Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

HägLich erscheinendes Wt'citt. 
Màburger 
(Außer an Sonn- und Festtagen.) 
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2 Ji 15 }>, 
für Auswärtige, durch die Post bezogen 
2 Ji 25 <* 
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AeLIrstrs und gelegenstes DlatL im Kreise Rendsburg. 
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92 ster Jahrgang. 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
Dem Rendsburger Wochenblatt wird 
„Bst Landwirth" 
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Jnteressm 
der Landwirthschaft) gratis beigegeben. 
WO. 169. 
Sonnabend, den 22. Juli 
1899. 
Morgen-Berichte. 
Berlin, 20. Juli. Die Kaiserin hat, 
wie aus Berchtesgaden gemeldet wird, von 
der stattgehabten Verletzung im Laufe des 
gestrigen Tages nicht erhebliche Schmerzen 
entpfunden. Die durch die Verstauchung des 
Fußgelenkes bedingte Anschwellung beginnt 
unter fortdauernder Anlvendung von Eis 
sich zu mindern, sodaß voraussichtlich in 
wenigen Tagen der zur Konsolidirung des 
, gleichfalls verletzten Wadenbeines erfordere 
liche feste Verband angelegt werden kann, 
î Das Allgemeinbefinden ist sehr gut. 
Berlin, 20. Juli. Der Kaiser ist 
! heute Vormittag nach guter Fahrt in bestem 
Wohlsein in Drontheim eingetroffen. 
Berlin, 20. Juli. Die Bautischler 
sind jetzt mit Forderungen.hervorgetreten, 
die sie.den Unternehmern unterbreiten und 
bei deren Ablehnung sie in den Ausstand 
treten wollen. Sie stützen sich auf die aus 
nahmsweise günstige Konjunktur, welche 
zur Zeit im Berufe herrscht. Der deutsche 
Holzarbeiterverband in Berlin hat seine 
Unterstützung zugesagt. 
Frankfurt a. M., 20. Juli. Der 
„Frkf. Ztg." wird aus Newyork gemeldet: 
In Folge der an. dem wichtigsten Knoten 
punkte der Hochbahn in Brooklyn durch 2 
Dynamitexplosionen verursachten Zertrüm- 
merungen eines Pfeilers ist eine ziemlich 
lange währende Verkehrsstockung eingetre 
ten. Bei mehreren der 22 verhafteten 
Streikenden wurde Dynamit gefunden. Ge 
stern ist auch in Newyork auf vier Linien 
der Streik ausgebrochen, sodaß speziell an 
der 2. und 6. Aoenne der Verkehr fast 
ganz unterbrochen ist. Mehrere Ausschrei 
tungen sind vorgekommen. 
Frankfurt a. M., 20. Juli. Aus 
Dortmund wird der „Frkf. Ztg." berichtet: 
Die städtischen Behörden beschlossen, an die 
zuständigen Stellen Telegramme zu rich 
ten, daß die Kanaleinweihung verschoben 
werde, bis das Erscheinen des Kaisers mög 
lich sei. 
Paris, 20. Juli. In cinem Brief 
an den „Figaro" schreibt Gabriel Monod, 
Mitglied der Akademie, er habe vernom 
men, daß die Beweise, welche gegen Dreyfus 
angeführt werden sollen, Briefe des Prin 
zen Heinrich von Preußen seien. Diese 
Briese erklärt Monod für Fälschungen. 
Paris, 20. Juli. Ein hiesiges Blatt 
meldet.aus Rennes, daß die Generale Bois- 
desfre und Gonse am letzten Sonnabend in 
Rennes gesehen und von einentz Mitglied 
des Kriegsgerichts empfangen worden seien. 
Hierzu wird gemeldet: Der 'Pariser Gou 
verneur Brugere ist nach Rennes gereist, 
um, wie verlautet, festzustellen, was Bois- 
deffre^ und Gonse am letzten Sonnabend 
heimlich in Rennes zu schaffen hatten, und 
ob es wahr ist, daß sie mit einem Kriegs 
richter konferirten. 
Athen, 20. Juli. Die Regierung be 
schloß, behufs Reorganisation der Land 
armee und der Marine einen deutschen Ge 
neral und einen englischen Admiral auf 
zehn Jahre zu engagiren. Die Bewilligung 
der betreffenden Regierungen soll bereits 
erfolgt sein. 
