Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

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Schweden. 
Stockholm, 9. Nov. Schwedische Zei- 
jungen haben sich darüber beschwert, daß 
vor einiger Zeit im Hafen von Kiel ein 
deutsches Kriegsschiff auf ein 
schwedisches Handelsschiff ge 
schossen habe, weil dieses, ohne die 
Flagge zu zeigen, an ihm vorübergesegelt 
sei. Nach einem Bericht des schwedisch 
norwegischen Vice-Konsuls in Kiel an den 
schwedischen Gesandten in Berlin verhält 
sich die Sache folgendermaßen: Der 
S ch u n e r „I a c o b" aus Pataholm ist 
am 20. Oktober an der Einfahrt in den 
Kieler Hafen an vem zwischen Bülk und 
Friedrichsort manövrirenden Artillerie 
schulschiffe „Friedrich Karl" vorbei 
gesegelt, ohne, wie es der internationale 
Gebrauch erheischt, die schwedische Flagge 
zu hissen. Bon dem „Friedrich Karl" ist 
dem schwedischen Schisse, von dem man 
seiner Größe nach annehmen konnte, daß 
dessen Osfiziere mit dem internationalen 
Signalwesen vertraut wären, auf 600 Mir. 
Entfernung signalisirt worden, die Flagge 
zu zeigen, jedoch ohne Erfolg. „Frie 
drich Karl" ist sodann auf 30 Meter an 
den Schuner hinangesteuert und ein Offi. 
zier hat dem Kapitän in englischer Sprache 
die gleiche Aufforderung zugerufen, jedoch 
wiederum ohne Erfolg. Dann erst hat 
der deutsche Offizier einen blinden Schuß 
gegen das Schiff und einen scharfen 
Schuß vor den Bug hin abschießen lassen, 
aber erst als der „Friedrich Karl" dicht 
längsseit des „Jacob" gekommen ist und 
dessen Kapitän in schwedischer Sprache 
zugerufen worden ist, wenn jetzt nicht die 
Flagge gehißt werde, so müsse auf das 
Schiff geschossen werden, hat der Kapitän 
sich endlich herbeigelassen, der Aufforde 
rung Folge zu leisten. An der Wahrheit 
dieses Berichtes, der dem schwedischen 
Kapitän die volle Schuld an dem Vorfall 
beimißt, dürste um so weniger zu zweifeln 
sein, als es ein schwedischer Konsul 
ist, der den Vorgang in dieser Weise 
schildert. Was den Schiffer veranlaßt 
hat, die Erfüllung einer so allgemein be 
kannten Pflicht zu unterlaßen, hat man 
bisher nicht erfahren. 
Frankreich. 
Paris, 8. Nov. Am Montag stand 
ein B r a n d st i f t e r vor dem Schwur 
gericht des Eure et Loire-Departements, 
Namens Devoir, 29 Jahre alt. Er war 
zuletzt Knecht in Bruelles bei Nogent le 
Ratrou gewesen und hatte in der dortigen 
Gegend in der Nacht vom 20. auf den 
21. August zwei Strohfeime in Brand ge 
steckt. Für diese That gab er ein merk 
würdiges Motiv an. Er erklärte, an 
die Feime nicht aus Erbitterung gegen 
ihre Eigenthümer Feuer gelegt zu haben, 
die er garnicht kannte, sondern zu dem 
Zweck, seine Familie zu entehren, mit der 
er in schlechtem Einvernehmen lebte. 
Devoir erreichte diesen Zweck, denn das 
Gericht verurtheilte ihn zu zwei Jahren 
Gefängniß. 
Inland. 
