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Mr.95
Zur Unterhaltung
Beilage der Schleswig.Holftsinkschsn Landeszeitung (Nendsburger Tageblatt)
Donnerstag, den 24. April
E. 3. Klötzel. / WreöerfehM bsi ÄmKsî Aàh.
Das tausendjährige Indien, das Land der Dich
ter. Philosophen und Maharaüschahs, das Land des
fächelnden Buddha, der geheimnisvollen Fakire, kost
baren Edelsteine und prunkvollen Tempel ist dem
Europäer vertraut. Die neue Zelt spielt jedoch eine
neue Werse, und tu der neuen Melodie schwingt als
unterton die Internationale. In Indien ist eine
>® ihren Folgen nicht abzuschätzende „lautlose Re
volution^ am Werke, für die uns ein bei F. A.
Brockhaus gerade rechtzeitig erscheinendes Luch von
E. Z. Klötzel „Indien im Schmelzttegel" die Erklä-
fung zu geben vermag. Das Buch bringt fast auf
jeder Seite irgend eine neue, überrosckiende Fest
stellung, so daß der Leser am Schluß ein gänzlich ver
ändertes Mld Indiens erhalten hat. Wir entneh
men dem Werk, das in den Tagen des erbitterten
Kampfes zwischen Gandhi und seinen Anhängern
einerseits und der angloindischen Regierung ande
rerseits auf ein besonderes Interesse stoßen dürfte,
Mt Genehmigung des Verlages einen Abschnitt zum
Vorabdruck.
„Vor drei Tagen kam aus Scham man, der
Grenzstation Belutschistons gegen Afghanistan, sie
Nachricht, König Aman Uüah sei mit seiner gesamten
Familie nebst der seines Bruders Injanat Ullah
aus Kandahar eingetroffen. Der König befinde sich
Mf der Flucht, habe die Reise noch Bombay bereits
angetreten und werde sich von hier nach Europa be
geben.
Die Nachricht hat in ganz Indien ungeheure
Sensation erregt. Obwohl Ge indische Regierung
den Reiseweg streng geheim hielt, fanden sich auf
allen Stationen große Menschen masse:: ein, beson
ders Mohammedaner, um dem unglücklichen Herr
scher ihre Sympathie zu bezeugen. Obwohl man
nicht wußte, auf welchem Bahnhof der König in
Bombay eintreffen würde, waren sowohl Victoria-
Station wie Eolaba-Station von dichten Menschen-
mossen umsäumt. Aman Ullah ist sehr populär in
Indien.
Ich mache den Versuch, zu ihm zu gelangen.
Als einziger Journalist habe ich ihn im vorigen
Jahre auf seiner Rückreise von Europa nach Afgha-
nistan begleitet, bin wochenlang mit ihm täglich zu
sammengekommen — und ich verstehe, daß die Inder
ihn gern haben. Ich möchte ihm noch einmal die
Hand drücken, ehe er ins Exil geht.
Das riesige Hotel „Taj Mahal" steht direiki am
Ateer. Die Fenster seiner Golaräume gehen auf die
»Gateway of India". Als Aman Ullah zu Beginn
seiner Europareise hier anïcnt, entfaltete. sich der
gonģe Prunk eines indischen- Staatsempfanges. Die
Ccharlachreiter des Dizekönigs eskortierten die sechs
spännige Kutsche. Die Kanonen der indischen Flotte
im Hafen donnerten den Königssalut. Und Bom-
bays gesamte Polizei war auf den Deinen, um zu
verhindern, daß die begeisterte und schwitzende
Volksmenge in allzu intime Nähe Sr. Majestät kam.
Die englischen Blätter hier bringen auf ganzen
Seiten Photos aus jenen Tagen mit der Unterschrift
„Sic transit... !" Die indischen Zeitungen halten
sich an die Gegenwart, und die ist auch nicht un
interessant. Da sieht man Bilder von der Menge,
die sich vor der Colaba-Statioi: versammelt hat, um
den geflüchteten Afghonenherrscher zu begrüßen.
