Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

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(Außer an Sonn- und Festtagen.) 
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Merteljährlich 2 Ji~, frei ins Hans geliefert 
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für Auswärttge, durch die Post bezogen 
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ArUestes nnd gelslenstes Klatt im Kreise Uerrdsbnrg. 
Anzeigen für die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
-~3 »2 stet* Jahrgang. --S— 
Druck und Verlag von dem verantwortlichen Herausgeber H. Möller (H. Gütlern Nächst.), Rendsburg, Mühlenstraße 18^ 
Sonnabend, den •>. Accenwer 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
Dem Rendsburger Wochenblatt wird 
„Der Lanstwirth" 
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interessen 
der Landwirthschast) gratis beigegeben. 
Morgen-Berichte. 
Amsterdam, I. Dec. Einer 
chiffrirteu Depesche zufolge ist Lady- 
smith thatsächlich gefallen. (Ander 
weitig haben wir darüber nichts Bestimmtes 
gefunden. Red.) 
Berlin, 30. Nov. Gegenüber der Be 
hauptung, daß es schon heute bei der 
Regierung beschlossene Sache sei, das Ab 
geordnetenhaus auszulösen, falls die Canal- 
vorlage dort eine neuerliche Ablehnung 
erfahren sollte, wird dem „Berl. Tagebl." 
aus einer längeren Unterredung mit einer 
Persönlichkeit, welche infolge ihrer Stellung 
in der Angelegenheit angeblich auf das 
Allerbeste unterrichtet ist, folgendes mit- 
getheilt: Die Regierung denkt zur Zeit 
gar nicht daran, wegen der Kanalvorlage 
das Haus der 'Abgeordneten aufzulösen. 
Denn die Regierung ist der festen Ueber- 
zengung, daß die Kanalvorlage in der 
Form, in der sie neuerdings dem Abge 
ordnetenhause vorgelegt werden soll, von 
dem Haufe gern angenommen wird. Der 
neue Entwurf ist noch nicht ganz vollendet, 
fodaß Einzelheiten über denselben noch 
nicht mitgetheilt werden können. Soviel 
aber darf man bereits heute sagen, daß 
die neue Kanalvorlage den Osten und die 
land wirtschaftlichen Interessen Schlesiens 
derart berücksichtigt, daß auch diejenigen 
Kreise des Abgeordnetenhauses, welche die 
erste Kanalvorlage zu Fall gebracht hatten 
der neuen Vorlage ihre Zustimmung nicht 
versagen werden. 
Krefeld, 30. Nov. Gestern gegen 11 
Uhr Abends ist aus der Kreuzungsstelle 
Forstyaus bei Krefeld der für M.-Gladbach 
bestimmte Güterzug 3112, der behufs 
Kreuzung halten sollte, infolge Ueber- 
fahrens des auf Halt steheuden Ausfahrts 
signals gegen den am Ende stehenden 
Prellbock gefahren und theilweise entgleist. 
Der Lokomotivführer ist schwer verletzt, der 
Heizer todt. Der Materialschaden ist be- 
deutend, die Untersuchung ist eingeleitet. 
Berlin, 30. Nov. Der Hauptgewinn 
der Wohlşabrtsloiterie im Betrage von 
100,000 Mk. fiel au? Nr. 26754 nach 
Hamburg. ^ t 
Antwerpen, 30. Nov. Infolge des dich 
ten Nebels der über dem Hafen lagert, 
wurde die Schifffahrt vorläufig eingestellt 
Haag, 30. Nov. In hiesigen politischen 
und Regiernugskreisen ist man sehr miß 
gestimmt über die Anmaßung Englands, 
welches sich für berechtigt halte, die Küste 
von Mozambique in Belagerungszustand 
zu versetzen, England habe Maßregeln 
getroffen, um alles zu verhindern, was 
den Buren während des Krieges von Nutzen 
şein könnte. 
