umtuen, ouu, iuuu voer i.jüü Rubel M«
lid) zahlen sollen, oder ob sie hinsidstlich
ihres Betriebes in Rußland als Handels
unternehmer gelten und demnach nicht
mehr als 500 Rubel zu zahlen haben. Die
Eingabe verweist auf Artikel 12 des
deutsch-russischen Handelsvertrages, der
durd) jene Bestimmungen verletzt ersd)eine.
Hierzu wird mitgetheilt, daß unser Auswär
tiges Amt iin großen und ganzen die in die
ser Eingabe dargelegte Auffassung theilt und
bereits mehrfach diplomatische Schritte in
diesem Sinne unternommen hat. Sie sind
indessen bisher vergeblich gewesen. Die rus
sische Regierung hat sich stets auf den for
mellen Standpunkt gestellt, daß die aus
ländischen Handels- und Gewerbe-Unterneh
mer, sowie deren Reisende, den inländischen
gleichgestellt werden und daß jene wie diese
dieselben Gewerbesteuern entridjtcn müßten.
Insbesondere hat sie bestritten, daß diese
Forderung dem Artikel 12 des Handelsver
trages zuwiderlaufe, da darin von irgend
einer Bevorzugung fremder Reisender ge
genüber den einheimischen keine Rede sei.
— Der Vorsitzende des „Vereins
deutscher Tapete n f a b r i kan
ten" erklärt, daß von der Nachricht, ihm
sei eine Anklage wegen Erpressung zugestellt
worden, nur so viel richtig ist, „daß die Fir
ma Ernst Heiden Sohn in Köln sich
veranlaßt gefühlt hat, eine Anzeige wegen
angeblicher Erpressung bei der Staatsan
waltschaft in Köln gegen mich einzureichen
und daß id) im Mai d. I. durd) Vermitte
lung der Polizeibehörde zu einer Erklärung
hierüber veranlaßt worden bin. Dieselbe
habe id) abgegeben und mein Verfahren in
der Angelegenheit, git welchem ich mich für
vollauf berechtigt halten mußte, gerechtfer-
tigt. Seitdem ist etwas weiteres gegen mid)'
nicht erfolgt, insbesondere eine Anklage ge
gen mid) nicht erhoben worden. Im Erör
terungsverfahren sind weitere Personen
außer mir und den Anzeige-Erstattern nicht
vernommen worden. Nnrid)tig ist ferner
die Behauptung, daß der Verein deutsdjer
Tapetenfabrikauten Preise vorschreibe, bei
welchen die Waaren mit etwa 125 pCt.
Nutzen verkauft werden. Waare aus der
neuesten Saison ist inr Ladenpreise mit 35
bis 100 pCt., im Agentgeschäft (wobei 20
pCt. an den Agenten gezahlt werden müs
sen) mit 64 bis 125 pCt. Aufschlag auf
den Einkaufspreis zu verkaufen."
— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht
die Bekanntmachung betr. die Führung des
nossenschaftsregisters und die Anmeldungen
zu diesem Register, voin 1. Juli 1899 fer
ner die Bekanntmachung, betr. die Handels
beziehungen zum Britischen Reid)e, vom
Juli 1899; und die Bekanntmachung, betr.
das Inkrafttreten des Handels- und Schiff-
fahrtsvertrages und des Konsularvertrages
zwischen dein Deutschen Reid)e und Japan
vom 4. April 1896, vom 7. Juli 1899.
— Der Geh. Oberregierungsrath Dr.
Wehrenpfennig, der Dezernent für
das technische Unterrichtswesen im Kultus
ministerium, hat seinen Abschied nachge-
sucht und tritt am 1. Oktober in den Ruhe
stand. Herr Dr. Wehrenpsennig hat sid)
im vorigen Jahre einer Augenoperation
unterworfen und sich seitdem nid)t wieder
erholt. Er ist vielmehr angenblicklid) auf
einer Reise nach dem Sd)warzwald von
neuem schwer erkrankt.
— Seitens der Staatsregierung ist eine
Aenderung der F ü n f z i g P f e n -
n i g st ü d e in die Wege geleitet worden.
Die neue Form dieser Münze soll sehr fühl
bare Ränder erhalten, sodaß diese selbst un
ter starker Abnutzung entgegen den jetzigen
ich Dir bieten kann. Pah, könnte ich Dir
ein fürstliches Diadem auf das stolze Haupt
drücken, ick würde es mit Freuden thun."
