Full text: Newspaper volume (1919, Bd. 4)

H»! Mi’ 
vertrag gewissr Bedingungen des Waffenstill- 
ftandssertrages nicht enthalte, und dag man, um 
keinen Präzedenzfall für die Ausführung des 
Friedensvertrages zu schaffen, vor dessen Inkraft 
treten lückenlose Erfüllung der Bedingungen des 
Waffenstillstandes verlangen muffe. 
* * * 
Englische Hilfe für IuöenLLsch 
gegen guten Lohn. 
Die heute vorliegenden Meldungen über die Lage 
an den Fronten in Rußland scheinen die Feststellung 
zuzulassen, daß die Bolschewisten an der Front von 
Pleskau und Petersburg weitere Erfolge errungen ha 
ben Das amtliche England bemüht sich zwar, der Lage 
der Armee Iudenitfch und Denikins sowie der Lage an 
denķ anderen Fronten etwas Gutes abzugewinnen, dcch 
müssen die Privatkorrespondenten einiger englischer 
Blätter, so etwa der Korrespondent der Morning Post 
in Helsingfors, zugeben, daß die Lage Zudeuitfch recht 
bedrohlich ist. Die englischen Meldungen über die Lage 
an der Front Denikins widersprechen sich ebenfalls." 
Ein wie großes Interesse'die englische'Regierung 
an der tendenziösen Berichterstattung über die Lage in 
Rußland hat, geht indirekt aus der Meldung über ei 
gnen Vertragsabschluß zwischen England und der Nord, 
x-estrusflschen Regierung hervor, wonach England ge- 
«en die Hergäbe von Hilfe an Judenitsch und Kredit- 
bewilligung nach dem Falle Petersburgs sich seinen 
Einfluß in den baltischen Ländern und in der Ukraine 
sichert. Diesen Ländern gesteht es Selbständigkeit zu, 
aber diese Selbständigkeit wird von Englands Gnaden, 
d. h. Abhängigkeit, sein. Außerdem läßt sich England 
seine Interessensphäre in Sibirien garantieren. Jude- 
nitsch, Denikin usw. sind in dieser Richtung gewisser 
maßen Eeschäftsbeauftragte Englands, und das Be 
mühen amtlicher Stellen in London, die Lage an den 
Froiļ im Zudenitfchs und Denikins nicht rm Lichte der 
Wahrheit erscheinen zu kaffen, wird so doppelt be 
greiflich. 
TU. Bafel. 1. Nov. (Eig. Drahtber.) Aus 
Kopenhagen wird gemeldet, daß ein Vertrag 
zwischen England und der nordwestrussischen Ne 
gierung abgeschlossen wurde. England verpflichtet 
sich in demselben, Flugzeuge und Tanks an Juds- 
iritsch zu liefern. Wenn Petersburg gefallen fein 
wird, wird die nordwestrufsifchs Regierung einen 
Kredit von einer Milliarde Rubel erhalten, wo 
gegen sie sich verpflichtet, die baltischen Länder 
nicht zu unterdrücken und die Ukraine als selbst 
ständigen Staat anzuerkennen. Außerdem ver 
pflichtet sich die nordwestrufsifchs Regierung, nicht 
in die britische Interessensphäre in 
Sibirien einzugreifen. General Riffel er 
klärte in einer Unterredung, von Berlin müsse 
er sofort einwandfreie und bündige Erklärung und 
entsprechende Daten haben. Wenn er sie nicht 
gutwillig erhalte, so werde er Gewalt anwenden. 
* * * 
Vertrauensvotum für 
Lloyd George. 
Amsterdam, 30. Okt. Der Nieuwe Rotterdamsche 
Courant meldet aus London vom 29. Oktober: Heute 
Morgen fand eine wichtige Finanzdebatte im Unterhaus 
statt. Die Regierung brachte einen Antrag ein, in dem 
ausgedrückt wird, daß die Lage mit Besorgnis angesehen 
wird. Die Liberalen und die Arbeiterpartei stellten 
Anträge, in deren der Regierung Mangel an Umsicht 
vorgeworfen wird. Bei der zweiten Lesung des Gesetz 
entwurfes, demzufolge das Rsichsoerteidigungsgesetz 
hinsichtlich gewisser Bestimmungen aus ein Jahr ver 
längert wird, stellte die Regierung die Vertrauensfrage 
and erzielt« eine Mehrheit von 233 zu 83. 
