Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

umtuen, ouu, iuuu voer i.jüü Rubel M« 
lid) zahlen sollen, oder ob sie hinsidstlich 
ihres Betriebes in Rußland als Handels 
unternehmer gelten und demnach nicht 
mehr als 500 Rubel zu zahlen haben. Die 
Eingabe verweist auf Artikel 12 des 
deutsch-russischen Handelsvertrages, der 
durd) jene Bestimmungen verletzt ersd)eine. 
Hierzu wird mitgetheilt, daß unser Auswär 
tiges Amt iin großen und ganzen die in die 
ser Eingabe dargelegte Auffassung theilt und 
bereits mehrfach diplomatische Schritte in 
diesem Sinne unternommen hat. Sie sind 
indessen bisher vergeblich gewesen. Die rus 
sische Regierung hat sich stets auf den for 
mellen Standpunkt gestellt, daß die aus 
ländischen Handels- und Gewerbe-Unterneh 
mer, sowie deren Reisende, den inländischen 
gleichgestellt werden und daß jene wie diese 
dieselben Gewerbesteuern entridjtcn müßten. 
Insbesondere hat sie bestritten, daß diese 
Forderung dem Artikel 12 des Handelsver 
trages zuwiderlaufe, da darin von irgend 
einer Bevorzugung fremder Reisender ge 
genüber den einheimischen keine Rede sei. 
— Der Vorsitzende des „Vereins 
deutscher Tapete n f a b r i kan 
ten" erklärt, daß von der Nachricht, ihm 
sei eine Anklage wegen Erpressung zugestellt 
worden, nur so viel richtig ist, „daß die Fir 
ma Ernst Heiden Sohn in Köln sich 
veranlaßt gefühlt hat, eine Anzeige wegen 
angeblicher Erpressung bei der Staatsan 
waltschaft in Köln gegen mich einzureichen 
und daß id) im Mai d. I. durd) Vermitte 
lung der Polizeibehörde zu einer Erklärung 
hierüber veranlaßt worden bin. Dieselbe 
habe id) abgegeben und mein Verfahren in 
der Angelegenheit, git welchem ich mich für 
vollauf berechtigt halten mußte, gerechtfer- 
tigt. Seitdem ist etwas weiteres gegen mid)' 
nicht erfolgt, insbesondere eine Anklage ge 
gen mid) nicht erhoben worden. Im Erör 
terungsverfahren sind weitere Personen 
außer mir und den Anzeige-Erstattern nicht 
vernommen worden. Nnrid)tig ist ferner 
die Behauptung, daß der Verein deutsdjer 
Tapetenfabrikauten Preise vorschreibe, bei 
welchen die Waaren mit etwa 125 pCt. 
Nutzen verkauft werden. Waare aus der 
neuesten Saison ist inr Ladenpreise mit 35 
bis 100 pCt., im Agentgeschäft (wobei 20 
pCt. an den Agenten gezahlt werden müs 
sen) mit 64 bis 125 pCt. Aufschlag auf 
den Einkaufspreis zu verkaufen." 
— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht 
die Bekanntmachung betr. die Führung des 
nossenschaftsregisters und die Anmeldungen 
zu diesem Register, voin 1. Juli 1899 fer 
ner die Bekanntmachung, betr. die Handels 
beziehungen zum Britischen Reid)e, vom 
Juli 1899; und die Bekanntmachung, betr. 
das Inkrafttreten des Handels- und Schiff- 
fahrtsvertrages und des Konsularvertrages 
zwischen dein Deutschen Reid)e und Japan 
vom 4. April 1896, vom 7. Juli 1899. 
— Der Geh. Oberregierungsrath Dr. 
Wehrenpfennig, der Dezernent für 
das technische Unterrichtswesen im Kultus 
ministerium, hat seinen Abschied nachge- 
sucht und tritt am 1. Oktober in den Ruhe 
stand. Herr Dr. Wehrenpsennig hat sid) 
im vorigen Jahre einer Augenoperation 
unterworfen und sich seitdem nid)t wieder 
erholt. Er ist vielmehr angenblicklid) auf 
einer Reise nach dem Sd)warzwald von 
neuem schwer erkrankt. 
