Aen-sburger
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incl. Postprovision rc., jedoch ohne Bestellgeld.
Znsertionspreis: pro Petitzelle 15
Arltestes und grlesenstes Kiatt im Kreise Rendsburg.
Anzeigen fir die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten.
-H 5 Sister Jahrgang, chs-
Bei Betriebsstörungen
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung
dieses Blattes vorbehalten.
Dem Rendsburger Wochenblatt wird
„Der Landwirth"
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interessen
der Landwirthschaft) gratis beigegeben.
Wo. 295.
Sonntag, den 17. December
1899.
Ausland.
Oesterreich-Ungarn.
Eine merkmürdige ® u e 11 g e -
s ch ichte wird aus N e w y o r k gemeldet:
Zwei Mitglieder der sogenannten guten Ge-
sellschaft, die um die Gunst einer Dame
rivalisirten, standen einander in einem ent
legenen Theile des Prospekt-Parkes unter
folgenden Umständen als Duellanten ge
genüber: die beiden Gegner wurden von
ihren Sekundanten durch Seile, die um den
Leib und die linke Hand geschlungen wuv
den, an zwei, nicht weit von einander ent
fernte Bäume gebunden. In die freie rechte
Hand erhielt jeder einen Knüttel, und mm
hieben sie so lange auf einander los, bis
beide kampfunfähig waren. Es ist nicht aus
geschlossen, daß beide an ihren Verletzun
gen sterben werden.
Gräfin Adelina Schimmel-
mann, die es sich zur Aufgabe gemacht
hat, die Welt auf ihrer Yacht „Tuen" zu
umschiffen, lim überall, wo sich ihr Gelegen
heit dazu bietet, den Armen beizustehen,
liegt gegenwärtig, wie ein amerikanisches
Blatt meldet, völlig erschöpft in emem Ho
tel in N e w y o r k darnieder. Ihre auf
reibenden Bemühungen um die Armen in
Chicago und Detroit nach der ermüdenden
Reise über die großen Seen und den Erie-
kanal haben die Gesundheit der Gräfin stark
angegriffen, und ihr Arzt hat ihr deshalb
gerathen, nicht früher wieder ihr Sama
riterwerk zu beginnen, als bis sie sick) voll
ständig erholt haben wird. In einem In
terview sagte die Gräfin, daß sie seit ihrer
Ankunft in Amerika nahezu 50 000 Armen
! Nahrung verschafft habe. Sie sprach auch
von ihrem früheren Leben am Berliner Hof.
- Durch 18 Jahre — von ihrem 15. Lebens-
: jähre an — war sie die Lieblingsgefähr
tin der Kaiserin Augusta. Dann trat sie
i zum Katholizismus über und begann ihre
Thätigkeit unter den Armen und Verlas
senen. Ihr Bruder und ihre Verwandten
dachten, fie hätte den Verstand verloren,
und brachten sie in eine Privatheilanstalt.
Durch das energische Einschreiten ihres
Adoptivsohnes Paul erlangte sie wieder die
Freiheit. — Trotz all dieser an sich edlen
Bemühungen wird es der Gräfin nicht ge
lingen, die Armuth aus der Welt zu schaf
fen, da sie zu allermeist die eigene Schuld
als letzte Ursache hat. Es ist und bleibt
Schwärmerei.
Rußland.
Petersburg, 13. Dec. Bei der In
sel Hochland (im Finnischen Meerbusen) hat
außer dem Panzerschiff „General Admiral
Apraxm auch das der russischen Handels-
flotte gehörige Dreimaster-Segelschiff „Ni
kolai Lebedew" furchtbare Havarie erlitten.
Das Schiff ist nebst Ladung untergegangen,
der Kapitän und die Besatzung, die sich! nur
mit großer Mühe retteten, langten nach
einem langen Kampf mit dem furchtbar
sten^ ©turnt_ mit abgefrorenen Gliedmaßen
auf der Insel an. Ganz furchtbar lauten
auch Nachrichten vom Schwarzen Meere, wo
gewaltige Stürme viel Unheil angerichtet
haben. Der griechische Segler „Patagonia"
ist untergegangen, ein Theil der Mann
schaft, welcher sich bereits auf einem rus
sischen Rettungsboot befand, ging mit dem
selben zu Grunde. 22 Personen werden ver
mißt. Der Sturm wüthet noch; immer und
verschlingt immer neue Menschenopfer. Auch
ein türkisches Schiff soll untergegangen sein.