Berlin, 9. Nov. Der Besuch des 
Z a r e n p a a r e s ist programmmäßig ver 
laufen. Er hat sich in den einfachen For 
men freundschaftlichen, familiären Verkehrs 
bewegt, die von Anfang an in Aussicht ge- 
eincn Kerker, in dem wir lebenslänglich zu 
schmachten verurtheilt sind. Wie kleinlich 
machen wir den großen Geist. Wie sehr 
beweisen wir durch unsere Auffaffung von 
der Gottheit, wie wenig wir jemals über 
fie nachgedacht, geschweige ihr innerstes, je 
des Geschöpf mit grenzenloser Liebe, Güte 
und Nachsicht umfaffendes Wesen ergründet 
haben. Verdammen wir nicht den Lehrer, 
der immer nur danach ausschaut, ob die 
Kinder fehlen, ihnen ihre Bewegungen be 
schneidet, fie stetig in solche Feffeln spannt, 
die der Natur des frei geborenen Geschöpfes 
widerstreben; der fortwährend mit Strafen 
und Vergeltung droht, der ihnen immer nur 
zuruft: „Bedenket, daß der Zeugnißtag er 
scheint!" Und so fort und so fort bis zum 
Abgang? Und nun behängen wir gar das 
erhabene Wesen mit solchen Eigenschaften 
Wahrlich, man weiß nicht, ob man über 
solche Verblendung weinen, oder ob man 
fich gegen solche Anmaßung der Auslegung 
des göttlichen Wesens empören soll!" 
„Sie sprechen —" entgegncte Jmgjor 
voll Begeisterung, „für eine Neugestaltung 
unserer religiösen Anschauungen. Der geistig 
höher Stehende gelangt, und sicher mit Recht, 
zu solchen. Wir haben es aber mit der 
breiten Mafic zu thun, die an dem Alten 
hängt und für welche die Lehre von Himmel 
und Verdammniß geeigneter ist. Was ich 
vorhabe, ist ja auch etwas anderes. Ich 
will reden über die Gleichberechtigung der 
Menschen zum Zweck eines glücklicheren 
Erdenlebens, über die Mittel, das Loos der 
Armen zu verbefiern, über die Pflicht der 
Großen, dazu nach Kräften beizutragen 
Ich will praktische Religion predigen. 
„Ich möchte, daß Du diesen öffentlichen 
Vortrag nicht hieltest, ja, ich wünsche unter 
allen Umständen, daß es unterbleibt, Jmgjor." 
fiel nun der Graf ein, Er that's, nachdem 
eben die Dienerschaft das Zimmer verlaßen 
hatte. 
„Der König sprach mich in diesen Tagen 
darauf an, daß Du dergleichen vorhabest 
Gr forderte von meiner Loyalität, daß ich 
es Dir verbieten möge." 
(Fortsetzung folgt.) 
nommen toaren. Keine rauschenden Feste, 
keine militärischen Schauspiele begleiteten 
die Entrevue zwischen den Herrschern zweier 
mächtiger Länder. Der Zar, abhold dem 
offiziellen Prunk, hatte die Anregung ge 
geben, daß er mit unserem Kaiserpaar einen 
Tag ungestörten Zusammenseins verbringen 
könne. Wohlthuend für jedes deutsche Herz 
ist die Pietät, die Zar Nikolaus den Ma 
nen Kaiser Friedrichs bewahrt. Die einzige 
Ausfahrt, die er unternahm, galt dem Mau 
soleum, in welchem der Dulder seine letzte 
Ruhestätte gefunden hat. Am späten (Mitt 
woch)- Abend hat das Zarenpaar das Neue 
Palais verlassen und von der Wildparksta 
tion die Reise nach der Heimath angetreten. 
Der Kaiser hatte für seine erlauchten Gäste 
noch eine besondere Ueberraschung. Er stieg 
in ihren Zug ein und geleitete sie bis zum 
Bahnhof Charlottenburg. Dort hatten das 
Kaiser Alexander-Garde-Grenadier-Regi- 
ment und das 2. Garde-Dragoner-Regiment 
Aufstellung genommen. Das Officiercorps 
beider Regimenter überreichte der Zarin 
einen Blumenkorb. Nach herzlichem Ab- 
'chied kehrte der Kaiser nach der Wildpark- 
'tation zurück, um den Kronprinzen von 
Schweden, seinen Jagdgast, zu empfangen. 
Der Besuch, den das russische 
Kaiserpaar am deutschen Hofe abge 
stattet hat, ist in der herzlichsten, freund- 
'chaftlichsteri Weise verlausen. Die bei die- 
er Gelegenheit gepflogenen Unterredungen 
haben von neuem in wichtigen Fragen der 
Politik die Uebereinstimmung in den 
Grundanschauungen beider Re 
gierungen erkennen lassen, sodaß die 
Potsdamer Bewegung auch nach dieser Rich 
tung durchaus erfreuliche Ergebnisse ge 
zeitigt hat. 