— Seitens der Staatsregierung ist eine 
Aenderung der F ü n f z i g P f e n - 
n i g st ü d e in die Wege geleitet worden. 
Die neue Form dieser Münze soll sehr fühl 
bare Ränder erhalten, sodaß diese selbst un 
ter starker Abnutzung entgegen den jetzigen 
ich Dir bieten kann. Pah, könnte ich Dir 
ein fürstliches Diadem auf das stolze Haupt 
drücken, ick würde es mit Freuden thun." 
„Sei klug, Hans Justus!" sprach sie 
leise, „wir haben jetzt keine Zeit zu Tändeleien, 
weil Großes für Dich auf dem Spiele steht. 
Sage mir vor allen Dingen, welches Ver 
hältniß Dich mit diesem Menschen verbindet, 
den Du uns heute hierher geschickt hast." 
„Hm, er war drüben einer meiner Kamera 
den, — man nimmt es dort nicht so genau 
damit." 
(Fortsetzung folgt.) 
Tie Mückru kt TeuWichl. 
Ueber das Unrecht, das Dreyfus geschehen 
ist, haben die Revisionsbestrebungen allmäh 
lich auch den Mißtrauischsten aufgeklärt. 
Von den furchtbaren Leiden aber, die der 
unschuldig Verurtheiltc unter dem Namen 
der Bestrafung zu erdulden hatte, hat man 
bisher noch fast nichts gewußt, weil er allein 
außer seinen Kerkermeistern sie kannte. Die 
folgenden Einzelheiten, die Georges Cle- 
menceau in der „àrore" mittheilt, haben 
einen fast urkundlichen Werth, weil sie offen 
bar auf den Angaben der Familie beruhen 
und somit aus der besten Quelle schöpfen 
konnten, nämlich aus den Worten des Haupt 
manns Dreyfus selber 
Das Unrecht, die Vergewaltigung begann 
schon mit der Eröffnung des Verfahrens 
gegen ihn, das ihn wegen Hochverraths vor 
Gericht stellte. Selbst wenn Dreyfus der 
Verfasser des Bordereaus war, so durfte die 
Anklage nur aus Spionage lauten, ein Ver 
brechen, das im höchsten Falle mit 5 Jahren 
Deportation bestraft wird. Drevfus hat 
Messer lote bei den bisher geprägten Fünf 
zigpfennigstücken beibehalten worden. Das 
Gepräge auf den neuen Münzen bleibt 
dasselbe wie auf den alten. Eine Aende 
rung des Reichsmünzengesetzes ist damit 
nick)t bedingt. Selbstverständlich wird man 
bestrebt sein, die jetzt im Verkehr befind 
lichen beiden Sorten von. Fünszigpfennig- 
stücken so schnell wie möglich einzuziehen. 
Wie man nicht Wohlthätigkeit üben 
soll, dafür wird der „Nat.-Ztg." aus ihrem 
Leserkreise ein lehrreiches Beispiel mitge 
theilt. Ein hiesiger Einwohner in angese 
hener Berufsstellung, der durd) allerlei 
Fehlschlage in seinen wirthschastlichen Ver 
hältnissen arg zurückgekommen ist, wendet 
sich an den bekannten „Verein gegen Ver 
armung" mit der Bitte um ein Darlehen. 
Zwei Wochen später und nack) dementspre 
chenden Recherchen von Personen (Ge 
schäftsleuten!) aus der allernächsten Nach 
barschaft erhält er einen ablehnenden Be 
scheid ohne Begründung. Die Zustellung 
des Bescheides erfolgte durch die Packetfahrt 
und zwar in einem geschlossenen Brief- 
umschlag, der auf der Vorderseite oben, so 
wie auf der Rückseite in der Mitte den vol 
len Namen des Vereins in starkem Druck 
zeigte. Es bedarf keiner Frage, daß dieses 
Verfahren nichts weniger als diskret und 
auf das Entschiedenste zu mißbilligen ist. 
