Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

Täglich erscheinendes Wlcrtt. 
(Außer an Sonn- und Festtagen.) 
Hìeuàsburger M Wochenblatt. 
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Vierteljährlich 2 Ji—, frei ins Haus geliefert 
2 Ji 15 S), 
für Auswärtige, durch die Post biogen 
2 Ji 25 4 
iucl. Postprovision re., jedoch ohne Bestellgeld. 
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Aeltestrs und gelesenstrs KL alt im Kreise Kendsdurg. 
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©2 ster Jahrgang. 
Druck und Verlag von dem verantwortlichen Herausgeber H. Möller (H. Gütlein Nächst.), Rendsburg, Mühlenstraße 18. 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
Dem Rendsburger Wochenblatt wird 
„Der Landwirth" 
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interessen 
der Landwi-rthschast) gratis beigegeben. 
Mo. 268. 
Mittwoch, den 15. Wovember 
1899. 
9 
ichtig 
fit Miether mit VeemichK ! 
Bekanntlich trete« mit dem 1. Jan. 
I960 neue wichtige Bestimmungen nach 
dem neuen Bürgerlichen Gesetzbuch in 
Kraft. Auf Grund derselben haben wir 
deshalb den Entwurf eines 
lictfecrtrnp 
rmch dem neuen Bürger 
lichen Gesetzbuch ' 
nebst 
Hausordnung u. Miethe- 
OurÄungsbuch 
A0 Seiten 8°) anfertigen lassen und wird 
derselbe zum Preise von 35 Pfg. (in 
Parthien von '10 Stück und mehr für 
'Wiederverkäufer à 25 Pfg.) abgegeben. 
Ģpeditrorr 
d. Rendsb. Wochettblaties. 
M or gen-Berichie. 
Wilhelmshaven, 13. Nov. Kaiser Wil> 
Helm wird bei seiner Reife nach England 
von dem neuen Linienschiffe „Kaiser 
Friedrich" begleitet werden. 
Breslau, IS. Nov. Der „Bresl. Gen.- 
Anz." meldet aus Berlin: Wir können 
mit Bestimmtheit versichern, daß Fürst 
Hohenlohe sich fo des Bertrauens Sr. 
Majestät des Kaisers erfreut, daß fein 
Rücktritt aus anderen Gründen als solchen, 
die mit seinem hohen Alter in Verbindung 
stehen, nicht in Frage kvMntt. Wir sind 
noch in der Lage, versichern zu können, 
daß der Fürst während seines Reichskanzlcr- 
amtes, soweit uns bekannt ist, zweimal 
seinen Rücktritt erwogen heil; jedoch hat 
Sr. Majestät der Kaiser diesen Erwägungen 
in einer Weise ein Ende gemacht, die an 
Deutlichkeit hinter dem bekannten „Niemals" 
-Kaiser Wilhelms I. nicht zurücksteht. 
Berlin, 13. Nov. Auch die „Nordd. 
Ällg.Ztg." erfährt, daß die Blättermeldung, 
'2^ ob die Reise des Grasen Eulenburg 
an die süddeutschen Höfe mit der Flotten- 
frage oder mit einem sonstige« politischen 
Hintergrund zusammenhänge, völlig un 
begründet ist. 
Ic Hamburg, 14. Nov. Der Neubau 
der so sehr begehrten Augen heilan st alt 
Lus dem Terrain des Neuen Allgemeinen 
Krankenhauses zu Eppendorf wird nach 
Planirung des Bodens demnächst an der 
Ecke des Blumenwegs und der zu ver 
längernden Mortinistraße in Angriff ge 
nommen werden. 
Kassel, 13. Nov. Ein Gewitter mit 
sehr heftigen Donnerschlägen, Regengüssen 
und starkem Hagel hat sich diese Nacht 
über Kassel entladen. Während die 
Niederungen 13 Grad Wärme hatten, 
wurde vom Gebirge Schneefall gemeldet. 
Krefeld, 18. Nov. In Uerdingen fand 
in den chemischen Fabriken eine große 
Benzinexplosion statt. Zahlreiche Arbeiter 
sind verletzt. Ein Theil der Fabrik ging 
in Flammen auf. 
Paris, 13. Nov. Die syndicirten Sir« 
beiter haben gestern Emile Zola ein 
Kunstwerk, den „Triumph der Wahrheit" 
darstellend, als Anerkennung für den von 
ihm geführten Feldzug in der Drehsus- 
augelegenheit überreichen lasten. 
