Täglich erscheinendes Wlatt
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(Außer an Sonn- und Festtagen.)
ochenblatl
Bezugspreis:
Merteljährlich 2 Ji-~, frei ins Haus geliefert
2 J( 15 Ķ
für Auswärtige, durch die Post bezogen
2 Ji 25 S)
încl. Postprovtsion re., jedoch ohne Bestellgeld.
ArLtestes nnh geleseustrs KlatL im Kreise Uendsvrrrg.
Anzeigen für die Tagesnmmner werden bis 12 Uhr Mittags erbeten.
Bei Betriebsstörungen
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung
dieses Blattes vorbehalten.
IttfcrtionspreiS: pro Petitzeilc 15
OM stev Jahrgang.
Druck und Verlag von dem verantwortlichen Herausgeber H. Möller (H. Gütlein Nächst.), Rendsburg, Mühlenstraße 18.
Dem Rendsburg« Wochenblatt wirb
„Zrr Landwirth"
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interessen
der Landwirthschast) gratis beigegeben.
Mo. 281.
Irsitag, öen 1. December
1899.
cn
inşiriren ïtnlĻ der wähle dazu das
„Nendsßurgen WoAsnölait
welches in
4608 Exemplaren
gelesen wird.
Obige Verbreitungsziffer wird von uns Nachgewiesen durch den
in unserem Geschäftszimmer vorliegenden Aushang mit den amtlichen
Pöftliften, welche jedem Inserenten gern zur Verfügung stehen. Dieser
Aushang weift nach, wie vre! Blätter in den einzelnen Ortschaften
Wirklich gelesen und gehalten werden.
An dm Sonntagen vor WeihNachten wird das „Rendsburger
WocheNdlKtL" in
şş*. 6000 Exemplaren
herausgegeben; davon werden 2000 Exemplare durch extra bestellte Boten
thatsächlich vertheilt. Wer also Geld sparen und dabei auch wirklich
Nutzen von seinen Anzeigen haben will, der inserire da^ wo sie auch
BeachiRMg finden.
Extra einen Weihnirchts-Mnzeiger geben wir nicht
MşşŞM heraus, da die tägliche Austage unseres Blattes an sich
schon an sedeņr Tuge eine große Verbreitung sichert und zwar an
wirkliche Abonnenten des Blattes. Eine Gratis-Vertheilung
(selbst bei Gewährleistung der wirklich sicheren Vertheilung) bietet dem
Inserenten so geringen Nutzen, daß wir davon im Interesse des inserirenden
Publikums Abstand nehmen.
Hochachtungsvoll
tic feicliti« des „RcÄÄlWr MchMķ.
Morgen-Berichte.
Vlissmgcn, 29. Nov. Die kaiserliche
Dacht „Hohenzollern" kam auf der hiesigen
Rhede um 2 >/ 2 Uhr an, mährend ein Salut
von 33 Schüssen abgefeuert wurde. Bald
darauf trafen die Königin und die
Königin-Mutter der Nieder-
lande ein. Die Begrüßung der Maje
stäten war sehr herzlich. Zum Empfange
waren erschienen der Minister des Aus-i
wältigen de Beaufort, der deutsche Ge
sandte v. d. Brincken, der deutsche Militär- stäten den Wagen bestiegen hatten, unter
attach« v. Uckro und der deutsche Konsul
sin Vlissingen, Gruber, dessen Tochter der
Kaiserin ein Blnmenbouguet überreichte,
ļ Nachdem das kaiserliche Paar gelandet
war, bot der Kaiser der Königin der
Niederlanden den Arm und die Majestäten
begaben sich mit der Kaiserin und der
Königin-Mutter nach dem Kömgspavillon,
wo der Thee eingeuomMen .wurde. Um
5 Whr verließen die Majestäten den
Pavillon, die Musik spielte die deutsche
Nationalhymne. Beim Abschied küßte
der Kaiser die Königin-Mutter auf beide
Wangen und die Königin Wilhelmina
auf beide Hände. Nachdem die Maje
dielt sich die Königin WilhelmLna noch
längere Zeit mit dem Kaiser, die Königin-
Mutter mit der Kaiserin. Sodann fuhr
der kaiserliche Zug unter Salutschüssen ab.