Ein heftiger Zusammenstoß ereignete sich 
am Dienstag-Nachmittag zwischen einem 
Rollsuhrwerk und einen: Wagen der elek- 
trischen Straßenbahn in Berti n. Bei 
bem Zusammenstoß trug der Führer des 
elektrischen Wagens, so schwere innere Ver 
letzungen davon, daß er ohnmächtig zn- 
sammenbrach. Der führerlos gewordene 
Wagen r aste nun in voller Ge 
schwindigkeit weiter und wurde 
erst gegenüber der Markthalle durch einen 
Schutzmann, der aus den Vorderraum 
sprang, den Strom ausschaltete und die 
Bremse anzog, zum Stehen gebracht. 
Wirklich grober Ulffug wird in B e r l i n 
von einigen. Straßenhändlern mit dem Ver 
kauf sogen. „ An ar ck) isten b o mb en" 
getrieben. Dieser neueste, voir den fliegen 
den Händlern unter dem Namen „Anar- 
chistenbomben" vertriebene „Scherzartikel" 
besteht in kleinen Kugeln aus einer durch 
sichtigen glasartigen Masse, welche zu Bo 
den geworfen mit einem leichten Knall 
.explodiren" und dadurch), daß die im In 
nern befindliche übelriechende Flüssigkeit 
herausströmt und rasch verdunstet, einen 
überaus unangenehmen Geruch verbreiten. 
1e Berlin, 12. Juli. Durch Kriegs 
gerichtliches Urtheil freigesprochen ist der 
Gardekürassier Richard Strusche von der 
3. Escadron, auf den sich durch eine 
Denunciation der Verdacht gelenkt hatte, 
er in der Cantine feiner Schwadron 
Unterschlagungen begangen habe und der 
am 8. Juni d. Js. — wie wir f. Zt. 
auch berichtet haben — während er sid) 
auf der Hochzeitsfeier eines Verwandten 
in Harburg befand, von einem Sergeanten 
und einem Gefreiten seines Regiments 
verhaftet wurde. Wie sich herausgestellt 
hat, sind die von dem Beschuldigten 
geführten Bücher sowie die Kasse in 
Ordnung gewesen. 
Breslau, 11. Juli. Beim hiesigen 
Scheitniger Jagdrennen stürzte Gestüts 
direktor Graf Lehndorff mit dem Pferde. 
Er erlitt schwere Verletzungen an beiden 
Beinen und renkte sich auch das Schulter 
gelenk aus. 
Ein wild gewordener Bulle 
richtete auf dem Hofe des Gutsbesitzers 
R. bei Hirschberg wüste Scenen an. 
damals, trotzdem schon aus der Fassung der 
Anklage sich sonnenklar ergab, daß seine 
Gegner ihn verderben wollten, seinem Ver 
theidiger Demange nicht erlaubt, dagegen zu 
protestiren. Ein rechtlicher Einwand dieser 
Art wäre seinem empfindlichen Ehrgefühl 
als ein Anzeichen von Schuldbewußtsein 
erschienen. Er meinte, man könne ver 
muthen, es komme ihm darauf an, das 
Strafmaß zu verkürzen. Darum stellte er 
sich der juristisch falschen Anklage eines er 
dichteten Verbrechens, ließ ein Urtheil über 
sich ergehen, das formell ebenso falsch war 
wie sachlich, und trat die Strafe an. Und 
die Strafe, so furchtbar sie an sich schon 
war, sie wurde ihm von dem damaligen 
Kolonialminister, dem „Folterer" Leb on, 
noch fürchterlicher gemacht. 