— Nach der vollzogenen Rekruten- 
ereidigung versammelte bekanntlich 
der Kaiser sämmtliche brr der Feier- 
llchkeit anwesende Generale im inne 
ren Schloßhof zu einer längeren Ansprache 
um sich. Ueber den Inhalt dieser Rede 
wird selbstverständlich tiefstes Schweigen 
beobachtet, immerhin aber verlautet, sie 
habe hochpolitische Fragen zum Gegen- 
land gehabt. 
Die Ansprache des Kaisers bei der R e- 
rutenvereidigung hat folgenden 
Wortlaut: 
Nach dent Mr soeben geleisteten, Eide gehört 
Ihr jetzt voll und ganz der Armee an. Ihr 
habt den Eid vor Gottes Altar und seinem 
Kruzifix auf die durch Priesterhand geweihten 
Fahnen geschworen. Vor Euch stehen d:ese ruhm 
bedeckten Feldzeichen, unter denen schon Eure 
Väter gekämpft und auf fremder Erde ihr Blut 
für König und Vaterland vergossen haben.... 
Um Euch herum seht Ihr die Standbilder Eurer 
Könige und der großen Männer und Heerführer 
aus der vaterländischen Geschichte,, welche Eure 
Vorfahren zum Siege führten . . . Euch wird 
die ganz besondere Auszeichnung, z« Theil, als 
Soldaten Meiner Armee unter M-àen Augen 
zu dienen, der Garde, die stets von den preußi 
schen Königen geliebt wurde und amh von Mir 
aus besondere Weise in der Uniform oft aus 
gezeichnet worden ist." Nunmehr wies der Kaper 
darauf hin, daß der Dienst den jungen Rekruten 
in der ersten Zeit, wie nicht anders zu er 
warten sei, schwer fallen werde. Das 
'ollten sie sich indessen nicht verdrießen lasten, 
da jeder Einzelne in seinem Berufe eine Lehr 
zeit durchzumachen habe. Fortfahrend erinnerte 
der Kaiser die jungen Rekruten dann an die ge 
lobte Treue und an den unbedingter: Gehorsam, 
den jeder Angehörige der Armee seinen, des 
Kaisers, Befehlen und jeder Soldat denjenigen 
seiner Vorgesetzten schulde. „Ein guter Soldat , 
o schloß der Kaiser, „ist auch ein guter Christ 
und muß als solcher seine Religion hochhalten 
als das Band, welches uns alle zusammenholt. 
Nun, Rekruten, gehet hin, denket an den alten 
deutschen Spruch „Ein Mann, ein Wort! 
thut Eure Pflicht, wie fie Euch in 9. 
Namen gelehrt werden wird." 
— Auf Befehl des Kaisers soll aus 
dem Militärlabinet nachstehende Ver 
fügung an die Geueralcommandss er 
gangen sein: „Seine Majestät der Kaffer 
und König haben fich infolge Einzel 
salles dahin auszusprechen geruht, wie 
Allerhöchstdieselben nicht wünschten, daß 
preußische Osfiziere nach 
Südafrika beurlaubt würden. Auch 
olle möglichst darauf hiugewirS werden, 
daß verabschiedete preußische Osfiziere 
nicht an den Kämpfen in Südafrika 
theilnähmen, damit auch jeder Anschein 
einer Verletzung der dentscherseils völlig 
zu beachtenden Neutralität vermieden 
werde " 
Das Samoa-Abkommen wird 
weiter in der gesammten Presse überaus 
beifällig besprochen. Die „K r e u z z e i - 
t u n g " sieht darin die Tendenz, nach allen 
Richtungen klare, unanfechtbare Rechtstitel 
zu schaffen. Aus einem deutschen Faschvda, 
das nachher Meinung schwarzsehender Po 
litiker uns in Samoa bereitet werden sollte, 
sei ein ehrenvoller und vortheilhafter Aus- 
und 
Meine»: 
Berlin und London beständen. Die Reichs 
regierung habe ihre Absichten in der Sa- 
moasrage erreicht in einer Weise, mit der 
voraussichtlich auch die Eingeborenen ein 
verstanden sein würden, und Graf Bülow 
könne vor den Reichstag mit dem Bewußt 
sein treten, daß seine Verheißungen vom 
14. April in vollem Umfange erfüllt seien. 
Diesen Kundgebungen der öffentlichen 
Meinung von seltener Einmüthigkeit und 
Wärme mag schließlich noch das Urtheil des 
Vorwärts" angereiht werden, der er 
klärt: „Für deutsche Interessen ist die ganze 
Angelegenheit höchst gleichgiltig." Wie so? 