Madrid, 20. Juli. Wie verlautet, 
hat die Königin-Regentin das Dekret der 
Kammerauflösung vor ihrer Abreise nach 
San Sebastian unterzeichnet. Die Kammer 
auflösung dürfte voraussichtlich nächste 
Woche stattfinden. 
Kopenhagen, 20. Juli. Die Ar 
beitgeber haben beschlossen, die Aussperrung 
auf mehrere Gewerbe der Textilindustrie, 
auf die Cementfabriken und Schneider aus 
zudehnen. Die Riesensperre wird dann 
über 50 000 Arbeiter umfassen. 
Antwerpen, 20. Juli. An: näch 
sten Sonntag wird im hiesigen Hafen der 
Ausstand der Hafenarbeiter beginnen. Die 
von den Arbeitern verlangte Lohnerhöhung 
ist so bedeutend, daß sich bereits mehrere 
große Handelstransportgesellschaften ent 
schlossen haben, wenn die jetzige Lage fort- 
danere, ihre Dampfer nicht mehr in Ant 
werpen. anlaufen zu lassen. Unter Andern 
beabsichtigt dieses die Read Star-Linie. 
B e r l i u, 20. Juli. Die „Post" mel 
det-aus Warschau: Die im Gouvernement 
Kowno belegene Stadt Dobejki wurde von 
einem furchtbaren Brande gänzlich einge 
äschert. Eine jüdische Familie, 7 Personen, 
sind verbrannt. Das Elend ist unbeschreib 
bar. — 
R o in , 20. Juli. Heute früh 5 Uhr fan 
den wiederum Erdstöße-statt, die aber keinen 
besonderen Schaden anrichteten. Die fort- 
daiiernd ans der Provinz einlaufenden 
Nachrichten Luten trostlos, da das ge 
strige Erdbeben großen..Schaden angerich 
tet .hat. 
Anslmrd. 
Wrchereķopäische Gebiete. 
Neue Kämpfe auf Samoa melde! 
ein „Leuter-Telegramm" vom 11. Juli 
aus Apia: Am 4. Juli hat bei Sasata im 
Distrikt des Häuptlings Suatele ein Gefecht 
25) 
S« alles St». 
stattgefunden, bei welchem ein Malietoa- 
Häuptling tödtlich verwundet, zwei Mataafa- 
Häuptlinge — einschließlich des Sohnes 
von Suatele — gelobtet und drei ver 
wundet wurden. Die Kriegsschiffe „Cor- 
moran" und „Tauranga" verhafteten drei 
Häuptlinge und brachten sie nach Apia, 
wo sie vor das Obergericht gestellt werden 
sollen. 
Der kleinste W e l t u m s e g l e r 
hat am 2. Juli von Victoria (Britisch 
Columbia) aus eine Reise um die 
Welt begonnen, die zwei bis drei 
Jahre dauern soll. Das Schiff ist die 
acht Tonnen starke Pacht „Xora", Kapitän 
Percie N'cord, der die Reife, nur von 
einem Herrn Baß und seinem zwölfjährigen 
Sohn begleitet, antritt. Er will sich die 
Welt ansehen und dabei für ein Zeitungs- 
syndikat Berichte liefern, die durch von 
ihm selbst gemachte photographische Auf 
nahmen illustrirt werden sollen. Die 
Reise geht zunächst nach dem Kap Horn 
und von da längs der südamerikanischen 
Küste hinauf. 
Ktmràeich. 
Paris, 20 Juli. Die Regierung ist 
entschlossen, über die Aufgabe des Renner 
Kriegsgerichtes eine Note auszugeben, 
worin ausgeführt wird, innerhalb welcher 
Grenzen der Prozeß geleitet werden müsse, 
damit die Anordnung des Casiationshofes 
pünktlich befolgt werde. Die Regierung 
wird keinerlei Beeinflussung des Kriegs- 
gerichtes dulden. 
Paris, 18. Juli. Der frühere Koloàl- 
minister Leben ist -infolge der wegen der 
Dreyfusangelegenheit gegen ihn gerichteten 
Angriffe von der Berwaltungsrathsftelle 
im Credit Foncier.zurückgetreten. 