Da ist der prachtvolle Fruchtkorü abgebildet, den
der Präsident des Allindischen Rationalkongresses,
Pandit Motilal Nehru, dem König gesandt Hot, mit
einem entzückenden Motto aus der klassischen Litera
tur Indiens: „Der Derwisch hat nichts zu verschen
ken als das grüne Blatt, das er vom Baum pflückt."
Die Artikel, hie neben den Bildern stehen, sind ganz
dazu angetan, dem Exkönig die ersten Schritte im
Exil zu versüßen. Während die mohammedanischen
Blätter ihn freigebig mit dem Titel „Mbar" — „der
Große" — versehen, rühmen die Hinduzeitungen
sein unvergängliches Verdienst, Afghanistan von der
Vormundschaft Englands befreit zu haben.
Geht man um die Zeit des Sonnenuntergangs
ins „Taj", jo hat man in dielen Tagen einen selt
samen Mrblick. Die Uferpronrenade ist sonst der
abendliche Spaziergang der reichen Parsiladies, die
mit ihren Automobilen an der Gateway vorfahren.
Sie sind fett der Ankunft Aman Ullahs völlig ver
drängt von Hunderten von Mohammedanern, die
sich allabendlich hier einfinden, um zu den Fenstern
hinaufzustarren, hinter denen sie den König vermu
ten. Da sind die riesigen „Pathans", wie die Afgha
nen hier genannt werden, wahre Enakssöhne neben
den kleinen Hindus der Großstadt. Da sind würdige
Musltmhändler in sorgfältig gebundenen Turbans,
Leute, die, wie man sagt, dem König unbegrenzten
Kredit angeboten hoben sollen, wenn er es noch ein
mal versuchen will, den Thron zurückzuerobern. Da
sind ehrwürdige Scheichs mit weißen Patriarchen
bärten, da sind sogar Gestalten mit dem Burnus und
der Kefijeh Arabiens. Und während Aman Ullah
in seinem eigenen Land keine Ruhe finden konnte,
ist er bei diesen Kalifatsgläubigen eine Art orienta
lischer Rauschebart, der „sein Haupt kann ruhig le
gen jedem Untertan in' Schoß". Aber die indische
Regierung hat ihren Zwcmgsgast offenbar sehr drin
gend gebeten, jeden Verkehr mit seinen Anhängern
zu vermeiden. So zeigt er sich nicht einmal am Fen
ster. Die unverwandt nach oben starrende Menge
braucht jedoch nur einen Schatten vorübergleiten zu
sehen, um in den Ruf: „Allahu akbar!" auszubre-
chen. Dann winkt der weiße Polizeioffizier etwas
nervös, und die braunen indischen Polizisten wir
beln ihre kurzen Gummiknüppel, um die Masse drei
Schritt zurückzudrängen ...
Unten in der Hotelhalle sitzen einige Detektive
des „intelligence service" und trinken auf Staats
kosten Zitronenlimouade. Soweit sie Engländer sind.
Ihre braunen Hilfstruppen drücken sich an den Wän
den herum; trotz ihrer Kviminalpolizeidienstmorks
werden sie es nie wagen, sich auf den Korbsesseln
des weißen Mannes niederzulassen. Oben, auf dem
Korridor, vor den „königlichen Gemächern", ein
kleines Feldlager. Sechs Polizisten haben es sich in
einer Fensternische bequem gemacht. Einer steht
immer Posten nor dem Zimmer des Königs. Mit
Paradeturban und gezogenem Seitengewehr.
Beide Requisiten gibt er an den Kollegen ab, der
ihn ablöst; sie sind nun einmal vorhanden.
