aus einer
anderen Welt. „Susanne! Ich glaube, du weißt
gar nicht, wie schön du bist. Und alle diese Schön
heit gehört nun mir..."
Er zog das blonde, myrtengeschmückte Haupr
an sich und küßte den bebenden, blaßroten Mund.
Sie sah in seine Augen, in denen eine Welt voll
Liebe lag. Wie gut er war, wie treu! Und sie siand
vor ihm mit leeren Händen ... so bettelarm...
Und nicht nur arin war sie — sie war auch
schlecht. Sie trat mit dem Bilde eines andern im
Herzen vor den Altar und heuchelte Gefühle, die sie
nicht empfand, llkur endlich fort von Rothenburg,
fort, um nicht mehr in der dumpfen Angst leben zu
müssen, dem Geliebte» wieder zu begegnen. Gott
lob — er kam nicht zur Hochzeit. Iürg, der ihn
persönlich einladen wollte, kam mit dem Bericht
zurück, der Maler sei auf unbestimmte Zeit verreist.
Mehrmals schon hatte sie vorgehabt, ihrem Ver
lobten alles zu gestehen, damit wenigstens Klarheit
herrschte zwischen ihnen. Aber sie war zu feige
dazu, nicht wegen sich ,sondern wegen ihm. Sic
wußte, wie ihn ihre Beichte treffen würde und des
halb schwieg sie und schwor sich, ihm eine gute Frau
zu sein — trotz alledem ...
„Habe Geduld mit nur, Iürg", bat Susanne,
die aufsteigenden Tränen niederkämpfend. „Ich
weiß, du hältst mich für viel besser, als ich bin."
„Schweig davon, kleine Sufcl. Bin ich ein Herr
gott?" Er lachte und streichelte sanft über ihr ge
neigtes Haupt. „Die Hauptsache ist doch, daß wir
uns lieben. Wir werben nun alles zusammen tra
gen, Freude und Leid..."
Wie im Traum schritt Susanne an seiner Seite
hinunter, wo die Gäste ihrer harrten. Dann schritt
der Hochzeitszug durch den alten Garten, wo im
lauen Herbstwind die goldenen Blätter tanzten. Der
Himmel lachte in seidigem Blau, durch die fast ent
laubten Bäume brach sich die Sonne sieghast Bahn
und entlockte den nickenden Georginen am Weg und
den bockstieline» Akàn à festliches Leuchten.
fannes Augen schweiften mit verlorenem Ausdruck
über die herbstliche Blumenpracht.
„Stell auf den Tisch die duftenden Reseden,
Die letzten, bunten Astern trag herbei..."
Susanne stützte sich schwer auf den Arm des
Verlobten. Ihre Kräfte drohten sie zu verlassen.
Es war Sünde, in dieser heiligen Stunde an das
Vergangene zu denken. Und doch ... und doch.. >
„Und laß uns wieder von der Liebe reden,
Wie einst ... im Mai ..."
Ach, ihres Lebens Mai lag auch zurück. In
grauer Ferne.
„Was ist dir, Liebste?" fragte Iürg, besorgt in
ihr schneeblasses Antlitz blickend.'
Sie schüttelte in leiser Abwehr den Kopf und
überließ ihm ihre Rechte, die er mit festem Druck
umschloß.
Da zitterte tief und voll der erste Glockenton
von der nahen Marienkirche herüber — die ganz«
Lust füllte sich mit jauchzend anschwellenden Klän
gen. Hochzeitsglocken...
Und daun fiel vor Gottes Angesicht das feie:-'
liche „Ja" von beider Lippen. Don dem Manne
laut und freudig. Leise, scheu, von der blassen
Braut, welche fast zusammenbrach bei dieser ersten
großen Lüge ihres jungen Lebens.
Ein einziges Mal während der heiligen Hand
lung blickte Susanne aus. Sie war nicht überrascht,
als sie Harry Thorn gewahrte. Längst hatte sir
feine Nähe gefühlt. Ihr Herz schlug in dumpfen
Schlägen. — Neben dem Geliebten saß eine schlanke,
dunkle Frau. Sie trug Rosen in den Händen und
starric unverwandt herüber zu ihr. Eine geheimnis
volle Gewalt zwang Susanne, den Blick her Frem-
den zu erwidern.
Jubelnde Orgelklänge gaben den Neuvcrmähl-
ten das Geleit aus der Kirche. Susanne ließ sih
draußen umarmen und beglückwünschen. Sie wollte
nicht um sich sehen — sie wußte —
Und da stand er auch schon vor ihr.
„Nehmen Sie meine innigsten Wünsche entge
gen, Frau Susanne." Nur sekundenlang ruhten
seine heißen Lippen auf ihrer Hand. Beide fühlten,
wie es wie ein Feuerstrom hin und her wogte zwi
schen ihnen.
„Darf ich Sie mit meiner Gattin bekannt ma
chen?" Cr wandte sich an die Frau an seiner Seite-
Susanne Holten war meine Schülerin, von der ich
dir erzählt« und die nun leider aus meinem Ge
sichtsfeld verschwinden wird. Wie du weißt, lernte
sie bei mir mit großem Erfolg."
<ÄcortjetznnK