Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

— Am gestrigen Tage beging der Füh. 
rer der freisinnigen Volkspartei, Abgeord- 
neter Eugen Richter, das 25jährige 
Jubiläum als Vertreter des Wahlkreises 
Hagen-Schwelm im Reichstage. Der be 
kannte Parlamentarier ist am 30. Juli 
1838 zu Düsseldors geboren, studirte die 
Rechte und wurde 1864 zum Regierungs 
assessor ernannt. Nachdem feine Wahl 
zum Bürgermeister von Neuwied nicht be 
stätigt worden war, widmete er sich voll- 
ständig der publicistischen und parlamen 
tarischen Thätigkeit. Schon dem konsti- 
tuirenden Reichstage gehörte er als Ver 
treter für Nordhausen an, dem deutschen 
Reichstage in der ersten Legislaturperiode 
zunächst für Schwarzburg-Rudolstadt und 
dann ununterbrochen für seinen jetzigen 
westfälischen Wahlkreis. Mitglied des 
preußischen Abgeordnetenhauses ist Richter 
seit 1869. 
Berlin, 10. November. Ein neuer 
Schwarmegoist entpuppt sich in dem 
früheren evangelischen Pfarrer, jetzt Bade, 
besitzer Blumen Hardt. Der Mann, 
welcher von der wahren Bestimmung Christi 
auf Erden als Erlöser keinen Schimmer 
zu haben scheint, verbricht folgende Sätze : 
„Theilen wollen wir nicht, aber den Sinn 
fürs Hergeben wecken, das wollen 
wir. Ich will der erste sein, der 
giebt. Mit diesem Schritt und diesem 
Geist will ich eine neueGesellschaft 
schaffen im Namen Gottes. 
Mein Vorbild ist Christus, der große 
Hergeber und Selbstverleugner. Es 
heißt ja immer, die Sozialdemokratie müsse 
ausgerottet werden. Ja, was heißt denn 
das? Wohin wollt ihr denn die Millio- 
uen von Sozialdemokraten thun? Wollt 
ihr sie hinmorden? Nun, wenn ihr das 
wollt, dann nehmet mich zuerst! 
Wenn's auf's Schaffott gehen soll, ich 
b i n b e r e i t, greift zu! Ich gehe voran 
im Namen meines Gottes!" 
ist recht verständlich, daß die sozialdemo 
kratische Presse mit diesem Manne nichts 
zu thun haben will. 
Magdeburg, 9. Nov. Die Stadtver 
ordneten genehmigten den Bau einer 
Elbrücke von 135 m Spannweite und 
bewilligten dafür 1 150 000 Mark. Das 
Project zum Bau einer zweiten ähnlichen 
Brücke im Süden der Stadt muß binnen 
sechs Wochen vorgelegt werden. 
Köln, 9. Nov. Gelegentlich emer 
Uebung der Kölner Luftschifferabtheilung 
zerriß infolge starker Windströmung ein 
Seil des Fesselballons, worauf der Ballon 
mit zwei Sergeanten das Weite suchte 
Nach einer überaus gefahrvollen Fahrt 
wurden beide Insassen, als der Ballon 
nach Oeffnung der Ventile beinahe den 
Erdboden wieder erreicht hatte, aus dem 
Korbe herausgeschleudert, fielen aber so 
glücklich, daß sie keinen nennenswerthen 
Schaden nahmen. Der Ballon verschwand 
hieraus in den Lüften. 
Wiesbaden, 11. Nov. Unter dem 
Vorsitz von Louis Brügmann-Dortmimd 
fand hier heute der Verbandstag des Cen 
tralverbandes deutscher Holzinter 
essenten statt. Bezüglich der Feuer 
Versicherung bei den Privatversiche- 
rungsgesellschaften und Provinzial-Feuerso 
cietäten findet, insbesondere die nngebühr 
lichen Anforderungen bezüglich der Selbst 
Versicherung. Es wurde beschlossen, gemein 
sam mit dem Hastpflichtversicherungs-Ver 
band Material zu sammeln und auf Grund 
desselben die Regierung zu bitten, die Zn 
lassung ausländischer Gesellschaften zum Ge 
schäftsbetriebe möglichst zu erleichtern. 