Paris, 13. Nov. Ein frsnzösi sches 
Freiwilligencorps von 400 Mann mit zwei 
Aerzten Wird morgen nach Südafrika zu 
den Buren abreisen. 
Prag, W. Nov. Die „NaroÄny Listh" 
fordern die czechischen Ball-Eomitss 
aus, zu den Bällen keine Persönlichkeiten 
mehr einzuladen, welche dem czechischen 
Volke s-remd oder feindselig gegenüber 
stehen. 
Prag,-43. Nov. Gegen die Aushebung 
der Spvachenverordnungen fwkiden große 
DeMvuslrationen in Neuhaus Patt. 'Die 
Demonstranten veranstalteten vor ^der 
Bezirkshauptmanuschaft und vor ' der 
Wohnung des Obersten Haus, des Komman 
danten der dortigen Gar-mson, Katzenmusik 
und schlugen die Fenster in den Häusern 
der Juden ein. 
Warschau, 13. Nov. Me Director-!, 
sämmtlicher Warschauer Gymnasien ïfccr. 
weigerten die Annahme 'des vom Ministeri 
um neu eingeführten zu Gunsten der 
polnischen Sprache erweiterten Lehrplanes. 
Eine ministerielle Untwsuchung ist Einge 
leitet. 
Puerdv -Làllo (Veneruela), E2. Ncv. 
General 'Castro nahm nach 'blutigem 
Kampfe Puerto Cabello. Die Sta dt hat 
schwer gelitten. 
London,, 13. Nov. Aus MnnritiLs 
kamen in der Vorwoche 87 P e st e-r kr ä u 
gen und ê Todesfälle vor. 
Madrid, HZ. Nov. Der povinxiesischc 
Botschafter theilte der hiesigen Post mit, 
daß Wechsel -einer Berliner Firm« aus; 
eine Ltssaboner Bank im Werthe von.) 
10G000, 60'000, 50 000, 40 000,30 000 
und -21 455 Mark entwendet worden sind. 
Es werde versucht, die Wechsel hà' mit 
falschem Indossament zur Einlösung zu 
bringen. Die Polizei fahndet aus die 
Diebe. 
Zur TWWMtk. 
— Ueber die bevorstehende Reise 
Kaiser Wilhelms nach Eng 
land sollen die Russen seit dem jüngsten 
intimen Gedankenaustausch vollständig be 
ruhigt sein. Im Zusammenhang hiermit 
bezeichnen Eingeweihte den Grafen 
Philipp Eulenburg als den von Kaiser 
Wilhelm erwählten Vertrauensmann, der 
beauftragt sei, auf seiner Rundreise den 
regierenden deutschen Fürsten den In 
halt der in Potsdam zwischen den 
Herrschern Deutschlands und Rußlands 
gepflogenen Aussprache mündlich zu über 
mitteln. An die Oessentlichkeit dringt 
bis jetzt darüber wenig, welches Gewähr 
irgend einer Sicherheit böte. 
Inzwischen steht es nunmehr fest, daß 
der Kaiser nebst Familie am 17. d. M. 
in Kiel eintreffen und am 18. Nov. von 
hier aus durch den Kaiser Wilhelm- 
Kanal auf der „Hohenzollern" nach 
England reisen wird. Amr Nachmittage 
des 17. Nov. findet um 2V 2 Uhr in 
dem eigens dazu errichteten Excerzier 
schuppen der ersten Matrosen - Division 
im Beisein des Kaisers die ursprünglich 
auf den 21. d. Mts. festgesetzt gewesene 
Vereidigung der à Ortober-Nosember 
d. Js. bei der zweiten Division des 
ersten Geschwaders zur Einstellung ge 
langten Rekruten statt. Die Rekruten des 
zur Zeit in Wilhàshaoen stationirten 
Linienschiffes „Kaiser Friedrich III." 
werden ebenfalls kurz vor Antritt der 
Reise nach England in Gegenwart des 
Kaisers vereidigt -werden. Am. Nach 
mittag des LS. November -wird dann von 
Kiel aus die Reise durch den Kaiser 
Wilhelm-Kanal nach Sheerneß angetreten, 
nachdem sich in Brunsbüttel noch das 
erwähnte Linienschiff.„KaiserFriedrich III." 
der „Hohenzollern" angeschloffen hat. 