„Sei klug, Hans Justus!" sprach sie
leise, „wir haben jetzt keine Zeit zu Tändeleien,
weil Großes für Dich auf dem Spiele steht.
Sage mir vor allen Dingen, welches Ver
hältniß Dich mit diesem Menschen verbindet,
den Du uns heute hierher geschickt hast."
„Hm, er war drüben einer meiner Kamera
den, — man nimmt es dort nicht so genau
damit."
(Fortsetzung folgt.)
Tie Mückru kt TeuWichl.
Ueber das Unrecht, das Dreyfus geschehen
ist, haben die Revisionsbestrebungen allmäh
lich auch den Mißtrauischsten aufgeklärt.
Von den furchtbaren Leiden aber, die der
unschuldig Verurtheiltc unter dem Namen
der Bestrafung zu erdulden hatte, hat man
bisher noch fast nichts gewußt, weil er allein
außer seinen Kerkermeistern sie kannte. Die
folgenden Einzelheiten, die Georges Cle-
menceau in der „àrore" mittheilt, haben
einen fast urkundlichen Werth, weil sie offen
bar auf den Angaben der Familie beruhen
und somit aus der besten Quelle schöpfen
konnten, nämlich aus den Worten des Haupt
manns Dreyfus selber
Das Unrecht, die Vergewaltigung begann
schon mit der Eröffnung des Verfahrens
gegen ihn, das ihn wegen Hochverraths vor
Gericht stellte. Selbst wenn Dreyfus der
Verfasser des Bordereaus war, so durfte die
Anklage nur aus Spionage lauten, ein Ver
brechen, das im höchsten Falle mit 5 Jahren
Deportation bestraft wird. Drevfus hat
Messer lote bei den bisher geprägten Fünf
zigpfennigstücken beibehalten worden. Das
Gepräge auf den neuen Münzen bleibt
dasselbe wie auf den alten. Eine Aende
rung des Reichsmünzengesetzes ist damit
nick)t bedingt. Selbstverständlich wird man
bestrebt sein, die jetzt im Verkehr befind
lichen beiden Sorten von. Fünszigpfennig-
stücken so schnell wie möglich einzuziehen.
Wie man nicht Wohlthätigkeit üben
soll, dafür wird der „Nat.-Ztg." aus ihrem
Leserkreise ein lehrreiches Beispiel mitge
theilt. Ein hiesiger Einwohner in angese
hener Berufsstellung, der durd) allerlei
Fehlschlage in seinen wirthschastlichen Ver
hältnissen arg zurückgekommen ist, wendet
sich an den bekannten „Verein gegen Ver
armung" mit der Bitte um ein Darlehen.
Zwei Wochen später und nack) dementspre
chenden Recherchen von Personen (Ge
schäftsleuten!) aus der allernächsten Nach
barschaft erhält er einen ablehnenden Be
scheid ohne Begründung. Die Zustellung
des Bescheides erfolgte durch die Packetfahrt
und zwar in einem geschlossenen Brief-
umschlag, der auf der Vorderseite oben, so
wie auf der Rückseite in der Mitte den vol
len Namen des Vereins in starkem Druck
zeigte. Es bedarf keiner Frage, daß dieses
Verfahren nichts weniger als diskret und
auf das Entschiedenste zu mißbilligen ist.
Ein heftiger Zusammenstoß ereignete sich
am Dienstag-Nachmittag zwischen einem
Rollsuhrwerk und einen: Wagen der elek-
trischen Straßenbahn in Berti n. Bei
bem Zusammenstoß trug der Führer des
elektrischen Wagens, so schwere innere Ver
letzungen davon, daß er ohnmächtig zn-
sammenbrach. Der führerlos gewordene
Wagen r aste nun in voller Ge
schwindigkeit weiter und wurde
erst gegenüber der Markthalle durch einen
Schutzmann, der aus den Vorderraum
sprang, den Strom ausschaltete und die
Bremse anzog, zum Stehen gebracht.
