Täglich erscheinendes Wlcrtt.
(Außer an Sonn- und Festtagen.)
Hìeuàsburger M Wochenblatt.
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Vierteljährlich 2 Ji—, frei ins Haus geliefert
2 Ji 15 S),
für Auswärtige, durch die Post biogen
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iucl. Postprovision re., jedoch ohne Bestellgeld.
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Aeltestrs und gelesenstrs KL alt im Kreise Kendsdurg.
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©2 ster Jahrgang.
Druck und Verlag von dem verantwortlichen Herausgeber H. Möller (H. Gütlein Nächst.), Rendsburg, Mühlenstraße 18.
Bei Betriebsstörungen
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung
dieses Blattes vorbehalten.
Dem Rendsburger Wochenblatt wird
„Der Landwirth"
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interessen
der Landwi-rthschast) gratis beigegeben.
Mo. 268.
Mittwoch, den 15. Wovember
1899.
9
ichtig
fit Miether mit VeemichK !
Bekanntlich trete« mit dem 1. Jan.
I960 neue wichtige Bestimmungen nach
dem neuen Bürgerlichen Gesetzbuch in
Kraft. Auf Grund derselben haben wir
deshalb den Entwurf eines
lictfecrtrnp
rmch dem neuen Bürger
lichen Gesetzbuch '
nebst
Hausordnung u. Miethe-
OurÄungsbuch
A0 Seiten 8°) anfertigen lassen und wird
derselbe zum Preise von 35 Pfg. (in
Parthien von '10 Stück und mehr für
'Wiederverkäufer à 25 Pfg.) abgegeben.
Ģpeditrorr
d. Rendsb. Wochettblaties.
M or gen-Berichie.
Wilhelmshaven, 13. Nov. Kaiser Wil>
Helm wird bei seiner Reife nach England
von dem neuen Linienschiffe „Kaiser
Friedrich" begleitet werden.
Breslau, IS. Nov. Der „Bresl. Gen.-
Anz." meldet aus Berlin: Wir können
mit Bestimmtheit versichern, daß Fürst
Hohenlohe sich fo des Bertrauens Sr.
Majestät des Kaisers erfreut, daß fein
Rücktritt aus anderen Gründen als solchen,
die mit seinem hohen Alter in Verbindung
stehen, nicht in Frage kvMntt. Wir sind
noch in der Lage, versichern zu können,
daß der Fürst während seines Reichskanzlcr-
amtes, soweit uns bekannt ist, zweimal
seinen Rücktritt erwogen heil; jedoch hat
Sr. Majestät der Kaiser diesen Erwägungen
in einer Weise ein Ende gemacht, die an
Deutlichkeit hinter dem bekannten „Niemals"
-Kaiser Wilhelms I. nicht zurücksteht.
Berlin, 13. Nov. Auch die „Nordd.
Ällg.Ztg." erfährt, daß die Blättermeldung,
'2^ ob die Reise des Grasen Eulenburg
an die süddeutschen Höfe mit der Flotten-
frage oder mit einem sonstige« politischen
Hintergrund zusammenhänge, völlig un
begründet ist.
Ic Hamburg, 14. Nov. Der Neubau
der so sehr begehrten Augen heilan st alt
Lus dem Terrain des Neuen Allgemeinen
Krankenhauses zu Eppendorf wird nach
Planirung des Bodens demnächst an der
Ecke des Blumenwegs und der zu ver
längernden Mortinistraße in Angriff ge
nommen werden.
Kassel, 13. Nov. Ein Gewitter mit
sehr heftigen Donnerschlägen, Regengüssen
und starkem Hagel hat sich diese Nacht
über Kassel entladen. Während die
Niederungen 13 Grad Wärme hatten,
wurde vom Gebirge Schneefall gemeldet.
Krefeld, 18. Nov. In Uerdingen fand
in den chemischen Fabriken eine große
Benzinexplosion statt. Zahlreiche Arbeiter
sind verletzt. Ein Theil der Fabrik ging
in Flammen auf.
Paris, 13. Nov. Die syndicirten Sir«
beiter haben gestern Emile Zola ein
Kunstwerk, den „Triumph der Wahrheit"
darstellend, als Anerkennung für den von
ihm geführten Feldzug in der Drehsus-
augelegenheit überreichen lasten.