Berlin, 29. Nov. Die preußischen
Feuerversicherungsgesellschaften sind wie
aus Newyork telegraphirt wird, im Staate
Newyork wieder zugelassen.
lc. Harburg, 29. Nov. Zur Tilgung
der Baukosten des Neubaues des städtischen
Krankenhauses wird Harburg eine Anleihe
von rund 750,000 Mk. aufnehmen.
Newyork, 29. Nov. Die „Franks, Ztg."
meldet: Die Engländer verlangen die
Verhinderung weiterer Anwerbungen für
die Buren im Kriege gegen die Engländer
London, 29. Nov. Dr. Leyds über
sandte den Mächten eine Protestnote wegen
Einreihung von K a f f e r n und B a s u t o s
in das englische Heer und wegen des Ge
brauches von D u m-D u m-G e s ch o s s e n.
London, 29. Nov. Nack Nachrichten,
die aus Eingeborenenquellen kommen,
geben die Buren ihre Stellung im
Süden von Kimberley auf. Ein anderes
Telegramm berichtet, daß General Gatacre
Bushmannshock mit einem Bataillon In
fanterie besetzt hat. Das Gros seiner
Truppen befindet sich in Puttes-Kral.
Der Feind zieht sich nach Moltans zu
rück.
Demischsr Reichstag»
112. Sitzung.
Berlin 29. Ron.
Berathung des Initiativantrages
der Abg,g. A g st er (Soz.-Dem.) und Gen.
auf Vorlegung eines 'Entwurfs eines Reichs-
berggesetzes in Verbindung mit dem Antrag des
Abg. Lenzmann (frets. Volkspartei), denselben
Gegenstand betreffend.
Abg. Sachse (Soz.-DemA führt aus, der
Wunsch nach einem Reichsberggesetz sei nicht
neu. Es liege schon eine Resolution des Reichs
tages in diesem Sinne vor-, sogar im Frank
furter Parlament seien schon solche Wünsche
laut geworden. Nicht nur die Arbeiterkreise
verlangten solches Gesetz. Unglaublich sei die
Verwirrung auf diesem Gebiete der Gesetz
gebung. Bei den unsagbar -schwierigen, un
günstigen und ungesunden Verhältnissen, unter
denen der Bergmann arbeiten müsse, sei vor
allem die Regelung der Arbeitszeit -nöthig:
6—8 Stunden seien reichlich genug. Statt dessen
würd« bis 14 Stunden gearbeitet. Wo bleibe
da das Familienleben? Hierzu komme das Un
wesen der Leberschichten, Beischichten und Sonn
tagsschichten. Besonders arg sei die Sache in
Sachsen, wo zwar Vorschriften beständen, die
aber meistens umgangen würden. Auch von
den christlichen Bergarbeitervereinen werde über
die Ueberschichten geklagt. Die Folgen dieser
Zustände seien schrecklich. Die Krankenkassen
wiesen jährlich über 56, -ja bis 85 Proz. der
Mitglieder als krank aus; das komme in keiner
anderen Berufsart vor. -Es würden auch zu
jugendliche Arbeiter beschäftigt. Auch werde zu
wenig für Wannschaftsbäder gesorgt. -Ein
großer Uebelstand sei das Nullen der Wagen.
Die Berginspektoren könnten ihr Pensum nickst
bewältigen. Dadurch werde an vielen Stellen
die Inspektion nicht ausgeübt, die Zahl der Un
fälle wachse noch immer. Redner geht aus
führlich auf eine Reihe vorschriftswidriger Miß
bräuche in den Bergwerksbetrieben ein, über die
die Inspektoren vielfach getäuscht würden. Aus
den Berichten der nach England und Frankreich
entsandten Kommission gehe hervor, duß dort die
Verhältnisse besser lägen. Redner erörtert ein
gehend die englischen Zustände. Als er im Be
griff ist, aus die französischen Berggesetze einzu
gehen, bittet
Vicepräsident Dr. v. Frege ihn, nicht zu
viel über ausländische Enqueten und Gesetze vor
zutragen, sondern sich auf die deutschen Verhält
nisse zu beschränken.