Allein das Leben schon in diesem Klima 
ist eine Hölle. Dieser Sonnengluth, den 
giftigen Ausdünstungen des tropischen Bodens 
erliegt die robusteste Gesundheit. Die fran 
zösischen Beamten der Kolonie, die doch nach 
allen erreichbaren hygienischen Mitteln sich 
schützen, müssen alle zwei Jahre auf sechs 
Monate nach Europa zurückkehren. Und wenn 
ihre Gesundheit zerrüttet wird, wie sollte 
dann Dreyfus am Leben bleiben, begraben 
wie er war in Einsamkeit, unter Wächtern, 
deren ingrimmigen Haß gegen ihn allein ihr 
furchtbares Stillschweigen verrieth. Zwei, 
drei Jahre, nickt länger, rechnete man, 
konnte er bei aller Lebenszähigkeit Stand 
halten. Und da er doch über lang oder 
kurz sterben mußte, so war man menschen 
freundlich genug, ihm zur Abkürzung 
seiner Qual behilflich zu fein. 
Wenn die Luft in seiner Hütte dem Ge 
fangenen unerträglich wurde, ging er hin- 
an den Erntewagen spannen, doch ehe dies 
geschehen konnte, hatte auch schon das Thier 
den ahnungslosen H. gefaßt und mit den 
Hörnern in die Luft geworfen. Schutz 
suchend kroch H. unter den Erntewagen; 
als dies das rasend gewordene Thier be 
merkte, stürzte es mit aller Wucht den 
Erntewagen um und kehrte, nachdem es 
einige im Wege liegende Wirthschastsgegen- 
stände total zertrümmert, in den Stall 
zurück. Der soeben vom Felde heimkeh 
rende Gutsbesitzer H. wollte nun den an 
scheinend ruhig gewordenen Bullen anket 
ten, wurde aber von dem wüthenden Thiere 
mit solcher Vehemenz an ein eisernes Gitter 
geworfen, daß sofort ärztliche Hilse geholt 
und H. zu Bett gebracht werden mußte. 
H. hat schwere Verletzungen erlitten, die 
ihn auf lange Zeit arbeitsunfähig machen 
dürsten. H. jun. ist glücklicherweise nur 
mit dem Schrecken davongekommen. 
11. Juli. Die gestern und vorge 
stern in der Rheingegend, sowie im Wupper- 
thal herniedergegangenen Gewitter haben 
zahlreiche Opfer gefordert. In Graßseld 
schlug der Blitz in ein Wohnhaus ein und 
iödtete eine im Bett befind 
liche kranke Frau, während der in 
der Nähe sitzende Ehemann gelahmt wurde. 
In Neviges wurde ein 13jähriger, in Vel 
bert ein 14jähriger Knaben vom Blitzstrahl 
getroffen. Beide waren sofort todt. In 
Heiligenhans stürzte ein Spaziergänger 
vom Blitz getroffen todt zu Boden. 
Aachen, 8. Juli. Ein Straßenraub, 
der an Brutalität seinesGleichen 
sucht, ist am Freitag Abend an einer 
von dem Wallfahrtsort Moresnet 
heimkehrenden Frau Kremer aus Vylen 
im Aachener Wald verübt worden. Die 
Frau ging ruhig die breite Chaussee 
entlang, als plötzlich ein anständig ge 
kleideter junger Mann auf sie zutrat und 
sie durch einen Revolverschuß 
niederstreckte. Der Skraßenräuber 
beugte sich dann über sein Opfer, nahm 
ihm Baargeld, Uhr rc. ab und entfernte 
sich unter der Drohung an die jammernde 
Frau, sie durch einen zweiten Schuß 
vollends todten zu wollen, wenn sie sich 
nicht ruhig verhalte. Die Verletzte wurde 
später gefunden und zum Louisenspital 
Hierselbst geschafft, wo man die Revolver 
kügel ans ihrem Körper herausholte. Der 
Strolch ist leider trotz der genauen Be 
schreibung durch die Frau bis jetzt nicht 
ermittelt worden. 