WTB. Amsterdam, 1. Nov. (Eig. Drahtbericht.) 
Dem Allgemeen Handelsblad zufolge berichtet der Kor 
respondent der „Times", daß die englische Regierung 
beschlossen habe, zur Stärkung des Prestiges, das in den 
letzten Monaten stark gelitten hat, in ganz England eine 
Kampagne zu lieginnen, die von Lloyd George und 
vom» Law geleitet wird. . i 
* * i' * 
Bethmanu-Hollweg 
vor dem Untersuchungsausschuß. 
'n.' ■ - ■ ... • 
Der zweite Unterausschuß des parlamentarischen 
Ì1lntetausîd3ufie5, der die Friedeusmöglichkeiten unter 
suche« soll, nahm am Freitag seine Arbeiten wieder auf. 
Die Verhandlungen fanden diesmal im großen Saale 
des Hauptausschusies im Reichstagsgebäude statt. Ne 
ben dem Plenarsitzungssaale ist dies die größte Räum- 
lichkett dieses Hauses. Für die Regierung, die Sach 
verständigen, fremde Missionen und di« Presse sind 
zahlreich« Tische aufgestellt. Trotz der Vertagung der 
Nationalversammlung hatten sich viele Abgeordnete 
aller Parteien eingefunden. Am Sachverständigentische 
-haben Professor Schäfer, Dr. Hoetzsch und Prof. Bonn 
Platz genommen. Der Raum, der für das Publikum 
bestimmt war, ist überfüllt. Schon früh war der früher« 
Reichskanzler v. Vethmann-Hollweg mit seinem einsti 
egen Unterftaatssekretär Wahnschaffe erschienen, ferner 
j der Vizekanzler a. D. Helfferich und der Marinestaats- 
işeļretär a. D. v. Capelle. 
Der Vorsitzende Abg. Warmuth eröffnete di« Sitzung 
fund erklärte: Wir beginnen mit der Vernehmung Er. 
; Erz. des Herrn v. Vethmann-Hollweg. 
Der frühere Reichskanzler wird zunächst vereidigt. 
Der Vorsitzende weist darauf hin, daß nach der Verfas- 
. fung der Eid mit oder ohne religiösem Zusatz geleistet 
> werden könne. Vethmann-Hollweg leistete den Eid mit 
dem religiösen Zusatz. Der Vorsitzende fährt dann fort: 
Das Thema ist Ew. Exzellenz bekannt. Es handelt sich 
um die . 
Wilsonsche Friedensaktion. 
Wir haben festzustellen, welches die Reichspolitik in 
, Bezug auf die Wilsonsche Friedensaktion gewesen ist 
«nd welche Grundsätze für die Reichspolitik maßgebend 
waren. Es handelt sich besonders um drei Kernfrage», 
deren Beantwortung für den Ausschuß von Bedeutung 
ist. Diese Fragen lauten: 
Aus welchen Gründen ist das Friedensangebot 
MSI 12. Dezember durch die Zentralmächte erfolgt. 
trotzdem eine Friedensaktion Wilsons durch Deutsch 
land angeregt und bis spätestens Ende Dezember 
in sichere Aussicht gestellt war? 
14, 2. Aus welchen Gründen sind Wilson die kon- 
fecit« Friedensbedingnngen nicht mitgeteilt wor 
den, und zwar a) nicht offiziell auf seine Note vom 
21. Dezember, t>) auch nicht vertraulich, trotz des 
Ersuchens des Obersten House und Lansings. 
3. Ans welchen Gründen hat die politische 
Reichsleitung die von ihr angeregte Friedensaktion 
Wilsons nicht weiter getrieben und statt ihrer Zu 
stimmung zur Führung des rücksichtslosen Antersee- 
bootsfeieges gegeben, von dem sie wußte, daß er 
zum Kriege mit Amerika führen würde? 