— Wenn man den „alldeutsche n" 
Stinrmen glauben darf, stand es am Don 
nerstag voriger Woche fest, daß der deut 
sche Anspruch auf die Samoa-Inseln gegen 
die englischen Gilbert- und Salomons-Jn- 
seln abgetreten wurde; da aber sind die All 
deutschen mit „Leitaufsätzen" voll der Ent 
rüstung, die ihr gewöhnlicher Gemüthszu 
stand ist, dazwischen gefahren, Graf Mi- 
low hat sich eines Besseren besonnen, die 
Engländer wurden ängstlich, und so haben 
wir die Samoa-Inseln, die am Donnerstag 
der vorigen Woche verloren waren, am 
Dienstag dieser Woche als deutsches Eigen 
thum erhalten! In so wenigen Tagen haben 
die alldeutschen „Leitaufsätze" bewirkt, was 
das Auswärtige Amt Monate lang vergeb 
lich erstrebt hatte! Vor dieser Konkurrenz 
kann allerdings dem — „Kladderadatsch" 
bange werden. 
—■ Ebenso wie der Staatssekcetär v. Bü 
low mit dem Großkreuz des Rothen Ad 
lerordens für den Abschluß des Samoa- 
ablommens ist auch der deutsche Botschaf 
ter in London, Graf von Hatzfeldt-Wilden- 
burg, ausgezeichnet worden. Er hat die 
Brillanten zum Schwarzen Adlerorden er 
halten. 
Außerordentlich schwere Zeiten 
tehen, so schreibt die durchaus flotten- 
reundliche Münchener „Allg. Ztg.", der 
Flotte jedenfalls bevor, wäh 
rend das neue Programm in der Ausfüh 
rung begriffen ist. „Eine neue Truppe 
läßt sich durch Abzweigungen von älteren 
Truppentheilen in verhältnißmüßig kurzer 
Zeit formiren, sehr bald werden ihre 
Leistungen von denen älterer Formationen 
ich nicht mehr unterscheiden. Bei der 
Marine bedarf es Jahre, bis alle die für 
moderne Kriegsfahrzeuge erforderlichen 
Spezialisten,, das Waschinenpersonal, die 
Mechaniker, die Geschützführer und Schnell- 
ladekanoniers herangezogen find. Bei dir 
Ausbildung dieses Personals entstehen 
Ausfälle in Menge;: an das Lehrpertonal 
treten Aufgaben heran, die schon quantita 
tiv die höchste Anspannung fordern. Sodann 
-oll- gelernt werden, in den vergrößerten 
Formationen zu fahren, mit ihnen zu 
manövriren und aus ihnen den höchsten 
Nutzeffekt: zu ziehen. Auch die Technik 
rastet nicht und eine enorme Arbeit er 
verletzender Art nach dem heutigen Stande 
unserer Strafgesetzgebung ohne Sühne 
bleiben müssen, dann ist es unbedingt 
nöthig, (daß die klaffende Lücke im 
Strafgefetzbuche ausgefüllt werde; 
sonst könnte die frechste Lästerung ungestraft 
das Heiligste in den Staub ziehen und 
mit ihrem Kothe bewerfen. Uns scheint 
allerdings, im Gegensatze zum Ersten 
Staatsanwalt, der Thatbestand der „Be 
schimpfung der Einrichtungen oder Ge 
bräuche einer christlichen Kirche" nach dem 
§ 166 des Strafgesetzbuches gegeben. Daß 
die nachherigenothgedrungene En ts chuldi- 
gung gegen das Bewußtsein von dem 
beschimpfenden Charakter des Gedichts 
sprechen soll, ist eine uns schlechthin 
unverständliche Auffaffung. Doch sei dem, 
wie ihm wolle; hat der Staatsanwalt 
Recht, dann muß die betr. Bestimmung 
abgeändert werden. 
