Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

Aen-sburger 
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Arltestes und grlesenstes Kiatt im Kreise Rendsburg. 
Anzeigen fir die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
-H 5 Sister Jahrgang, chs- 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
Dem Rendsburger Wochenblatt wird 
„Der Landwirth" 
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interessen 
der Landwirthschaft) gratis beigegeben. 
Wo. 295. 
Sonntag, den 17. December 
1899. 
Ausland. 
Oesterreich-Ungarn. 
Eine merkmürdige ® u e 11 g e - 
s ch ichte wird aus N e w y o r k gemeldet: 
Zwei Mitglieder der sogenannten guten Ge- 
sellschaft, die um die Gunst einer Dame 
rivalisirten, standen einander in einem ent 
legenen Theile des Prospekt-Parkes unter 
folgenden Umständen als Duellanten ge 
genüber: die beiden Gegner wurden von 
ihren Sekundanten durch Seile, die um den 
Leib und die linke Hand geschlungen wuv 
den, an zwei, nicht weit von einander ent 
fernte Bäume gebunden. In die freie rechte 
Hand erhielt jeder einen Knüttel, und mm 
hieben sie so lange auf einander los, bis 
beide kampfunfähig waren. Es ist nicht aus 
geschlossen, daß beide an ihren Verletzun 
gen sterben werden. 
Gräfin Adelina Schimmel- 
mann, die es sich zur Aufgabe gemacht 
hat, die Welt auf ihrer Yacht „Tuen" zu 
umschiffen, lim überall, wo sich ihr Gelegen 
heit dazu bietet, den Armen beizustehen, 
liegt gegenwärtig, wie ein amerikanisches 
Blatt meldet, völlig erschöpft in emem Ho 
tel in N e w y o r k darnieder. Ihre auf 
reibenden Bemühungen um die Armen in 
Chicago und Detroit nach der ermüdenden 
Reise über die großen Seen und den Erie- 
kanal haben die Gesundheit der Gräfin stark 
angegriffen, und ihr Arzt hat ihr deshalb 
gerathen, nicht früher wieder ihr Sama 
riterwerk zu beginnen, als bis sie sick) voll 
ständig erholt haben wird. In einem In 
terview sagte die Gräfin, daß sie seit ihrer 
Ankunft in Amerika nahezu 50 000 Armen 
! Nahrung verschafft habe. Sie sprach auch 
von ihrem früheren Leben am Berliner Hof. 
- Durch 18 Jahre — von ihrem 15. Lebens- 
: jähre an — war sie die Lieblingsgefähr 
tin der Kaiserin Augusta. Dann trat sie 
i zum Katholizismus über und begann ihre 
Thätigkeit unter den Armen und Verlas 
senen. Ihr Bruder und ihre Verwandten 
dachten, fie hätte den Verstand verloren, 
und brachten sie in eine Privatheilanstalt. 
Durch das energische Einschreiten ihres 
Adoptivsohnes Paul erlangte sie wieder die 
Freiheit. — Trotz all dieser an sich edlen 
Bemühungen wird es der Gräfin nicht ge 
lingen, die Armuth aus der Welt zu schaf 
fen, da sie zu allermeist die eigene Schuld 
als letzte Ursache hat. Es ist und bleibt 
Schwärmerei. 
Rußland. 
Petersburg, 13. Dec. Bei der In 
sel Hochland (im Finnischen Meerbusen) hat 
außer dem Panzerschiff „General Admiral 
Apraxm auch das der russischen Handels- 
flotte gehörige Dreimaster-Segelschiff „Ni 
kolai Lebedew" furchtbare Havarie erlitten. 
Das Schiff ist nebst Ladung untergegangen, 
der Kapitän und die Besatzung, die sich! nur 
mit großer Mühe retteten, langten nach 
einem langen Kampf mit dem furchtbar 
sten^ ©turnt_ mit abgefrorenen Gliedmaßen 
auf der Insel an. Ganz furchtbar lauten 
auch Nachrichten vom Schwarzen Meere, wo 
gewaltige Stürme viel Unheil angerichtet 
haben. Der griechische Segler „Patagonia" 
ist untergegangen, ein Theil der Mann 
schaft, welcher sich bereits auf einem rus 
sischen Rettungsboot befand, ging mit dem 
selben zu Grunde. 22 Personen werden ver 
mißt. Der Sturm wüthet noch; immer und 
verschlingt immer neue Menschenopfer. Auch 
ein türkisches Schiff soll untergegangen sein. 