Paris, 13. Nov. Ein frsnzösi sches
Freiwilligencorps von 400 Mann mit zwei
Aerzten Wird morgen nach Südafrika zu
den Buren abreisen.
Prag, W. Nov. Die „NaroÄny Listh"
fordern die czechischen Ball-Eomitss
aus, zu den Bällen keine Persönlichkeiten
mehr einzuladen, welche dem czechischen
Volke s-remd oder feindselig gegenüber
stehen.
Prag,-43. Nov. Gegen die Aushebung
der Spvachenverordnungen fwkiden große
DeMvuslrationen in Neuhaus Patt. 'Die
Demonstranten veranstalteten vor ^der
Bezirkshauptmanuschaft und vor ' der
Wohnung des Obersten Haus, des Komman
danten der dortigen Gar-mson, Katzenmusik
und schlugen die Fenster in den Häusern
der Juden ein.
Warschau, 13. Nov. Me Director-!,
sämmtlicher Warschauer Gymnasien ïfccr.
weigerten die Annahme 'des vom Ministeri
um neu eingeführten zu Gunsten der
polnischen Sprache erweiterten Lehrplanes.
Eine ministerielle Untwsuchung ist Einge
leitet.
Puerdv -Làllo (Veneruela), E2. Ncv.
General 'Castro nahm nach 'blutigem
Kampfe Puerto Cabello. Die Sta dt hat
schwer gelitten.
London,, 13. Nov. Aus MnnritiLs
kamen in der Vorwoche 87 P e st e-r kr ä u
gen und ê Todesfälle vor.
Madrid, HZ. Nov. Der povinxiesischc
Botschafter theilte der hiesigen Post mit,
daß Wechsel -einer Berliner Firm« aus;
eine Ltssaboner Bank im Werthe von.)
10G000, 60'000, 50 000, 40 000,30 000
und -21 455 Mark entwendet worden sind.
Es werde versucht, die Wechsel hà' mit
falschem Indossament zur Einlösung zu
bringen. Die Polizei fahndet aus die
Diebe.
Zur TWWMtk.
— Ueber die bevorstehende Reise
Kaiser Wilhelms nach Eng
land sollen die Russen seit dem jüngsten
intimen Gedankenaustausch vollständig be
ruhigt sein. Im Zusammenhang hiermit
bezeichnen Eingeweihte den Grafen
Philipp Eulenburg als den von Kaiser
Wilhelm erwählten Vertrauensmann, der
beauftragt sei, auf seiner Rundreise den
regierenden deutschen Fürsten den In
halt der in Potsdam zwischen den
Herrschern Deutschlands und Rußlands
gepflogenen Aussprache mündlich zu über
mitteln. An die Oessentlichkeit dringt
bis jetzt darüber wenig, welches Gewähr
irgend einer Sicherheit böte.
Inzwischen steht es nunmehr fest, daß
der Kaiser nebst Familie am 17. d. M.
in Kiel eintreffen und am 18. Nov. von
hier aus durch den Kaiser Wilhelm-
Kanal auf der „Hohenzollern" nach
England reisen wird. Amr Nachmittage
des 17. Nov. findet um 2V 2 Uhr in
dem eigens dazu errichteten Excerzier
schuppen der ersten Matrosen - Division
im Beisein des Kaisers die ursprünglich
auf den 21. d. Mts. festgesetzt gewesene
Vereidigung der à Ortober-Nosember
d. Js. bei der zweiten Division des
ersten Geschwaders zur Einstellung ge
langten Rekruten statt. Die Rekruten des
zur Zeit in Wilhàshaoen stationirten
Linienschiffes „Kaiser Friedrich III."
werden ebenfalls kurz vor Antritt der
Reise nach England in Gegenwart des
Kaisers vereidigt -werden. Am. Nach
mittag des LS. November -wird dann von
Kiel aus die Reise durch den Kaiser
Wilhelm-Kanal nach Sheerneß angetreten,
nachdem sich in Brunsbüttel noch das
erwähnte Linienschiff.„KaiserFriedrich III."
der „Hohenzollern" angeschloffen hat.