Wegen entwendeter Johannis 
beeren haben sich am Sonnabend zwei 
17jährige Mädchen aus Waiherm, 
Arbeiterinnen in der B e s i g h e i m e r 
T r i k o t w a a r e n f a b r i k, in der Enz 
ertränkt. Die Mädchen sollen die Jo 
hannisbeeren in einem Garten entwendet 
haben und dabei entdeckt worden sein. 
Aus Kreuznach werden schwere Aus- 
sjchreitungen gegen die Schutz- 
mannschaft gemeldet, die sich in der 
Nacht zum Dienstag ereigneten. Zwei 
Polizeisergeantcn sollen schwer verletzt 
worden sein. Gestern wurden zahlreiche 
Verhaftungen vorgenommen. Ueber die 
Ursache -der Ausschreitungen fehlen alle 
näheren Angaben. 
Gegen die Vogelsteller in Thüringen 
wird jetzt schars vorgegangen. Das Amts 
gericht in Eisfeld verurtheilte zwei Be 
wohner aus Heubach wegen unerlaubten 
Vogelfanges zu je vierzehn Tagen Haft 
München, 12. Juli. Nach den Ur 
wählen setzt sich die Abgeordneten 
kammer wie folgt zusammen: Cem 
aus, um auf dem engen Raume, den seine 
Umzäunung ihm ließ, die stickend heiße 
Atmosphäre einzuathmen. In plötzlicher 
Ohnmacht fiel er oft wie von einem Faust 
schlag getroffen zu Boden. Dann liefen die 
Wärter herbei, in der Hoffnung, es sei nun 
endlich einmal aus mit ihm. Aber er ent 
täuschte sie stets, er wollte nicht sterben. 
Man packte ihn an Kopf und Füßen und 
warf ihn auf seine Pritsche. Nach einiger 
Zeit erholte er sich und am nächsten Tage 
passirte das Gleiche. Manchmal phantasirte 
er, eine tödtliche Starrheit lähmte die Glie 
der. Man dachte: „Nun ist es aus." Aber 
es war nicht aus! Eigensinnig hielt das 
Leben sich in dem mißhandelten Körper, es 
hielt Stand, während die Gefangenenwärter 
um ihn zu Grunde gingen; sie verschwanden 
aus seinen Augen, wohin, wußte er nicht, 
aber er konnte es ahnen, und ihr Schicksal 
zeigte ihm, was er zu erwarten hatte. 
Dazu daS beständige Fieber und die Be 
schwerden, die das übermäßig dagegen an 
gewandte Chinin hervorrief. Zwischen Krank 
heit und Ohnmacht schwankte dieses Leben 
so fort, das in seiner Wurzel außerdem 
noch von der fortschreitenden Blutarmuth 
bedroht wurde. In jedem heißen Klima 
wird der Mensch blutarm, hier aber kamen 
die Gemüthsleiden hinzu, die den Körper 
aufzehren und der Mangel an Nahrung 
Die Conserven, die Dreyfus sich von Cayenne 
kommen ließ, wurden ihm entzogen 
Seine Milchration wurde ihm genommen. 
Alan reichte ihm ekelhafte Speisen, die der 
Magen zurückwies, und glaubte so mit diesem 
armen Leib, der so gar nicht sterben wollte, 
fertig werden zu können. Aber er starb 
dennoch nicht! 
oi ch^, Şşi' lööjtaiöemdtraien 
11 Sitze, bisher 5, Bauernbündler 
7 Sitze. Die übrigen 59 Sitze entfallen 
auf die Liberalen, den Bund der Land 
wirthe und die Konservativen. 
Io Hannover, 12. Juli. Bei einem 
Streit zwischen Studenten und Arbeitern 
wurde in der vergangenen Nacht der 
veryeirathete Gelbgießergehülfe Würtz von 
dem Studenten Pflugmacher durch einen 
Messerstich in den Hals lebensgefährlich 
verletzt. Der Thäter wurde verhaftet. 
Ein Gutsbesitzer aus der Mark ist zu 
einer Geldstrafe verurtheitt worden, weil 
er zur menschlichen Nahrung ungeeignetes 
Fleisch auf den Markt gebracht hatte. 