Wirklich grober Ulffug wird in B e r l i n
von einigen. Straßenhändlern mit dem Ver
kauf sogen. „ An ar ck) isten b o mb en"
getrieben. Dieser neueste, voir den fliegen
den Händlern unter dem Namen „Anar-
chistenbomben" vertriebene „Scherzartikel"
besteht in kleinen Kugeln aus einer durch
sichtigen glasartigen Masse, welche zu Bo
den geworfen mit einem leichten Knall
.explodiren" und dadurch), daß die im In
nern befindliche übelriechende Flüssigkeit
herausströmt und rasch verdunstet, einen
überaus unangenehmen Geruch verbreiten.
1e Berlin, 12. Juli. Durch Kriegs
gerichtliches Urtheil freigesprochen ist der
Gardekürassier Richard Strusche von der
3. Escadron, auf den sich durch eine
Denunciation der Verdacht gelenkt hatte,
er in der Cantine feiner Schwadron
Unterschlagungen begangen habe und der
am 8. Juni d. Js. — wie wir f. Zt.
auch berichtet haben — während er sid)
auf der Hochzeitsfeier eines Verwandten
in Harburg befand, von einem Sergeanten
und einem Gefreiten seines Regiments
verhaftet wurde. Wie sich herausgestellt
hat, sind die von dem Beschuldigten
geführten Bücher sowie die Kasse in
Ordnung gewesen.
Breslau, 11. Juli. Beim hiesigen
Scheitniger Jagdrennen stürzte Gestüts
direktor Graf Lehndorff mit dem Pferde.
Er erlitt schwere Verletzungen an beiden
Beinen und renkte sich auch das Schulter
gelenk aus.
Ein wild gewordener Bulle
richtete auf dem Hofe des Gutsbesitzers
R. bei Hirschberg wüste Scenen an.
damals, trotzdem schon aus der Fassung der
Anklage sich sonnenklar ergab, daß seine
Gegner ihn verderben wollten, seinem Ver
theidiger Demange nicht erlaubt, dagegen zu
protestiren. Ein rechtlicher Einwand dieser
Art wäre seinem empfindlichen Ehrgefühl
als ein Anzeichen von Schuldbewußtsein
erschienen. Er meinte, man könne ver
muthen, es komme ihm darauf an, das
Strafmaß zu verkürzen. Darum stellte er
sich der juristisch falschen Anklage eines er
dichteten Verbrechens, ließ ein Urtheil über
sich ergehen, das formell ebenso falsch war
wie sachlich, und trat die Strafe an. Und
die Strafe, so furchtbar sie an sich schon
war, sie wurde ihm von dem damaligen
Kolonialminister, dem „Folterer" Leb on,
noch fürchterlicher gemacht.
Allein das Leben schon in diesem Klima
ist eine Hölle. Dieser Sonnengluth, den
giftigen Ausdünstungen des tropischen Bodens
erliegt die robusteste Gesundheit. Die fran
zösischen Beamten der Kolonie, die doch nach
allen erreichbaren hygienischen Mitteln sich
schützen, müssen alle zwei Jahre auf sechs
Monate nach Europa zurückkehren. Und wenn
ihre Gesundheit zerrüttet wird, wie sollte
dann Dreyfus am Leben bleiben, begraben
wie er war in Einsamkeit, unter Wächtern,
deren ingrimmigen Haß gegen ihn allein ihr
furchtbares Stillschweigen verrieth. Zwei,
drei Jahre, nickt länger, rechnete man,
konnte er bei aller Lebenszähigkeit Stand
halten. Und da er doch über lang oder
kurz sterben mußte, so war man menschen
freundlich genug, ihm zur Abkürzung
seiner Qual behilflich zu fein.
Wenn die Luft in seiner Hütte dem Ge
fangenen unerträglich wurde, ging er hin-
an den Erntewagen spannen, doch ehe dies
geschehen konnte, hatte auch schon das Thier
den ahnungslosen H. gefaßt und mit den
Hörnern in die Luft geworfen. Schutz
suchend kroch H. unter den Erntewagen;
als dies das rasend gewordene Thier be
merkte, stürzte es mit aller Wucht den
Erntewagen um und kehrte, nachdem es
einige im Wege liegende Wirthschastsgegen-
stände total zertrümmert, in den Stall
zurück. Der soeben vom Felde heimkeh
rende Gutsbesitzer H. wollte nun den an
scheinend ruhig gewordenen Bullen anket
ten, wurde aber von dem wüthenden Thiere
mit solcher Vehemenz an ein eisernes Gitter
geworfen, daß sofort ärztliche Hilse geholt
und H. zu Bett gebracht werden mußte.