Reichskanzler a. D. v. Vethmann-Hollweg 
führte dann eindrucksvoll und in geschickter Gruppierung 
des Stoffes aus: Wenn in den Akten davon die Rede ist, 
eine Friedensvcrmittlung Wilsons wäre nicht gewünscht 
worden, so bezieht sich das ausschließlich auf eine Ver 
mittlung im gewöhnlichen Worrfinne, auf eine Ver 
mittlung, welche die Teilnahme an der materiellen For 
mulierung in sich schließt. Nicht betroffen aber wird die 
jenige Tättgkeit, die ich mit den Worten „Friedens 
aktion" bezeichnen müßte. Der erste kritische Punkt 
hängt mit dem Friedensangebot-zusammen. Der Be-, 
richterstatter hat es als einen Kernpunkt . bezeichnet, 
aufzuklären, ob und warum es gerechtfertigt war, daß 
wir ein eigenes Friedensangebot machten, obwohl wir 
wußten, daß Wilson , einen Friedensappell an die En 
tente richten würde. Wir verlassen dabei das Gebiet 
der Tatsachen und gehen damit zur politischen Würdi 
gung feststehender Tatsachen über. Hinter dieser Haupt 
frage steht unverkennbar die Vorstellung, dag wir durch 
unser Friedensangebot die Friedensaktion Wilsons ge 
stört und gefährdet hätten. Demgegenüber betone ich, 
der Friedensappell, den Wilson erlassen wollte und des 
sen bevorstehenden Erlaß Bernstorff in Aussicht stellte, 
ist in der Friedensnote Wilsons vom 18. Dezember ent 
halten. Geschrieben ist diese Note Mitte November. 
Mitte November hatten wir noch kein eigenes Frie 
densangebot gehabt, und Wilson wußte noch nicht, daß 
wir diese Absicht hatten. Der klare und unwiderleg 
bare Schluß ist, daß 
unser Friedensangebot weder den Präsidenten 
iw« seiner Friedensaktion abgehalten noch st« 
beeinflußt hat. 
Ist Wilson darüber verstimmt gewesen, .daß wir seinen 
Friedensschritt nicht abgewartet haben, so steht fest, daß 
er feiner Verstimmung keinen Einflug auf fein Handeln 
eingeräumt hat. Hiernach kann, wenn von einer schäd 
lichen Wirkung unseres Friedensangebotes gesprochen 
wird, nur gefragt werden, ob es unser Friedensange- 
bot gewesen ist, das di« Entente veranlaßt hat, die Frie 
densnote Wilsons vom 18. Dezember in einer Weife zu 
werten, die einer Ablehnung gleich gekommen ist, und 
ob ich, wenn das so war, das hätte, wiffen muffen und 
voraussetzen können. Hierbei geraten wir in einen 
Komplex von Problemen hinein, , von denen die ameri 
kanischen Beziehungen nur einen verhältnismäßig klei 
nen Abschnitt bilden. 
Die jeweilige militärische Lage, der innere Zustand 
bei uns und unseren Bundesgenosten, die Aspirationen 
der verschiedenen politischen Parteien, die Denkweise 
der Staatsmänner und verschiedenen Regierungen, alle 
diese Momente müssen dabei berücksichtigt werden. Trotz 
dem werden wir dabei immer nur die eine Seite der 
Dinge beleuchten können. Ich komm« nun zu den 
Motiveil, die uns veranlaßt haben, zu einem eigene« 
Friànsangebot zu komme«, z 
um die erwartete Friedensaktion Wilsons abzuwarten. 
Die Gründe, die für ein solches Abwarten sprechen 
konnten, haben, wie die bisherig« Untersuchung ergeben 
hat, gewiß viel für sich, namentlich heute, wo die Probe 
auf das Exempel gemacht werden kann. Wenn ich von 
den Momenten rede, die gegen das Warten auf Wilsons 
Friedensangebot sprechen, so kommt für mich zunächst 
die persönliche Seite in Frage, dann die Erfahrung, 
die wir mit der amerikanischen Regierung und ihrer 
Stellung zur Entente vorher gemacht hatten, und dann 
unsere Derbindungsmöglichkeit mit den Vereinigten 
Staaten. 