Es ist selbstverständlich, daß das Kaiser-
paar während seiner.kurzen Anwesenheit
in Kiel auch der PRnzessin Heinrich im
dortigen Körchgl. Schlosse -eine Abschieds-
Visite abstatten wird.
Zer Arg tu KWilll.
Die englischen BerKäàngeņ treffen jetzt
in Südafrika MmähliHà. Bus. Kapstadt
wird die Ankunft der.vier Transportschiffe
„Yorkshire", «Lismore", „Castle" und
.„Aurania" mit 3676 Mann an Bond ge
meldet; zwei der Schiffe'.werden .nach Dur
ban weitergehe. Ferner ist dort das
Transportschiff „.Gascon" mit dem .2. Ba
taillon der ColdAream-G.arde u© anderen
Truppen an Bord eingetroffen und geht
nach Natal und der Delagoa Bay weiter.
Außerdem ist noch der Transportdampfer
„Roslin Castle" mit dem zweiten Bataillon
des West-Yorkshire-Regiments in Natal an
gekommen.
Weitere englische Rüstungen
werden jetzt in großem Maßstabe betrieben
und geradezu kolossale Rüstungen zur See,
die keineswegs eine genügende Erklärung
durch den in Südafrika vom Zaune gebro
chenen Krieg finden, stehen im Vordergrund
des politischen Interesses.
Die Boereu
haben die Feindseligkeiten gegen die briti
schen Positionen jetzt an den verschiedensten
Punkten wieder aufgenommen. Bei Mafe-
king, Kimberley und Ladysmith rücken sie
zum Angriff vor. Aus Mafeking liegen
nur Nachrichten älteren Datums vor. Die
Engländer wollen einen Sturmversuch der
Belagerer zurückgewiesen haben; die Boeren
hätten einen 94-Pfünder, mit dem sie nicht
viel Schaden anrichten könnten. — In Est-
court wM man am Donnerstag, den 9. d.
Mts.., bni Tagesanbruch in der Richtung
auf Ladysmith ein heftiges Feuern gehört
haben. Der Kanonendonner war nach dem
ReuterWen Bureau in einzelnen Fällen
stärker .«nd anhaltender als bisher. Man
glaubt, Daß die schweren britischen Schiffs
geschütze das Feuer aufgenonimen haben. —
Weitere Meldungen über das Gefecht bei
Kenilworth in der Nähe von Kimberley be
richten, daß die Engländer eineu Fehler be
gingen, indem sie einen Ausfall machten,
bei. dem sie sick) dem Feuer des Feindes aus'
setzten. Es wurde eine große Anzahl ihrer
Truppen getödtet oder verwundet. Die
Boeren machten sofort nach dem Ausfalle
der Engländer einen Angriff, wobei-es ihnen
gela-W, 79 Maulesel zu -erbeuten. Mrs eng
lischer Quelle wird, nach- dem B. L. A., da
zu sehr verdrießlich, und halb ironisch be
merkt:
„DL Angriffe der Boeren scheinen über
haupt fernen anderen Zweck zu haben, als
Maulesel einznfangerp was ihnen muh
mehrmals gelungen ist."
Mis Dalziel-Bureau meldet aus BrüssL:
Die hiesigen Agenten von Transvaal mel
den, sie hätten einen Bericht empfangen,
wonach General B u l l e r in Turba n
angekommen, und am Freitag dort 4000 bri
tische Truppen gelandet worden seien. Diese
würden mit einer Flottenbrigade und drei
Batterien Kap - Artillerie, . im Ganzen
10 000 Mann, zum Entsatz White's mar-
schiren, .der gleichzeitig einen Ausfall in der
Richtung auf Colenso machen würde.
L o v.i o n, 13. Nov. Die „Times"
veröffentlicht heute in ihrer ziveiten Aus
gabe ein Telegramm aus Ladysmith, wonach
die Stadt seit Freitag-Abend ununterbro
chen von den Boeren bombardirt würde.