H. hat schwere Verletzungen erlitten, die
ihn auf lange Zeit arbeitsunfähig machen
dürsten. H. jun. ist glücklicherweise nur
mit dem Schrecken davongekommen.
11. Juli. Die gestern und vorge
stern in der Rheingegend, sowie im Wupper-
thal herniedergegangenen Gewitter haben
zahlreiche Opfer gefordert. In Graßseld
schlug der Blitz in ein Wohnhaus ein und
iödtete eine im Bett befind
liche kranke Frau, während der in
der Nähe sitzende Ehemann gelahmt wurde.
In Neviges wurde ein 13jähriger, in Vel
bert ein 14jähriger Knaben vom Blitzstrahl
getroffen. Beide waren sofort todt. In
Heiligenhans stürzte ein Spaziergänger
vom Blitz getroffen todt zu Boden.
Aachen, 8. Juli. Ein Straßenraub,
der an Brutalität seinesGleichen
sucht, ist am Freitag Abend an einer
von dem Wallfahrtsort Moresnet
heimkehrenden Frau Kremer aus Vylen
im Aachener Wald verübt worden. Die
Frau ging ruhig die breite Chaussee
entlang, als plötzlich ein anständig ge
kleideter junger Mann auf sie zutrat und
sie durch einen Revolverschuß
niederstreckte. Der Skraßenräuber
beugte sich dann über sein Opfer, nahm
ihm Baargeld, Uhr rc. ab und entfernte
sich unter der Drohung an die jammernde
Frau, sie durch einen zweiten Schuß
vollends todten zu wollen, wenn sie sich
nicht ruhig verhalte. Die Verletzte wurde
später gefunden und zum Louisenspital
Hierselbst geschafft, wo man die Revolver
kügel ans ihrem Körper herausholte. Der
Strolch ist leider trotz der genauen Be
schreibung durch die Frau bis jetzt nicht
ermittelt worden.
Wegen entwendeter Johannis
beeren haben sich am Sonnabend zwei
17jährige Mädchen aus Waiherm,
Arbeiterinnen in der B e s i g h e i m e r
T r i k o t w a a r e n f a b r i k, in der Enz
ertränkt. Die Mädchen sollen die Jo
hannisbeeren in einem Garten entwendet
haben und dabei entdeckt worden sein.
Aus Kreuznach werden schwere Aus-
sjchreitungen gegen die Schutz-
mannschaft gemeldet, die sich in der
Nacht zum Dienstag ereigneten. Zwei
Polizeisergeantcn sollen schwer verletzt
worden sein. Gestern wurden zahlreiche
Verhaftungen vorgenommen. Ueber die
Ursache -der Ausschreitungen fehlen alle
näheren Angaben.
Gegen die Vogelsteller in Thüringen
wird jetzt schars vorgegangen. Das Amts
gericht in Eisfeld verurtheilte zwei Be
wohner aus Heubach wegen unerlaubten
Vogelfanges zu je vierzehn Tagen Haft
München, 12. Juli. Nach den Ur
wählen setzt sich die Abgeordneten
kammer wie folgt zusammen: Cem
aus, um auf dem engen Raume, den seine
Umzäunung ihm ließ, die stickend heiße
Atmosphäre einzuathmen. In plötzlicher
Ohnmacht fiel er oft wie von einem Faust
schlag getroffen zu Boden. Dann liefen die
Wärter herbei, in der Hoffnung, es sei nun
endlich einmal aus mit ihm. Aber er ent
täuschte sie stets, er wollte nicht sterben.
Man packte ihn an Kopf und Füßen und
warf ihn auf seine Pritsche. Nach einiger
Zeit erholte er sich und am nächsten Tage
passirte das Gleiche. Manchmal phantasirte
er, eine tödtliche Starrheit lähmte die Glie
der. Man dachte: „Nun ist es aus." Aber
es war nicht aus! Eigensinnig hielt das
Leben sich in dem mißhandelten Körper, es
hielt Stand, während die Gefangenenwärter
um ihn zu Grunde gingen; sie verschwanden
aus seinen Augen, wohin, wußte er nicht,
aber er konnte es ahnen, und ihr Schicksal
zeigte ihm, was er zu erwarten hatte.