Ein entsetzlicher Massenmord 
ist in Nikolajew (Südrußland) verübt 
worden. Das Ehepaar Kasimirow, de 
ren f ü n f Kinder und das Dienst 
mädchen wurden Nachts von unbekann 
ten Uebelthätern in der Wohnung überfallen 
und ermordet. Die Eheleute Kasimi- 
row waren im ganzen Gouvernement Cher- 
on als arge Wucherer berüchtigt, und es 
dürfte daher ein Racheakt vorliegen. 
Oesterreich-Ungarn. 
Triest, 14. Dez. Nachdem festgestellt 
war, daß Ratten die Pest in Santos auf 
das Schiff „Berenice" geschleppt haben, 
wurde bei der Ausladung des Kaffees von 
Sanitätspersonen geforscht, ob die Ratten 
auch in einen abgeschlossenen Raum ge 
drungen seien. Bon 36 Säcken waren 
bereits 4000 ausgeladen, als ein Ratten- 
cadaver gefunden wurde. Die Ausladung 
vurde sistirt und die todte Ratte zur 
mkteriologischen Untersuchung in's See 
lazareth gebracht. 
Lemberg, 11. Dez. Pine große Anzahl 
von Legaten zu wohlthätigen Zwecken 
enthält das Testament des kürzlich ver 
dorbenen Herrn M a r c u s N o r d h e i m, 
Chefs eines großen Wollgeschästs, der 
keine Liebeserben hinterlassen hat. Ver 
schiedene hiesige Wohlthätigkeitsanstalten 
erhalten zusammen 50—60 000 Mark. 
Der israelitischen Gemeinde Hamburg 
wurden zu gleichen Zwecken eiwa 100 000 
Mk. überwiesen. 20 000 Mk. fallen nach 
Memmelsdorf in Bayern, woher der Ber- 
torbene stammte. Ferner sind den alten 
Angestellten der Firma, den Dienern, 
ikutschern usw. erhebliche Summen ausge 
ätzt. Endlich erhalten die Verwandten 
große Theile des Vermögens. Die Summe, 
über die das Testament verfügt, beläuft 
ich auf 10 Millionen Mk. Das wirklich 
vorhandene Vermögen jedoch ist noch er 
heblich größer und wird auf 14 Millionen 
geschätzt. Der (Überschuß muß nach dem 
Willen des Testators nach dem Gutbefin 
den der Vollstrecker, jedoch ausschließlich 
zu wohlthätigen Zwecken verwandt werden. 
Uebrigens ist auch die dem Hamburgischen 
Staate als Erbschaftssteuer zufallende 
Summe sehr erheblich; da keine direkten 
Erben vorhanden sind, erhält er 10 pCt. 
des Vermögens. 
Inland. 
Ein eigenartiger Vorfall ereignete sich 
Dienstag-Abend in Bromberg. Hier er 
loschen plötzlich um 6'/ 2 Uhr alle Gas 
flammen auf den Straßen und in den 
Häusern, in Geschäften und Wohnungen. 
Es entstand besonders in den Geschäften 
eine ziemliche Verwirrung. Durch den 
tarken Frost war eine Betriebsstörung 
eingetreten, die folgende Ursache ' hatte: 
Einer der Wasserverschlüffe war einge 
boren. Die teleskopartig ineinander ge 
hobenen Theile des Behälters verloren 
dadurch ihre Beweglichkeit, eine ununter 
brochene Gasabgabe erfolgte, und es 
entleerte sich die obere Glocke, ohne ab 
wärts zu sinken. Dadurch trat die Betriebs 
törung ein, wobei die Gasflammen 
in der Stadt erloschen. Die Unter 
brechung dauerte in der Gasanstalt nur 
kurze Zeit, da sofort dte alten Gasbehälter 
mit dem Röhrennetz in Verbindung gebracht 
wurden. Doch hielt die Finsterniß der 
Stadt gegen zehn Minuten an. 