Abg. Sachse (fortfahrend): Die Leistungen
der Knappschaftskasscn seien so gering, daß für
Wittwen und Waisen sogar die Armenkassen ein
treten müßten. Die Knappschaftskassen sollten
einheitlich gestaltet werden. Jetzt hätten die
Bergarbeiter keine volle Freizügigkeit. Allen
diesen Mißständen müsse durch ein Reichsberg
gesetz abgeholfen werden, ehe das preußische
Berggesetz geändert werde und das geplante
bayrische Gesetz zu Stande komme. Zu wünschen
sei die allgemeine Einführung von Bergschieds
gerichten. Ein Blick in die Kurszettel beweise,
daß die schlechten Löhne nicht nothwendig seien.
Es laste sich Abhülfe schaffen, wenn die Herren
nur wollten.
Vicepräsident Dr. v. Frege konstatirt, daß
Abg. Sachse nahezu drei Stunden gebraucht
habe, um den Antrag Agster zu begründen.
Abg. Beckh-Koburg (freis. Volksp.) begründet
den Antrag Lenzmann. Namentlich mit Rücksicht
auf die kleinen Staaten sei es erwünscht, daß
das Reich die Berggesetzgebung in die Hand
nehme; dann könnten die Reichsbehörden ein
greifen, wo die Behörden der Sinzelstaaten nicht
ausreichten.
Abg. Hilb-ck (natlib.): Seine Freunde seien
gewiß bereit, im Sinne des einheitlichen deutschen
Rechts und des engeren Zusammenschlusses des
Vaterlandes de» vorgeschlagenen Weg zu be
schreiten. Doch müßten der Landesgesetzgebung
die nothwendigen Rechte vorbehalten bleiben
Nebrigens lägen die Verhältnisse der Bergarbei
ter keineswegs so ungünstig, wie Abg. Sachse
es dargestellt habe. (Widerspruch bei den Sozial
demokraten.)
tic Schlucht iw MMcrslilsî.
General Lord Methuen hat bei seinem
weiteren Vormarsch- auf Kimberley gestern
die Boeren in starker Stellung am Mod-
üerflusse getroffen und ihnen eine zehn
stündige Schl acht geliefert, die
außerordentlich blutig gewesen zu sein
scheint. Die Engländer haben nach dem
Bericht des Generals die Oberhand behal
ten und den Fluß überschritten. Ueber die
Verluste meldet Lord Methuen noch nichts.
Der B. L. A. meldet .darüber:
Methuens gesamnrte Streitmacht griff ge
stern die Boeren an, die in der Stärke von
8000 Mann am Modderfluß verschanzt wa
ren. Der Kampf dauerte zehn Stunden..
Die britischen Truppen hatten weder Nah
rung nach Wasser. Die Boeren verfügten
über zwei große Kanonen, vier Krupp-
schütze und .andere Artillerie. Der klei
nen britischen Colonnc gelang es, den Mod
derfluß zu überschreiten; sie wurde dabei
von den Ingenieuren unterstützt, sobald der
Feind sich zurück gezogen hatte. Lord Me
thuen erklärt den Kampf für den härtesten
und für die schärfste Probe in den
Annalen der englischen Armee;
er lobt besonders die Artillerie.
Verlustangaben fehlen, wie gesagt, noch,
aber der Bericht des Lords Methuen läßt
erkennen, daß er seinen Sieg recht theuer
erkauft hat. Es muß sich , nun bald zeigen,
ob er doch im Stande ist, Kimberley zu ent
setzen.