Ich will nicht behaupten, daß es Wilson mit dom 
Znaussichtstellen der Aktion nicht ernst gewesen sei. Cs 
lag aber doch für das Urteil der Berliner Zentrale 
eine lang« Tatsachenreihe vor, di« es zweifelhaft ma 
chen mutzten, ob und wann er feinen Entschluß aus 
führen zu können glaube. Was die persönliche Seite 
anlangt, so lag nach dem Bericht des Grafen Bernftorff 
in Wilsons Charakter «in gewister zaudernder Zug. In 
seinem Bericht vom 11. Januar spricht der Botschafter 
vom zaudernden Naturell des Herrn Wilson. Er sei 
gewohnt, alle Fragen aufschiebend zu behandeln und 
sei nicht so unbedingt sicher. Nach unseren Berichten 
sind geräde Ende Dezember 1916 auch neutrale Staats 
männer im Zweifel darüber gewesen, ob der Präsident 
ernsthaft an den Frieden denke. 
Wilson war sozusagen gehandikapt durch fein und 
seines Landes Verhältnisse durch di« Entente. Di« 
Stimmrung in den Vereinigten Staaten, oder der Grad 
des Wohlwollens zu unseren Gegnern war namentlich 
im ersten Jahre des Ktteges schwankend. In die Seele 
des Präsidenten selbst können wir nicht hineinsehen-. 
Freundliche Gesinnung für Deutschland hat er, wie Herr 
Clemenceau neulich feierlich tm Senat bekundet hat, 
nicht gehabt. Ueber die amerikanisch« Waffen- und 
Munitionslieferungen mag man denken wie man will. 
Tatsächlich bedeuteten sie eine einseitige Bcgünfttgung 
unserer Feinde. Uns ist stets gesagt worden, Wilson 
könne aus völkerrechtlichen Gründen gegen diese Liefe 
rungen nichts unternehmen. Mag sein. Zweifelhaft 
bleibt aber, ob er sonst eingeschritten wäre. Graf 
Bernstorff hat bändet, Wilson habe ihn unmittelbar 
nach unserer Suffex-Note durch Oberst House wiffen 
laffen, er könne gegen die völkerrechtswidrigen Sermaß. 
nahmen Englands wegen der Nachteile für den ameri 
kanischen Handel nichts unternehmen. Diese Mitteilung 
ist in zwei Beziehungen von fundamentaler Bedeu 
tung. Einmal hatte uns Wilson wiederholt erklärt, 
er würde, falls wir vom uneingeschränkten U-Boots- 
Krieg abließen, England zur Londoner Deklaration 
zurückbringen. Nun, durch unsere Suffex-Note hatten 
wir diese Voraussetzung aelchassen.. Und dann zeigt 
die Mitteilung des Obersten House, daß Wilson in al 
len seinen Handlungen gegen England gebunden war 
durch die Handelsbeziehungen seines Landes zu Eng 
land. Das mußte seine Friedensaktion stark beschrän 
ken, und es wäre für uns mißlich und gewagt gewesen, 
seine Friedensaktion als sicheren Faktor in unsers 
Rechnung einzustellen, selbst aber untätig zu bleiben. 
Wollten wir, um den Eindruck der Schwäche zu 
vermeiden, unser Friedensangebot zu einem Zeitpuntt 
machen, wo wir militärisch auf der Höhe standen, wir 
würden den Moment verpatzt haben, wenn wir aus 
Wilson gewartet hätten. Deshalb wurden bei uns die 
Vorbereitungen zu unserem Friedensangebot getroffen, 
als die Entscheidung des rumänischen Feldzuges zu un 
seren Gunsten gefallen war. Erschwert war unser Ver 
kehr mit Washington durch die ungünstige briefliche 
und telegraphische Verbindung. Ueberdies ist der Be 
richt asich des tüchtigsten Botschafters immer zunächst 
ein eigenes Urteil. Tatsächlich verfügten wir über ei 
nen unkontrollierbären Verkehr mit Washington über 
haupt nicht. 
v Die Gesamtheit des Momentes war es, die mir nicht 
gestattete, der Erundauffassung des Grafen Bernstorff 
im vollen Umfang zu folgen. Bemerkenswert erscheint 
mir, daß die berühmten 14 Punkte Wilsons im Januar 
1918 aufgesetzt wurden, also zu einer Zeit, wo Amerika 
in voller Kriegsvorbereitung sich uns gegenüber befand. 