Sollte das erfolglos sein, so wird die Stel 
lungnahme des Centralverbandes zur Frage 
der Verstaatlichung der Feuerversicherung 
vorbehalten. Zur Kanalvorlage wurde fol 
gender Antrag des Abg. Dr. Beumer-Düs 
seldorf angenommen: „Der Centralverband, 
durchdrungen von der Nothwendigkeit eines 
umfassenden Ausbaues unserer Wasser- 
'traßen, bedauert die Ablehnung der Mit 
tellandkanalvorlage und beschließt, bei Wie 
dereinbringung der letzteren einen außeror 
dentlichen Verbandstag mit der Tagesord 
nung „die Frage eines leistungsfähigen 
Wasserstraßennetzes für die deutschen Holz 
interessenten einzuberufen." Ferner wurde 
die Frage produktionsstatistischer Erhebun 
gen zur Vorbereitung der Handelsverträge 
unter Theilnahme zweier Vertreter des 
Reichsamtes! des Innern besprochen. Beklagt 
wurde, daß im Wirthschaftlichen Ausschüsse 
ein Vertreter der Holzindustrie fehle. Dem 
Reichskanzler soll als solcher Brügmann- 
Dortmund präsentirt werden. Gegen die 
Bildung eines deutschen Jndustriera- 
r a t h e s ohne die Holzindustrie wurde Ein 
spruch erhoben. 
Leipzig, 12. Nov. Eine räthselhafte 
Affäre beschäftigt hier die große Oeffent- 
trchkeit. Am 25. Okt. ging der die Ober 
prima eines hiesigen Gymnasiums 
besuchende Otto S., der Sohn eines Uni 
versitätsprofessors, mit feiner Schwester 
aus der elterlichen Wohnung, um sich 
n die Schule zu begeben. Unter dem 
Vorgeben, er habe sein Buch vergessen, 
I eß S. die Schwester allein uud war 
eit dieser Zeit spurlos verschwunden. 
Heute früh ist der junge Mann in einer 
Waldlache bei Großzschocher mit zwei 
Schußwunden im Kopfe todt aufgefunden. 
Es liegt Selbstmord vor, für dessen 
Motiv allerdings nach Angaben der be- 
dauernswerthen Eltern auch nicht der ge 
lingste Anhalt vorhanden ist. 
Eine Falfchmünzerwerkstatt hat die 
Polizei in Hildcsheim entdeckt. Dieselbe 
hatten sich zwei Brüder aus guter Familie, 
Burschen im Alter von 17 Jahren, 
eingerichtet und betrieben darin die Her 
tellung von Zehn- und Einmarkstücken. 
Aus Geestemünde wird geschrieben: 
Vor einigen Monaten wurde in Geeste 
münde eine Leiche geborgen und zwar als 
die des Arbeiters R. recognoscirt. Der 
Tod wurde standesamtlich registrirt und 
der Ort Lehe zahlte die Beerdigungskosten, 
weil R. seinen UnterstützunFswohnfitz dort 
hatte. Obwohl die Kinder in der gefundenen 
Leiche mit Bestimmtheit ihren Vater er 
kannt hatten, kam dieser nach Geestemünde 
kürzlich wohlbehalten von seinem Strcifzuge 
zurück. Die Gemeinde Lehe erhäkt nun 
ihr Geld wieder, der Todte wird wieder 
registrirt und die Kinder haben ihren 
Vater wieder. Tie Gemeinde Geestemünde 
wird jetzt ihre Last damit haben, den 
Namen jenes Ertrunkenen festzustellen. 
Die aufgehobene Spielhölle in 
Karlshorst war den regelmäßigen Besuchern 
der Karlshorster Rennbahn fast allgemein 
bekannt. An den Renntagen wurde in 
der Tell'fchen Wohnung, mit „Meine 
Tante, deine Tante", „Vierblatt" und 
„1 mehr" ganz riesige Umsätze erreicht, 
von denen 10 pCt. an Tell für Ueber- 
lassung der Behausung gezahlt wurden. 