Der Schaden in der Stadt ist sehr bedeu
tend. Es fanden ebenfalls vor der Stadt
verschiedene Vorpostengefechte statt. General
White hat mit General Joubert Unterhemds
lungen angeknüpft, dahin gehend, daß die
in Ladysmith anwesenden Frauen und Kin
der die Stadt verlassen sollen. In Folge
dieser Unterhandlungen wurde das Bom
bardement eingestellt, sodaß augenblicklich
ein Waffenstillstand herrscht.
Pietermaritzburg, 13. Nov. Ein
Lieutenant des 5. Lanzenreiter-Rcgiments
ist vergangenen Sonnabend nach Ladysmith
aufgebrochen. Es gelang ihm, die Reihen
der Boeren zu durchbrechen und Ladysmith
zu erreichen.
Durban, 13. Nov. Unruhen werden
von der Grenze des Amatangalandes ge
meldet. Die Eingeborenen richteten große
Verheerungen an.
Die „Times" melden aus Laurenco Mar
ques vom 9. d. M.: Ein Kommando
von 800.Boeren steht beiAvoca.
Die Brücke bei Koinati ist unterminirt. Die
portugiesische Grenze auf der Boerenseite
wird mit Ausnahme der Umgebung von Ko
mati von der Eingeborenenpolizei abpa-
trouillirt.
Ausland.
Lesterreich-Ungarn.
Wien, 13. Nov. Im Fabrikort Steina
brückl bei Wiener Neustadt in Nieder-
Oesterreich sind in der Nacht vom Sonn
abend auf den Sonntag der Besitzer einer
großen Baumwollspinnerei und Weberei,
Josef Glanz, ein Greis von 83 Jahren,
und seine Wirthschaften» Magdalene Wei-
denthaler, die allein die Villa nächst der
Fabrik bewohnten, durch unbekannte Thä
ler grausam ermordet worden. Die Kassen
wurden erbrochen, Werthpapiere und Geld
durcheinander geworfen, aber, wie ein
Wiener Vertreter der Firma behauptet,
angeblich kein Geld geraubt. Man glaubt
daher, es handle sich um Erlangung eines
wichtigen Familien-Dokuments, dessen sich
der Raubmörder bemächtigte.
Rußland.
Aus Warschau wird dem „H. Cour."
geschrieben: „Der hiesige englische Gene
ralkonsul wurde von Personen, die sich
für den Krieg gegen die Buren an
werben lassen wollten, derartig überlaufen,
daß er sich veranlaßt gesehen bekannt zu
machen, er sei nicht in der Lage, derartigen
Gesuchen irgenwelche Folge zu geben. Die
Leute waren offenbar durch die Hoffnung
30
Greviude.
Noman von Hermann Heiberg.
(Nachdruck verboten.)
Oben angekommen, sah sie einen '.fremden
Mann im Flur stehen, und Gcbine -erklärte
sogleich, daß er von Kollund komme. Nach
dem er verständigt worden war wnd sich
entfernt hatte, begab sich Jmgjor in ihr
Zimmer, um einige Zeilen an Curbitzre zu
schreiben, und als sie den Brief eben be
endigt hatte, erschien Gebine und meldete,
daß ein ihr unbekannter Herr sie zu sprechen
wünsche.
„Frage erst nach seinem Namen!" entschied
Jmgjor, von einer angenehmen Ahnung er
faßt. Sie sah forschend empor, als Gebine
mit einer Karte in der Hand wieder ins
Zimmer trat, auch griff sie mit hastiger Hand
danach, fand den Namen, den sie erwartet hatte,
und nickte zum Zeichen ihres Einverständnisses,
den Besuch empfangen zu wollen, mit dem
Kopfe.
Und dann, wenige Augenblicke später,
trat Curbidre zu ihr ins Zimmmer, küßte
ihr ehrerbietig die Hand und erklärte, daß
er gekommen fei, ^ um von ihr Abschied zu
nehmen. Sein Vater sei plötzlich gestorben,
er, Curbitzre, müsse noch diesen Abend
Kopenhagen verlassen, habe aber nicht fort
gehen wollen, ohne Jmgjor noch einmal ge
sehen und gesprochen zu haben.