Es ist selbstverständlich, daß das Kaiser- 
paar während seiner.kurzen Anwesenheit 
in Kiel auch der PRnzessin Heinrich im 
dortigen Körchgl. Schlosse -eine Abschieds- 
Visite abstatten wird. 
Zer Arg tu KWilll. 
Die englischen BerKäàngeņ treffen jetzt 
in Südafrika MmähliHà. Bus. Kapstadt 
wird die Ankunft der.vier Transportschiffe 
„Yorkshire", «Lismore", „Castle" und 
.„Aurania" mit 3676 Mann an Bond ge 
meldet; zwei der Schiffe'.werden .nach Dur 
ban weitergehe. Ferner ist dort das 
Transportschiff „.Gascon" mit dem .2. Ba 
taillon der ColdAream-G.arde u© anderen 
Truppen an Bord eingetroffen und geht 
nach Natal und der Delagoa Bay weiter. 
Außerdem ist noch der Transportdampfer 
„Roslin Castle" mit dem zweiten Bataillon 
des West-Yorkshire-Regiments in Natal an 
gekommen. 
Weitere englische Rüstungen 
werden jetzt in großem Maßstabe betrieben 
und geradezu kolossale Rüstungen zur See, 
die keineswegs eine genügende Erklärung 
durch den in Südafrika vom Zaune gebro 
chenen Krieg finden, stehen im Vordergrund 
des politischen Interesses. 
Die Boereu 
haben die Feindseligkeiten gegen die briti 
schen Positionen jetzt an den verschiedensten 
Punkten wieder aufgenommen. Bei Mafe- 
king, Kimberley und Ladysmith rücken sie 
zum Angriff vor. Aus Mafeking liegen 
nur Nachrichten älteren Datums vor. Die 
Engländer wollen einen Sturmversuch der 
Belagerer zurückgewiesen haben; die Boeren 
hätten einen 94-Pfünder, mit dem sie nicht 
viel Schaden anrichten könnten. — In Est- 
court wM man am Donnerstag, den 9. d. 
Mts.., bni Tagesanbruch in der Richtung 
auf Ladysmith ein heftiges Feuern gehört 
haben. Der Kanonendonner war nach dem 
ReuterWen Bureau in einzelnen Fällen 
stärker .«nd anhaltender als bisher. Man 
glaubt, Daß die schweren britischen Schiffs 
geschütze das Feuer aufgenonimen haben. — 
Weitere Meldungen über das Gefecht bei 
Kenilworth in der Nähe von Kimberley be 
richten, daß die Engländer eineu Fehler be 
gingen, indem sie einen Ausfall machten, 
bei. dem sie sick) dem Feuer des Feindes aus' 
setzten. Es wurde eine große Anzahl ihrer 
Truppen getödtet oder verwundet. Die 
Boeren machten sofort nach dem Ausfalle 
der Engländer einen Angriff, wobei-es ihnen 
gela-W, 79 Maulesel zu -erbeuten. Mrs eng 
lischer Quelle wird, nach- dem B. L. A., da 
zu sehr verdrießlich, und halb ironisch be 
merkt: 
„DL Angriffe der Boeren scheinen über 
haupt fernen anderen Zweck zu haben, als 
Maulesel einznfangerp was ihnen muh 
mehrmals gelungen ist." 
Mis Dalziel-Bureau meldet aus BrüssL: 
Die hiesigen Agenten von Transvaal mel 
den, sie hätten einen Bericht empfangen, 
wonach General B u l l e r in Turba n 
angekommen, und am Freitag dort 4000 bri 
tische Truppen gelandet worden seien. Diese 
würden mit einer Flottenbrigade und drei 
Batterien Kap - Artillerie, . im Ganzen 
10 000 Mann, zum Entsatz White's mar- 
schiren, .der gleichzeitig einen Ausfall in der 
Richtung auf Colenso machen würde. 
L o v.i o n, 13. Nov. Die „Times" 
veröffentlicht heute in ihrer ziveiten Aus 
gabe ein Telegramm aus Ladysmith, wonach 
die Stadt seit Freitag-Abend ununterbro 
chen von den Boeren bombardirt würde. 