Die Besucher der kleinen „Glafervilla" 
waren fast stets dieselben. Hin und wieder 
kam ein neuer Spieler in „Schuß", der 
dann alsbald „festgemacht" wurde, d. h 
der Fremde wurde mit einem unbedeutenden 
Gewinn entlassen. Tell spielte, wie fest 
gestellt ist, nur äußerst selten mit. Dagegen 
verschänkte er Bier und Spirituosen zu 
enormen Preisen. Eine Flasche „Echtes" 
aus einer Berliner Brauerei kostete 
7 5 P f g. Für Kognak und Kaffe wurden 
je 1.50 Mark erhoben. Der unter 
nehmende Spielhöllenbesitzer unterhielt 
auch in Berlin ein derartiges Institut 
und zwar in der Lothringerstraße. Die 
Besucher der Tell'fchen Spielhöllen bestan 
den vorwiegend aus gewerbsmäßigen 
Spielern, aus Buchmachern, Sportleuten, 
Schlachtern und jungen Kaufleuten. Ob 
alsch gespielt worden ist, konnte bisher 
noch nicht festgestellt werden. 
Hamburg, 11. Nov. Bekanntlich ging 
vor einiger Zeit die Nachricht durch die 
Presse, daß in Folge der Errichtung des 
neuen Centralbahnhofes über 60 000 Lei 
chen aus dem Friedhof in der Kirchenallee 
exhumirt werden müßten. Es begegnete 
diese Nachricht manch' ungläubigem Kopf- 
'chütteln und mm ist sie d o ch wahr! — 
Unsere Zeit macht also selbst vor der Stille 
der Friedhöfe nicht Halt. An dieser Ex- 
humirung wird jetzt eifrig gearbeitet, nach 
dem das ganze Terrain von der Ernst 
Merckstraße bis zum Steindamm einge- 
olankt und verschlossen worden ist, sodas; 
das Publikum den Begräbnißplatz nicht 
mehr betreten kann. Vorerst werden die 
Leichen derjenigen Personen ausgehoben, 
Ar die von deren Angehörigen neue Ruhe 
plätze auf dem Centralfriedhof in Ohlsdorf 
erworben worden sind. Die Särge mit den 
irdischen Ueberresten werden täglich früh 
Morgens nach Ohlsdorf überführt und noch 
an demselben Tage wieder beigesetzt. Die 
Massenaushebung der Leichen auf dem St. 
Gevrgsbegräbnißplatz, die in dem neuerbau 
ten Calcinirofen auf dem Ohlsdorfer Fried 
hof verbrannt werden sollen, findet erst nach 
Fertigstellung des Verbrennungsofens nach 
dem 1. December d. I. statt. 
Io Hamburg, 12. Nov. Der Kamps 
zwischen England und Transvaal bezw 
die Siege der Buren haben für einen 
hiesigen Telegraphenbeamten bereits üble 
Folgen gehabt. Der Beamte hatte die 
Telegraphenlinie Hamburg-London zu be 
dienen und ließ kürzlich früh Morgens 
seinen Apparat spielen, um seinen Collegen 
in London zwecks Aufnahme mehrerer 
Telegramme zu wecken. Da der Telegraphen- 
beamte in London aber recht lange auf sich 
warten ließ, telegraphirte der hiesige 
Beamte zum Scherz einige Worte, die dem 
Sinne nach etwa dahin lauteten, daß er 
seinem Collegen, fa lls er sich nichst 
bald melde, einige Buren auf den 
Hals schicken werde. Diese scherzhafte 
Bemerkung ist in London sofort verstanden 
worden, aber in einer Weise, wie es der 
Beamte gewiß nicht erwartet hatte. Vom 
Direktor des Londoner Telegraphenamtes 
lief sofort eine telegraphische Beschwerde 
bei der vorgesetzten Behörde des hiesigen 
Telegraphenbeamten ein und die nächste 
Folge war, daß Letzterer einstweilen 
vom Amt suspendirt wurde. Die einge 
leitete Untersuchung wird hoffentlich für 
den Beamten keine allzu schlimmen Folgen 
haben, da ihm sicherlich kaum etwas ferner 
gelegen haben dürfte, als seine englischen 
Collegen beleidigen oder sie in ihren 
Gefühlen verletzen zu wollen. 