Glücklicherweise gehören solche Vorkomm 
nisse zu den Seltenheiten. Im Allgemeinen 
wird bei uns den gewissenlosen Menschen, 
die wider das Nahrungsmittelgesetz in 
irgend einer Form sündigen, scharf auf 
die Finger gesehen. Und das ist durchaus 
von Nöthen. Denn gerade jetzt, in der 
heißen Jahreszeit, hört man immer wieder 
von Erkrankungs- und Vergiftungs 
erscheinungen schwerster Art, welche durch 
den Genuß minderwerthigen oder ver 
dorbenen Fleisches entstanden sind. Ueber 
die Natur des Krankheitsgiftes, welches 
hierbei zur Wirkung gelangt, sind sich die 
Gelehrten noch nicht einig. Allem An 
schein nach handelt es sich um Zersetzungs 
vorgänge, die sich unter dem Einflüsse 
gewisser bakterieller Keime abspielen. Ge 
wöhnlich weist das gleichzeitige Auftreten 
derartiger Krankheitsprocesse bei einer 
ganzen Reihe von Personen auf die ge 
meinschaftliche Quelle hin; aber auch 
manch schwerer Magendarmkatarrh, der 
im Einzelnen zur Beobachtung kommt, 
mag lediglich durch den Genuß verdorbenen 
Fleisches veranlaßt sein. Man kann des 
halb bei der Auswahl der Speisen, be 
sonders soweit es sich um Fleischwaaren 
handelt, nicht vorsichtig genug sein. In 
vielen Füllen darf unsere Nase als zu 
verlässiger Leiter dienen; denn verdorbenes 
Fleisch oder solches, das der Berderbniß 
nahe ist, verräth dies meist durch seinen 
Geruch. Es giebt allerdings merkwürdige 
Leute, welche die Quintessenz des Wohl- 
geschmacks in dem sogenannten baut ģcmt 
sehen und einen Gaumenkitzel um so höher 
veranschlagen, je stärker das Geruchsorgan 
dabei in Anspruch genommen wird. Nun 
— über die „Geschmäcker" läßt sich be 
kanntlich nicht streiten. Häufig indessen 
ist der Giststoff so verborgen, daß weder 
Nase noch Zunge ihn entdecken, und hier 
ist rechtzeitiger Schutz kaum möglich. Unter 
diesen Umständen wird man es allseitig 
mit Freuden begrüßen, daß ein neues 
Fleischschaugesetz in Aussicht steht, welches 
noch schärfer als bisher alle die Schäd 
lichkeiten auszuschalten sucht, die durch 
den Genuß verdorbenen Fleisches entstehen 
können. Der neue Gesetzentwurf, der dem 
Reichstage unlängst zur ersten Berathung 
vorgelegen hat, zeigt indessen, wie ein 
hervorragender Militärarzt, Dr. Biüaret, 
in der „Deutschen medic. Wochenschrift" 
ausführlich begründete, eine Lücke, welche 
seinen Werth geradezu illusorisch macht. 
Er entzieht nämlich die Hausschlachtungen 
der Schweine der allgemeinen Fleischschau 
Warum man dem edlen Borstenvieh diese 
Ausnahmestellung eingeräumt, ist eigent 
lich schwer einzuziehen. Man hat offen 
bar den bäuerlichen Haushaltungen und 
den kleinen Leuten übermäßige Belästigungen 
und Kosten ersparen wollen. Allein gerade 
bei den Hausschlachtungen kann das gesahr 
drohendste Material verwendet werden und 
Hervorragendes leistete die Phantasie der 
Henker — dieser Ausdruck wird nicht zu 
stark scheinen — im Ersinnen von moralischen 
Qualen. Zunächst hatte man die Erfindung 
gemacht, ihm nur Copien der Briefe seiner 
Familie zu geben, und zwar mit Aenderun 
gen und Lücken. Nicht einmal sehen durfte 
Drehsus die Schriftstücke der Seinigen. Aber 
man fand, daß all das noch nicht genug 
sei, und so unterdrückte man einfach die 
ganze Correspondenz Dreyfus' mit seiner 
Familie und seinem Vertheidiger. Dies war 
ein furchtbarer Schlag für ihn, daß er nichts 
mehr von seiner Frau und seinen Kindern 
hörte, brachte seine Vernunft ins Wanken 
Und nun führte man auch den letzten Streich, 
der ihn vollends hinstrecken sollte. Jemand 
fand sich, der zu ihm sagte: „Ihre Familie 
hat Sie aufgegeben!" Diese Worte sind 
thatsächlich gesprochen worden. 