Berlin, 9: Nov. Den Morzenblättern 
zufolge wurde am Dienstag Abend in 
Carlshorst wieder einmal ein großes 
S p i e l e r n e st ausgenommen. 52 Per 
sonen wurden von der Polizei beim Spiel 
überrascht, eine große Menge Geld wurde 
beschlagnahmt. 
Berlin, 9. Nvvbr. Der Ausschuß 
des deutschen Handelstages 
bezeichnete die Bestrebungen auf Errich 
tung eines Jndustrieraths als überflüssig, 
da der Handelstag auch die Interessen der 
Industrie vertrete. 
Wie die deutsche Uhr mache r- 
Zeitung berichtet, sahen fich die Wand 
uhrenfabriken Deutschlands im Folge der 
stark gestiegenen Materialpreise vor die Al 
ternative gestellt, entweder geringere Qua 
litäten zu liefern oder ihre Preise um zehn 
Pro cent zu erhöhen. Sie beschlossen 
glücklicherweise das letztere. Man kommt ja 
auch nicht allzu oft in die Lage, eine neue 
Uhr-zu kaufen, sodaß es nicht viel verschlägt, 
wenn man die kleine Preiserhöhung bewil 
ligt, dafür aber die Gewähr hat, auch fer 
nerhin die g u t e n. Q u a l i t ä,t e n zu er 
halten, die Deutschland auf dem Gebiete der 
Uhrenindustrie einen Weltruf verschafft, ha 
ben. Wären wir doch überall so glücklich, 
daß das Publikum mehr auf die Güte einer 
Waare, wie auf deren Billigkeit sehe! Wie 
würde der Gewerbefleiß aufblühen, der Le 
bensmuth und die. Unternehmungslust, stei 
gen. Heute aber, wo es Dank, der großen 
Waarenhäuser nur heißt:: billig ramschen, 
da ist von einer Aufbesserung der Verhält 
nisse in: Allgemeinen nicht die Rede; denn 
nur der künstlich geschraubte, große Umsatz 
allein macht noch ein Geschäft. 
Wie unsere „moderne Literatur" aussieht, 
t«s erfahren wir an der Thatsache, daß das 
in Berlin vor einem. Jahre etwa neu 
gegründete „Wttz"-Blatt mit dem reizenden 
Titel „Die große Schnauze" eingegangen 
-ist. Als Herausgeber, Verleger. und. „Chef- 
Redakteur" zeichnete der 19 Jahre alte 
wächst allein daraus, das vorhandene (Ludwig Blättner. Wegen, des Inhalts fei? 
weg gesunden worden und das,,nnngn»in 
retrorsum“ sei unter Umständen hchMptet 
worden, die einen verdeckten Rückzug zu ent 
schuldigen wohl geeignet gewesen wären. 
Das Blatt erwartet eine Stärkung unseres 
Prestiges in der Südsee und gratulirt dem 
Grafen Bülow zu seiner ihm gestern ver 
liehenen wohlverdienten Auszeichnung. — 
Sehr freudig erkennt auch die „Tägliche 
Rundschau" den Erfolg der auswärti 
gen Politik an, sodaß man iiber die selbst 
gefällige Genugthuung des Blattes, das sich 
seit acht Tagen als eigentlicher Retter Sa- 
moas aufspielt, hinwegsehen kann. — Die 
„Staatsbürgerzt g." ist ebenfalls 
mit dem Erreichten zufrieden, giebt aller 
dings bei einigen Bosheiten gegen England 
ihr Bedenken wegen des Afrikaabkommens 
kund. — Die „Voss. Ztg." schließt ihre 
Besprechung folgendermaßen: Die Ge 
sammtheit der Abmachungen beweise, daß 
gegenwärtig die besten Beziehungen zwischen 
Material stets ans dem höchsten Grad der 
Leistungsfähigkeit zu erhalten; die Schiffe 
und Mafchinenbaumeister dürfen nichl an 
der täglichen Praxis sich genügen lassen; 
sondern müssen daneben die Zeit behalten, 
mit den technischen Fortschritten vertrant 
zu bleiben und selbstschöpserisch lhätiggzu 
sein." 