Zu der bereits mehrfach! erwähnten 
.Knndşşebung der Schweine ge 
gen den Import amerikani 
scher G e r st e" theilt die „Correspondcnz 
Meyne" in Hamburg noch- ferner mit, 
daß die in Eiderstedt und anderen Ortschaf 
ten Schleswig-Holsteins beobachtete Erschei- 
irung jetzt auch im Hannoverschen 
und zwar in der Gegend von Freiburg 
a. d. Elbe (Kreis Kehdingen, Reg.-Bez. 
Stade) mehrfach festgestellt worden ist. Wie 
die gesummte Korrespondenz in dieser Ange 
legenheit weiter erfährt, handelt es sich nur 
um einen Transport, der mit dem Dam 
pfer „Pensylvania" Mitte September air 
gekommen und über die Provinz Schleswig- 
Holstein und einen Theil der Provinz Han 
nover verbreitet worden ist. — Die Erschei 
nung ist um so unerklärlicher, als doch sonst 
das Schwein in der Auswahl des Futters 
nicht gerade wählerisch ist, während das 
weit vorsichtigere Rind nach Mittheilungen 
von zuverlässiger Seite die von den Schwei 
nen beanstandete Gerste gern gefressen ha 
ben soll. Es würde wünschenswerth sein, 
wenn die wissenschaftlichen Institute der 
Landwirthe zu ergründen suchten, welche be- 
anderen Eigenschaften die Gerste von der 
„Pensylvania"-Ladung besitzt, weil das 
Schwein sie nicht fressen will. 
Ie. Aus verletztem Ehrgefühl hat die 
elfjährige Tochter Henriette des Ar 
beiters Hellberg in Hamburg den Tod im 
Wasier gesucht und gesunden. Die Leiche 
ves Kindes wurde bei der Richardstraße 
aus dem Kanal gezogen. Das Mädchen, 
das infolge ungenügender Schulkenntnisse 
eine Klasse zurückgesetzt werden sollte, 
hatte in der elterlichen Wohnung einen 
Zettel mit den Worten „Wegen schlech 
ten Zeugnisses" zurückgelassen und war 
dann ins Wasser gesprungen. 
Ic. Ein schweres Gewitter ging am 
Sonnabend - Abend gegen 8 Uhr über 
Hamburg-Altona-Wandsbeck nieder. Es 
he.rschte ein starker Südwestwind. Be 
gleitet war das Gewitter von heftigen 
Regen- und Hagelschauern. Der Blitz hat 
mehrere Bäume zersplittert. Bei Wil 
helmsburg wurde ein Bauerngewese durch 
Blitzschlag eingeäschert. Außerdem lausen 
bei uns Meldungen über schwere Gewitter 
aus Bremen und Münster in Westfalen 
ein. 
Provinzielles. 
Altoua, 11. Nov. Die hiesigen Maurer 
und Zimmerer beschlossen gemeinschaftlich 
mit den Hamburger Collegen zum Frühjahr 
in eine Lohnbewegung einzutreten zwecks 
Erreichung der neunstündigen Arbeitszeit 
und 70 Pfennig Stundenlohn. 
Eine von Altona nach dem Stadttheile 
Ottensen sührende neue Straße soll zu 
Ehren des Komponisten des Schleswig- 
Holstein-Liedes, Bellmann, die Bezeichnung 
„Bellmann-Straße" erhalten. 
In Wandsbek wurde die Leiche einer 
dort verstorbenen Schauspielerin nach dem 
Willen der Eltern wieder ausgegraben 
und daun nach dem Krematorium in 
Hamburg überführt und verbrannt. 
Man kann des Guten nie zu viel thun! 
Die 18-jährige Tochter des Ziegeleibe- 
sttzers Bruhns in Lütjenburg hat sich, als 
ie zu einem Ball gehen wollte, beim 
Trocknen der mit Benzin gereinigten 
Handschuhe über einer brennenden Lampe 
die Hände dermaßen verbrannt, daß sie 
ich in ärztliche Behandlung begeben 
mußte. 