„Lavards verlassen infolge des Trauer-
falles morgen Abend ebenfalls Kopenhagen
und kehren nach Rankholm zurück", schloß
der Marquis. ' "■
„Bevor sie gehen, möchte Lucile Sie,
liebe Jmgjor, sprechen, möchte mit Ihnen
überlegen, ob nicht doch noch ein Weg zum
Frieden zu finden ist. Allerdings — den
Vortrag, dürfen Sie nichl halten. Treten
Sie heut' Abend öffentlich auf, ist der Graf
entschlossen, sich unweigerlich von Ihnen
loszusagen, und dies.auch öffentlich bekamt
zu gebcn l Ich bitte, daß Sic darin nach
geben, ja, ich beschwöre Sie, theure Jmgjor,
bringen Sie Ihrer Familie zu Liebe dieses
Opfer!"
Zunächst gab Jmgjor keine Antwort, es
war ihr vorerst Bedürfniß, mit Curbitzre
über den Tod seines Vaters zu sprechen
Sie ließ sich ausführlich von ihm erzählen,
hörte aufmerşşam zu und drückte ihm voll
Theilnahme die Hand, als ihn zuletzt eine
weiche Stimmung ergriff, als er in bewegten
Worten betonte, daß er mit dessen Tode das
bisher Beste auf der Welt verloren habe,
was er sein Eigen genannt hätte.
„Sie haben Lucile dafür gefuuden, lieber
Armand! So war das Schicksal schon vor
her mitleidig für Sie bedacht, Ihnen für
das, was eö Ihnen nehmen mußte, einen
Ersatz zu gewähren."
Curbitzre bewegte stumm das Haupt, dann
sah er Jmgjor mit einem tiefen, alle seine
Gedanken und Sinne auf sie richtenden
Blick an und sprach ein kurzes, zerstreutes:
„Gewiß — allerdings!"
„Ich habe Ihnen noch eine Antwort zu
geben", lenkte Jmgjor rasch und umsichtig
ab. „Den Bortrag werde ich nicht halten;
man hat mich unerwartet meines Wortes
entbunden. Also beruhigen Sie meinen
Vater! Aber, lieber Freund, ich werde auch
keine Lavard wieder werden. Es sei denn —"
„Nun, Jmgjor!" Curbitzre sprach's ge
spannt.
„Daß ich Allem entsage und für immer
nach Rankholm Mückkehrte. Und eben das
vermag ich nicht, so sehr ich meine Psiege-
EUern zu verehren Anlaß habe, und so sehr
ich es liebe und mich nach 'jedem Plätzchen
sehne, wo ich als Kind glLÄich war. .Ich
kan« eben nicht im Ueberfluß und ich kann
nicht ohne Hingabe an meine Mitmenschen
leben!"
„Wollen Sie denn in Kopenhagen bleiben,
Jmgjor?"
„Nein — hier haben mir Verleumdung
und Mißgunst den Aufenthalt unmöglich
gemacht. Ich wüßte nur einen Ort, wohin
ich paßte —"
„Und der wäre?"
„Ich -möchte nach Paris. Da, glaube
ich, würde ich in Thaten umsetzen können,
was mir als Ideal vorschwebt. Dort ist
der Boden.für mich, und finde ich solche,
die gleich mir denken!"
Im ersten Augenblick belebten sich Cur-
bitzres Augen. Sie sprach mit solcher Be-
geisterung von seiner Vaterstadt, von ParisI
Das schmeichelte ihm. Aber eben so rasch
gewannen andere Gedanken die Oberhand.
Alles war verloren, wenn er ihr nicht ge
rade diese Idee ausredete! Er wußte, daß
sie dort nicht nur nichts erreichen, sondern
sicher untergehen würde. In diesem Sinne
sprach er auf sie ein. Nachdeui er alle ihre
Einwendungen überzeugend widerlegt hatte,
schloß er: „Und wollen Sic uns ein Opfer
bringen, sich selbst aus Ihrem eigenen Ich
zurückgeben, so hcirathen Sie den Grafen
Dehn! Ich verschwieg Ihnen sein Kommen.
Er ist gestern eingetroffen und kehrt morgen
Abend mit den Ihrigen nach Rankholm
zurück. Daß er Sie noch mit der alten
Leidenschaft liebt, weiß ich."