— Nach der Verurtheilung Dreyfus 
brachte bekanntlich ein sogenanntes Witz 
blatt, des „Bert. Tagebl." ein Gedicht, 
wodurch das religiöse Gefühl nicht nur 
der katholischen, sondern aller Christen 
aufs tiefste verletzt werden mußte. Auch 
israelitische Männer verurtheiltew die 
Veröffentlichung aufs entschiedenste, weil 
die tief verletzende Wirkung des Gedichtes 
nicht in Abrede zu stellen sei. Nun 
bestimmt der § 166 des StrafgesetzKiches 
die Strafbarkeit desjenigen, welcher Ein 
richtungen oder Gebräuche einer christlichen 
Kirche beschimpft. Weil das- Gedicht 
eine gröbliche Beschimpfung der Messe, 
der Brkreuzigungssitte und der Beichte zu 
enthalten schien, war von evangelischer 
Seite die Staatsanwaltschaft daraus auf 
merksam gemacht worden. Der Erste 
Staatsanwalt beim Landgericht Berlin I 
hat aber den Strafantrag durch folgen 
des Schreiben zurückgewiesen: 
„Ich theile Ihnen ergebenst mit. daß ich wegen 
des Gedichts „Die feige That in Ren es" von 
Erhebung der öffentlichen Klage Abstand ge 
nommen' habe, da dieselbe nach Lage der Sache 
keine Aussicht auf Erfolg bietet. Einr 
Verurtherlung des Beschuldigten würde uur dann 
zu erwarten sein, wenn ihm nachgewiesen werdM 
könnte, daß durch den Inhalt des Gedichtes eine 
der christlichen Kirchen als solche oder ihre 
Einrichtungen und Gebräuche beschimpft 
werden sollten, und daß er sich in diesem Sinne 
des beschimpfenden Charakters seiner Kundgebung 
bewußt gewesen sei. In einer sevens der 
Redaktion des „Ulk" in Nummer 38 des Mattes 
vom 22. September 1899 veröffentlichten Er- 
klärung wird als Zweck des Gedichtes bezeichnet, 
daß dasselbe nur den „unchristlichen" Charakter 
des Renneser Urtheils und derjenigen geißeln 
öllte. welche ihr Christenthum n u r in Ceremonien 
bethätigen, im Uebrigen aber gleichgültig blieben, 
wenn, wie in dem Drepfusfall, dem wahren Geist 
der christlichen Religion und ihres Stifters ins 
Gesicht geschlagen werde. Dieser Einwand ist 
dahin zu verstehen, daß der Angriff nicht gegen 
eine christliche Kirche als solche, sondern nur gegen 
die Gedankenlosigkeit einzelner Anhänger derselben 
sich wendet. Mag letztere Anfechtung auch an 
fechtbar sein, so ist sic doch nicht zu widerlegen. 
Damit entfällt aber die Aussicht auf ein ersolg- 
reuhes Einschreiten wegen des beanstandeten 
Gedichtes." 
Wir müssen gestehen, daß uns dieses 
Schreiben überrascht und befremdet hat 
Mit der „Germania" halten wir es für 
geboten, daß an die höhere Instanz 
appelltrt werde. Wenn Lästerungen 
ues Blattes wurde er kürzlich- zu drei Mo 
naten Gefängniß verurtheilt.. Da aber auch 
-erner mehrere Nagen wegen. Betrugs und 
Interschlagmrg gegen Bst schwebten, so hat. 
ich dieser jetzt durch schleunige Flucht nach 
England der gerichtlichen Regelung seiner 
Angelegenheiten entzogen. Damit, ist nun 
mehr auch, die „Große Schnauze" cndgil- 
tig begraben. — Dennoch ist ss ein tmu- 
riges Zeichen, daß solche Blätter überhaupt, 
das Tageslicht erblicken dürfen,, ohne von 
der sittlichen Entrüstung des Publikums, so 
fort hinweggeschwemmt zu werden! 