London, 30. Nov. In seiner gestern 
in Leicester gehaltenen Rede sagte Cham 
berlain noch Folgendes: England habe 
Schwierigkeiten mit Deutschland gehabt, je 
doch habe England viele Interessen mit 
Deutschland gemein. Die Verständigung 
zwischen der germanischen und angelsächsi 
schen Rasse erhalte mehr als die Armeen 
den Weltfrieden. England sei eine Zeit lang 
daran gewöhnt gewesen, daß die Schmä 
hungen der auswärtigen Presse soweit ge 
trieben wurden, daß selbst nicht die gehei 
ligte Person der Königin geschont worden 
ei. Die durchs die Angriffe auf die Herr- 
'cherin hervorgerufene natürliche Entrüstung 
würde ernste Folgen haben, wenn Englands 
Nachbarn sich! nicht mäßigten. Man habe 
Anlaß, sich zu beglückwünschen, daß die 
schlimmsten Ausschreitungen nicht in der 
deutschen Presse erschienen, Die 
neue Tripelallianz zwischen der germani 
schen Rasse und zwei großen Zweigen der 
angelsächsischen stelle einen mächtigen Ein 
fluß in der Zukunft der Welt dar. Er habe 
das Wort Allianz gebraucht; es verschlage 
aber wenig, ob es eine auf Papier nieder 
gelegte Allianz oder ein Einverständniß sei, 
das im Geiste der Staatsmänner der betres 
senden Länder vorhanden sei. Ein Ent 
schluß, die Beweggründe günstig anzusehen, 
würde ein ungeheurer Vortheil für beide 
Nationen und auch, ein Vortheil für andere 
Nationen sein. 
Budapest, 30. Nov. Gestern feierte 
der Gutsbesitzer Franz Bondar in. Sa 
kad Hochzeit. Ein Nebenbuhler, den die 
junge Frau früher heirathen sollte, zündete, 
während die Hochzeitsgesellschaft tafelte 
Südafrika nach Europa sich in den Händen 
der Engländer befindet. Kaum ist der große 
Sieg der Letzteren am Modderfluß gemel 
det, so wird er schon wieder sehr abge 
schwächt. 
General Duller selbst meldet nämlich offi- 
ciell, daß nur eine kleine Abtheilung der 
Engländer den Modderfluß überschritten 
habe. Das lautet keineswegs aus einen gan 
zen und vollständigen Sieg der englischen 
Truppen hin. Man wird um so miß 
trauischer, als die letzten Meldungen der 
Engländer besagen, daß sie 18 00 Mann 
verloren hätten. 
Obwohl man weiter das Pariser Gerücht 
vom Falle Ladysmiths zu verla 
chen vorgiebt, hat es ein unheimliches Ge 
fühl der Besorgnis; in London hervorge 
rufen. Heute liegen direkte Nachrichten per 
Courier aus Ladysmith vom 21. vor. Da 
nach war das Bombardement ein ununter 
brochenes und wurde sogar Nachts bei 
Scheinwerfer-Beleuchtung fortgesetzt. Meh 
rere Gebäude seien zerstört, darunter daS 
Portal der englischen Kirche. 
Amtlich wird gemeldet: Lord Methuens 
ist leicht verwundet. Die Kugel drang in 
den Schenkel ein. — In der Schlacht bei 
Modderriver wurden vier Offiziere getöbtet 
und 19 Offiziere verwundet. 
Kapstadt, 30. Nov. Bisher sind un 
gefahr 100 000 Flüchtlinge hier eingetrof 
fen. In letzter, Zeit trafen ganze . Kara 
wancn Flüchtiger aus Natal ein. Die Noth 
vergrößert sich. Lebensmittel und Domicile 
sind schwer zu erlangen. 
Vp.) 
das HauS an mehreren Seiten an. 
Gesellschaft rettete sich mit knapper Noth 
aus dem brennenden Hause, wobei zahl 
reiche Personen schwere Brandwunden 
erhielten, darunter auch die Braut, die 
furcktbar entstellt wurde. 