Ich verweise auf das Kreuzverhör Wilsons vor dem Se 
nat. In dramatischer Zuspitzung hat der Präsident da 
feierlich seine Ueberzeugung bekundet, daß Amerika in 
den Krieg gezogen wäre, auch wenn unsererseits kerne 
Gewalttaten an amerikanischen Bürgern vorgekommen 
wären. 
Seine Ansichten faßte Vethmann-Hollweg dahin zu 
sammen: Der Berliner Zentralstelle war zweifelhaft, 
ob der Friedensschritt Wilsons überhaupt erfolgen 
werde: und ob er noch in eine günstige militärifche Lage 
fallen würde. Sie habe daher, 
um den mllitärischen Zeitpunkt nicht zu verpaffen, 
und um durch eine öffentliche Aktion zu den Dölkern der 
Entente vorzudringen, den Weg eines öffentlichen Frie 
densangebotes beschnitten. Zu der zweiten Frage 
äußerte sich von Dethmann-Hollweg dahin, daß die po 
sitiv ausgesprochene Bitte um vertrauliche Mitteilung 
der Friedensbedingnngen erst in die allerletzte Periode 
vor dem Bruch mit Amerika gefallen fei. 
Einen breiten Raum in feinen Betrachtungen nahm 
dir Frage der 
Zustimmung zum U-Bootsfeieg 
ein. Die Oberste Heeresleitung habe den U-Bootsfeieg 
mit voller Entschiedenheit gefordert, und hinter dieser 
Forderung der Obersten Heeresleitung habe ein gewal 
tiger Teil des Volkes gestanden. Mit erhobener Stim- 
mr schloß er, daß die Mehrheft des deutschen Volkes und 
seine gesetzlichen Vertreter das Uebergewicht der mili 
tärischen Leitung gewollt haben, und daß es nur einem 
Manne von der Autorität eines Bismarcks möglich ge 
wesen wäre, auch in solcher Lage eine Eiicheitlichkeit 
der Führung zu erzielen. - 
Hierauf trat eine Pause ein. 
In der Nachmittagssitzung wurde Bethmann-Holl- 
wsg in ein scharfes Kreuzverhör genommen. Auf die 
eingehenden Fragen nach den einzelnen Phasen seines 
Verhaltens in den kritischen Tagen um die Jahreswende 
1916-17 und nach den Gründen für fein« Anordnung 
führte er heftig darüber Klage, daß ihm erst iu den letz 
te« Tagen di« Möglichkeit gegeben worden ist, Einsicht 
in die Akte» zu nehmen. Seit mehr als zwei Jahren fei 
er ans dem Amt und habe damals schon, um kein schlech 
tes Vorbild zu geben, auch nicht ein einziges Aktenstück 
genommen. Daher fehle ihm jetzt ein« genaue Erin 
nerung an die einzelnen Vorgänge jener Zeit. Er bat 
um die Erlaubnis, die ihm gewährt wurde, bis zur 
nächsten Sitzung sich aus den Akten zu unterrichten. 
Auf die Frage, welche Gründe maßgebend waren 
für die Richtung seiner Eesamtpolttik, den Grafen Bern 
storff weiterhin die Wilsonsche Vermittelung betreiben 
zu lasten und in Deutschland insgeheim ein« eigene 
Vermittlung vorzubereiten, erwiderte der frühere Kanz 
ler ,baij et 
zwei Eisen im Feuer 
unterhalten zu muffen glaubte. Von dem deutschen 
Friedensangebot hätte er Wilson schon deswegen vor 
her nichts mitteilen können, weil di« Hauptsache bei 
diesem Angebot das Moment der lleberrafchung war. 
Ohne diese hätt« das Angebot sein« Mrkung auf die 
feindlichen Völker verfehlen müssen. 