Dieuze (Lothr.), 12. Dez. Der hiesige 
Bankier Renaudin, oder vielmehr die 
Aktienbank Renaudin u. Comp., deren 
Seele Herr Renaudin war, machte vor 
eiwa Jahressrist Pleite, wodurch nament 
lich zahlreiche Landwirthe der Umgebung 
in Schaden geriethen. Doch es soll noch 
schlimmer kommen; es sollen nämlich 
laut Aufforderung des Maffenverwalters 
die unglücklichen Aktionäre — natürlich 
gutmüthige Strohmänner — die von der 
Aktienbank ihnen gezahlten hohen Zinsen 
zur Masse z u r ü ck z a h l e n. Im 
Weigerungsfälle wird auf Grund eines 
Urtheils der Kolmarer Strafkammer auf 
gerichtlichem Wege gegen die einzelnen 
Aktionärs vorgegangen werden I 
München, 15. Dezember. In dem 
Borstadtviertel Schwabing entstand heute 
früh 5 Uhr im Abort eines Hauses eine 
Gas - Explosion, durch die das 
Haus demolirt, Nachbarhäuser beschädigt 
und eine Frau gelobtet wurde. Aus 
einem Gasleitungsrohr war Gas in 
großen Mengen in den Untergrund des 
Hauses und von da in den zur ebenen 
Erde gelegenen Abort gedrungen. Als die 
Frau, eine Lehrerin, mit brennendem 
Der Krinzeffimm-sanzer. 
Eine vergnügte Garnison-Geschichte, 
io) Von Heinrich Lee. 
Lichte den Abort betrat, erfolgte 
Explosion. Die Frau wurde auf 
Straße geschleudert und blieb, gräßlich 
verwundet, todt liegen. Das Haus 
mußte gestützt werden. Trotzdem stürzte 
doch ein Theil trotz der Stützen ein. 
Die Einwohner konnten nur mit Mühe 
geretlet werden. Augenscheinlich hat die 
gegenwärtig herrschende Kälte, d. h. das 
feste Gefrieren des Bodens das Eindringen 
des Gases in den Baugrund des Hauses 
begünstigt, obgleich das Haus selbst gar 
keine Gasleitung besitzt. 
Ein aus Sibirien entwichener 
Sträfling ist nach einem abenteuerli 
chen Leben dieser Tage in seiner Heimath 
wieder eingetroffen. Es ist dies ein aus 
Dresden gebürtiger Gärtnergehilfe, der 
vor etwa zehn Jahren Deutschland verließ, 
um in Rußland Arbeit zu suchen. Auf sei 
ner Wanderung kam er auch nach St. Pe 
tersburg. Nach der Angabe des Abenteurers 
hat er sich an dem dortigen Gouverneur 
thätlich vergriffen, weshalb er auf Lebens 
zeit nach Sibirien verbannt worden sei. 
Nach einer siebenjährigen Deportation sei 
es ihm und einem seiner Mitgefangenen un 
ter vielen Gefahren gelungen, aus den Blei 
bergwerken Sibiriens zu entfliehen und 
glücklich nach Riga zu entkommen. Hier 
seien sie von einem französischen Dampfer 
aufgenommen und bis nach! Frankreich mit 
gefühlt^ worden, von wo aus er dann allein 
die Reise in seine deutsche Heimath ange 
treten habe. Die Angaben des Flüchtlings 
wurden dadurch! bestätigt, daß an seinem 
Körper die Gefangenen-Nummer sichtbar 
eingebrannt war. 
Daß Jemand seinen eigenen Todtenschein 
besitzt,. dürfte ziemlich! einzeln dastehen. Der 
Glückliche ist ein Kriegsveteran, der Mau 
rerpolier Ferdinand Döring inMehlsack. 
D. hat die Feldzüge von 1864, 66 und 
70-71 mitgemacht. Am 14. August 1870 
wurde er bei Courcelles schwer verwundet 
und für todt vom Platze getragen; ein Gra 
natsplitter hatte ihm die rechte Brustseite 
mst weggerissen. Das Erkennungszeichen, 
das jeder Soldat im Kriege trügt, wurde 
ihm abgenommen und er in Folge dessen 
in die Verlustliste als todt eingetragen. Als 
er jedoch mit ins Grab gelegt werden sollte, 
bemerkte man noch Leben in ihin und brachte 
ihn in’ä Lazareth zu Noisseville, und D. 
genas wieder. Todt ist D. auf der Sterbe 
urkunde und auf einem Denkmal in der 
Nähe von Graudenz, im Uebriaen ist er je 
doch wohlauf. 