Und dann bin ich plötzlich wieder in Afghani
stan oder besser: mit Aman Ullah unterwegs. Es
ist dasselbe Durcheinander von halbgepackten Kof
fern, halbgeleerten Schüsseln und halbbekleideten
Menschen, das ich monatelang in stets wechselnder
Umgebung miterlebt habe: im Schloß Dolmabagt--
sche am Bosporus, in den Reisequartieren Per
siens, in der Burg von Kandahar. Und plötzlich
koyinien aus allen Türen bekannte Gesichter her
vor. Der dicke, auch setzt fröhlich lächelnde Hos-
minister. Der persische Dolmetscher, wie immer
nach sechs Seiten gleichzeitig beschäftigt. Die alte
Biadame Farsi, die Mutter der Königin, kommt
auf mich zu und schüttelt mir die Hände. Meine
Freundin Sultanah, die elfjährige Tochter Aman
Ullahs, macht wie immer einen höflichen Knicks
und stellt mir ein dickes, pausbackiges Mädchen
vor: eins der Töchter Injanat Ullahs. (Der ja
auch hier ist, um den sich aber kein Mensch küm
mert.) Dann kommt Edibh Khan, der erste afgha
nische Gesandte in Berlin. Er ist zu bedauern,
seine Frau und sein Baby halten sich in Kabul vor
Baetschae Sakao verborgen.
Schließlich lerne ich Dr. Nizzamuddin kennen,
den neuen türkischen Leibarzt Aman Ullahs. Er
spricht gut Deutsch, und von ihm erfahre ich einiges
über die letzten Ereignisse in Kandahar. Danach
hat die brühmte Schlacht zwischen Aman Ullah
und Baetschae nie stattgefunden. Aber der Kampf
aller gegen alle drahte auch die Straße nach Be-
lutschistan noch abzuschneiden, wie die nach Persien
schon verlegt war. Und da zudem die beiden Ex
königinnen jede ein Kind erwarten . . .
„Aber um Gottes willen, Doktor", unter-
Monaten in Kandahar. .
„Ich weiß", lachte der Arzt, „aber dieses Kind
haben die Journalisten zur Welt gebracht. Zn
Wirklichkeit werden dis beiden Damen in etwa
zehn Tagen niederkommen."
-Ich frage, ob ich dem König' meinen Besuch
machen kann. „Nein, wenigstens jetzt noch nicht,
er will niemanden sehen."
Ein wenig später, nachdem ich mich vom Dok
tor verabschiedet habe, gehe ich wieder über den
Korridor. Da öffnet sich die Tür, vor der der
Posten steht, und heraus kommt — Aman Ullah.
Im schwarzundweißgestreiften Pyjama. Er steht
etwas älter aus, aber gar nicht niedergeschlagen.
Er gibt mir dis Hand: „Bonjour, Mr. Klötzel,
comment-allez vous?" Daraus haben sich unsere
Gespräche auch früher beschränkt, wenn der Dol
metscher nicht zur Stelle war. Dann verschwindet
Aman Ullah um die Ecke.
Ein köstliches Buch für Frauen.
Daß in Deutschland ein Kommerzienrat ein
Kochbuch schreibt, ist immerhin bemerkenswert. Dr.
Adalbert Zoellner, Vorstandsmitglied der Rosenthal-
Porzellanfabriken in Marktredwitz, hat den deutschen
Frauen diese Ueberraschung bereitet.
Man liest das Buch und muß staunend fragen:
Kann cs solche gesunde und unkomplizierte Kom
merzienräte. geben? Romantiker, die in der Würde
des Industriemagnaten solche Purzelbäume schlagen?
Dabei ist es nicht nur ein schlichtes und präch
tiges, sondern auch ein geistreiches Buch. 'Nur auf
der Hölze kultivierter Häuslichkeit kann solches Werk
gedeihen. Biedermeiergrozie mit dem praktischen
Sinn fiir das rollende Band.
„Meiner Mutter Kochbuch", Verlag „Die Schau-
lade" in Bamberg.
Ein paar Worte aus der Einleitung:
„Es gibt nicht viele Kochbücher, die von Män
nern verfaßt wurden; und doch will mir scheinen:
das Kochen ist ein Problem, das man den Frauen
nicht allein überlassen sollte.
Es könnte sonst zu leicht kniefrei und bübiköpfig
betrieben werden, also modisch — dem heutigen
Zeitgeist entsprechend.