Kopenhagen, 30. Nov. Ein Seemann 
in Fredericia sprengte seine Frau 
unv vier Kinder durch Dyna 
mit in die Luft; alle wurden !e 
bensgefährlich verwundet. Der Mörder 
entkam. 
Newyork, 30. Nov. In Philadelphia 
sind Lippinhotts Verlagshandlung und 
andere Geschäfte abgebrannt. Der Schaden 
beläuft sich au? fünf Millionen Dollars. 
Nach einem weiteren Telegrame ist das 
Feuer durch einen elektrischen Funken ent 
standen. 
...... ~ 
Ter Krieg fo Sihfrilt. 
Mischer Reichstag. 
ÈS8 113. Sitzung.^ 
Berlin 30. Nov. 
Das Haus ist sehr schwach besetzt. 
Nach Annahme eines schleunigen Antrages 
auf Einstellung eines gegen den Abg. T h i e l e 
schwebenden Privaiklageverfahrens wird die 
Berathung der G e w e r b e n o v e l l e fortgesetzt 
bei § 139 e, welcher von der Ladenschluß- 
fr a g e handelt. 
Nach der Regierungsvorlage sollte auf An 
trag von mindestens "U der Betheiligten die 
höhere Verwaltungsbehörde nach Anhörung der 
Gemeindebehörden allgemein oder für einzelne 
Geschäftszweige den Ladenschluß 8 Uhr Abends 
an ordnen dürfen. 
Die Kommission hat diese Befugniß auch aus 
gedehnt auf Stunden „um die Mitte des 
Tages". Ferner hat sie einen Absatz 2 be 
schlossen, wonach die Verwaltungsbehörde die 
bktheiligten Geschäftsinhaber schon zu einer Ab 
stimmung über den Ladenschluß zu veranlassen 
hat, sobald V 3 der Betheiligten einen dahin 
gehenden Antrag stellt. Endlich hat die Kom 
mission einen neuen § 139 e e beschlossen, welcher 
den obligatorischen Ladenschluß ausspricht für 
die Zeit von 9 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens. 
Ein Antrag v. S t u m in (Rp.) will Streichung 
dieses § 139 6 e, sowie Beseitigung der Worte 
„um die Mitte des Tages." 
Ein Antrag des Abg. Blell (frs. 
verlangt Beseitigung des Absatzes 2. 
Ein Antrag v. S a l i s ch (kons.) well die Be 
fugniß des § 139 e ertheilen „für bestimmte 
Zeiträume oder für das ganze Jahr." 
Ein Antrag Albrecht (Sozdem.) will den 
obligatorischen Ladenschluß aussprechen von 8 
bis 5 Uhr. Nur an den Tagen vor den Sonn- 
und Festtagen sollen die Läden bis 9 Uhr ge 
öffnet sein dürfen. s „ „„ 
Abg. v. Siebe mann (Rp.) empfiehlt 
dringend den Antrag v. Stumm. 
Abg. Münch-F erber (natl.) betont, m 
Bezug ans die Arbeitszeit der Angestellten in 
offenen Verkaufsgeschästen lägen ganz unhalt 
bare Zustände vor: 14, 15, ja 16 Stunden Ar 
beitszeit, auch für Lehrlinge, dem müsse ab 
geholfen werden. Die Ursache des jetzigen späten 
Ladenschlusses sei nur die unerbittliche zäh; 
Konkurrenz, welche sich die Geschäftsinhaber 
selber bereiteten. Das überlange Offenhalten 
der Laden untergrabe die Gesundheit der An 
gestellten und der Prinzipale. Er bitte, alle 
Anträge abzulehnen und die Kommissionsbe 
schlösse anzunehmen. (Bravos bei den .Sozial 
demokraten.) 
Abg. C ah ens ly (Centr.) bittet zunächst 
dem einen Stumm'schen Antrage entsprechend, 
die Worte „um die Mitte des Tages" zu 
streichen. Auch gegen den obligatorischen Laden 
schluß des § 139 ee habe er entschieden Be 
denken. Sehr viele Ladeninhaber würden da 
durch schwer benachtheiligt. Aber am aller 
wenigsten dürfe der Ladenschluß schon um 8 Uhr 
erfolgen müssen, wie der sozialdemokratische An 
trag dies wolle. 