Ein entsetzlicher Massenmord
ist in Nikolajew (Südrußland) verübt
worden. Das Ehepaar Kasimirow, de
ren f ü n f Kinder und das Dienst
mädchen wurden Nachts von unbekann
ten Uebelthätern in der Wohnung überfallen
und ermordet. Die Eheleute Kasimi-
row waren im ganzen Gouvernement Cher-
on als arge Wucherer berüchtigt, und es
dürfte daher ein Racheakt vorliegen.
Oesterreich-Ungarn.
Triest, 14. Dez. Nachdem festgestellt
war, daß Ratten die Pest in Santos auf
das Schiff „Berenice" geschleppt haben,
wurde bei der Ausladung des Kaffees von
Sanitätspersonen geforscht, ob die Ratten
auch in einen abgeschlossenen Raum ge
drungen seien. Bon 36 Säcken waren
bereits 4000 ausgeladen, als ein Ratten-
cadaver gefunden wurde. Die Ausladung
vurde sistirt und die todte Ratte zur
mkteriologischen Untersuchung in's See
lazareth gebracht.
Lemberg, 11. Dez. Pine große Anzahl
von Legaten zu wohlthätigen Zwecken
enthält das Testament des kürzlich ver
dorbenen Herrn M a r c u s N o r d h e i m,
Chefs eines großen Wollgeschästs, der
keine Liebeserben hinterlassen hat. Ver
schiedene hiesige Wohlthätigkeitsanstalten
erhalten zusammen 50—60 000 Mark.
Der israelitischen Gemeinde Hamburg
wurden zu gleichen Zwecken eiwa 100 000
Mk. überwiesen. 20 000 Mk. fallen nach
Memmelsdorf in Bayern, woher der Ber-
torbene stammte. Ferner sind den alten
Angestellten der Firma, den Dienern,
ikutschern usw. erhebliche Summen ausge
ätzt. Endlich erhalten die Verwandten
große Theile des Vermögens. Die Summe,
über die das Testament verfügt, beläuft
ich auf 10 Millionen Mk. Das wirklich
vorhandene Vermögen jedoch ist noch er
heblich größer und wird auf 14 Millionen
geschätzt. Der (Überschuß muß nach dem
Willen des Testators nach dem Gutbefin
den der Vollstrecker, jedoch ausschließlich
zu wohlthätigen Zwecken verwandt werden.
Uebrigens ist auch die dem Hamburgischen
Staate als Erbschaftssteuer zufallende
Summe sehr erheblich; da keine direkten
Erben vorhanden sind, erhält er 10 pCt.
des Vermögens.
Inland.
Ein eigenartiger Vorfall ereignete sich
Dienstag-Abend in Bromberg. Hier er
loschen plötzlich um 6'/ 2 Uhr alle Gas
flammen auf den Straßen und in den
Häusern, in Geschäften und Wohnungen.
Es entstand besonders in den Geschäften
eine ziemliche Verwirrung. Durch den
tarken Frost war eine Betriebsstörung
eingetreten, die folgende Ursache ' hatte:
Einer der Wasserverschlüffe war einge
boren. Die teleskopartig ineinander ge
hobenen Theile des Behälters verloren
dadurch ihre Beweglichkeit, eine ununter
brochene Gasabgabe erfolgte, und es
entleerte sich die obere Glocke, ohne ab
wärts zu sinken. Dadurch trat die Betriebs
törung ein, wobei die Gasflammen
in der Stadt erloschen. Die Unter
brechung dauerte in der Gasanstalt nur
kurze Zeit, da sofort dte alten Gasbehälter
mit dem Röhrennetz in Verbindung gebracht
wurden. Doch hielt die Finsterniß der
Stadt gegen zehn Minuten an.
