Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

e vor einem 
mernd aufgefunden. In der rechten Hand Warum denn nicht die Summe, die der Qualifikationen mehr als bisher ins Ge- Proben mit gefrorenem Kalb-, Ochsen- und führung war eingerichtet, i 
hielt sie krampfhaft ein großes, rostiges, Kanalbau verschingen würde, wicht fallen. Kuhfleisch unternommen. Dieses „rufsische" die Kommanditisten irre zu führen. 
mernd aufgefunden. In der rechten Hand 
hielt sie krampfhaft ein großes, rostiges, 
blutbespritztes Tischmeffer und daneben 
lag ein Theil der linken Hand, 
die sie sich mit dem Messer nach und 
nach abgehackt hatte. Die Un 
glückliche wurde sterbend in das Kranken 
haus gebracht. Man kann nur vermuthen, 
daß die Bedauernswerthe in einem An 
falle von Geistesgestörtheit sich das Leben 
nehmen wollte. 
Dänemark. 
Kopenhagen, 22. Oct. Die Gräber 
zweier dänischer Berühmtheiten, die im 
Auslande beerdigt sind, befinden sich im 
verwahrlosten Zustande. Nun ist hier 
eine Bewegung im Zuge, um diese Ruhe 
stätten zu konserviren. Das eine Grab 
ist jenes von Tycho B r a h e , des be- 
rühmten Astronomen, der in Prag, wo 
er feine letzten Lebensjahre verbrachte, 
bestattet wurde. Das andere ist das 
Grab des Dichters Jens B a g g e f e n , 
der in Kiel beerdigt ist. Baggefen, der 
im Auslande lebte, wollte, als er sein 
Ende herannahen fühlte, nach feiner 
Heimath zurückkehren, um dort zu sterben; 
in Kiel jedoch wurde er vom Tode er- 
ereilt, und dort wurde er begraben. 
(Brockhaus' Konversationslexikon läßt den 
Dichter in Hamburg sterben. D. Red.) 
Da die Zeit, für welche die Grabstelle 
erworben ist, im nächsten Jahre abläuft, 
beabsichtigt man, die Leiche des Dichters 
hierherzuführen. — Eine internationale 
Ausgabe der Märchen H. C. Andersens 
ist dieser Tage hier und gleichzeitig in 
Deutschland, Frankreich, England, Ruß 
land und Holland erschienen. Das 
Prachtwerk ist vom Prof. T e g n e r mit 
Illustrationen und von Georg Brandes 
mit einer Charakteristik des Märchen- 
dichters versehen. — Eine Millionen- 
Erbschaft, die angeblich über 20 
Millionen Dollars beträgt, ist einer 
hiesigen, in sehr bescheidenen Verhältnissen 
lebenden Familie zugefallen. In den 
fünfziger Jahren reiste ein Däne Namens 
M a u r i tz e n nach Kalifornien, um 
sein Glück zu versuchen. Er erwarb ein 
großes Vermögen, das er seinem Bruder 
hinterließ, und von diesem, der kürzlich 
unverheirathet gestorben ist, stammt die 
riesige Erbschaft, die unter sechs hier 
lebenden Verwandten vertheilt werden 
soll. 
Inland. 
— Die „Kreuzzeitung" schreibt zur 
Flottenfrage: Es find auch wirth- 
schaftliche Rücksichten zu nehmen, 
wenn wir nicht mit dem Flottenplan 
zuletzt auf einem todten Punkt 
anlangen wollten. Man kann nicht 
wünschen, daß die durch die Entwickelung 
des Handelsverkehrs und der Ausfuhr be 
dingten Aufwendungen sich so vorwiegend 
auf die Pflege des Verkehrsinteresses 
stützen, wie das manchen Leuten gefällt, 
die die „Flottenbegeisterung" zu Zwecken 
höchst persönlicher Art ausnutzen 
möchten. Wenn der Sache die höhere 
Grundlage des nationalen Wohlstandes 
gegeben werden soll, dann müssen auch 
die Interessen des inneren Marktes vor 
allem die der Landwirthschast und des 
Kleingewerbes sammt Verwandtem besier 
wahrgenommen werden als bisher . . 
„Die Flottenfrage steht uns ungleich höher 
als die Kanalfrage, das brauchen wir nicht 
erst zu sagen, und die wir mit allen ge 
eigneten Mitteln fördern möchten. Gerade 
deßhalb aber müssen wir vor allzu großer 
Anspannung des Bogens warnen. K a - 
nal u n d F l o t t e z u g l e i ch — d a s 
könnte über die Kräfte gehen. 
Warum denn nicht die Summe, die der 
analbau verschingen würde, 
der Flotte zuwenden? 