Dazu daS beständige Fieber und die Be
schwerden, die das übermäßig dagegen an
gewandte Chinin hervorrief. Zwischen Krank
heit und Ohnmacht schwankte dieses Leben
so fort, das in seiner Wurzel außerdem
noch von der fortschreitenden Blutarmuth
bedroht wurde. In jedem heißen Klima
wird der Mensch blutarm, hier aber kamen
die Gemüthsleiden hinzu, die den Körper
aufzehren und der Mangel an Nahrung
Die Conserven, die Dreyfus sich von Cayenne
kommen ließ, wurden ihm entzogen
Seine Milchration wurde ihm genommen.
Alan reichte ihm ekelhafte Speisen, die der
Magen zurückwies, und glaubte so mit diesem
armen Leib, der so gar nicht sterben wollte,
fertig werden zu können. Aber er starb
dennoch nicht!
oi ch^, Şşi' lööjtaiöemdtraien
11 Sitze, bisher 5, Bauernbündler
7 Sitze. Die übrigen 59 Sitze entfallen
auf die Liberalen, den Bund der Land
wirthe und die Konservativen.
Io Hannover, 12. Juli. Bei einem
Streit zwischen Studenten und Arbeitern
wurde in der vergangenen Nacht der
veryeirathete Gelbgießergehülfe Würtz von
dem Studenten Pflugmacher durch einen
Messerstich in den Hals lebensgefährlich
verletzt. Der Thäter wurde verhaftet.
Ein Gutsbesitzer aus der Mark ist zu
einer Geldstrafe verurtheitt worden, weil
er zur menschlichen Nahrung ungeeignetes
Fleisch auf den Markt gebracht hatte.
Glücklicherweise gehören solche Vorkomm
nisse zu den Seltenheiten. Im Allgemeinen
wird bei uns den gewissenlosen Menschen,
die wider das Nahrungsmittelgesetz in
irgend einer Form sündigen, scharf auf
die Finger gesehen. Und das ist durchaus
von Nöthen. Denn gerade jetzt, in der
heißen Jahreszeit, hört man immer wieder
von Erkrankungs- und Vergiftungs
erscheinungen schwerster Art, welche durch
den Genuß minderwerthigen oder ver
dorbenen Fleisches entstanden sind. Ueber
die Natur des Krankheitsgiftes, welches
hierbei zur Wirkung gelangt, sind sich die
Gelehrten noch nicht einig. Allem An
schein nach handelt es sich um Zersetzungs
vorgänge, die sich unter dem Einflüsse
gewisser bakterieller Keime abspielen. Ge
wöhnlich weist das gleichzeitige Auftreten
derartiger Krankheitsprocesse bei einer
ganzen Reihe von Personen auf die ge
meinschaftliche Quelle hin; aber auch
manch schwerer Magendarmkatarrh, der
im Einzelnen zur Beobachtung kommt,
mag lediglich durch den Genuß verdorbenen
Fleisches veranlaßt sein. Man kann des
halb bei der Auswahl der Speisen, be
sonders soweit es sich um Fleischwaaren
handelt, nicht vorsichtig genug sein. In
vielen Füllen darf unsere Nase als zu
verlässiger Leiter dienen; denn verdorbenes
Fleisch oder solches, das der Berderbniß
nahe ist, verräth dies meist durch seinen
Geruch. Es giebt allerdings merkwürdige
Leute, welche die Quintessenz des Wohl-
geschmacks in dem sogenannten baut ģcmt
sehen und einen Gaumenkitzel um so höher
veranschlagen, je stärker das Geruchsorgan
dabei in Anspruch genommen wird. Nun
— über die „Geschmäcker" läßt sich be
kanntlich nicht streiten. Häufig indessen
ist der Giststoff so verborgen, daß weder
Nase noch Zunge ihn entdecken, und hier
ist rechtzeitiger Schutz kaum möglich. Unter
diesen Umständen wird man es allseitig
mit Freuden begrüßen, daß ein neues
Fleischschaugesetz in Aussicht steht, welches
noch schärfer als bisher alle die Schäd
lichkeiten auszuschalten sucht, die durch
den Genuß verdorbenen Fleisches entstehen
können. Der neue Gesetzentwurf, der dem
Reichstage unlängst zur ersten Berathung
vorgelegen hat, zeigt indessen, wie ein
hervorragender Militärarzt, Dr. Biüaret,
in der „Deutschen medic. Wochenschrift"
ausführlich begründete, eine Lücke, welche
seinen Werth geradezu illusorisch macht.