Aber wie durch ein Wunder wer 
kann denn ergründen, woher die menschliche 
Seele in ihrer höchsten Noth Kraft und 
Zuversicht schöpft — blieb das Vertrauen, 
das der Verbannte in seine Familie setzte, 
unerschüttert, und er richtete sich hoch aus und 
schrie dem Hallunken, der ihm das sagte, 
ins Gesicht: „Sie lügen! Es ist nicht 
wahr! Sie lügen!" 
Als man in Paris anfing, von der Re 
vision zu sprechen, verdoppelte man auf der 
Teufelsinsel die Qualen. Warum diese 
plötzliche barbarische Behandlung über ihn 
verhängt wurde, vermochte sich der Unglück 
liche nicht zu erklären. Er schrieb an Bois- 
deffre, schrieb an Felix Faurc. Gerade an 
die, die ihn vernichten wollten, wandle sich 
der unselige Mann. Und sie ließen ihm 
antworten, seine Familie habe unerlaubte 
rrverdieS darf da, wo es sich um die Ge- 
sundheit des ganzen Volkes handelt, die 
Bequemlichkeit des Einzelnen nicht in 
Betracht kommen. 
l« Lübeck, 12. Juli. Im benachbarten 
Jsraelsdorser Gehölz hat sich ein Unter- 
officier des hiesigen Jnsanterie-Regimenis 
erhängt. Das Motiv der That ist noch 
nicht bekannt. 
Seit dem Tode des Fürsten 
Bismarck herrscht in Friedrichsruh 
nach der „Voss. Zig." eine den Hamburger 
Ausflüglern entschieden^feindliche Richtung. 
Zwar wurden die Spaziergänger aus 
Hamburg auch zu Lebzeiten des alten 
Fürsten Bismarck im Sachsenwalde nicht 
gern gesehen, aber so offen feindlich wie 
jetzt ist man ihnen früher dort nicht be 
gegnet. Obschon auch früher viele und 
gerade die schönsten Waldwege im Sachsen 
wald durch Schilder als „Verbotener 
Weg" bezeichnet waren, wurde doch kein 
Spaziergänger an ihrem Betreten ge 
hindert. Jetzt hat der neue Fürst manche 
Wege einfach absperren lassen. So ist 
z- B. der schöne Waldweg, der an der 
Aue entlang von Friedrichsruh nach 
Aumühle sührt, vollständig abgesperrt 
worden. Dieser Weg war der einzige im 
ganzen Sachsenwald, von dem aus man 
einen Blick aus das Schloß und das 
Sterbezimmer des Fürsten werfen konnte. 
Früher war es auch gestartet, den Sau- 
park zu besuchen, jetzt wird jeder Besucher 
zurückgewiesen. Diese und noch andere 
Verbote, die der Veranlassung des Fürsten 
Herbert Bismarck zugeschrieben werden, 
haben die Hamburger, die „ihren Sachsen- 
wald" beinahe so stark verehren wie 
„ihren Fürsten Bismarck", stark verschnupft. 
Io. Hamburg, 12. Juli. Am Montag, 
den 17. Juli, werden die auswärtigen 
Delegirten zum Musiker-Congreß 
Hierselbst eintreffen und von einer Depu 
tation hiesiger Musiker an den verschiede 
nen Bahnhöfen in Empfang genommen 
werden. Am 18. und 19. Juli finden die 
Delegirtensitzungen der „Deutschen Musiker- 
Pensions- und Wittwenkaffe" statt und vom 
19.—22. Juli die Delegirtensitzungen des 
„Allgemeinen Deutschen Musikerverbandes". 