Paris, 26. Jul. Wie aus Raney 
gemeldet wird, nimmt die Angelegenheit 
des wegen Verdachtes der Spionage 
verhafteten Pirsch on einen beträcht 
lichen Umfang an. .In Epinal sind fünf 
Personen unter der Anschuldigung, Mit 
schuldige des Pirschen zu sein, verhaftet 
worden. Unter ihnen befinden sich drei 
Militärpersonen. 
Paris, 20. Zuli. Die Verhandlungen 
des Kriegsgerichts in Rennes sind nun 
mehr amtlich auf Freitag, 11. August, 
festgesetzt worden. 
Serbien- 
Belgrad, 19. Zuli. Ministerpräsident 
Wlodan Georgievic kehrt morgen aus 
Martenbad hierher zurück und übernimmt 
wieder die Regierungsgschäste 
—Bssr 
Belgien. 
In Belgien beabsichtigt der König, im 
Falle der Ergebnißlofigkeit der Verhand 
lungen des Wahlreform-Aus- 
ch u s s e s ein liberales Geschäfts 
ministerium unter dem Vorsitze des 
Staatsministeriums Baron Lambermont 
zu berufen, welches die Kammern auf 
lösen und Neuwahlen ausschreiben soll. 
Oesterreich-Ungarn. 
Triest, 20. Juli. Heute Vormittag 
10-/2 Uhr ist Admiral Dewey hier an 
gekommen und von dem amerikanischen 
Gesandten, sämmtlichen amerikanischen, 
sowie dem deutschen und französischen 
Konsul empfangen worden. Alsbald nach 
der Begrüßung hatte der Vertreter der 
„N. Fr. Pr." eine Unterredung mit 
Dewey, der, um seine Meinung über die 
Friedenskonferenz befragt, erkläre, er halte 
nichts davon, denn niemand werde zuerst 
abrüsten wollen. Durch den letzten Krieg 
veranlaßt, werde Amerika mit den 
Rüstungen fortfahren und 40 neue Kriegs 
schiffe bauen; er glaube daher nicht, daß 
bei solchen Anstrengungen Amerikas andere 
Mächte den Vortheil, den sie durch ihre 
Rüstungen haben, aufgeben würden. 
Wien, 20. Juli. Die Christlich-Sozialen 
halten heute Abend um -/^8 Uhr im 
Hotel „Englischer Hos" eine Festversamm 
lung ab, um unter Anderem für die 
Luerger'sche Wahlreform zu demonstriren 
Infolgedessen veröffentlicht die fozialdemo 
kratische „Arbeiterzeitung" einen Aufruf 
an ihre Leser, um 7 Uhr auf der Mariahilf- 
Stvaße zu erscheinen, um hierdurch gegen 
den Wahlrechtsraub zu manifestiren und 
ihre Zahl der der Christlich-Sozialen ent 
gegenzustellen. Der Aufruf mahnt die 
Arbeiter vor Zornesäußerungen und Be 
schimpfungen der Gegner. „Bemeistert 
Euren Ekel, speit nicht aus. Eure Ver 
achtung soll stumm sein. Genoffen, kommt 
: und seht Euch Eure Feinde an!" 
wird ein großer Skandal befürchtet. 
Inland. 
Roman von E. v. Linden. 
(Nachdruck verboten.- Uebcrsctzungsrccht vorbehalten.) 
"îlber e-ier Jahre verstrichen, ohne daß 
er sich her mir -sehen ließ. Zufällig erfahr 
ich, baß er sich nach dem Tode Deiner 
Mutter bald wieder verheirathet hatte und 
zwar mit einer Tochter des Südens, welche 
ihn zum Eintritt in das Sklavenhalter-Heer 
veranlaßt hatte. Der große Krieg wüthete 
damals schon « furchtbarer Weise, es fiel 
mir aber nicht ein, die Waffen wieder zu 
ergreifen, da ich ja für Dich sorgen mußte. 