Zum Kochen über gehören: alte Mode, alter
Brauch, Liebe, Zeit und ein bißchen Wissen, Praxis^
Auch die Küche hat etwas von unserer schnel
len Zeit bekommen, ein wenig Kino, Radio, Auto,
Weekend.
Auf daß diese heitere Kunst wieder Anschluß
finde an alte Tradition, an Postkutsche und Geruh
samkeit, habe ich versucht, meiner Mutter Kochbuch
mit dem nötigen Kommentar herauszugeben."
Und nun folgen in frischer, lustiger Harmonie
prächtige, vielfach unbekannte Rezepte. Suppen,
Braten, Fische, Mehlspeisen, Abendbrot, Kuchen, —
kurz, alles, was das Herz begehrt. Rund 300 köst
liche Rezepte.
Die werden aber von klugen Worten begleitet.
Bei den Suppen heißt es u. a.:
„Zu Beginn gleich das erste Geheimnis der gu
ten Suppe: das Zusetzen.
Bereits um 9 Uhr früh stand der Suppentopf
auf de:n Herd. Mit kaltem Wasser wurde zugesetzt,
denn es sollte eine gute Suppe geben. Die Zutaten
wechselten nach Jahreszeit und Geschmack, llnķ-
Betty Wehrle-Genhärt
Kreuziuege der Liebe
Carl Duncker-Verlag, Berlin W. 62
ö 9) (Nachdruck verboten.)
„Niemals wieder?" wiederholte Susanne mit
großen, fragenden Augen.
Er senkte den Kopf.
„Durch mein ganzes Leben schleppe ich den
uiuch dieser einen, bösen Tat..." erwiderte er leise.
Susanne wagte nicht, weiter zu fragen. Sie
durfte nicht an Dinge rühren, welche alte Wunden
° u fs neue bluten machten. Sie fühlte sich krank und
Als müßte sie nach dieser Scheidestunde in
^Mger Nacht versinken, so war ihr zu Mute. Aber
Nrfte sie klagen? War seine Zukunft nicht noch
^nkler als die ihre?
Seine Augen hingen an ihr, bittend, flehend.
„Sage mir, Susanne . . . wirst du sein Weib?"
Sie atmete tief auf. „Ja!" sagte sie mit fester
stimme.
Wie im Traume schritt sie an ihm vorüber.
'Ņechantsch kleidete sie sich an.
An der Tür wandte sie das blonde Haupt noch-
zurück. S:e waren durch die ganze Breite des
Saumes voneinander getrennt, ober der Blick, mit
sie sich umfingen, war ein einziger, endloser
. ..
,. „Ja . . ." sagte sie nochmals. Welch opferfreu-
Liebe lag in diesem Wort. „Lebe wohl, Harry."
Er versuchte nicht, sie zurückzuhalten. Mit diesem
hatte er seine Rechte an sie verwirkt. Su-
gehörte jetzt auf ewig dem andern.
Und er?
t Er schob einen Sessel vor die „Mater dolorosa".
?fUndenlang saß er da und starrte auf das Bild.
.. das fühlte er, würde er es über sich bringen,
Gemälde aus feinen Händen zu geben. Mochte
te Marienkirche sich mit einer Kopie des Originals
^gnügen.
, Susanne hatte recht — sie durften sich nicht
, jîdersehen. Nur einmal noch — an ihrem _ Hoch-
itevfk*® 6 * ® ann würde er einsam weiterleben und
blieb nichts, als die Erinnerung . . .
a„ Ģinfam? Trat nicht in wenigen Tagen fein
.getrautes Weib zurück auf seinen Lebensweg. Er
.touerte zusammen — ihn fröstelte. Es war cmch
Nacht geworden — über der Waldlichtung
teten eine blaffe Mondsichel — ihr fahler Schein
Ee über Möbel und Geräte im Atelier und ent
lockte dem Schlangenring an seiner Hand ein tücki-
,ches Glitzern . ..
Harry Thorn trat auf den Vorbau und ver
brachte dort die ganze, kurze Spätsommernacht. Er
lauschte auf das Rauschen des Waldes und 'äh dem
Flügelschlag der Fledermäuse zu, welche wie ein
Symbol seiner eigenen, unruhigen Gedanken rastlos
an ihm vorüberschwirrten.