Ueber LaWnüth
wird demselben Blatte aus London berich
tet, in Fachkreisen sei man der Ansicht, daß
es den Boeren in die Hände fallen werde,
bevor die englischen Ersatztruppen eintref
fen würden. Die Laufgräben der Boeren
reichen bis 200 Meter an die der Eng
länder heran. Es soll bereits Mangel an
Trinkwasser herrschen.
London, 29. Nov. Das Kriegsamt
veröffentlicht eine Reuterdepesche aus Pre
toria vom 27. d. M. in der es heißt: Gene
ral Dutoit berichtet: Die Engländer
machten am Sonnabend früh einen Aus
fall aus Kimberley und gaben in
der Dunkelheit Geschütz- und Gewehrseuer
auf die Boeren ab an einer Stelle, wo 300
Mann des Kommandos von Bloemhos wa
ren. Dutoit, der nenn Meilen entfernt war,
eilte mit 100 Mann zur Hülfe herbei. 9
Boeren wurden getödtet, 17 verwundet;
einige werden vermißt. Die Engländer lie
ßen einen Gemeinen und einen Sergeanten
todt auf dem Kampfplatz zurück. Es heißt,
die Engländer versuchten, Kimberley von der
Ostseite zu verlassen, um die von Belmont
heranrückenden Truppen zu unterstützen.
Mschx Lust!
Inland.
— Der Erbgroßherzog von
Oldenburg hat den Ehrenvorsitz
eines Landesausschusses des Flotten-
v er ei ns für das Großherzogthmn
übernommen und in der Versammlung
nach dem „General-Anzeiger sür Olden
burg" bemerkt:
„Ich halte es vor allem sür meine
Pflicht, zu betonen, daß der Flottenverein
keinerlei politische Tendenz
hat, und ehe Sie hinausgehen, um im
Interesse einer Erstarkung der deutschen
Flotte zu wirken, ehe Sie diese Be-
wegung in das Volk hineintragen,
schreiben Sie auf Ihr Panier die Worte:
Keine politische Tendenz!"
Es ist festzustellen, daß allerdings selbst
sonst durchaus freisinnig denkende Männer
lebhaft für die Vergrößerung der Flotte
n und
1 ver-
365.
l, pro.
pro
>. des
>0
mmern
Novelle von Carl Kern.
(Nachdruck verboten).
Die Mütter waren schon zu Bett ge
gangen. Nur Herr Antonius saß noch ein
sam in einer Sophaecke des Eßzimmers,
rauchte eine Cigarre und dachte über einen
soeben gelesenen Leitartikel nach. Es war
darin die Haftpflicht des Aufsichtsraths von
Aktiengesellschaften behandelt, ^ ein Thema,
das den alten Herrn ungemein interessirte,
ķ denn er war selbst Aufsichtsrath. Die Sache
Sab ihm so viel zu denken, daß ihm das
eigenthümliche Wesen der jungen Leute, die jetzt
Zu ihm traten, nicht im mindesten auffiel.
fand es auch gar nicht wunderbar, daß
Äèaxe ihm sehr bald Gntenacht sagte und
l>uch Willi gleich darauf, unter dem Bor
land, Kopfschmerz zu haben, sich zurückzog.
- ^ Maxe war zwar nicht eben müde, aber ihre
Stimmung machte ihr für den Rest dieses
Abends jegliche Gesellschaft unsympathisch,
äuf ihrem Zimmer angelangt, unterließ sie
1 die Lampe anzustecken und lehnte sich,
^gezogen von der mild erfrischenden Abend-
îìhle, in das offene Fenster.
„ Unter diesem, etwas nach links, lag die
Hausthür, auf deren Stufen ein Katzenpaar
Rendezvous gab. Ein Stückchen zur
Zechten gleitend, fiel ihr Blick auf einen
. ^Malen Streifen des Daches von Willis
- gelier, dieser Unglücksbaracke, die eine Ver
lagerung des Wohnhauses bildete.