Dieuze (Lothr.), 12. Dez. Der hiesige
Bankier Renaudin, oder vielmehr die
Aktienbank Renaudin u. Comp., deren
Seele Herr Renaudin war, machte vor
eiwa Jahressrist Pleite, wodurch nament
lich zahlreiche Landwirthe der Umgebung
in Schaden geriethen. Doch es soll noch
schlimmer kommen; es sollen nämlich
laut Aufforderung des Maffenverwalters
die unglücklichen Aktionäre — natürlich
gutmüthige Strohmänner — die von der
Aktienbank ihnen gezahlten hohen Zinsen
zur Masse z u r ü ck z a h l e n. Im
Weigerungsfälle wird auf Grund eines
Urtheils der Kolmarer Strafkammer auf
gerichtlichem Wege gegen die einzelnen
Aktionärs vorgegangen werden I
München, 15. Dezember. In dem
Borstadtviertel Schwabing entstand heute
früh 5 Uhr im Abort eines Hauses eine
Gas - Explosion, durch die das
Haus demolirt, Nachbarhäuser beschädigt
und eine Frau gelobtet wurde. Aus
einem Gasleitungsrohr war Gas in
großen Mengen in den Untergrund des
Hauses und von da in den zur ebenen
Erde gelegenen Abort gedrungen. Als die
Frau, eine Lehrerin, mit brennendem
Der Krinzeffimm-sanzer.
Eine vergnügte Garnison-Geschichte,
io) Von Heinrich Lee.
Lichte den Abort betrat, erfolgte
Explosion. Die Frau wurde auf
Straße geschleudert und blieb, gräßlich
verwundet, todt liegen. Das Haus
mußte gestützt werden. Trotzdem stürzte
doch ein Theil trotz der Stützen ein.
Die Einwohner konnten nur mit Mühe
geretlet werden. Augenscheinlich hat die
gegenwärtig herrschende Kälte, d. h. das
feste Gefrieren des Bodens das Eindringen
des Gases in den Baugrund des Hauses
begünstigt, obgleich das Haus selbst gar
keine Gasleitung besitzt.
Ein aus Sibirien entwichener
Sträfling ist nach einem abenteuerli
chen Leben dieser Tage in seiner Heimath
wieder eingetroffen. Es ist dies ein aus
Dresden gebürtiger Gärtnergehilfe, der
vor etwa zehn Jahren Deutschland verließ,
um in Rußland Arbeit zu suchen. Auf sei
ner Wanderung kam er auch nach St. Pe
tersburg. Nach der Angabe des Abenteurers
hat er sich an dem dortigen Gouverneur
thätlich vergriffen, weshalb er auf Lebens
zeit nach Sibirien verbannt worden sei.
Nach einer siebenjährigen Deportation sei
es ihm und einem seiner Mitgefangenen un
ter vielen Gefahren gelungen, aus den Blei
bergwerken Sibiriens zu entfliehen und
glücklich nach Riga zu entkommen. Hier
seien sie von einem französischen Dampfer
aufgenommen und bis nach! Frankreich mit
gefühlt^ worden, von wo aus er dann allein
die Reise in seine deutsche Heimath ange
treten habe. Die Angaben des Flüchtlings
wurden dadurch! bestätigt, daß an seinem
Körper die Gefangenen-Nummer sichtbar
eingebrannt war.
Daß Jemand seinen eigenen Todtenschein
besitzt,. dürfte ziemlich! einzeln dastehen. Der
Glückliche ist ein Kriegsveteran, der Mau
rerpolier Ferdinand Döring inMehlsack.
D. hat die Feldzüge von 1864, 66 und
70-71 mitgemacht. Am 14. August 1870
wurde er bei Courcelles schwer verwundet
und für todt vom Platze getragen; ein Gra
natsplitter hatte ihm die rechte Brustseite
mst weggerissen. Das Erkennungszeichen,
das jeder Soldat im Kriege trügt, wurde
ihm abgenommen und er in Folge dessen
in die Verlustliste als todt eingetragen. Als
er jedoch mit ins Grab gelegt werden sollte,
bemerkte man noch Leben in ihin und brachte
ihn in’ä Lazareth zu Noisseville, und D.
genas wieder. Todt ist D. auf der Sterbe
urkunde und auf einem Denkmal in der
Nähe von Graudenz, im Uebriaen ist er je
doch wohlauf.