In dem schon herbstlich gefärbten Garten der
Anstalt Bucheneck spazierten zwei Frauen — eine
Pflegerin in der Tracht der Rotkreuzschwestern und
eine schlanke, schwarzgekleidete Dame, deren dunkles
Haar von zahlreichen Stlberfäden durchwoben war.
Die Schwester sprach mit sanfter, einschaneicheln-
der Stimme auf die Leidende ein. Diese horchte gie
rig auf jedes Wort.
„Er sieht krank aus und verfallen. Die Reue
über ferne Schuld erdrückt ihn fast."
„Reue?" wiederholte die schwarze Dame atem
los.
„Ja, Frau Thorn. Ich ļ>abe ihn doch früher auch
gekannt, freilich nur ganz flüchtig. Es ist ein Jam
mer um den Menschen, mehr noch um den großen
Künstler. — Auf seinem Schreibtisch steht ein Bild."
„Ein Mld?" Die Augen der blassen Frau hin
gen am Munde der Sprechenden.
„Es ist eine Photographie von Ihiren, Frau
Thorn. Stets steht ein Strauß frischer Blumen da
neben . .
Frau Thorn schritt vorwärts, in tiefes Sinnen
'"rloven. Plötzlich blieb sie stehen.
„Schwester — ich möchte wieder heim. Ich weiß,
Professor Wagner ist einverstanden damit." Frau
Tborn strich sich über die Stirn, als wolle sie einen
veren Traum aus ihrem Gedächtnis löschen.
„Mein Mann . . fiuhr sie mit stockender Stimme
fort, „hat viel gelitten durch mich. Run möchte ich
N'vch einige Jahre in Frieden mit ihm leben. —
Glauben Sie, daß er sich auf meine Heimkehr freuen
wird?"
„Ob er sich darüber freut?" Er zählt die Stun
den, bis Rosenau seine Herrin hat."
„Schwester, ich Miß — ich bin zu alt für ihn.
Und doch — ich liebe ihn noch so heiß, wie früher
Ich will ihn aber nicht mehr quälen mit meiner
Liebe, ich will zufrieden sein, wenn er mir seine
Freundschaft schenkt. — Die Zeit, wo ich io glücklich
:var, liegt in grauer Ferne versunken. Mr reisten
in der ganzen Welt herum. Dann ließen wir uns
in Mailand nieder. Wir hatten dort ein entzücken
des Heim. Alles war gut, bis ... bis . .
„Richt daran denken", bat die Pflegerin mrt
sanfter Stimme und streichelte über die blutlosen
Hände der.Frau. -
„Wie gut Sie trösten können, Schwester. Ja —
Sie haben recht. Richt rückwärts blicken. Ach, mir
ist es, als sei ich aus einem langen, bösen Traum
erwacht. In mir ist alles wieder klar. Und ich will
versuchen, mich meines Lebens wieder ein wenig zu
freuen."
„Ich werde Sie schmerzlich vermissen, Frau
Thorn. Und doch fteue ich mrch, daß Sie sich wieder
so wohl fühlen. Hoffentlich finden Sie eine gute
Pflegerin., welche fernerhin treu für Ihre Gesund
heit sorgt."
Frau Thorn klammerte sich an den Arm der
Schwester.
„Ach beste Schwester, müssen Sie denn unbe
dingt auf Pucheneck bleiben? Könnten Sie den Kon
trakt mit Professor Wagner nicht lösen? Ich darf
gar nicht daran denken, daß ich Ihre sanfte Stimme
nicht mehr hören, Ihre Land nicht mehr fühlen soll."
Die Pflegerin hatte sich abgewandt und brach
vorsichtig einige späte Rosen von einem Daum.
„Sind sie nicht herrlich? — Liebe Frau Thorn,
es würde mir nicht leicht fallen, mich von Bucheneck
zu trennen", sagte sie zögernd. „Trotzdem — mir ist
der Gedanke, mit Ihnen zu gehen, auch schon ge
kommen . . ." Die Stimme der Sprechenden zitterte
wie in tiefer Ergriffenheit.