; . Der unglückselige Kunstfex ahnte gewiß
- 'îcht, daß seine unerbittliche Richterin, von
absoluter Herzlosigkeit er fest über-
^St war, sich jetzt noch Gedanken seinet-
machte. In Wirklichkeit hatte sie
das Gespräch wohl beinahe ebenso erregt
wie ihn selbst.
Sie hatte Willi gern. Nicht nur seine
äußere Erscheinung hatte ihr einen .guten
Eindruck gemacht, sondern sie hatte auch ge
funden, daß er eine ehrliche, anschmiegende,
vermuthlich sogar treue Natur sei. Nur Eins
ärgerte sie: die entschiedene Art, an seinen
alten Narrheiten festzuhalten, die sie nur
als Eigensinn bezeichnen mochte. Wenn sie
sich dagegen vorstellte, daß dieselbe Aus
dauer sich auf einen anderen Gegenstand
hätte werfen können, wenn sie diese Aus
dauer als „Ding an sich", von ihrem Ob
jekt getrennt, betrachtete, so mußte sie ihr
imponiren. Sie mißachtete die Kunst keines
wegs, aber die Pfuscher in der Kunst waren
ihr verächtlich. Und an ihrem Unglücks
raben von Vetter gab es so Vieles, was
sie gern hatte, was sie achten mußte, daß
es ihr wirklich in der Seele weh that, ihm
seine „Dummheiten" nicht abgewöhnen zu
können. . .
Während sie sich mit diesem Gedanken
beschäftigte, hörte sie die Hausthür öffnen.
Willi trat heraus. Er schloß die Thür nicht
ab, klinkte sie nur ein und ging dann, unter
Heren Fenstern hin in der Richtung nach
is inem Atelier. Er trug etwas unterm
Arm, das sie jedoch nicht erkennen konnte.
Sie sah nur ein ungewisses Blinken im
Mondlicht, ohne sich etwas Besonderes da
bei zu denken.
„Armer Kerl", dachte sie. „Nun ist ihm
wieder die Nachtruhe gestört. Er nimmt die
Sache doch gar zu tragisch!"
Dann überließ sie sich, mit dem einzigen
Gedanken, doch ein bedeutend vernünftigeres
Geschöpf zu sein, als ihr armer Better, un
eingeschränkt dem Wohlgefühl, das ihr die
duftende Frische der kräftige« Nachtluft mit
theilte.
Willi mochte längst zwischen seinen Bildern
fitzen, vielleicht gar bei Lampenlicht noch
irgend etwas pinseln. Sie hatte ihn schon
vergessen . . . Was ging er sie auch im
Grunde an, der verdrehte Kerl. . .
Da drang plötzlich, vom Atelier her
kommend, ein Knall durch die Ruhe des
Gutshofes und brachte wieder Leben in das
junge Mädchen, das bis dahin bewegungs
los am Fenster gelehnt hatte.
Ein furchtbarer Schrecken durchfuhr sie.
Sie empfand ein schmerzhaftes Gefühl wie
Kampf im Herzen. Die bittersten Vorwürfe,
ihre abfällige Kritik nicht zurückgehalten zu
haben, drängten sich ihr mit peinigender
Gewalt auf, und zugleich durchzuckte sie der
Gedanke, wie lächerlich es gewesen, was sie
sich soeben noch hatte einbilden wollen: daß
Willi sie nichts angehe. Jetzt mit einem
Mal fühlte sie deutlich, wieviel er sie an
ging. Was sich ihr da aufzwang, war nicht
blos das Schuldbewußtsein, ihn durch ihre
Unvorsichtigkeit zu einem verzweifelten Schritt
getrieben zu haben, das war mehr — —
das war Ach, mochte es sein,
was es wollte . . . jetzt war keine Zeit
zum Ueberlegen . . Sie mußte fort, mußte
zu ihm . . vielleicht konnte sie noch retten,
noch helfen . . Ja — helfen! Wie? . .
In ihrer Angst und Aufregung riß sie
ein paar Tücher an sich, ohne sich über den
Zweck dieser Handlung deutlich Rechenschaft
zu geben. Sie dachte nur unklar an Blut
stillen, Verbinden . . .