!!! Hamburg, 13. Dec. Eine 
Massenklage gegen dasReichs- 
o o st a m t. Am Sonntag-Abend waren vom 
Rechtsanwalt Dr. Vielhabcn in Hamburg 
(Nachdruck verboten.) 
mustern!" sprach Oberst 
„Wollen mal 
Rothenburg. 
„Stubben", sagte er dann, „ich bin Ihnen 
gewogen. WeißderHohle!" Er faßte Stubben 
an de« zweiten Rockknopf und fügte mit 
gemäßigter Stimme hinzu: „Blos zu viel 
Linien-Regimenter sind Sie, zu viel Schema 
F. Das notiren Sie sich mal!" 
Stubben quittirte diesen discreten und 
aus dem Munde seines Kommandeurs immer 
hin originellen Rath mit einem schweigsamen 
Lächeln. 
In dem großen Stehspicgel zwischen den 
beiden Fenstern gewahrte jetzt Oberst Rothen 
burg sein Abbild sammt den Reitstiefeln, 
mit denen er frisch vom Pferde gestiegen 
war. 
„Nu bin ich noch im Dienstanzuge", sagte 
-r, „werd' die Gnädige um Entschuldigung 
bitten. Was macht sie denn? Wo steckt 
sie denn?" 
„Befehlen der Herr Oberst, daß ich gehe ?" 
fragte Stubben statt einer Antwort. 
„Nee, bleiben Sie ruhig, mich stören Sie 
mcht", cntgegnete Oberst Rothenburg, das 
Gesicht nach der Wand, wo er ein Landschaft- 
bild betrachtete. „Stubben", fragte er dann, 
ohne seine Stellung zu ändern, „was haben 
Sic denn gestern zu meiner Attacke gesagt?" 
Oberst Rothenburg hatte am Tage vor 
her selber eine Dienstübung geleitet. 
„Habe Herrn Oberst gehorsamstbewundert", 
erwiderte Stubben. 
Oberst Rothenburg erhob seine Stimme. 
„Und 'n Krieg bekommen wir nicht", rie' 
er, „alles der heilige Dreibund! Schauderöse 
Zeiten!" 
Ein Geräusch an der Thür veranlaßte 
den Oberst, sich umzuwenden. Marie war 
eingetreten. 
Oberst Rothenburg machte eine Ver 
beugung, so tief, daß er nicht einmal das 
holdselige Lächeln der Dame des Hauses 
gewahrte. 
„Pardon, meine Gnädigste«, sagte er. 
„Sie wünschten mich zu sprechen, Herr 
Oberst", klang eine weiche Stimme zu ihm 
nieder. 
„Ich habe um den Vorzug ersucht, meine 
gnädigste Frau", erwiderte Oberst Rothen 
burg, sich wieder aufrichtend, verbindlich. 
Plötzlich ging in seinen Zügen eine Ver 
änderung vor. Er staunte sein holdes Gegen 
über an. 
„Alle Wetter", rief er, offenkundig seine 
ganze Contenance verlierend. 
„Marie", sagte er dann freudig. 
„Es scheint, wir kennen uns, Herr Oberst" 
erwiderte Marie unbefangen und heiter. 
Etwas verblüfft sah Stubben der Scene zu. 
„Stubben", sprach Oberst Rothenburg im 
dienstlichen Ton, aber ohne seine frohe Er 
regung unterdrücken zu können, „auf dem 
Bureau die Mobilmachungsakten. Ich glaube, 
da ist was zu moniren, die Sache ist drin 
gend. Pardon", wendete er sich zu seiner 
Dame. 
„Befehl, Herr Oberst!" sagte Stubben. 
Dann verbeugte er sich gegen Marie: 
„Gnädigste Frau!" 
„Adieu, lieber Freund", entgegnete Marie 
huldvoll, ohne eine sichtliche Verlegenheit. 