Er entzieht nämlich die Hausschlachtungen
der Schweine der allgemeinen Fleischschau
Warum man dem edlen Borstenvieh diese
Ausnahmestellung eingeräumt, ist eigent
lich schwer einzuziehen. Man hat offen
bar den bäuerlichen Haushaltungen und
den kleinen Leuten übermäßige Belästigungen
und Kosten ersparen wollen. Allein gerade
bei den Hausschlachtungen kann das gesahr
drohendste Material verwendet werden und
Hervorragendes leistete die Phantasie der
Henker — dieser Ausdruck wird nicht zu
stark scheinen — im Ersinnen von moralischen
Qualen. Zunächst hatte man die Erfindung
gemacht, ihm nur Copien der Briefe seiner
Familie zu geben, und zwar mit Aenderun
gen und Lücken. Nicht einmal sehen durfte
Drehsus die Schriftstücke der Seinigen. Aber
man fand, daß all das noch nicht genug
sei, und so unterdrückte man einfach die
ganze Correspondenz Dreyfus' mit seiner
Familie und seinem Vertheidiger. Dies war
ein furchtbarer Schlag für ihn, daß er nichts
mehr von seiner Frau und seinen Kindern
hörte, brachte seine Vernunft ins Wanken
Und nun führte man auch den letzten Streich,
der ihn vollends hinstrecken sollte. Jemand
fand sich, der zu ihm sagte: „Ihre Familie
hat Sie aufgegeben!" Diese Worte sind
thatsächlich gesprochen worden.
Aber wie durch ein Wunder wer
kann denn ergründen, woher die menschliche
Seele in ihrer höchsten Noth Kraft und
Zuversicht schöpft — blieb das Vertrauen,
das der Verbannte in seine Familie setzte,
unerschüttert, und er richtete sich hoch aus und
schrie dem Hallunken, der ihm das sagte,
ins Gesicht: „Sie lügen! Es ist nicht
wahr! Sie lügen!"
Als man in Paris anfing, von der Re
vision zu sprechen, verdoppelte man auf der
Teufelsinsel die Qualen. Warum diese
plötzliche barbarische Behandlung über ihn
verhängt wurde, vermochte sich der Unglück
liche nicht zu erklären. Er schrieb an Bois-
deffre, schrieb an Felix Faurc. Gerade an
die, die ihn vernichten wollten, wandle sich
der unselige Mann. Und sie ließen ihm
antworten, seine Familie habe unerlaubte
rrverdieS darf da, wo es sich um die Ge-
sundheit des ganzen Volkes handelt, die
Bequemlichkeit des Einzelnen nicht in
Betracht kommen.
l« Lübeck, 12. Juli. Im benachbarten
Jsraelsdorser Gehölz hat sich ein Unter-
officier des hiesigen Jnsanterie-Regimenis
erhängt. Das Motiv der That ist noch
nicht bekannt.
Seit dem Tode des Fürsten
Bismarck herrscht in Friedrichsruh
nach der „Voss. Zig." eine den Hamburger
Ausflüglern entschieden^feindliche Richtung.
Zwar wurden die Spaziergänger aus
Hamburg auch zu Lebzeiten des alten
Fürsten Bismarck im Sachsenwalde nicht
gern gesehen, aber so offen feindlich wie
jetzt ist man ihnen früher dort nicht be
gegnet. Obschon auch früher viele und
gerade die schönsten Waldwege im Sachsen
wald durch Schilder als „Verbotener
Weg" bezeichnet waren, wurde doch kein
Spaziergänger an ihrem Betreten ge
hindert. Jetzt hat der neue Fürst manche
Wege einfach absperren lassen. So ist
z- B. der schöne Waldweg, der an der
Aue entlang von Friedrichsruh nach
Aumühle sührt, vollständig abgesperrt
worden. Dieser Weg war der einzige im
ganzen Sachsenwald, von dem aus man
einen Blick aus das Schloß und das
Sterbezimmer des Fürsten werfen konnte.