Der Schaden in der Stadt ist sehr bedeu 
tend. Es fanden ebenfalls vor der Stadt 
verschiedene Vorpostengefechte statt. General 
White hat mit General Joubert Unterhemds 
lungen angeknüpft, dahin gehend, daß die 
in Ladysmith anwesenden Frauen und Kin 
der die Stadt verlassen sollen. In Folge 
dieser Unterhandlungen wurde das Bom 
bardement eingestellt, sodaß augenblicklich 
ein Waffenstillstand herrscht. 
Pietermaritzburg, 13. Nov. Ein 
Lieutenant des 5. Lanzenreiter-Rcgiments 
ist vergangenen Sonnabend nach Ladysmith 
aufgebrochen. Es gelang ihm, die Reihen 
der Boeren zu durchbrechen und Ladysmith 
zu erreichen. 
Durban, 13. Nov. Unruhen werden 
von der Grenze des Amatangalandes ge 
meldet. Die Eingeborenen richteten große 
Verheerungen an. 
Die „Times" melden aus Laurenco Mar 
ques vom 9. d. M.: Ein Kommando 
von 800.Boeren steht beiAvoca. 
Die Brücke bei Koinati ist unterminirt. Die 
portugiesische Grenze auf der Boerenseite 
wird mit Ausnahme der Umgebung von Ko 
mati von der Eingeborenenpolizei abpa- 
trouillirt. 
Ausland. 
Lesterreich-Ungarn. 
Wien, 13. Nov. Im Fabrikort Steina 
brückl bei Wiener Neustadt in Nieder- 
Oesterreich sind in der Nacht vom Sonn 
abend auf den Sonntag der Besitzer einer 
großen Baumwollspinnerei und Weberei, 
Josef Glanz, ein Greis von 83 Jahren, 
und seine Wirthschaften» Magdalene Wei- 
denthaler, die allein die Villa nächst der 
Fabrik bewohnten, durch unbekannte Thä 
ler grausam ermordet worden. Die Kassen 
wurden erbrochen, Werthpapiere und Geld 
durcheinander geworfen, aber, wie ein 
Wiener Vertreter der Firma behauptet, 
angeblich kein Geld geraubt. Man glaubt 
daher, es handle sich um Erlangung eines 
wichtigen Familien-Dokuments, dessen sich 
der Raubmörder bemächtigte. 
Rußland. 
Aus Warschau wird dem „H. Cour." 
geschrieben: „Der hiesige englische Gene 
ralkonsul wurde von Personen, die sich 
für den Krieg gegen die Buren an 
werben lassen wollten, derartig überlaufen, 
daß er sich veranlaßt gesehen bekannt zu 
machen, er sei nicht in der Lage, derartigen 
Gesuchen irgenwelche Folge zu geben. Die 
Leute waren offenbar durch die Hoffnung 
30 
Greviude. 
Noman von Hermann Heiberg. 
(Nachdruck verboten.) 
Oben angekommen, sah sie einen '.fremden 
Mann im Flur stehen, und Gcbine -erklärte 
sogleich, daß er von Kollund komme. Nach 
dem er verständigt worden war wnd sich 
entfernt hatte, begab sich Jmgjor in ihr 
Zimmer, um einige Zeilen an Curbitzre zu 
schreiben, und als sie den Brief eben be 
endigt hatte, erschien Gebine und meldete, 
daß ein ihr unbekannter Herr sie zu sprechen 
wünsche. 
„Frage erst nach seinem Namen!" entschied 
Jmgjor, von einer angenehmen Ahnung er 
faßt. Sie sah forschend empor, als Gebine 
mit einer Karte in der Hand wieder ins 
Zimmer trat, auch griff sie mit hastiger Hand 
danach, fand den Namen, den sie erwartet hatte, 
und nickte zum Zeichen ihres Einverständnisses, 
den Besuch empfangen zu wollen, mit dem 
Kopfe. 
Und dann, wenige Augenblicke später, 
trat Curbidre zu ihr ins Zimmmer, küßte 
ihr ehrerbietig die Hand und erklärte, daß 
er gekommen fei, ^ um von ihr Abschied zu 
nehmen. Sein Vater sei plötzlich gestorben, 
er, Curbitzre, müsse noch diesen Abend 
Kopenhagen verlassen, habe aber nicht fort 
gehen wollen, ohne Jmgjor noch einmal ge 
sehen und gesprochen zu haben. 