„Sie wissen nicht, Schwester, wie dankbar ich
Ihnen wäre. Ich fürchte, es werden immer wieder
Stunden kommen, wo ich irgend eines vertrauten
Menschen bedarf. Und wer versteht mich besser, als
Sie?"
Einige Tage darauf erhielt Harry Thorn die
Nachricht, daß seine Frau, begleitet von Professor
Wagner, gegen Abend in Rosenau eintreffen würde.
Für eine Pflegerin sei bereits gesorgt.
Der Maler hatte im Schlosse alles zum Empfang
seiner Gattin vorbereitet. Die vielen, prächtigen
Räume waren renoviert und teilweise neu möbliert
worden, Blumen blühten in allen Basen. Die Zahl
der Dienerschaft war verdoppelt worden, der Haus
halt sollt« sich in Zukunft so geräuschlos wie möglich
und wie am Schnürchen abwickeln, damit es der
Schloßherrin nicht an der Ruhe fehlen würde, an
welche sie in Buch>eueck gewohnt gewesen.
Harry Thorn stand an der Freitreppe des Hau
ses. Der Wagen konnte jede Minute eintreffen.
Und richtig — jetzt blitzten zwei große Lichter durch
die Bäume, riesige Scheinwerfer spielten ...
Umständlich schälte sich der Professor aus dem
Wagen.
„Da sind wir. Meister Thorn. Hier — Ihre
Gattin. Noch nie habe ich mich wohl über eine ge
lungene Heilung mehr gefreut."
Der Aļaler küßte die Hände seiner Frau. Er
würgte dos Entsetzen, das in chm aufstieg, hinunter.
Dies« zerbrechliche, alternde Frau hier — war das
wirklich seine Gattin? Hatte er bei seinen Besuchen
in Bücheneck denn ihre grenzenlose Hinfälligkeit nie
benwrkt? . Freilich, da lag sie meistens auf einen:
Ruhebett, mit Decken verhüllt bis ans Kinn. Sie
war ja die garrze Zeit über auch körperlich sehr
elend gewesen. — Jetzt war sie in düsteres Schwarz
gekleidet, als käme sie zu einem Begräbnis. Run,
so unrichtig war dies ja nicht, hatte er doch heute
alles, was an heißen Wünschen in ihm lebte, ein
gesargt...
„An guter Pflege wird es Ihrer Frau Gemah
lin nicht fehlen", sagte der alte Herr, auf die Schwe
ster deutend, welch« vom Chauffeur das Gepäck ent
gegennahm. „Ich verliere in ihr die beste Stütze,
der Verlust tut mir aufrichtig leid, wenn ich auch
sagen muß, daß ich Ihrer Frau die tüchtige Pfle
gerin von Herzen gönne."
Der Professor reichte Frau Thorn seinen Arm
und betrat mit ihr das Haus.
Die Pflegerin war inzwischen in den Lichtkreis
der Portallampe getreten. Sie schritt auf den Ma
ler zu und reichte ihm ihre Hand.
„Ich hoffe, mir durch aufopfernde Pflege Ihre
Wertschätzung zu erringen", sagte sie leise und schlug
voll die Augen zu ihm auf.
Harry Thorn taumelte zurück, als hätte ein
Faustschlag ihn getroffen. Er schleuderte die Hand,
die sie ihm reichen wollte, mit einer grimmigen Ver
wünschung zur Seite.
„Was soll diese elende Komödie? Unterstehen
Sie sich nicht, die Schwelle meines Hauses zu be
treten!"
„Meinen Sie, lieber Herr Thorn?" lächelte sie
sanft. Sie trat dicht auf ihn zu. In ihren Augen
loderte wilder Triumph. „Hast du vergessen, was
ich dir vor Jahren sagte? Soll ich es wiederholen,
Harry Thorn? Aus deinem Leben weisest du mich
nicht..."
* Sie stieß ein höhnisches Lachen aus und Er-
schwand im Innern des Hauses.
(Fortsetzung folgt.)