Die Sitzungen sind öffentlich. Für die 
freie Zeit außerhalb der Sitzungen hat 
die „Hamburger Musikverbinvung" zu 
Ehren der Fremden Gäste folgendes Pro 
gramm entworfen: Montag, den 17. Juli, 
Abends: Empsangscommers im „Feensaal", 
Dienstag: Besuch des Uhlenhorster Fähr- 
Hauses und Concert der Stadtthecrter-Ca- 
pelle daselbst; Mittwoch: Elbfahrt nach 
Blankenese und Festessen bei Sagebiel: 
Donnerstag: Besuch des Zoologischen Gar 
tens ; Freilag: Zusammenkunft im „Concert- 
haus Hamburg;" Sonnabend: Abschieds 
schoppen im „Feensaal". 
io Hamburg, 11. Juli. Zum zweiten 
Male zum Tode verurkheilt 
wurde heute vom hiesigen Schwurgericht 
der 55jährige Weber Fischer aus Bernau. 
Der Angeklagte war bereits am 29. März 
d. Js. wegen Ermordung und Beraubung 
der 60jährrgen Ehefrau Kiehn in Alten- 
gamme (Vierlanden) am 14. Dezember 
vor. Js. (wie wir s. Zt. auch berichtet 
haben) nach zweitägiger Verhandlung zum 
Tode und zu 10 Jahren Zuchthaus ver- 
urtheilt worden. Die vom Vertheidiger 
des Angeklagten beim Reichsgericht ein- 
gelegte Revision hatte den Erfolg, daß 
wegen eines Formfehlers das Urtheil des 
Schwurgerichts aufgehoben und die Sache 
zur nochmaligen Verhandlung an die Vor- 
instanz zurückverwiesen wurde. Die Ber- 
Mittel für die Revision angewandt, 
habe er dies neue Unglück zu danken, r 
Dreyfus glaubte es schließlich, wurde bi 
gegen seinen Bruder und schrieb an Fc 
und Boisdeffre: »34 lege meine Ehre 
Ihre Hände und erwarte mein Heil 
Ihnen." Als er sich auf dem „Sfax" < 
schiffte, war er überzeugt, daß er selbst 
Urheber der Revision sei, und daß er sei 
Briefen an die beiden Genannten all 
Alles verdanke. Man muß er den andc 
lautenden parteiischen Versicherungen z 
Trotz immer noch wiederholen: Als Drey 
zurück kam, wußte er nichts, aber gar nid 
von seiner ganzen Angelegenheit. Das er 
Won, das er zu seiner Frau sagte, wc 
Du verstehst nichts, ^nn^ du weißt v 
nichts!" Die Aermste hielt ihn für ii 
sinnig. ' 
Seine Büch-r 9«te man ihm nicht 
nehmen gewagt- Aber dafür wurde j 
selbstständige . Sfflluge Bethätigung ihm r 
wehrt. Schrreb er eine Zeile nieder, i 
-ur Uebung- um seinen Verstand nicht gä 
zusammenbrechen zu lassen, so war a 
schon der Wärter da und entriß ihm ’ 
Fctz-n Papier. Aus Verzweiflung k 
Dreyfus schließlich dahin, blos mechan 
abzuschreiben. Er copirte ganze Kap 
aus seinen Büch-rn, blos um nicht verr 
zu werden. Jedes einzelne von ihm 
schriebene Blatt wurde weggenommen, r 
Paris gesandt und dort genau dnrchsu 
in der Hoffnung, man könne daraus < 
Waffe gegen den Gefangenen schmie! 
Nur um Zola, von dessen Thätigkeit 
ihn Dreyfus natürlich keine Ahnung hc 
gegen den Gefangenen zu erbittern, ) 
öffentlichte man den Auszug aus eii
	        
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