Oldenburg, 9 Nov. Die Erkgroß- 
herzogin Elisabeth von Olden 
burg hat wegen der in dem Verein 
entstandenen r e l ig i ö s e n S t r e i t i g 
das Protektorat über den 
launenhafte Glücksgöttin verständig ge 
waltet, denn die große Summe ist durch 
weg an Leute gelangt, die den un 
erwarteten Segen sehr wohl vertragew 
können. So nehmen an dem Gewinn 
A. 21 Mitglieder desTroirrpeter- 
k o r P s des dortigen Feldartillerie-Re 
giments Nr. 19 und mehrere arme Ar 
beiterfamilien theil. 
lo. Hamburg, 9. Nov. Die H a m -- 
burgische Handelskammer hat 
an denKaiser folgendes D a n k t e l e - 
gramm für die Samoaerwerbung ge 
richtet: 'aķ 
„Euere Majestät haben durch Er 
werbung der Samoa-Inseln wiederum 
mit weitschauendem Blick die idealen 
Güter wie die praktischen Ziele des 
deutschen Volkes mächtig gefördert und 
Deutschlands Seeintereffen einen neuen 
kräftigen Stützpunkt gegeben. Ham 
burgs Kaufmannschaft gestattet sich in 
dankbarer Verehrung dem Mehrer des 
Reichs die ehrerbietigsten Glückwünsche 
auszusprechen. 
Die Handelskammer. 
Woermann." 
1c- Hamburg, 9. Nov. Gegen den 
Journalisten Jobst v. Gun dl ach, der 
früher als Redakteur am „Hamburgischen 
Correfpondenten" angestellt war und 
darauf die Chefredaktion der jetzt einge 
gangenen Plattenzeitung „Freie Presse" 
in Hamburg übernahm, ist ein Steckbrief 
wegen Betrugs erlassen worden. Das 
Amtsblatt für den Regierungsbezirk 
Hannover" veröffentlicht folgende Bekannt 
machung: „Gegen den Schriftsteller 
(Leutnant a. D.) Jobst v. Gundlach, ge- 
boren am 13. Dezember in Potsdam, 
früher in Coblenz und Hannover wohn 
haft, welcher flüchtig ist, bezw. sich ver- 
borgen hält, ist die Untersuchungshaft 
wegen Betruges verhängt. Es wird ersucht, 
denselben zu verhaften und unter Mitthei 
lung zu „.3 S 1042/99" in das nächste 
Gerichtsgefänginß abzuliefern " v. Gund 
lach wurde, wie noch erinnerlich sein 
dürfte, als Chefredakteur wegen Beleidi 
gung des Richtercollegiums, begangen 
durch einen Artikel mit der Ueberfchrift: 
„Gleiches Recht für Alle, Ihr Herren 
Richter!" zu einer längeren Gefängniß- 
strafe verurtheilt;: er zog es jedoch vor, 
sich nicht zum Antritt der Strafe zu 
melden, sondern aus Hamburg zu ver 
duften. 
Io,. Hamburg, 3: Rov. Die Schlacht- 
hos-Deputation bringt zur öffentlichen 
Kenntniß, daß wegen des am Mittwoch, 
22: d: Mts., stattfindenden Bußtages der 
auf diesen Tag fallende Markt für 
Rinder und Schafe auf Dienstag, 
22: d. Mts. verlegt worden ist. 
.PWrvinzieües. 
Die Ortskrankenkaffe für den Stadt 
kreis Altona hat ein Vermögen von 
100060 Mark: 
le ; . Die Liebestragödie in 
Meiendorf- bei Rahlstedt, worüber 
wir bereits mehrfach berichtet haben,, 
ist gestern vor dem Altonaer Landgericht: 
zum Abschluß gekommen. Dev 
wegen schwerer Körperverletzung an? 
gekkagte Kellner Gustav H i n tz aus 
Fürstenwalde bei Stettin, der feiner Gs» 
liebten, der Shansonnette G ü n t h e Er,, 
den Dolchstoß versetzt hatte, weil beide 
gemeinschaftlich sterben wollten, wurde 
vom Gericht zu 1 Monat Gefäng 
niß verurtheilt unter Anrechnung-, 
von 14 Tagen der erlittenen Unter 
suchungshaft. 