Abg. Bebel lSozdem.) empfiehlt den An 
trag Albrecht, den man unbedenklich annehmen 
könne. Zu einer großen Belästigung des 
kaufenden Publikums würden diese Bestimmungen 
wohl kaum führen, sie würden vielmehr erzieh 
lich wirken, wie man dies bei der Sonntags 
ruhe beobachten könne. Auch den Frauen werde 
es wohl möglich sein, sich mit der neuen Ord 
nnng abzufinden. 
Abg. Frhr. v. Stumm (Rp.) bestreitet, daß 
die Gewerbetreibenden obligatorischen Ladens chluß 
wollen, sie wünschten vielmehr nur Ladenschluß 
auf Antrag der Betheiligten. 
Abg. Blell (frs. Vp.) hält einen einheitlichen 
Ladenschluß für alle Orte in ganz Deutschland 
für undurchführbar. Auch der Mittagsschluß sei 
nicht überall durchzuführen, es würden da auch 
die Interessen der Konsumenten in Betracht zu 
ziehen sein. 
Abg. Hitze (Centr.) empfiehlt die Kommission s 
bescblüsse mit dem Antrage v. Salisch und giebt 
der' Hoffnung Ausdruck, daß man auch einmal 
dahin kommen möge, wie der Antrag Albrecht 
es verlange, die Läden schon um 8 Uhr zu 
schließen. 
Abg. Pachnicke (Freist Volksp.) meint, die 
Gewerbetreibenden selber, namentlich die kleinen, 
wollten keineswegs den gesetzlichen Ladenschluß, 
sondern nur den fakultativen gemäß dem 
Beschlusse der Majorität. Auf diesem Gebiete 
müsse man vorsichtig umgehen, und derart ein 
heitliche Vorschriften sollte man nur treffen 
wo einheitliche Verhältnisse vorlägen. 
Abg. Stöcker (wildkons.) stimmt im Großen 
und Ganzen den Kommissionsbeschlüssen zu. 
Unter dem Arbeiten bis in die Nacht leide das 
Familienleben, Leib und Seele würden 
geschädigt. Das Einkäufen spät Abends sei nur 
eine Bummelei. Auch die Frauen kauften 
vielfach erst in der letzten Minute. — Abg. 
R 0 esicke (wildlib ) empfiehlt die Kommissions 
beschlüsse mit einer von ihm beantragten 
Ergänzung, wonach der Verkauf von 
Waaren nach Eintritt des Ladenschlussķs auch 
„in anderen Stätten" nicht stattfinden dürfe. — 
Staatssekretär Graf Posadowsky führt 
aus, sozialpolitisch wäre der 8-Uhr-Ladenschluß 
das Richtige. Wenn die Regierung trotzdem die 
Sache den Betheiligten anheimgegeben habe, so 
sei dies wegen der Erbitterung geschehen, welche 
wegen eines derartigen Zwanges unter den 
Betheiligten Platz gegriffen habe. Die Frage 
sei so wichtig, der Schritt ein so wichtiger, daß 
er, Redner, heute noch nicht in der Lage sei, 
zu sagen, wie sich die verbündeten Regierungen 
zu den Beschlüssen der Kommission stellen würden. 
Für taktisch richtiger halte er aber die 
Regierungsvorlage. Jedenfalls aber bitte er, 
die eine Bestimmung über den Ladenschluß zu 
'treichen. Schließlich stimmt der Staatssekretär 
roch dem Antrage Roesicke zu. 