In der Neustädtrr Lehrerkonferenz hielt 
gestern der Postasfistent I o h a n n s e n 
einen Bortrag über Spiritismus, 
woran derselbe sehr gelungene und über- 
raschende Experimente mit verschiedenen 
Medien anschloß. Zn der Versammlung 
waren auch Nichturrtglieder aus dem Orte 
eingeladen, ebenso der Magistrat und das 
Stadtverordnetenkollegium! Die Willens 
Übertragung auf das Medium gelang 
meistens sehr gut. Herr Johannsen experi- 
mentirte meistens mit Berührung des 
Mediums, bei gsten Medien auch ohne 
Berührung mit demselben Erfolge. 
In Wedel ist dieser Tage an „Ohm" 
Krüger, den Präsidenten von Transvaal, 
von Biertisch > Politikern ein Telegramm 
mit folgendem Inhalt abgesandt worden: 
Herrn Präsidenten Krüger, Johannesburg, 
Transvaal (Südafrika). Wir Holsteiner, 
die heute am Stammtisch gemüthlich ver 
eint sind, wünschen Ew. Hoheit Glück zu 
ferneren Siegen. Haut em, dat de Lappen 
siegt! Gut Holstein! Gut Buren,!! Hol- 
steiner aus Wedel senden Euch diesen Gruß." 
ļ Nordschlcswig, 12. Nov. Von 
einem schrecklichen Unwetter heimgesucht 
ist gestern Nachmittag hin gegen Abend 
der südliche Theil von Dänemark und 
ganz Nordschleswig. In einer Zeit von 
3 U Stunden glich der ganze nordwestliche 
Theil des Himmels von den zahlreichen 
Blitzen durchfurcht einem gewaltigen Feuer 
meer. Hauptsächlich war es der dem 
schweren Gewitter begleitende orkanartige 
Sturm, welcher große Verheerungen 
anrichtete. In Rothenkrug wurde der 
ganze obere Theil der dienstlichen Wohnung 
des Stationsassistenten vom Winde abgedeckt 
und von demselben getrieben ca. 200 
Meter weit weg geschleudert. Von einem 
veiteren Windstöße erfaßt und zum Theil 
fortgerissen wurde ferner das vor dem 
Stationsgebäude über dem Perron ange 
wachte Schutzdach. Die großen schweren 
statten und Träger, die das Dach hielten, 
brachen wie Strohhalme ab und wurden 
aus dem Perron durcheinander gewürselt. 
Von den in der Luft herumfliegenden 
Hslztheilen sind eine Anzahl Fensterscheiben, 
owohl in der Wohnung ees Bäckermeisters 
Llausen als auch in der des Bahnhosre- 
taurateurs Sandhoff zerstört worden. 
Ein fünfzehnjähriges Mädchen 
aus Büsum wurde dem Weffelburener 
Amtsgericht zugeführt, da es der Brand- 
tiftung in Westerüeichstrich beschuldigt 
wird. 
Ein gefährlicher Schwindler wurde in 
Kiel in der Person eines vow auswärts 
zugezogenen Kaufmanns verhaftet. Er 
ließ sich von auswärtigen Firmen große 
Waarenpvsten schicken, die er dann zu 
Schleuderpreisen weiterverkaufte. Nm die 
Firmen zur Lieferung zu veranlassen, 
andte er gesälschte Referenzen ein: 
Kiel, 11. Nov. In der heutigen Sitzung 
der städtischen Kollegien gelangte u. 
a. ein durch die herrschende W ohn u n gs- 
n o t h veranlaßter Antrag des Magistrats 
auf Erbauung einer weiteren massiven 
Baracke für Obdachlose zur Verhandlung. 
Die Kollegien erkannten die Nothwendig 
keit des Ndubaues an und erhöhten den 
chon früher bewilligten Titel von 25-000 
Mk. um weitere 15 000 Mk. 