j Einen seltsamen Anblick gewährt der 
Anbau am Meldorfer Bahnhofs- 
e i t L-n das Protektorat über den. feii-neue 
zwei Jahren bestehenden Bolksch.eil - Gebäude, der für Abfertigung der Güter 
st ä t sie nverein 
so 
niedergelegt. Da, 
man von dem genannten Verein die fe* 
richtnng einer Lungenheilstätte sehnlichst, 
wünschte, so erregt dieser Schritt nicht- 
nur- Aufsehen,, sondern aufrichtiges Be- 
dauern. Im Laufe der Erörterungen der 
Pkatzfrage für die Heilstätte hatten fich 
im, Lande gewissermaßen zwei Parieren 
gebildet, eine lutherische, die die Heil- 
ilätte im Orte Hatten im Centrum des 
Landes und eine katholische,, die fie in 
dem münsterländische« Orte Wahlde er- 
richtet zu sehen wünschte. Sv ist die 
ganze Angelegenheit auf das leidige kon- 
essionelle Gebiet gezerrt worden. In der 
letzten Woche gelangte nun die Angelegen 
heit in einer stark besuchten außer 
ordentlichen Geseralverfammlung zu einer 
lebhaften Erörterung. Dem stellvertretenden 
Vorsitzenden des Heilstättenvereins, Re> 
gierungsrath Düttmann, einem Katholiken, 
wurde von der lutherischen Majorität 
ein Mißtrauensvrtum ausgestellt. Durch 
diese Wendung der Dinge ist der ganzen 
Heilstättensrage ein schwerer Stoß ver 
hetzt worden. 
Mürlenbach, 9. Nov. Die am Bahn 
bau nach Wald-Michelbach beschäftigten 
Italiener wurden zur Impfung be 
fohlen, erschienen aber nicht. Hierauf 
ging den Renitenten die Nachricht zu, daß 
sie Deutschland zu verlassen hätten, falls 
sie bei einem zweiten Impftermin wieder 
fehlen würden. Aus diese Drohung stellten 
sich die meisten der Jmpstanzette, einige 
aber verschwanden doch aus Furcht vor der 
Impfung. 
Bei der jetzigen Ziehung der P r e u ß i 
s ch e n K l a s f e n l o t t e r i e ist ein Ge, 
wtnn von 200 000 Mk. in eine Kollekte 
nach Erfurt gefallen, Hierbei hat die 
berechnete Raum. Nachdem derselbe, fer 
tiggestellt, ist, fehlen die Thü-reuk 
Dieselbe» waren nicht dem Annehmer- ver 
geben, sondern sollten vom Eisenbahn- 
iskus geliefert werden, scheinen, aber i» 
Vergessenheit gerathen zu sein. 
Kiel, 9. Nvv Der Berbk-n.d der 
ch l es w i g > h o l st e i n i s ch en, land- 
w i r t h s ch a s t l i ch e n Genossen- 
ch aft e n hielt heute in „Mnhl's Hotel" 
Hierselbst einen außerordentlichen Ver 
bandstag ab. Es wurde über die durch 
die Einführung des neuen Bürgerlichen 
Gesetzbuches bedingte Umänderung der 
Statuten berathen und Beschluß gefaßt, 
da der letzte ordentliche Vrrbandstag vom 
27. Oktober hierzu nicht beschlußfähig war. 
Es wurden nur die wichtigsten Paragraphen 
durchberathen, die übrigen wurden ohne 
Debatte, ebenso wie zum Schluß die gan 
zen Statuten, in der vom Vorstände aus 
gearbeiteten Fassung es-bloc angenommen- 
Die Verhandlungen wurden vom Bok' 
sitzenden, Oekonomierath Hölck - Kiel, ge 
leitet. Nach den neuen Statuten (§1 1k) 
hat jede Genossenschaft das Recht, einen 
stimmfähigen Vertreter zum Verbandstage 
zu entsenden, wähxend den übrigen Ge 
nossenschaftsmitgliedern die Theilnahme 
am Verbandstage, aber kein Stimmrecht 
zusteht. 
Kiel, 9. Nov. Geh. Medizinalrath 
Professor Quincke ist zum Rektor der 
Universität Kiel gewählt worden. 
Bor Kurzem wurden die Ergebnisse de 
Versuche bekannt, die zwei Jahre hindurch 
in Kiel angestellt find, um die Einwirkn« 8 
des Seewassers auf die für den Schists 
bau in Betracht kommenden Metall. / 
Eisen, Kupfer, Zinn, Zink, Aluminium, 
festzustellen. Man verfuhr dabei in 
k 
der 
Weif: 
genau 
je 1' 
zuerst 
und ! 
von 
sodaß 
der 8 
broch, 
aber 
Es e 
kraft 
von 
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