Nach weiterer längerer Debatte beginnen die 
Abstimmungen. Dieselben ergeben Streichung 
des Ladenschlusses zur Mrttags- 
zeit, ferner Annahme des Antrages 
von Salisch zum Absatz 1 (also Anordnung 
des Ladenschlusses für bestimmte Zeiträume oder 
für ein ganzes Jahr), sowie Annahme 
des Antrages Roesicke. Mit diesen 
Aenderungen werden die Kommissions 
beschlüsse angenommen, einschließlich 
§ 139ee, also des obligatorischen Ladenschlusses 
von 9 bis 5 Uhr. — Nächste Sitzung morgen 
1 Uhr. Tages - Ordnung: Fortsetzung der 
heutigen Berathung, dann Münzgesetznovelle. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Eine durch elektrische Funken 
verursachte Feuersbrunst brach am Mitt 
woch im Geschäftsviertel zu Philadelphia 
aus; der hierdurch angerichtete Schaden 
wird auf 6 Millionen Dollars geschätzt. 
New-Aork, 28. Nov. Die neue 
Währungsvorlage enthält eine 
entschiedene Erklärung für die Gold 
währung sowie eine Bestimmung, die 
die Gefahr des Goldabflusses aus dem 
Schatzamt verhindert, und ferner die 
Ermächtigung der Nationalbanken zur 
Emission höherer Beträge Papiergeldes. 
Frankreich. 
Paris, 30. Nov. Im Direclionsbureau 
des Pariser Bürgerspitales waren in drei 
Blechkiflen noch ungelesene Manuscripie 
aller Bewerber aufbewahrt, die sich zu 
Jnternatstellen gemeldet hatten. In dieser 
Nacht wurden wie Bechkisten angebohrt 
und eine Säure eingespritzt, welche die 
Manuscripie total unleserlich machte. Der 
Wettbewerb muß erneuert werden. 
Italien. 
Rom, 29. Nov. Ein Mittel gegen 
die Pest, das in Einspritzungen von 
Quecksilbersublimatlösungen 
in die zuführenden Blutgefäße, in die 
Venen besteht, soll der jetzige italienische 
Kultusminister, der auch als Pathologe 
und Kliniker berühmte Prof. Dr. Bacelli 
gefunden haben. Ta die Einspritzungen 
Novelle von Carl Kern 
(Nachdruck verboten) 
Maxe trank aus und setzte das Glas auf 
den Tisch. , „ 
„Du bist angezecht, Willichen", sagte fie, 
nachsichtig lächelnd, „ich nehme Dir das 
heut weiter nicht übel. Aber das kannst 
Du doch nicht gerade verlangen, daß ich um 
diese Stunde noch länger Dein Gast sein soll. 
Würde ein schönes Gerede geben. Ich muß 
auf mein Zimmer." - - 
„Ta - ta — ta", siel ihr der junge Mann 
ins" Wort, „was kümmert uns das Gerede. 
Ich weiß, daß das, was Du eben sagtest, 
nicht unumstößlich ist — dazu bist Du viel 
zu vernünftig . . Also nicht lange gşşelt 
Hingesetzt!" Er drückte sie auf einen Stuhl 
nieder, wo sie auch richtig sitzen blieb; dann 
ergriff er von neuem das Glas, füllte es 
und setzte es vor Maxe auf den Tisch- 
Darauf zog er einen Stuhl dicht an ihre 
Seite, ließ sich mit Grazie niedersinken und 
schlang den Arm um ihre Schultern. Der 
verweisende Blick, den ihm das junge Mädchen 
daraufhin zusenden wollte, begegnete in seinen 
Augen einem so zärtlich-glühenden Ausdruck, 
daß sie sich sofort entwaffnet fühlte und 
nicht mehr die Macht besaß, sich ihm zu 
entziehen.. 
Maxe, Mädchen", sagte er lech, „können 
wir mal ein Viertelstündchen gemüthlich sein 
— so recht von Herzen gemüthlich? Willst 
Du die Dame mal in den Winkel verweisen 
und ein paar Minuten mein gutes, zahmes 
Cousinchen sein?" 
„AberWilli, Du bist im höchsten Grade — 1 ' 
„Bezecht? Das hast Du schon mal ge 
agt. Aber es ist nicht wahr, mein Schatz. 