!!! Hamburg, 13. Dec. Eine
Massenklage gegen dasReichs-
o o st a m t. Am Sonntag-Abend waren vom
Rechtsanwalt Dr. Vielhabcn in Hamburg
(Nachdruck verboten.)
mustern!" sprach Oberst
„Wollen mal
Rothenburg.
„Stubben", sagte er dann, „ich bin Ihnen
gewogen. WeißderHohle!" Er faßte Stubben
an de« zweiten Rockknopf und fügte mit
gemäßigter Stimme hinzu: „Blos zu viel
Linien-Regimenter sind Sie, zu viel Schema
F. Das notiren Sie sich mal!"
Stubben quittirte diesen discreten und
aus dem Munde seines Kommandeurs immer
hin originellen Rath mit einem schweigsamen
Lächeln.
In dem großen Stehspicgel zwischen den
beiden Fenstern gewahrte jetzt Oberst Rothen
burg sein Abbild sammt den Reitstiefeln,
mit denen er frisch vom Pferde gestiegen
war.
„Nu bin ich noch im Dienstanzuge", sagte
-r, „werd' die Gnädige um Entschuldigung
bitten. Was macht sie denn? Wo steckt
sie denn?"
„Befehlen der Herr Oberst, daß ich gehe ?"
fragte Stubben statt einer Antwort.
„Nee, bleiben Sie ruhig, mich stören Sie
mcht", cntgegnete Oberst Rothenburg, das
Gesicht nach der Wand, wo er ein Landschaft-
bild betrachtete. „Stubben", fragte er dann,
ohne seine Stellung zu ändern, „was haben
Sic denn gestern zu meiner Attacke gesagt?"
Oberst Rothenburg hatte am Tage vor
her selber eine Dienstübung geleitet.
„Habe Herrn Oberst gehorsamstbewundert",
erwiderte Stubben.
Oberst Rothenburg erhob seine Stimme.
„Und 'n Krieg bekommen wir nicht", rie'
er, „alles der heilige Dreibund! Schauderöse
Zeiten!"
Ein Geräusch an der Thür veranlaßte
den Oberst, sich umzuwenden. Marie war
eingetreten.
Oberst Rothenburg machte eine Ver
beugung, so tief, daß er nicht einmal das
holdselige Lächeln der Dame des Hauses
gewahrte.
„Pardon, meine Gnädigste«, sagte er.
„Sie wünschten mich zu sprechen, Herr
Oberst", klang eine weiche Stimme zu ihm
nieder.
„Ich habe um den Vorzug ersucht, meine
gnädigste Frau", erwiderte Oberst Rothen
burg, sich wieder aufrichtend, verbindlich.
Plötzlich ging in seinen Zügen eine Ver
änderung vor. Er staunte sein holdes Gegen
über an.
„Alle Wetter", rief er, offenkundig seine
ganze Contenance verlierend.
„Marie", sagte er dann freudig.
„Es scheint, wir kennen uns, Herr Oberst"
erwiderte Marie unbefangen und heiter.
Etwas verblüfft sah Stubben der Scene zu.
„Stubben", sprach Oberst Rothenburg im
dienstlichen Ton, aber ohne seine frohe Er
regung unterdrücken zu können, „auf dem
Bureau die Mobilmachungsakten. Ich glaube,
da ist was zu moniren, die Sache ist drin
gend. Pardon", wendete er sich zu seiner
Dame.
„Befehl, Herr Oberst!" sagte Stubben.
Dann verbeugte er sich gegen Marie:
„Gnädigste Frau!"
„Adieu, lieber Freund", entgegnete Marie
huldvoll, ohne eine sichtliche Verlegenheit.