„Lavards verlassen infolge des Trauer- 
falles morgen Abend ebenfalls Kopenhagen 
und kehren nach Rankholm zurück", schloß 
der Marquis. ' "■ 
„Bevor sie gehen, möchte Lucile Sie, 
liebe Jmgjor, sprechen, möchte mit Ihnen 
überlegen, ob nicht doch noch ein Weg zum 
Frieden zu finden ist. Allerdings — den 
Vortrag, dürfen Sie nichl halten. Treten 
Sie heut' Abend öffentlich auf, ist der Graf 
entschlossen, sich unweigerlich von Ihnen 
loszusagen, und dies.auch öffentlich bekamt 
zu gebcn l Ich bitte, daß Sic darin nach 
geben, ja, ich beschwöre Sie, theure Jmgjor, 
bringen Sie Ihrer Familie zu Liebe dieses 
Opfer!" 
Zunächst gab Jmgjor keine Antwort, es 
war ihr vorerst Bedürfniß, mit Curbitzre 
über den Tod seines Vaters zu sprechen 
Sie ließ sich ausführlich von ihm erzählen, 
hörte aufmerşşam zu und drückte ihm voll 
Theilnahme die Hand, als ihn zuletzt eine 
weiche Stimmung ergriff, als er in bewegten 
Worten betonte, daß er mit dessen Tode das 
bisher Beste auf der Welt verloren habe, 
was er sein Eigen genannt hätte. 
„Sie haben Lucile dafür gefuuden, lieber 
Armand! So war das Schicksal schon vor 
her mitleidig für Sie bedacht, Ihnen für 
das, was eö Ihnen nehmen mußte, einen 
Ersatz zu gewähren." 
Curbitzre bewegte stumm das Haupt, dann 
sah er Jmgjor mit einem tiefen, alle seine 
Gedanken und Sinne auf sie richtenden 
Blick an und sprach ein kurzes, zerstreutes: 
„Gewiß — allerdings!" 
„Ich habe Ihnen noch eine Antwort zu 
geben", lenkte Jmgjor rasch und umsichtig 
ab. „Den Bortrag werde ich nicht halten; 
man hat mich unerwartet meines Wortes 
entbunden. Also beruhigen Sie meinen 
Vater! Aber, lieber Freund, ich werde auch 
keine Lavard wieder werden. Es sei denn —" 
„Nun, Jmgjor!" Curbitzre sprach's ge 
spannt. 
„Daß ich Allem entsage und für immer 
nach Rankholm Mückkehrte. Und eben das 
vermag ich nicht, so sehr ich meine Psiege- 
EUern zu verehren Anlaß habe, und so sehr 
ich es liebe und mich nach 'jedem Plätzchen 
sehne, wo ich als Kind glLÄich war. .Ich 
kan« eben nicht im Ueberfluß und ich kann 
nicht ohne Hingabe an meine Mitmenschen 
leben!" 
„Wollen Sie denn in Kopenhagen bleiben, 
Jmgjor?" 
„Nein — hier haben mir Verleumdung 
und Mißgunst den Aufenthalt unmöglich 
gemacht. Ich wüßte nur einen Ort, wohin 
ich paßte —" 
„Und der wäre?" 
„Ich -möchte nach Paris. Da, glaube 
ich, würde ich in Thaten umsetzen können, 
was mir als Ideal vorschwebt. Dort ist 
der Boden.für mich, und finde ich solche, 
die gleich mir denken!" 
Im ersten Augenblick belebten sich Cur- 
bitzres Augen. Sie sprach mit solcher Be- 
geisterung von seiner Vaterstadt, von ParisI 
Das schmeichelte ihm. Aber eben so rasch 
gewannen andere Gedanken die Oberhand. 
Alles war verloren, wenn er ihr nicht ge 
rade diese Idee ausredete! Er wußte, daß 
sie dort nicht nur nichts erreichen, sondern 
sicher untergehen würde. In diesem Sinne 
sprach er auf sie ein. Nachdeui er alle ihre 
Einwendungen überzeugend widerlegt hatte, 
schloß er: „Und wollen Sic uns ein Opfer 
bringen, sich selbst aus Ihrem eigenen Ich 
zurückgeben, so hcirathen Sie den Grafen 
Dehn! Ich verschwieg Ihnen sein Kommen. 
Er ist gestern eingetroffen und kehrt morgen 
Abend mit den Ihrigen nach Rankholm 
zurück. Daß er Sie noch mit der alten 
Leidenschaft liebt, weiß ich." 