Mindestens lange nickt in dem Maße, wie 
es Dir vorkommen mag. Es ist nicht 
der Sekt, der mich so aus dem Häuschen 
bringt. Der hat mir nur den Kopf klar 
gemacht und die Augen hell, zu sehen, was 
ich längst vorher hätte sehen können: daß cs 
gar nicht so schlecht und traurig um mich steht, 
daß ich ein ganz glücklicher Mensch sein könnte, 
wenn .. Nein, Maxe, was mich so lustig macht, 
das bist Du, das ist Deine Gegenwart, das 
ist das Glück, das ich genieße, weil Du es 
Dir gefallen läßt, daß ich hier so zudring 
lich neben Dir sitze, daß ich Dich so un 
gezogen umarmen und Dir jetzt sogar diesen 
unverschämten — Kuß appliciren darf!" 
Da hatte er's wirklich zu Wege gebracht. 
Er hatte ihr einen regelrechten, ^ gefühl 
durchlohten Liebhaberkuß ins Gesicht ge 
pflanzt! Nicht solch steifes, formvollendetes, 
elegantes Ding, wie er es ihr zum Morgen 
gruß zu bieten pflegte — nein, dieser Kuß 
schmeckte ganz anders. Er mußte ihm auch 
geschmeckt haben, denn er naschte weiter, 
naschte so lange, bis Maxe es schließlich 
doch für rathsam hielt, ihn sanft zurück zu 
schieben. 
„Nun ist's genug", sagte sie, „jetzt sei 
mal vernünftig und sage mir, wie Du 
eigentlich plötzlich darauf kommst, Dich mir 
gegenüber in dieser Weise zu geben. Wenn 
Du dazu neigtest, so war ja doch vorhin 
draußen im Wald bei Mondschein viel 
schönere Gelegenheit dazu ..." 
Er drang von neuem auf sie ein, aber 
sie beugte sich zurück, so daß er nur ihre 
Hand zu fasten bekam. Die hielt er aber 
auch fest. 
„Ich will's Dir sagen, Maxe! Fern lag's 
mir auch vorhin schon nicht. Aber das 
eigenthümliche Gespräch, das wir da draußen 
führten, zerstörte die zarten Fäden, die 
unsern innern Rapport vermittelten. Die 
Leitung ist erst jetzt wieder hergestellt. 
„Wodurch?" fragte sie. 
„Das kann ich Dir nicht erklären, ich fühl's 
nur. Aber Du kannst Dich trotzdem darauf 
vwlaffen, sie ist in Ordnung. Seit wir 
uns vorhin trennten, habe ich einen ge 
waltigen Kampf durchgemacht mit all dem 
Gesindel von dummen Einbildungen, die 
mir unterm Schädel durcheinander wimmelten. 
Ich hatte endlich einmal einen Lichtblick auf 
die glückliche Zukunft auch ohne Erfolg in 
der Kunst. Du magst nicht ganz Unrecht 
haben, wenn Du glaubst, der Champagner 
habe dazu mitgeholfen. Thut aber nichts. 
Darum ist mir meine geistige Errungenschaft 
nicht minder werthvoll; denn ich werde die 
Erinnerung nn meinen „Silberblick" auch 
in den nüchternen Zustand mit hinüber- 
nehmen. Ich weiß jetzt, daß ich mir das 
Leben zur Zufriedenheit gestalten kann, auch 
wenn ich meine sämmtlichen thönernen Herr 
schaften in Scherben schlage und meine Bilder 
in den Entenpfuhl werfe. Aber — die Sache 
hat einen Haken! Eins ist Noth zu diesem 
Leben! . ." 