Unsere Gegend blieb auch vollständig vom 
Kriege verschont, doch athmeten wir alle wie 
befreit auf, als der Friede endlich geschlossen 
wurde. Da erschien eines Tages Dein 
Vater, der bislang keine Zeit gehabt, sich 
nach seinem Kinde umzuschauen, und er 
sagte, um mir mitzutheilen, daß er wieder 
verheirathet und im Besitz eines zweiten 
Sohnes sei. Er meinte, eS sei seltsam, daß 
beide Söhne ihm glichen, bis auf die Augen, 
die sein Sohn Hans von seiner Mutter be 
säße- '^ -»achte ihm den Vorschlag, Dich 
mir als Sohn zu überlassen, zumal «an 
Dich dasur halte worauf er sich freilich 
nicht einlassen wollte, mir aber dankbar da 
für war, wenn ich Dich noch behalten und 
für Deine Erziehung sorgen wollte. . 
„So warst Du uns vorerst wieder ge 
sichert. Ich unterrichtete Dich bis zu Deinem 
zehnten Jahre, wie Du Dich ja noch er 
innerst, und sandte Dich dann nach St. Louis 
zur richtigen Ausbildung. Seltsamer Weise 
erschien Dein Vater stets in Deiner Ab 
wesenheit auf der Farm und hat Dich auch 
nie während der Schulzeit in St. Louis 
besucht. Was ich angestellt habe, um Dich 
zu behalten, will ich hier nicht erörtern, 
genug, daß er auch die zweite Frau verlor, 
in seinen Vermögens-Verhältnissen zurückkam 
und an seinem jüngsten Sohne wohl wenig 
Freude haben mochte. Der Zufall wollte 
es auch später nicht, daß Ihr Euch träfet 
und Du den leiblichen Vater von Angesicht 
zu Angesicht sehen solltest Das letzte Mal 
aber,. als er hier war, — Du warst just 
aus einige Tage mit Herrn Sander verreist, 
~ es sind heute, wo ich dieses für Dich 
niederschreibe, zwei Jahre seitdem verflossen, 
da schien Lieutenant Sitting eine krankhafte 
Sehnsucht nach Dir zu haben und sehr 
niedergedrückt zu sein. „Ich nehme Ihnen 
den Justus nicht", sagte er zu mir, „Sie 
haben ihn, wie ich gehört, zu einem tüchtigen 
Menschen erzogen, das danke ich Ihnen noch 
ui meiner Sterbestunde. Vielleicht ist diese 
nicht mehr fern, ich fühl's, daß mir der 
œ . i« der Brust sitzt. Sic haben meinen 
Cruder Justus gekannt, er hat das vater 
los à 'ttergut Altinghof hoch oben im 
Schleswig ,chcn im Besitz, während ich ein 
Baarveriuogen empfing. Wie ich erst kürz 
lich von einem Landsmann erfuhr, lebt er 
dort noch und zwar unvcrmählt. Er wird 
sich nicht weigern, meinen ältesten Sohn um 
seiner Mutter willen zu adoptiren, denn 
mem Bruder Justus ist edel und gut, ein 
viel besserer Mensch als ich. Ich weiß, 
baß er diesen trefflichen Sohn lieben und 
mir Dank dafür wissen wird. Versprechen Sie 
mir, dieser Bitte eingedenk zu sein und 
unsern Sohn, denn Sie haben ein höheres 
Recht noch an ihm, zu dieser Reise zu be 
wegen, ja ihn womöglich selber meinem 
— Ein neuer Kreuzer ist am 
Dienstag in Bremen vom Stapel gelaufen 
und vom Bürgermeister Pauli „Niobe" 
getauft worden. Aus das Telegramm 
Paulis: „Euerer Majestät jüngstes Schiff 
„Niobe" sendet vom Weserstrom, auf den 
es zur Freude Bremens soeben hinabglitt, 
den ersten Gruß seinem obersten Kriegs 
herrn", hat der Kaiser aus M o l'd 
geantwortet: „Zum Schutze von Schiff 
fahrt und Handel bestimmt, ist der neue 
Kreuzer „Niobe" ein Träger heimathlichen 
Grußes, ein Bindeglied für unsere Lands 
leute, welche ihrer geschäftlichen Thätig 
keit an allen Meeren der Welt nachgehen. 
So wie die alte „Niobe" einen Geist ge 
legt hat in die Schule, für welche sie 
bestimmt war, so möge die neue „Niobe" 
den Geist treuer Anhänglichkeit zu Kaiser 
und Reich auf allen Erdlheilen fördern 
helfen." 