Jmgjor hatte mit Leichenbläffe im Ange 
sicht die letzten Worte vernommen, auch 
hatten ihre Hände unwillkürlich nach einem 
Stützpunkt gegriffen. Da war nun wieder 
ein neuer Ansturm auf Ihr Inneres, nun 
kam auch noch diese Versuchung! 
Aber kurz war nur ihr Kampf. Prestö 
hatte fie geliebt, weil sie gehofft hatte, durch 
ihn ihre Ideale verwirklichen zu können. 
Axel Dehn .liebte sie mit der Stärke jener 
Liebe, die ans Achtung entspringt. Ein 
lebhaftes Interesse für den Franzosen war 
in ihr aufgestigen, weil er neben seiner welt 
männischen Erziehung wiederholt an den 
Tag gelegt hatte, daß er ein Mann von 
Verstand und Geist war, und daß er zu 
gleich ein edles Herz besaß. Aber Prestö 
hatte sie inzwischen Haffen gelernt, Graf 
Axel Dehn wollte şie nicht lieben — und 
Curbitzre gehörte ihrer Schwester an! So 
war alles entschieden. Indem sie Curbière 
mit einem Blick ansah, durch den sie schon 
vorausfandte, daß sie sich nur mit der ernsten 
Seite dieses ernsten Gegenstandes beschäftigte, 
sagte sie: „Ich vermag nicht zu beurtheilen, 
ob Sie den richtigen Weg wählten. Es 
wäre ja auch möglich gewesen, daß Sie 
durch solche Offenherzigkeit gerade das 
Gegentheil bewirkt hätten! Sie haben mir 
zu allem, was ich zu tragen habe, noch 
etwas Schweres aufgebürdet. Sic haben 
aber meine Freundschaft angerufen, und das 
oll nicht umsonst geschehen sein, Armand! 
Ich verzichte darauf, nach Paris zu gehen, 
aber Ihre Bitte, den Grafen Dehn hcirathen, 
vermag ich nicht zu erfüllen. Ich werde nie 
hcirathen, weder ihn, noch einen anderen!" 
Bei diesen Worten sah sie ihn mit einem 
so unbeugsamen Ausdruck an, daß der Mann 
fernere Versuche, sie umzustimmen, aufgab. 
Noch einen Händedruck tauschten sie beide 
mit den Gedanken reiner Seelen. Dann 
ging er. Sie aber sank, während das Ge 
räusch seiner Schritte auf der Treppe ver 
klang, in tiefem, innerem Verstummen zurück. 
-r- * 
* 
Am Nachmittag bestieg Jmgjor einen 
Tramwaywagen und begab sich nach der 
Wohnung der alten Frau Ohlsen. Es war 
ihr, dort angekommen, schon auffallend, daß 
sie eine Anzahl Frauen und Männer, leb 
haft sprechend, auf dem Hofe fand, und fie 
erschrack nicht wenig, als ihr auf ihre Frage, 
ob etwas geschehen sei, erwidert wurde, daß 
den Alten in der Frühe der Schlag gerührt 
habe. 
Durch Zufall habe man es entdeckt, habe 
auch die Alte davon Kenntniß erhalten. Sie 
habe geglaubt, daß er schon fortgegangen 
sei, als fie einen schweren Fall in der Küche 
gehört. Jmgjors erster Gedanke bei diesem 
Unglück war die Ueberlegung, was jetzt aus 
der hilflosen Wittwe werden solle. Nun 
waren ihr durch diesen Tod die Neben- 
Hilfsmittel zum Leben ganz entzogen. Und 
von dieser Erwägung richteten fich ihre Bor- 
'tellungen auf das Nächstliegende. Der 
Mann mußte beerdigt werden. Sie gab 
einem zu solchen Zwecke von ihr bezahlten 
Mann Auftrag, sich sogleich fortzubegeben, 
um eine Leichenwäscherin zu bestellen und 
einen Tischler zur Anmessung des Sarges 
herbeizurufen. Und nachdem das geschehen 
war, trat sie zu der Alten, sprach sanfte 
Trostworte und erklärte ihr möglichst schonend, 
daß sie nunmehr in das Armenfrauenhaus 
übersiedeln müsse. Auch eröffnete sie ihr, 
daß sie, Jmgjor, demnächst Kopenhagen ver-
	        
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