112 Telegraphenassistenten zum Zwecke eines
gemeinschaftlichen Vorgehens gegen die hie
sige Ober-Postdirektion wegen Nachzahlung
des Gehaltes, das während der Probedienst
zeit zu Unrecht vorbehalten sei, nach der
„Alsterburg" eingeladen. Dr. Vielhaben
legte den Versammelten folgendes dar. Die
Anwesenden hätten sich seit Ende vorigen
Jahres einzeln und nach, einander an ihn
gewendet wegen Anstrengung einer Klage
gegen den Reichspostfiskus. Er habe zu
nächst von einem Vorgehen abgerathen, weil
nach den Erklärungen des Vertreters des
Reichspostamtes im Reichstage die Auszah
lung zu erwarten gewesen wäre. Im April
d. I. habe er an das Reichspostamt ge
schrieben. Nach der Antwort sei gleich
falls anzunehmen gewesen, daß in Kürze
gezahlt werde. Nunmehr müsse er aber drin
gend zurathen, Klage zu erheben. In Ber
lin sei schon im vorigen Jahre die Aus
zahlung erfolgt. Obwohl die Anweisung
dort bereits Anfang December erfolgt war,
habe die dortige Ober-Postdirektion aber erst
anr 31. December, 1 Uhr Mittags, gezahlt.
Als dann am 1. Januar diejenigen Beam
ten, die im Vertrauen auf die Behörde, sich
ruhig verhalten hätten, gleichfalls um die
Nachzahlung gebeten hätten, habe man ihnen
)en Einwand der Verjährung entgegenge-
etzt. Er halte dies Vorgehen der Reichsbe
hörde nicht für sehr hübsch. Jedenfalls
müsse er die hiesigen Beamten zur Vorsicht
mahnen. Redner habe die Anwesenden zu-
ammenberufen um ihnen vorzuschlagen,
ammtliche Ansprüche in einer Klage zu
verbinden. Klage jeder für sich, so würden
die Gesammtkosten einer Instanz 12 992
Mark betragen, würden alle Ansprüche in
einer Klage verbunden, entständen dagegen
nur 1252 Mk. Kosten. Jeder könne daher
îņit Vio derjenigen Kosten aus, die er, wenn
er für sich allein klage, aufzuwenden ha
ben würde. Dem Reichspostfiskus, der nach
dem Vorprozeß Schmidt-Berlin zweifellos
verurtheilt werde, spare man dadurch über
10 000 Mk. an Kosten. Von nicht unwe
sentlicher Bedeutung sei auch, daß die Rück
stände, die bislang mit 6 pCt. zu verzinsen
seien, nach § 288 des Bürgerlichen Gesetz
buches vom 1. Januar 1900 ab nur mit
4 pCt. verzinst würden. Nachdem von einer
Seite Bedenken erhoben waren, ob eine ge
meinschaftliche Klage nicht als Komplott ge
gen die Behörde angesehen werden könne,
und Tr. Vielhaben diese Bedenken zerstreut
hatte, beschlossen die Anwesenden dem Vor
schlage, gemeinschaftlich zu klagen, zuzustim
men.
Provinzielles.
Der unerquickliche Kirchenstreit Sicvers-
hüttcn-TodeSfelde scheint nunmehr durch
Stubben verschwand.
Die Ulanen, die an diesem Morgen dem
Regiments-Adjutanten an der Kaserne noch
begegneten, wunderten sich über den Aus
druck in seinem sonst so ernsthaften Gesichte.
Es war ein ungeahnt glücklicher und in
seinem Schlußeffekt sogar recht launiger
Morgen gewesen.
4.
Springer und Dame.
Auserkorene Naturen wie die des Oberst
von Rothenburg lernen die Stürme einer
Liebesleidenschaft mit ihren Unannehmlich
keiten niemals kennen. Eros zeigt ihnen nur
seinen heiter griechisch-sonnigen Blick. Sie
lieben überhaupt nicht eigentlich, sondern sie
rnd nur galant. Dennoch hatte Oberst
Rothenburg ein noch immer junges und
lets zu einer schneidigen Attacke gestimmtes
Herz. Ein schönes und besonders junges
weibliches Wesen verfehlte seinen Eindruck
auf ihn selten. Es lebte in ihm noch der
jugendliche und vorwärts stürmende Drang.
Sein Lebensweg war durch eine Reihe von
Aschenhaufen bezeichnet, jeder der Rest einer
chnell emporgeflackerten und ebenso rasch in
lch zusammengebrannten Liaison. Im Eifer
der Carriere und weil ein unverheiratheter
Offizier unter Umständen besser als ein vcr-
heiratheter avancirt, war er ledig geblieben.