Anch der Kaiserbesuch in 
Lothringen wird entgegen den ur- 
sprünglich getroffenen Reisedisposttionen 
abgekürzt werden. Der Monarch 
wird zwar am 18. August der Feier bei 
wohnen, welche zur Enthüllung des Denk- 
mals des 1. und 3. Garde-Regiments z. F. 
auf dem Schlachtfelde von St. Privat 
stattfindet, dagegen wird er bei der für 
Ende August angesetzten großen Be- 
lagerungsübung in der Nähe der Gentrin 
ger Höhen nicht zugegen sein. Aus diesem 
Grunde unterbleibt auch sein der Stadt 
Diedenhofen zugedachter Besuch. 
— Die deutsche Schule in 
T sin tau ist, wie bereits früher erwähnt, 
in den letzten Mariagen eröffnet worden. 
Vorläufig mit drei Lehrern und fünf 
Schülern, darunter ein Mädchen. Die 
„Nachrichten an Kiautschou" künden an, 
daß im Reichshaushaltöetat für das nächste 
Jahr für diese Schule eine Forderung von. 
40,000 Mk. eingestellt werden soll, die 
u. a. für den Ban eines Schulhauses 
bestimmt sind und sprechen von der Hoff 
nung mit der Zeit eine Anstalt zu schaffen, 
auf der das Reifezeugniß für den ein 
jährig-freiwilligen Dienst erworben werden 
kann. 
— Der „Vorwärts" ruft die deutsche 
Arbeiterschaft auf, die internationale 
Solidarität des Proletariats durch kräftige 
Unterstützung der ausgesperrten 
dänischen Arbeiter zu bekunden. Eine 
Niederlage der dänischen Arbeiter wäre 
eine Niederlage auch für die Arbeiter 
aller andern Ländern, müsse also ver- 
hindert werden. 
Berlin, 19. Juli. Der Arbeitgeber 
bund der Maurer- und Zimmermeister 
hat es abgelehnt, mit den Bauarbeitern 
vor dem Einigungsamt des Gewerbe 
gerichts wegen deren Forderungen zu 
verhandeln. Dem Gewerbegericht ist dies 
jetzt schriftlich mitgetheilt, jedoch ein 
Grund der Ablehnung nicht angegeben 
darauf und entschloß mich nach seiner Ab 
reise zu dieser Niederschrift, die ich Dir als 
meinen letzten Wunsch, als mein Testament 
a ” ® lege. Falls Gott mich nun früher 
als Deinen Vater abrufen sollte, Deine 
Zukunft aber angesichts der auf unserer 
Farm haftenden Schulden unsicher ist, so 
betrachte ich diese Aussicht als ein Glück, weil 
es mir die Gewißheit eröffnet, -daß mein 
Name von jedem Flecke gereinigt werde. 
Paulsen soll Dich begleiten." 
Hier endete das Schriftstück, welches dem 
jungen Mann so plötzlich einen geachteten 
Namen und einen geliebten Vater raubte 
und ihn jener Menschcnklaffe zugesellte, die 
man eine zweifelhafte nennt, deren Persön 
lichkeit und Name einen berüchtigten Klang 
besitzt. 
„Und was hindert mich daran, dieses 
Papier, dessen Tragweite der gute Vater 
gar nicht zu ermessen vermochte, zu ver 
nichten und mich nach wie vor Justus Rom 
berg zu nennen?" murmelte er, sich stramm 
aufrichtend. „Weshalb soll ich Almosen an 
nehmen von diesem Alling, anstatt der eigenen 
Kraft zu vertrauen und meine Zukunft mir 
selber zu gestalten?" 
Er warf das große Schriftstück auf den 
Tisch und wollte sich mit einem trotzigen 
Entschluß erheben, als sein Blick auf die 
Schlußzeilen fiel und dort wie angewurzelt 
haften blieb. 
„Kann ich die Schulden zahlen durch 
eigene Kraft und dadurch die Reinheit Deines 
Namens, den ich in meiner Vermessenheit 
ferner tragen will, von jedem Flecken 
reinigen?" rief er verzweifelt aus. „O, 
mein theurer, geliebter Vater, gab's denn 
«» w * ' . -r, ' aao s Denn 
àder zuzuführen." Sch gab ihm die Hand keinen Ausweg, nm mich vor einem solchen 
Loose zu bewahren? Du vertrautest meiner 
Kraft, meinem Wissen, wie Du mir auf 
Deinem Sterbelager sagtest, und konntest 
mick hier doch zum Bettler erniedrigen!" 