— Die Verstümmelung d er 
Markgrafen st andbilder in der 
Siegesallee ist Gegenstand eingehen 
der Ermittelungen nach allen Richtungen 
hin. Die Persönlichkeit der Thäter hat sich 
noch nicht feststellen lassen. Es ist bekannt 
geworden, daß in der fraglichen Nacht eine 
Gesellschaft von zehn bis zwölf jungen Leu 
ten, die angetrunken waren, johlend und 
lärmend die Sieges-Allee von der Sieges 
säule her, durchzogen hat. Mit schweren 
Stöcken könnten einzelne Mitglieder dieser 
Gruppe im Vorbeigehen und ohne sich auf 
zuhalten, die verhängnißvollen Hiebe ge 
führt haben. Der Marmor weist nämlich 
an zahlreichen Stellen Spuren von Hieben 
auf, die zu Absplitterungen nicht geführt 
haben. Ferner hat ein Herr kurz nach Mit 
ternacht auf dem Bahnhof Bellevue drei 
junge Leute beobachtet, von denen der eine 
den beiden anderen zurief: „Wenn ihr 
L.... nicht schon so schlapp gewesen wäret, 
so hätten wir noch weit mehr zerhauen kön 
nen. Als der Herr von der Schandthat 
las, da erinnerte er sich sofort seiner Be 
gegnung am Bahnhöfe Bellevue. Einer der 
Burschen ist ihm durch eine große Narbe 
ausgefallen. Ob auf Grund dieser Beob 
achtungen die Bemühungen zur Ermittelung 
der Thäter eine genügende Grundlage ha 
ben, muß dahingestellt bleiben. 
— Der Berliner Spieler 
prozeß hat mit der Freisprechung der 
Angeklagten geendet. Das war zu er 
warten und entspricht dem allgemeinen 
Empfinden. Aber das gilt auch insofern, 
als die Freisprechung keineswegs einer 
Ehrenerklärung gleichkommt. Nur 
die Anklage des F a l s ch s p i e l s ist 
vollständig in sich zusammengefallen; in 
der Frage des gewerbsmäßigen 
Glücksspiels hatte der Staatsanwalt 
das Schuldig beantragt. Thatsächlich hat 
auch die Beweisaufnahme ergeben, daß 
das Treiben der Angeklagten zum minde 
sten hart an die Grenze des gewerbs 
mäßigen Glücksspiels streifte. Wenn man 
trotzdem der Freisprechung zustimmen kann, 
so beruht das wesentlich auf der Er 
wägung, daß die Angeklagten durch die 
achtmonatige Untersuchungshaft und die 
ganze Verhandlung aufs Empfindlichste 
gestraft sind und daß der Prozeß auch 
ohne Verurtheilung nicht nur für die un 
mittelbar betroffenen jungen Herren, son 
dern auch für die ganze vornehme Spie 
lerwelt eine nachhaltige Warnung sein 
dürfte. Der Oberstaatsanwalt Dr. Jsen- 
biel hat das moralische Facit des Prozesses 
in eindringlichster Weise gezogen. Möch 
ten seine Worte das Ehrgefühl der sitt 
lichen fraglichen Kreise wecken und somit 
dazu beitragen, daß dem heillosen Unfug 
des Spieles der aristrokratischen Jugend 
gesteuert werde. Wird auch diese Lehre 
wieder in den Wind geschlagen, dann i st 
diese Gesellschaft werth, daß sie zu Grunde 
geht, keinesfalls aber berufen und im 
Stande, den hohen Anforderungen zu ge 
nügen, die unsere ernste Zeit an den Nach 
wuchs unseres hohen Beamtenthums und 
unseres Osfizierkorps stellt. Wir haben 
schon vielfach betont, daß heutzutage viel 
zu viel auf Connexion und gute Examens- 
Nota Werth gelegt wird. Ob die so Be 
günstigten sittlich und moralisch werth 
volle Menschen sind, ist ziemlich gleich 
gültig für ihr Fortkommen. In erster 
Linie wird danach gefragt, ob ihre Quali 
fikationen den Anschauungen der Aristo 
kratie entsprechen. Wir werden noch 
Vieles erleben, wenn diese Sucht nicht 
wenigstens nach der Seite hin eine Ein 
schränkung erfährt, daß neben der Tüchtig 
keit im Wissen auch die sittlich-moralischen 
Qualifikationen mehr als bisher ins Ge 
wicht fallen 
Berlin, 24. Oct. Der im „Harmlosen- 
Prozeß" vielgenannte Spieler Wolff 
hat sich in Begleitung seines Rechtsbeistandes, 
Rechtsanwalt Wroncker, dem Untersuchungs 
richter, Landgerichtsrath Herr, aus freien 
Stücken gestellt und um Aufnahme in's 
Untersuchungs-Gefängniß gebeten. Es hat 
somit die Erklärung, die Rechtsanwalt 
Wronker als Zeuge im Spielerprocesse ab 
gegeben hat, nämlich, daß er felsenfest über 
zeugt sei, Wolff würde sich nach Fällung des 
Urtheils unverzüglich stellen, sich sehr schnell 
als begründet erwiesen. 