112 Telegraphenassistenten zum Zwecke eines 
gemeinschaftlichen Vorgehens gegen die hie 
sige Ober-Postdirektion wegen Nachzahlung 
des Gehaltes, das während der Probedienst 
zeit zu Unrecht vorbehalten sei, nach der 
„Alsterburg" eingeladen. Dr. Vielhaben 
legte den Versammelten folgendes dar. Die 
Anwesenden hätten sich seit Ende vorigen 
Jahres einzeln und nach, einander an ihn 
gewendet wegen Anstrengung einer Klage 
gegen den Reichspostfiskus. Er habe zu 
nächst von einem Vorgehen abgerathen, weil 
nach den Erklärungen des Vertreters des 
Reichspostamtes im Reichstage die Auszah 
lung zu erwarten gewesen wäre. Im April 
d. I. habe er an das Reichspostamt ge 
schrieben. Nach der Antwort sei gleich 
falls anzunehmen gewesen, daß in Kürze 
gezahlt werde. Nunmehr müsse er aber drin 
gend zurathen, Klage zu erheben. In Ber 
lin sei schon im vorigen Jahre die Aus 
zahlung erfolgt. Obwohl die Anweisung 
dort bereits Anfang December erfolgt war, 
habe die dortige Ober-Postdirektion aber erst 
anr 31. December, 1 Uhr Mittags, gezahlt. 
Als dann am 1. Januar diejenigen Beam 
ten, die im Vertrauen auf die Behörde, sich 
ruhig verhalten hätten, gleichfalls um die 
Nachzahlung gebeten hätten, habe man ihnen 
)en Einwand der Verjährung entgegenge- 
etzt. Er halte dies Vorgehen der Reichsbe 
hörde nicht für sehr hübsch. Jedenfalls 
müsse er die hiesigen Beamten zur Vorsicht 
mahnen. Redner habe die Anwesenden zu- 
ammenberufen um ihnen vorzuschlagen, 
ammtliche Ansprüche in einer Klage zu 
verbinden. Klage jeder für sich, so würden 
die Gesammtkosten einer Instanz 12 992 
Mark betragen, würden alle Ansprüche in 
einer Klage verbunden, entständen dagegen 
nur 1252 Mk. Kosten. Jeder könne daher 
îņit Vio derjenigen Kosten aus, die er, wenn 
er für sich allein klage, aufzuwenden ha 
ben würde. Dem Reichspostfiskus, der nach 
dem Vorprozeß Schmidt-Berlin zweifellos 
verurtheilt werde, spare man dadurch über 
10 000 Mk. an Kosten. Von nicht unwe 
sentlicher Bedeutung sei auch, daß die Rück 
stände, die bislang mit 6 pCt. zu verzinsen 
seien, nach § 288 des Bürgerlichen Gesetz 
buches vom 1. Januar 1900 ab nur mit 
4 pCt. verzinst würden. Nachdem von einer 
Seite Bedenken erhoben waren, ob eine ge 
meinschaftliche Klage nicht als Komplott ge 
gen die Behörde angesehen werden könne, 
und Tr. Vielhaben diese Bedenken zerstreut 
hatte, beschlossen die Anwesenden dem Vor 
schlage, gemeinschaftlich zu klagen, zuzustim 
men. 
Provinzielles. 
Der unerquickliche Kirchenstreit Sicvers- 
hüttcn-TodeSfelde scheint nunmehr durch 
Stubben verschwand. 
Die Ulanen, die an diesem Morgen dem 
Regiments-Adjutanten an der Kaserne noch 
begegneten, wunderten sich über den Aus 
druck in seinem sonst so ernsthaften Gesichte. 
Es war ein ungeahnt glücklicher und in 
seinem Schlußeffekt sogar recht launiger 
Morgen gewesen. 
4. 
Springer und Dame. 
Auserkorene Naturen wie die des Oberst 
von Rothenburg lernen die Stürme einer 
Liebesleidenschaft mit ihren Unannehmlich 
keiten niemals kennen. Eros zeigt ihnen nur 
seinen heiter griechisch-sonnigen Blick. Sie 
lieben überhaupt nicht eigentlich, sondern sie 
rnd nur galant. Dennoch hatte Oberst 
Rothenburg ein noch immer junges und 
lets zu einer schneidigen Attacke gestimmtes 
Herz. Ein schönes und besonders junges 
weibliches Wesen verfehlte seinen Eindruck 
auf ihn selten. Es lebte in ihm noch der 
jugendliche und vorwärts stürmende Drang. 
Sein Lebensweg war durch eine Reihe von 
Aschenhaufen bezeichnet, jeder der Rest einer 
chnell emporgeflackerten und ebenso rasch in 
lch zusammengebrannten Liaison. Im Eifer 
der Carriere und weil ein unverheiratheter 
Offizier unter Umständen besser als ein vcr- 
heiratheter avancirt, war er ledig geblieben. 