Willi brach hier bis auf Weiteres seine 
Rede ab, nnd die Augen der Beiden trafen 
sich in einem Blicke so voll Einverständnisses 
und gegenseitiger Anziehungskraft, daß der 
junge Mann bald mit Hoffnung auf Er 
folg in seinem Erguß fortzufahren wagte: 
„Sieh mal, meine hochverehrte, vieledle, 
und gestrenge Dame, ich habe bis Dato die 
Kunst gewiffermaßen als meine Braut be 
trachtet. Wenn ich ihr nun einen Absage 
brief schreibe, dann wird am selben Tage 
ein Platz frei in meinem Herzen. Denke 
Dir den Mietheausfall! . . . Hör', Maxe, 
ich will Dir was sagen: Dir ist ja doch 
die Wohnung hier drinnen" — er schlug 
auf seine Brust — zur Genüge bekannt. . 
ich will sie nun noch recht hübsch tapezieren 
und mit allem Comfort der Neuzeit aus- 
möbliren, und dann ziehst Du ein, was?" 
Er hatte ihre Hand inzwischen mehrmals 
lebhaft gedrückt, jetzt zog er sie zu sich her 
über und drückte einen Kuß darauf. Maxe 
entriß sie ihm aber förmlich. 
„Was ist das für eine Manier?!" sagte 
ie. „Wozu küßt Du mich auf die Hand? 
Wenn ich den vorgeschlagenen Miethskontrakt 
mit Dir eingehe, dann kannst Du mich doch 
auch eben so gut auf den Mund küssen." 
„Du willst also? Du sagst Ja?" rief 
er, außer sich vor Entzücken darüber, daß 
es Maxe ganz offenbar nicht die geringste 
Ueberwindung kostete, die Seine zu werden. 
„Natürlich sage ich ja. Ich werde Dich 
doch nicht im Stich lassen, wenn Du mich 
nöthig hast, nachdem ich zwischen Dir und 
den Musen Zwietracht gesäet habe. 
Willi fing an zu jodeln. Er hatte das 
in seinem Leben noch nicht versucht; trotzdem 
ging es in diesem Augenblick vorzüglich. 
Zugleich ergriff er das Glas, in dem sich 
noch der Wein befand, den er vorhin ein 
gegossen. 
„Pfui, das Zeug ist ja schal! Weg da 
mit!" Und er spritzte den Inhalt über jenes 
Stillleben, das heute Abend die Empörung 
seiner Braut erregt hatte. Dann hielt er 
die Flasche gegen das Licht. „Zwei Glas 
kommen grade noch heraus." 
„Auf eine glückliche Zukunft in unserem 
gemeinsamen Heim!" rief er aus, als er 
dem jungen Mädchen das schaumgekrönte 
Spitzglas reichte. 
Sie trank es bis auf die Nagelprobe 
leer. — 
„Daß sich Deine Liebe nie von mir wen 
den möge!" feftrebnerte er, den von neuem 
gefüllten Pokal an seine Lippen setzend. „Und 
daß Dir nie die Geduld ausgehen möge, 
Deinem Mann die lose werdenden Schrauben 
wieder anzudrehen, ihm die Kammern seines 
Herzens und die Gänge seines Gehirns vom 
Staub zu befreien und zu lüften! Denn es 
wird wohl öfter nöthig werden; Du darfst 
nicht glauben, es sei damit abgethan, daß 
Du ihm einmal etwas zugeführt, das zu 
uchen Du eigentlich zu uns herkamst: frische 
Luft!" 
Fünf Sekunden später war das Glas 
leer. Gleich darauf wurde Maxe durch eine 
heftige Armbewegung Willis und ein lautes 
Scheibenklirren erschreckt. 
„Was machst Du?" rief sie. 
„Ich hab' das Glas durch's Fenster ge 
worfen", sagte er, als ob das etwas voll 
kommen Selbstverständliches fei. „Einmal 
darum, damit nicht fremde Lippen diesen 
heiligen Kelch entweihen, der in dieser Stunde 
Zeuge unseres Bundes geworden, und zum 
Andern, um Dir zu zeigen, daß ich bereits 
Hand an mein Atelier lege, das von morgen 
ab niedergerissen werden soll!" 
Maxe hob beschwörend die Hand auf. 
Natürlich erst, als sie dieselbe soweit be 
freien konnte, nachdem Willi seine Braut 
zum anderthalbdutzendsten Male umarmt 
und geküßt hatte. 
„Mit nichten!"^ kam es im Tone größter
	        
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