Ueber die Eigenthumsverhältnisse am 
vieler Kriegshafen herrschen zwischen 
dem Reichsfiskus unv der dortigen 
Stadtverwaltung Meinungsverschieden 
heiten. Die von der Stadt geltend ge 
machten Ansprüche sind von dem Mi- 
nisteriunl vollständig abgelehnt worden, 
odaß ein Ausgleich zwischen der Re 
gierung und der Stadt nicht zu erzielen 
war. Da der Reichsfiskus jetzt beab- 
ichtigt, am Kriegshasen Bauten auf 
zuführen, hat der Magistrat beschlossen, 
sein EigenthuAsrecht durch eine Klage 
gerichtlich feststellen zu lassen. 
& Kiel, 12. Nov. Ein kurioser 
Kuhhandel wurde gestern zwischen dem 
hiesigen Viehhändler Stoltenberg und dem 
Schlächtermeister Will abgeschlossen. Die 
Kuh wurde nach Maaß gekauft und 
der Preis auf 45 Mk. pro laufendes 
Meter, von der Schnauze bis zum 
Schwanzende des Thieres gerechnet, fest 
gestellt. Da die Messung 3,26 Meter er 
gab, betrug der Kaufpreis 146,70 Mk. 
Der Werth der Kuh wird auf 170 Mk. 
geschätzt — also immer noch ein Vortheil- 
Hafter Kauf. 
Borgdorf bei Nortors, 11' Nov. Das 
Fest ihrer silbernen Hochzeit feierten Herr 
Amtsvorsteher Horn Hierselbst und dessen 
Frau. 
Jeveustedt, 12. Nov. Bei der 
gestern in Wenkattbeck abgehaltenen Treib 
jagd wurden 40 Hasen und 1 Rehbc-ck 
erlegt. Die gleichzeitig im Kattbeà Ge 
hege stattfiindende Treibjagd lieferte das 
Resultat von 19 Hasen und einem-Fuchs. 
Bei der letzteren Jagd durfte Hochwild 
nicht geschossen worden. 
Rendsburg, 12. Nov. Ein merk 
würdiger Handel ist vor einigen Tagen in 
einem Dorfe unserer Umgegend gemacht 
worden. Ein dortiger Geschäftsmann hat 
seinen Schnurrbart, an mehrere Einwohner 
sich von einem Buchladen, vor besten Schau 
finster er gestanden, gerade wieder der Gaffe 
zu, und nur durch einen Zufall wurde ver 
hindert, daß er Jmgjor gewahrte. Seine 
Aufmerksamkeit ward durch eine Equipage, 
deren Pferde scheu geworden, abgelenkt. 
Diesen Zufall benutzte Jmgjor, sich seinen 
Blicken zu entziehen. 
Sie schlüpfte rasch in ein offen stehendes 
Tabakgeschäft, trat gleich zu einem tiefer im 
Fond besindlichen Commis und wollte eben 
ein Pfund Tabak für den alten Ohlsen, den 
Mann der Blinden, einhandeln, als nun 
auch zufällig Doktor Kropp den Laden be 
trat. 
- Sehr überrascht, aber mit gewohnter Ehr 
crbietung sprach er auf Jmgjor ein, und 
als sie beide den Handel erledigt hatten, 
bat er um die Erlaubniß, sich ihr anschließen 
zu dürfen. 
Und Jmgjor nickte bereitwillig, schritt mit 
ihm bis zur Landmannsbank, woselbst er auf 
sie wartete, und legte alsdann in seiner Be 
gleitung den Weg nach ihrer Wohnung 
zurück. 
Immer drehte sich das Gespräch um die 
Vorgänge im Hospital, und Doktor Kropp 
berichtete über die Gründe seines Rücktritts, 
die wesentlich auch die ihrigen gewesen. 
Zuletzt gelangte er — eben hatte sie die 
Ecke der Gotersgade erreicht und wandten 
sich in stillschweigender Uebereinstimmung 
dem botanischen Garten zu — auf seine 
eigenen, von Siede bereits berührten Ange 
legenheiten. 
„Ich möchte", hub er an und richtete 
einen etwas verlegenen Blick aus den 
schwarzen Augen seines dunkelgefärbten, 
Jmgjor, „mich bei Ihnen erkundigen, ob 
wohl in der Grafschaft Ihres Herrn Vaters 
eine Landpraxis frei sein würde. Ich sehne 
mich aus dem hiesigen Wirrwar heraus, 
und ich komme darauf, weil mir vor Jahren 
ein früherer Universitätsbekannter, ein Herr 
Doktor Presto, mittheilte, daß eine solche 
in dem von ihm zu verlassenen Dorfe 
Kneedeholm zu haben sein werde. 