Früher war es auch gestartet, den Sau-
park zu besuchen, jetzt wird jeder Besucher
zurückgewiesen. Diese und noch andere
Verbote, die der Veranlassung des Fürsten
Herbert Bismarck zugeschrieben werden,
haben die Hamburger, die „ihren Sachsen-
wald" beinahe so stark verehren wie
„ihren Fürsten Bismarck", stark verschnupft.
Io. Hamburg, 12. Juli. Am Montag,
den 17. Juli, werden die auswärtigen
Delegirten zum Musiker-Congreß
Hierselbst eintreffen und von einer Depu
tation hiesiger Musiker an den verschiede
nen Bahnhöfen in Empfang genommen
werden. Am 18. und 19. Juli finden die
Delegirtensitzungen der „Deutschen Musiker-
Pensions- und Wittwenkaffe" statt und vom
19.—22. Juli die Delegirtensitzungen des
„Allgemeinen Deutschen Musikerverbandes".
Die Sitzungen sind öffentlich. Für die
freie Zeit außerhalb der Sitzungen hat
die „Hamburger Musikverbinvung" zu
Ehren der Fremden Gäste folgendes Pro
gramm entworfen: Montag, den 17. Juli,
Abends: Empsangscommers im „Feensaal",
Dienstag: Besuch des Uhlenhorster Fähr-
Hauses und Concert der Stadtthecrter-Ca-
pelle daselbst; Mittwoch: Elbfahrt nach
Blankenese und Festessen bei Sagebiel:
Donnerstag: Besuch des Zoologischen Gar
tens ; Freilag: Zusammenkunft im „Concert-
haus Hamburg;" Sonnabend: Abschieds
schoppen im „Feensaal".
io Hamburg, 11. Juli. Zum zweiten
Male zum Tode verurkheilt
wurde heute vom hiesigen Schwurgericht
der 55jährige Weber Fischer aus Bernau.
Der Angeklagte war bereits am 29. März
d. Js. wegen Ermordung und Beraubung
der 60jährrgen Ehefrau Kiehn in Alten-
gamme (Vierlanden) am 14. Dezember
vor. Js. (wie wir s. Zt. auch berichtet
haben) nach zweitägiger Verhandlung zum
Tode und zu 10 Jahren Zuchthaus ver-
urtheilt worden. Die vom Vertheidiger
des Angeklagten beim Reichsgericht ein-
gelegte Revision hatte den Erfolg, daß
wegen eines Formfehlers das Urtheil des
Schwurgerichts aufgehoben und die Sache
zur nochmaligen Verhandlung an die Vor-
instanz zurückverwiesen wurde. Die Ber-
Mittel für die Revision angewandt,
habe er dies neue Unglück zu danken, r
Dreyfus glaubte es schließlich, wurde bi
gegen seinen Bruder und schrieb an Fc
und Boisdeffre: »34 lege meine Ehre
Ihre Hände und erwarte mein Heil
Ihnen." Als er sich auf dem „Sfax" <
schiffte, war er überzeugt, daß er selbst
Urheber der Revision sei, und daß er sei
Briefen an die beiden Genannten all
Alles verdanke. Man muß er den andc
lautenden parteiischen Versicherungen z
Trotz immer noch wiederholen: Als Drey
zurück kam, wußte er nichts, aber gar nid
von seiner ganzen Angelegenheit. Das er
Won, das er zu seiner Frau sagte, wc
Du verstehst nichts, ^nn^ du weißt v
nichts!" Die Aermste hielt ihn für ii
sinnig. '
Seine Büch-r 9«te man ihm nicht
nehmen gewagt- Aber dafür wurde j
selbstständige . Sfflluge Bethätigung ihm r
wehrt. Schrreb er eine Zeile nieder, i
-ur Uebung- um seinen Verstand nicht gä
zusammenbrechen zu lassen, so war a
schon der Wärter da und entriß ihm ’
Fctz-n Papier. Aus Verzweiflung k
Dreyfus schließlich dahin, blos mechan
abzuschreiben. Er copirte ganze Kap
aus seinen Büch-rn, blos um nicht verr
zu werden. Jedes einzelne von ihm
schriebene Blatt wurde weggenommen, r
Paris gesandt und dort genau dnrchsu
in der Hoffnung, man könne daraus <
Waffe gegen den Gefangenen schmie!
Nur um Zola, von dessen Thätigkeit
ihn Dreyfus natürlich keine Ahnung hc
gegen den Gefangenen zu erbittern, )
öffentlichte man den Auszug aus eii