Dann fiel sein verstörter Blick auf den 
Brief des dänischen Lieutenants, den er 
Vater nennen sollte, und der Gedanke, was 
aus ihm geworden wäre, wenn er als Sohn 
in den Händen dieses Mannes geblieben, 
wandelte seinen Trotz plötzlich in reuevolle 
Demuth. 
„Vergicb, Du edler Todter", flüsterte er, 
„daß ich es nur einen Augenblick vergessen 
konnte, was Du für mich gethan hast, daß 
in der ersten Probe meine Dankbarkeit schon 
versagte, die doch nur allein im Opfermuth 
ich äußern und bewähren kann. 
Mit fester Hand öffnete er jetzt den zweiten 
Brief, der ihm vielleicht noch eine härtere 
Prüfung auferlegen sollte, aber was half's, 
der Kelch mußte jetzt bis auf die Hefe ge 
leert werden. Sein Blick starrte auf die 
elegante, etwas unsichere Handschrift des 
Mannes, den er Vater nennen sollte, viel 
leicht, ja, sicherlich die eines Sterbenden. 
Er las: „Mein verehrter Herr Haupt 
mann! Ich muß Sie jetzt an Ihr Ver 
sprechen erinnern, meinen Sohn Justus nach 
Deutschland zu meinem Bruder, dessen Adresse 
ich noch einmal am Schluffe genau bezeichne, 
zu senden, da mein Ende nahe ist. Es 
wäre ja möglich, daß mein jüngster Sohn, 
den ich mit cinem Briefe und dem Geburts 
schein seines Bruders zu Ihnen geschickt 
habe, unterwegs von einem Unfall betroffen 
worden ist, weshalb ich den Inhalt meines 
Schreibens hier noch einmal wiederhole. Ich 
habe bereits an meinen Bruder geschrieben, 
und ersuche Sie nun, Justus sofort abreisen 
zu lassen, Sie werden als Mann von Eh re 
Ihr Wort einlösen und das Reisegeld jeden 
falls dazu liegen haben. 
Es wäre eine Thorheit, ja, ein Ver 
brechen gegen meinen Sohn, ihn hier in 
untergeordneter Stellung verkümmern zu 
lassen, während er dort als Erbe eines 
stolzen Namens und des dazu gehörigen 
Vermögens glücklich und geehrt sein wird. 
Mem Bruder wird diesen Neffen lieben und 
ich werde mindestens mit dem Bewußtsein 
sterben können, noch in der letzten Stunde 
eine Pflicht gegen meinen Erstgeborenen er 
füllt zu haben, deffen volle Kindesliebe Ihnen 
zu Theil geworden ist. Möge er mir ver 
zeihen und cs mir nur als ein Verdienst 
anrechnen, ihn als zartes Kind bereits den 
allerbesten Händen übergeben zu haben, es 
war mehr, als was meine Baterlicbe'ihm 
jemals hätte bieten können. Falls Sie 
seinen Geburtsschein nicht erhalten haben, 
lege ich die Adresse des Geistlichen, der ihn 
getauft hat, diesem Schreiben bei, und wird 
Justus sofort nach seiner Ankunft in New- 
Pork zu ihm geheü, um sich das Docu 
ment zu verschaffen. Auch dieses Schreiben 
soll er mitnehmen und es meinem Bruder 
vorlegen, aber ich befehle die größte Eile 
und lege Ihnen seine schleunigste Abreise 
an's Herz. Ich wagte es nicht, meinem 
Boten diesen Brief mitzugeben, weil er bei 
Paulsen oder meinem Sohne, den ich so gern 
einmal gesprochen hätte, doch besser aufge 
hoben ist. Und nun leben Sie wohl, alter 
Freund, mein Leben war ein verfehltes und 
nutzloses, durch eigene schwere Schuld gegen 
meinen einzigen Bruder. Vielleicht kann ich 
ihm durch diesen guten Sohn einen Ersatz 
für sein einsames Alter geben und er wird
	        
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