Wahrscheinlich hat sich inzwischen längst 
dort wieder ein Arzt niedergelaffen, aber 
ich wollte mich doch vergewiffern und im 
Fall um Ihre gütige Unterstützung bitten, 
Comteffe!" 
„Die würde Ihnen auch, soweit meine 
Kräfte reichen, sehr gern zu Diensten stehen. 
Herr Doktor. Aber wir haben, wie sie 
richtig vermuthen, in Kneedeholm einen Arzt, 
und für zwei reicht die Praxis nicht aus. 
Wohl aber weiß ich, daß der schon be 
jahrte Physikus in der nahe gelegenen Stadt 
Oerebhe der Thätigkeit müde ist und sich 
gern mit einem Nachfolger einigen würde 
Vielleicht wäre das etwas für Sie?" 
„Gewiß und um so bester! Ich danke 
Ihnen verbindlichst, Comtesse! Dürfte ich 
nach dieser Richtung auf Ihren gütigen 
Beistand rechnen? Würde mich vielleicht 
Ihr Herr Vater — auf Ihre Empfehlungen 
gestützt — mit einer solchen an den Physikus 
zu versehen die Liebenswürdigkeit haben?" 
Jmgjors Züge veränderten sich. Sie über 
legte, ob sie Kropp von den inzwischen ein 
getretenen Vorfällen in ihrer Familie Mit 
theilung machen solle. 
Sie schwankte aber schon deshalb, weil 
sie sich vor einer abermaligen Enttäuschung 
■y* 
fürchtete. 
, .V--- ş'şiş-"- 
Zeit hatten ihr Mißtrauen gegen Jedermann 
eingeflößt. 
Sie hielt es nicht für unmöglich, daß auch 
Kropp seine Haltung ändern werde, wenn 
re ihm erklärte, daß sie plötzlich ein armes, 
des Ansehens, ihres vornehmen Namens und 
Reichthums beraubtes Wesen sei. 
Aber weil doch wieder ein trotziges Ver 
langen in ihr saß, mil allem aufräumen, 
zu wissen, was Weizen und was Spreu 
et, entschloß sie sich schließlich gerade zu 
einer rückhaltslosen Eröffnung. 
„Meine eigene Empfehlung steht Ihnen 
jederzeit zur Verfügung, Herr Doktor", be 
gann sie. „Eine solche von meinem Vater 
vermag ich Ihnen aber leider nicht zu ver 
schaffen. Ich bin gänzlich mit ihm aus 
einander. Ich lege sogar meinen Namen 
ab und werde fortan einen anderen tragen. 
Noch einige Wochen, und gehe ich für immer 
von hier fort! Wohin, weiß ich noch nicht. 
Es wird sich ein Ort finden, wo ich mir 
mein Brot werde verdienen können." 
„Wie? In der That?" stieß Kropp in 
höchster Ueberraschung, aber zugleich mit 
einem Ausdruck heraus, der bewies, daß sich 
etwas anderes, daß sich eine glückselige Hoff 
nung in ihm regte. 
„Ich bitte, ich bitte, schenken Sie mir 
Ihr Vertrauen! Erzählen Sie mir, wie 
das alles gekommen ist!" drängte er, während 
sie sich auf einer vor dem kleinen See be 
sindlichen Bank niederließen. 
Ehrliches Mitgefühl erfüllte ihn, Sorge 
und Theilnahme ließen ihn sprechen. 
Und Jmgjor wollte ihm auch Antwort 
ertheilen, aber da es in diesem Augenblick 
bereits zwölf vom Kirchthurm schlug, wurde 
ß. daran- />v-ur!Lrt-..dá, irL.„ItM.à'.eke Seit 
Kollund das Geld einzuhändigen habe. Sie 
erhob sich deshalb sogleich wieder und gab 
Kropp die Erklärung, daß sie fort muffe, 
daß ihr jetzt die Zeit fehle. Auch am Nach 
mittag vermöge sie ihn, wegen ihrer Ver 
pflichtungen gegen eine erblindete Frau, nicht 
zu empfangen, aber später am Abend, in 
ihrer Wohnung, wollte sie ihm gern alles 
mittheilen. 