Die Frage Dr. Lohns, ob in Deutschland Kräfte 
am Werke waren, denen es darauf ankam, durch ein 
deutsches aussichtsloses Friedensangebot die aussichts 
reiche Wilsonsche Vermittlung zu zerstören, beantwortete 
Vcthmann dahin, daß er nur über seine Auffassung 
Auskunft geben könne, nicht aber über die anderer 
Kreise. Abg. Sinzheimer stellte an der Hand der Deth- 
mavnschen Angaben fest, daß Bethmann schon damals 
pessimistisch und sorgenvoll an den Ausgang des Krie 
ges gedacht habe, worauf Bethmann erwiderte, pessi 
mistisch sei er nicht gewesen, habe aber vom ersten Tage 
an die Lag« sehr ernst aufgefaßt. Minister Dr. David 
wies darauf hin, daß gerade im Herbst 1916 von der 
Heeresleitung eine Amerikahetz« und eine Hetze gegen 
Wilson betrieben worden sei, ohn« daß die politische 
Leitung etwas dagegen unternahm. Auf weitere Fra 
gen der Abg. Gothein und Sinzheimer nach der Hal 
tung der Reichstagsparteien zum U-Boot-Krieg erwi 
derte Bethmann schließlich, daß ihm das Risiko beim 
U-Boot-Krieg ungeheuerlich schien, aber nachdem er 
einmal beschlossen war, durfte öffentlich feine Wirkung 
nicht in Zweifel gezogen werden. 
Die nächste Sitzung findet am Dienstag statt. 
Lokales. 
;4 *A Die Einweihung eines Denkmals für di« 
int Kriege gefallenen Lotsen des Kanalamts. di« 
zum größten Teil auf U-Dooten dienten, erfolgt 
am Mittwoch, den 5. Rov., mittags 12 Uhr. an der 
hiesigen Lotsenftation. Gewidmet ist das Denkmal 
von den Lotsen des Kanals. Der Präsident des 
Kanalamts wird bei der Einweihung zugegen fein. 
*À Dortrag Ottomar Enking. Einen beson 
ders wertvollen. Stadthallenabend gibt es heut«. 
Landsmann Ottomar Enking, der in der erşi^ 
Reihe deutscher Erzähler steht, lieft aus, 
Werken vor. Was Enking als Dichter vor alle» 
charakterisiert, ist, die, Kunst der Kleinmalerei » 
der Schilderung des Kleinbürgerlebens, und 
noch der sachlichen und seelischen Seite hin. H» 5 
wer das ferne und nachhaltig die Seele übersE 
nende Lächeln kennen lernen will,-der müß şş 
an die Werke Enkings begeben und sich an,ķ 
darin enthaltenen Humor laben. Enkings şş, 
mane spielen meist an der Wasserkante, sei cs » 
Mecklenburg oder -in Schleswig-Holstern. Sie 
den uns dadurch.besonders nahe gerückt.. Neue-' 
dings noch hat Enking, ein geborener Kieler, 
bevor.er^ sich als Dichter auswirken konnte, 
Buntheit des Lebens als Schauspieler und:7 ä ' :> 
nallst kennen lernte , dem deutschen Schrifķ 
ein lobenswertes Werk in dem Roman 
Pünkttem auf der Welle" geschenkt, zu dem ^ 
in der kritischen Beurteilung deutscher Litera^ 
anerkannte Ferdinand Gregori ein schmeichelhaft 
Vorwort "geschrieben hat. ° 
*à' àfsrmstumsfest. In /unsern Kiķ 
wird am morgigen Sonntag das Reformatio^ 
fest gefeiert. Möchte, eine zahlreiche. Gemeinde 5* 
dem Quell kömmen. aus dem sie in dieser soķ 
schweren Zeit Mut und Kraft'schöpfen , kann. . 
Grfchäftsjuüiläum. Dis Firma MM 
Mohr, Rendsburg, besteht am 2. November J 3 
Jahre, Und zwar auf demselben Grundstück. ©i® 1 * 
der der Firma war der Urgroßvater des fetzķ 
Inhabers. Im Laufe der langen Zeit hat es ^ 
Firma zu einem in Stadt und Land geachtş 
Namen oebracht. 
Jm Feuer auf dem Spülfeld. Am Frķ 
früh gegen 6 Uhr brannte eine , hölzerne BaubUH 
mit Gerätschaften auf dem Spülfeld ich Wchr^ 
gelände nieder. Da an ein Retten der uķ?E 
15:5 Meter großen Bude beim Bemerken ^ 
Feuers nicht mehr zu denken, war, Gefahr P 
andere Gebäude nicht bestand, war die Feuerrot 
nicht erst alarmiert worden. Da um 5. Uhr in ^ 
Baubude Licht bemerkt sein soll, so ist. wie 
tet, Brandstiftung nicht ausgeschloffen. 