Wohl hatte einst der Lieutenant Rothenburg 
mit allem Ernst das Mädchen seiner Wahl 
bis an den Altar führen wollen. Das aber 
war eine alte, begrabene Geschichte und sie 
klang nur noch wie ein Märchen. Das 
Märchen war plötzlich wieder eitel Wirk 
lichkeit geworden. 
So sahen sie fich in die Augen. 
Ja, Oberst Rothenburg hatte etwas Zärt 
liches. 
„Marie", sagte er mit unbeklommenem 
Feuer und tadelloser Grazie, „Sie stehen 
vor mir. Solides Fleisch und Blut. Na, 
geben Sie mir die Hand?" 
„Einem so alten Freunde! Warum nicht, 
Herr Oberst?" lächelte Marie 
Er hielt sie fest. 
„Ihre Hand! Und die Grübchen im Ge 
lenk. Die Fallgruben für Ulanenherzen 
Marie! So sehen wir uns wieder! Nanu 
sag' eins noch, es gäb' nicht gute Engel!" 
„Die kleine Welt, Herr Oberst. Man 
trifft fich immer wieder. Um Ihnen die 
Wahrheit zu sagen, ich hab' Sie schon vom 
Fenster aus gesehen." 
Die minder Erstaunte war entschieden 
Marie. Mit einem Gefühl der (Überlegen 
heit und Ironie wurde sie sich deffen wohl 
bewußt. 
„Ich hatte nicht eine blaffe Ahnung. 
Schon Ihr Name! Ihr Mann war doch 
ein Bürgerlicher?" 
„Er kaufte später ein Gut. So bekam 
er den Adel." 
Sie bot ihm einen Stuhl und setzte fich 
ihm gegenüber auf das Sopha. 
„Sie find Wittwe?" 
„Mein Mann ist leider früh gestorben." 
„Leider!" 
Oberst Rothenburg wiederholte das Wort 
und fuhr dann mit eindringlicher Force fort: 
„Sind Sie denn gar so glücklich ge 
wesen?" 
„Sehr glücklich!" 
Marie's Gcsichtsausdruck ließ an der Auf 
richtigkeit ihrer Antwort keinen Zweifel. 
„Sehr glücklich! Also wirklich?" 
„Sic scheinen das fast zu bedauern, Herr 
Oberst?" 
Oberst Rothenburg war nicht sentimental. 
Er ließ das auch in seiner Art, selbst Damen 
gegenüber, Ausdrücke zu finden, leicht er 
kennen. Eine heitere und kühne Grazie um 
floß ihn wieder. 
„Marie, das weiß der Himmel, ich habe 
Ihnen alles Glück gewünscht. Aber in aller 
Seelenruhe sich erzählen lassen, daß eine 
Frau, die man geliebt hat, Marie, geliebt!" 
— Oberst Rothenburg legte auf dieses 
Wort eine innige Fermate und begleitete es 
mit einem entsprechenden huldigenden Blick 
— „daß die mit einem anderen glücklich ge 
worden ist, sogar sehr glücklich, an der Eitel 
keit kitzelt's einen doch, verdammt, noch post 
numerando, selbst wenn der andere schon 
elig auferstanden ist!" 
Marie schwieg. 
„Wenn ich Sie jetzt so vor mir seh', 
Marie", sprach Oberst Rothenburg weiter, 
„wieder wie einst, nicht ein Krähenfüßchen 
um Ihre holden, heiteren Augen, nicht ein 
Wölkchen auf der Stirn, frisch wie ein 
Morgen im April, hol' mich der Fuchs, 
Marie, mein Kompliment muß ich Ihnen 
machen!" 
Ein Schelmenblick flog ihm entgegen über 
den Tisch. 
Oberst Rothenburg fuhr mit Wärme fort: 
„Geblieben sind Sie doch dieselbe! Das 
Rassige, das Sichere, das Unbefangene und 
—' na so zu sagen, das Körnige. Die 
deutsche Offiziersdame in Reinkultur. Den 
Gustns für die Rasse, Art zu Art, den 
hatt' ich schon damals, als grüner Dachs. 
Na, nehmen Sie mir's heute übel?" 
Er streckte ihr wieder seine Hand entgegen.
	        
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