Wohl hatte einst der Lieutenant Rothenburg
mit allem Ernst das Mädchen seiner Wahl
bis an den Altar führen wollen. Das aber
war eine alte, begrabene Geschichte und sie
klang nur noch wie ein Märchen. Das
Märchen war plötzlich wieder eitel Wirk
lichkeit geworden.
So sahen sie fich in die Augen.
Ja, Oberst Rothenburg hatte etwas Zärt
liches.
„Marie", sagte er mit unbeklommenem
Feuer und tadelloser Grazie, „Sie stehen
vor mir. Solides Fleisch und Blut. Na,
geben Sie mir die Hand?"
„Einem so alten Freunde! Warum nicht,
Herr Oberst?" lächelte Marie
Er hielt sie fest.
„Ihre Hand! Und die Grübchen im Ge
lenk. Die Fallgruben für Ulanenherzen
Marie! So sehen wir uns wieder! Nanu
sag' eins noch, es gäb' nicht gute Engel!"
„Die kleine Welt, Herr Oberst. Man
trifft fich immer wieder. Um Ihnen die
Wahrheit zu sagen, ich hab' Sie schon vom
Fenster aus gesehen."
Die minder Erstaunte war entschieden
Marie. Mit einem Gefühl der (Überlegen
heit und Ironie wurde sie sich deffen wohl
bewußt.
„Ich hatte nicht eine blaffe Ahnung.
Schon Ihr Name! Ihr Mann war doch
ein Bürgerlicher?"
„Er kaufte später ein Gut. So bekam
er den Adel."
Sie bot ihm einen Stuhl und setzte fich
ihm gegenüber auf das Sopha.
„Sie find Wittwe?"
„Mein Mann ist leider früh gestorben."
„Leider!"
Oberst Rothenburg wiederholte das Wort
und fuhr dann mit eindringlicher Force fort:
„Sind Sie denn gar so glücklich ge
wesen?"
„Sehr glücklich!"
Marie's Gcsichtsausdruck ließ an der Auf
richtigkeit ihrer Antwort keinen Zweifel.
„Sehr glücklich! Also wirklich?"
„Sic scheinen das fast zu bedauern, Herr
Oberst?"
Oberst Rothenburg war nicht sentimental.
Er ließ das auch in seiner Art, selbst Damen
gegenüber, Ausdrücke zu finden, leicht er
kennen. Eine heitere und kühne Grazie um
floß ihn wieder.
„Marie, das weiß der Himmel, ich habe
Ihnen alles Glück gewünscht. Aber in aller
Seelenruhe sich erzählen lassen, daß eine
Frau, die man geliebt hat, Marie, geliebt!"
— Oberst Rothenburg legte auf dieses
Wort eine innige Fermate und begleitete es
mit einem entsprechenden huldigenden Blick
— „daß die mit einem anderen glücklich ge
worden ist, sogar sehr glücklich, an der Eitel
keit kitzelt's einen doch, verdammt, noch post
numerando, selbst wenn der andere schon
elig auferstanden ist!"
Marie schwieg.
„Wenn ich Sie jetzt so vor mir seh',
Marie", sprach Oberst Rothenburg weiter,
„wieder wie einst, nicht ein Krähenfüßchen
um Ihre holden, heiteren Augen, nicht ein
Wölkchen auf der Stirn, frisch wie ein
Morgen im April, hol' mich der Fuchs,
Marie, mein Kompliment muß ich Ihnen
machen!"
Ein Schelmenblick flog ihm entgegen über
den Tisch.
Oberst Rothenburg fuhr mit Wärme fort:
„Geblieben sind Sie doch dieselbe! Das
Rassige, das Sichere, das Unbefangene und
—' na so zu sagen, das Körnige. Die
deutsche Offiziersdame in Reinkultur. Den
Gustns für die Rasse, Art zu Art, den
hatt' ich schon damals, als grüner Dachs.
Na, nehmen Sie mir's heute übel?"
Er streckte ihr wieder seine Hand entgegen.