Bei den letzten Worten kamen ihr zwar 
Bedenken. 
Ihr fiel unruhvoll ans die Seele, daß 
Kropps Besuch bei ihr salsch ausgelegt wer 
den könnte, daß sich daraus neue Anschuldi 
gungen entwickeln könnten, denen sic unter 
allen Umständen vorbeugen wollte. 
Und als sich dann, während sie dahin 
chritten, weitere Erörterungen entwickelten, 
als Kropp erfuhr, welche Bewandtniß cS 
mit Kollund und mit der Blinden habe, 
als sich herausstellte, daß Jmgjor lediglich 
aus Mitleid der Alten die Wohnung täglich 
reinige und ihr vorlese, stand er plĢ^ 
still und richtete einen bewundernden -ona 
auf das junge Mädchen an ftmerSette. 
„Ah, welch' ein edles, selbstloses Wesen sind 
Sie, Comteffe! Wahrlich, man sucht Ihres 
gleichen vergebens! Aber wie vertrauensvoll 
sind Sie auch noch! Nicht emen Oer dürfen 
Sie dem Betrüger Kollund geben. Es lst ;a 
alles erlogen! Die Umstände benutzt er, um 
Ihnen Geld aus der Tasche zu locken. Ich 
bitte Sie dringend, geben Sie mir die Sache 
in die Hand. Ich >erde dem Schwindler 
seinen Standpunkt klar machen, ich werde 
ihn veranlassen, auf jeden Schilling zu ver 
zichten! Für bessere Zwecke, für nützlichere, 
für sich selbst, theure, verehrte Comtesse, be 
wahren Sie Ihr Geld! Nun, was meinen 
Sie?- Darf ich Ihr Anwalt sein?" 
„Ich gab mein Wort, H«rr Doktor1 
Selbst wenn Sie Recht haben — es ist 
vielleicht möglich — darf, ‘ca** ich cs doch 
nicht brechen." 
„Gewiß! Sic sind sogar dazu verpflichtet, 
solchen Schwindlern nicht noch die Wege zu 
ebnen! Wollen Sie glauben, daß derselbe 
Mensch sich mir verkauft, wenn ich ihm heute 
fim Aufträge eines Consortiums den Antrag 
stelle, an anderen Orten Dänemarks Bor- 
träge im entgegengesetzten Sinne zu halten? 
Natürlich! Gold muß die Lockspeise sein!" 
„O nein, nein, für so erbärmlich, für so 
niederträchtig halte ich ihn nicht! Sie gehen 
zu weit!" rief Jmgjor. „Von dem, was 
er lehrt, ist er überzeugt!" 
„Es ist mir leider nicht möglich, Ihnen 
durch eine anzustellende Probe den Beweis 
der Richtigkeit meiner Behauptungen zu 
liefern, Comtesse. Es fehlen mir die Mittel. 
Aber ich bitte nochmals, daß Sie mir Ihre 
Sache zur Erledigung anvertrauen! Sagen 
Sie ihm, oder wenn ein Bote kommt, diesem, 
ein befreundeter Herr werde Herrn Kollund 
zur Erledigung der Angelegenheit besuchen. 
Ich bringe Ihnen alles in Ordnung, ver- 
laffen Sie sich darauf! Nur das Lokal, w-n" 
solches wirklich bezahlt werden muß, und die 
Kosten für die Inserate werde ich ihm' 
güten, und er wird sich damit 
geben. Aus seiner sicher folgenden Ģ' 
leistung werden Sie schon erkennen- 
Geisteskind er ist." . 4 
»Nun wohlan! Ja — ich will! $ ante 
Ihnen! Gelingt es Ihnen, s°.F Geld 
denen zukommen, von denen rw o, daß 
sie dessen bedürftig sind. Und nun auf 
«KUeWekim! »eben Uhr erwarte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.