Jmgjor hatte mit Leichenbläffe im Ange
sicht die letzten Worte vernommen, auch
hatten ihre Hände unwillkürlich nach einem
Stützpunkt gegriffen. Da war nun wieder
ein neuer Ansturm auf Ihr Inneres, nun
kam auch noch diese Versuchung!
Aber kurz war nur ihr Kampf. Prestö
hatte fie geliebt, weil sie gehofft hatte, durch
ihn ihre Ideale verwirklichen zu können.
Axel Dehn .liebte sie mit der Stärke jener
Liebe, die ans Achtung entspringt. Ein
lebhaftes Interesse für den Franzosen war
in ihr aufgestigen, weil er neben seiner welt
männischen Erziehung wiederholt an den
Tag gelegt hatte, daß er ein Mann von
Verstand und Geist war, und daß er zu
gleich ein edles Herz besaß. Aber Prestö
hatte sie inzwischen Haffen gelernt, Graf
Axel Dehn wollte şie nicht lieben — und
Curbitzre gehörte ihrer Schwester an! So
war alles entschieden. Indem sie Curbière
mit einem Blick ansah, durch den sie schon
vorausfandte, daß sie sich nur mit der ernsten
Seite dieses ernsten Gegenstandes beschäftigte,
sagte sie: „Ich vermag nicht zu beurtheilen,
ob Sie den richtigen Weg wählten. Es
wäre ja auch möglich gewesen, daß Sie
durch solche Offenherzigkeit gerade das
Gegentheil bewirkt hätten! Sie haben mir
zu allem, was ich zu tragen habe, noch
etwas Schweres aufgebürdet. Sic haben
aber meine Freundschaft angerufen, und das
oll nicht umsonst geschehen sein, Armand!
Ich verzichte darauf, nach Paris zu gehen,
aber Ihre Bitte, den Grafen Dehn hcirathen,
vermag ich nicht zu erfüllen. Ich werde nie
hcirathen, weder ihn, noch einen anderen!"
Bei diesen Worten sah sie ihn mit einem
so unbeugsamen Ausdruck an, daß der Mann
fernere Versuche, sie umzustimmen, aufgab.
Noch einen Händedruck tauschten sie beide
mit den Gedanken reiner Seelen. Dann
ging er. Sie aber sank, während das Ge
räusch seiner Schritte auf der Treppe ver
klang, in tiefem, innerem Verstummen zurück.
-r- *
*
Am Nachmittag bestieg Jmgjor einen
Tramwaywagen und begab sich nach der
Wohnung der alten Frau Ohlsen. Es war
ihr, dort angekommen, schon auffallend, daß
sie eine Anzahl Frauen und Männer, leb
haft sprechend, auf dem Hofe fand, und fie
erschrack nicht wenig, als ihr auf ihre Frage,
ob etwas geschehen sei, erwidert wurde, daß
den Alten in der Frühe der Schlag gerührt
habe.
Durch Zufall habe man es entdeckt, habe
auch die Alte davon Kenntniß erhalten. Sie
habe geglaubt, daß er schon fortgegangen
sei, als fie einen schweren Fall in der Küche
gehört. Jmgjors erster Gedanke bei diesem
Unglück war die Ueberlegung, was jetzt aus
der hilflosen Wittwe werden solle. Nun
waren ihr durch diesen Tod die Neben-
Hilfsmittel zum Leben ganz entzogen. Und
von dieser Erwägung richteten fich ihre Bor-
'tellungen auf das Nächstliegende. Der
Mann mußte beerdigt werden. Sie gab
einem zu solchen Zwecke von ihr bezahlten
Mann Auftrag, sich sogleich fortzubegeben,
um eine Leichenwäscherin zu bestellen und
einen Tischler zur Anmessung des Sarges
herbeizurufen. Und nachdem das geschehen
war, trat sie zu der Alten, sprach sanfte
Trostworte und erklärte ihr möglichst schonend,
daß sie nunmehr in das Armenfrauenhaus
übersiedeln müsse. Auch eröffnete sie ihr,
daß sie, Jmgjor, demnächst Kopenhagen ver-