*© Frecher Diebstahl. In der Stal 
wurde einem Herrn, als er in der Karìenausga^ 
stelle seine Lebensmittelkarten umtauschen wov^ 
und seine Pelerine neben sich auf den Boden 
legt hatte, diese gestohlen. ' 
Neueste Nachrichten. 
LchneLrigLeètspramèen für Nat' 
toffellîaferuug. ... 
WTB. Berlin. 1. Nov. (Eig. DrahtļeriŞ 
Um ein« stärkere Kartoffelbelieferung nach den D 
darssmengen zu erreichen, find zur Befeitigung *■ 
augenblicklichen Kartoffelfchwierigkeiten auf 
Gebiete des Verkehrswesens entscheidende 
nahmen getroffen worden. Gleichzeitig ist fl* 
Wirkung vom 3. 11. an angeordnet worden. ^ 
für jeden bis zum 15. 12. abgelieferten Zentş 
Speisekartoffeln eine besondere Schnelligļeitsff^ 
mie vo« ? »K gezahlt wird. , 
Die Drangsalierung Lurch Lie 
" K - Belgier. 
WTV. Düsseldorf. 1. Rov. (Eig. Dra' 
Gestern abend wurden die Werkmeister Otto 
Josef Wehr, 2 Brüder» auf der Landstraße ö 
2 belgischen Soldaten angehalten und nach iw 
Pässen gefragt. Als sie diese hervorholen wosiv^ 
gaben die Belgier drei Gewehrschüsse auf şi* L 
wodurch die beiden Brüder im Rücken getross 
nnd schwer verletzt wurden. . 
Franzosengeist. 
Berlin. 31. Okt. Die Verhältnisse in de« 
den Franzosen besetzten Gebieten sind, wie ^ 
„Vorwärts" sagt, derartig, daß sie garnicht 
genug geschildert werden können. Mit den 
zosen zog der Geist der Unduldsamkeit, der Bk 
talität, der Ungerechtigkeit, der kleinlichen S« 
kane und der Gehässigkeit in die Rheinland« ^ 
LtratzenbahnoĢreîk in VOcP 
DautschlanL. , 
WTB. Berlin, 1. Rov. (Eig. Drahtberîê 
B T. meldet aus Bochum: Die StreikSeweg 
der Stratzenbahner im rheinisch-Wefffälisch. ^ ^ 
striebezirk nimmt immer weiteren Umfang an-^ 
stern HÄ sich das gesamte Fahrpersonal der ^ 
chum-Gelsenkirchener Straßenbahn dem Ņusl 
angeschloffen. Der Verkehr ruht auf allen 2^ 
vollständig. 
Der Feldzug gegen Len 
in Amerika. 
WTV. Haag. 1. Rov. (Eig. Drcchļşşş 
Der R. E. meldet aus Neuqork: Anläßlich der ^ 
nähme der Eesetzesvorlage zur Erzwingung ^ 
Durchführung des Alkoholverbotes sind 5W> ^ 
»öffnete Bundesbeamte in die Schanksirtîşş^f 
der Stadt eingedrungen. Hierbei wurden » 
Bürger getötet und mehrere verwundett 
Unrentable Reichsbetriebe« ■ j 
WTB. Berlin. 1. Rov. (Eig. Drahtb"'" 
Zu der Aeußerung einer sozialistischen 
denz, dnß di« aus der Verwaltung der ķi 
triebe Spandau, Kiel und Wilhelmshaven 
d,efes Jahr angesetzte Einnahme sich auf 2 M ^ 
tun Mark belaufe, denen aber Ausgaben 0. 
Millionen Mark gegenüberstanden, bemerkt 
T.. es fei dringend notwendig, daß sich der -L^i* 
tag hierzu äußere. Ein derartiges Mitzoerşi^^r 
zwischen Einnahme und Ausgabe fei für die * 
nicht erträglich. 
- ' : * * . * . pi 
WTB. Berlin, 1. Nov. (Eig. Drahtbett, r" 
Befinden dsg Abg. Haase ist sehr ernst. ® V 
abend trat eine Verschlechterung ein, dl fll j) 
Schlimmste befürchten läßt. Das Fieber 
über 40 SmL öestiegsn.
	        
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