Sie flog mehr als sie ging die Treppe
hinab, stieß unten die Thür des Speise
zimmers auf, um den Vater mitzunehmen
wenn er noch dort sein sollte. Aber er war
nicht mehr zu sehen, das Zimmer dunkel.
Alles im Hause schien bereits zur Ruhe
gegangen.
Sie wollte sich nicht damit versäumen.
Jemand zu wecken, lieber selbst so rasch als
möglich zur Stelle sein. Eine halbe Minute
später riß sie die Thür des Ateliers auf
und — stand wie mit Blut übergössen vor
Willi. Dieser saß an einem kleinen Tischchen,
vor sich eine Flasche Sekt und soeben ein
frisch gefülltes Glas des perlenden Feuer
tranks hinabstürzend in die unergründlichen
Tiefen seiner dämonischen Natur.
Maxe wäre gern vor Scham in den Boden
gesunken, da jedoch für einen solchen Theater
coup die nöthigen Vorrichtungen fehlten,
versuchte sie wenigstens, sich unbemerkt zurück
zuziehen. Das ging aber nicht; Willi hatte
sie schon gesehen.
Das Glas hinsetzend, sprang er auf und
starrte sie zunächst lautlos an. Dann übte
ihr Gesichtsausdruck — in dem sich die
ausgestandene Angst mit der neu hinzuge
kommenen Verwirrung vermählte — sowie
ihre verlegene Haltung, und namentlich die
vielen Lappen, die sie bei sich trug, den Reiz
einer überwältigenden Komik auf ihn aus.
Er begrüßte sie mit einem schallenden Ge
lächter.
Maxe durchsuchte sämmtliche Winkel im
ganzen Kunsttempel nach einem Ziel für
ihre Blicke, denn sie wußte sie beim besten
Willen nicht unterzubringen. Ihr Körper
wand sich förmlich vor Verlegenheit, bis
Willi sie endlich an den Armen faßte und,
nachdem er sich von seinem Lachen erholt,
ihr das übermüthigste Gesicht zeigte, das sie
je bei ihm gesehen harte.
„Maxe, Mädchen, sag mir blos, was
wolltest Du bei mir? Du hast Dich ja
ausgerüstet wie ein Leinwandreisender." —
Er fand in der That nicht die richtige
Erklärung für den seltsamen Besuch, und
unter nochmaligen Lachkrämpfen auf beiden
Seiten mußte ihm die gute Cousine den
Zusammenhang erklären.
„Nein, mein Engel", sagte er dann, nach
dem ihr Rapport beendet war, „das war
dann doch zum Glück eine unbegründete
Besorgniß. Mit Pulver und Blei waren
meine Gedanken noch nicht geladen, wenn
ich auch gestehen muß, daß ich ziemlich nieder
geschlagen war. Ins Bett zu gehen, fürchtete
ich mich, weil ich überzeugt war, daß ich
doch nicht würde schlafen können. Weil mir
aber vor meiner eigenen Gesellschaft in dem
vorherigen Zustande graute, so faßte ich den
kühnen Plan, mit Hülfe von etwas Schaum
wein mich diesem Zustande zu entreißen.
Und es scheint zu gelingen. Ein Teufels
zeug dieser Sekt! Hab' ich da in drei oder
vier Minuten eine halbe Flasche hinunter
gegossen und fühle mich schon jetzt — ich
möchte sagen, als wäre ich nie geboren! —
— Aber entschuldige, daß ich Dir noch nichts
angeboten habe! . . . Trinkst Du mit mir
aus einem Glas? Ja?"
Er schenkte inzwischen ein und hielt den
überschäumenden Krystallkelch dem jungen
Mädchen hin, während er in demselben, ihm
oust gar nicht eigenen lustigen Tone fort-
'uhr:
„Trink tüchtig, Mädchen! Ich hole gleich
noch eine Flasche!"
(Schluß folgt.)