— Auf derbrandenburgischenPro- 
vinzialsynode stellte der Synodale 
Jacobi folgenden Antrag: „Im Anschluß 
an die Verhandlungen über den Jugendschutz 
spricht die Synode ihr ernstes Bedauern 
über die in dem jüngst beendeten Spieler- 
Prozeß hervorgetretenen leichtfertigen 
sittlichen Anschauungen in den Kreisen 
der höheren Stände aus. Sie richtet 
an die Eltern und Erzieher die dringende 
Aufforderung, im Hinblick auf das ver 
antwortliche Beispiel ihrer Jugend die 
Grundsätze strenger christlicher Zucht 
und häuslicher Sitte, Einschränkung der 
jugendlichen Vergnügungen, insonderheit 
des Sports, dagegen Pflege idealer 
geistiger Genüsse bei ihren Söhnen 
und Töchtern im Auge zu behalten. Für 
diese Bewahrung und Förderung ihrer 
Konfirmirten ruft die Synode die praktische 
Unterstützung der Seelsorger und der Lehrer 
höherer Schulen auf." 
Zur Begründung des Antrages führte 
Jacobi Folgendes aus: Ter Spieler- 
prozeß hat eine Laxheit der sittlichen 
Anschauungen in unseren höheren Kreisen 
an's Licht gebracht, daß man an den 
christlichen Adel deutscher Nation einen 
lauten Apell richten sollte. (Sehr wahr!) 
Diese Erscheinung geht aber nicht bloß 
den Adel selbst an, sie weist auch auf die 
sittliche Noth unserer Jugend überhaupt, 
insbesondere unserer Gymnasiasten hin 
Der immer mehr sich ausbreitende Sport 
zu Wasser und zu Lande, so außer« 
ordentlich wohlgemeint seine Einführung 
bei der Jugend gewesen sein mag, bereitet 
doch den Lehrern auch viel Verdruß (Sehr 
richtig I), denn er zieht die jungen Leute 
vielfach von ernstem Studium und von 
höheren Idealen ab. Man darf dabei 
allerdings nicht vergessen, daß auch die 
Erziehung viel Schuld an dieser Ent 
wickelung hat. Es ist nicht genug, ein 
bischen Französisch parliren zu können, 
wenn eine gewisse Rohheit der Ge 
sinnung sich bei den jungen Leuten 
festsetzt, es genügt nicht, Jagden zu be- 
zu besuchen, sondern es ist auch dringend 
nöthig, höhere Ideale zu Pflegen. Auch 
die Fürsorge für die Töchter muß eine 
größere werden. Wie weit verbreitet die 
laxen Sittenanschauungen sind, das beweist 
auch das Plaidoyer des Vertheidigers im 
Spielerprozeß Wenn der Vertheidiger es 
so hinstellt, als ob in den Kreisen, in 
denen sich die Angeklagten bewegen, 
schließlich Alle es so machen und 
daß ja auch ein Blücher, ein Lessing und 
andere Größen leidenschaftlich gespielt 
haben, so kann man doch nur sagen: 
wenn in dieser Beziehung jenen Größen 
ein Makel anhaftete, so soll man diesen 
nicht der Jugend als Vorbild hinstellen. 
(Sehr richtig)) 
Mainz, 22. Oct. Die Versuche mit 
gefrorenem russischen Fleisch 
bei den hiesigen Infanterie-Regimentern werden 
fortgesetzt, obgleich sie mit Schweinefleisch 
schlechte Resultate ergaben. Ein Versuch mit 
gefrorenem Hammelfleisch war erfolgreich, 
das Fleisch konnte von frischem Fleisch kaum 
unterschieden werden. Demnächst werden 
Proben mit gefrorenem Kalb-, Ochsen- und 
Kuhfleisch unternommen. Dieses „russische" 
gefrorene Fleisch kommt übrigens aus Thorn, 
es macht also dem amerikanischen Fleisch 
Konkurrenz. 
Mainz, 24. Oct. In einer gestern 
Abend abgehaltenen Vorstandssitzung der 
hiesigen Ortskran kenkasfen krachte 
plötzlich ein Schuß. Ein Fabrikant, der 
einen geladenen Revolver in der Hosen 
rasche mit sich führte, hatte mit der Waffe 
gespielt und diese ging los. Der Schuß 
verletzte den Unvorsichtigen schwer am 
Bein und streifte ein anderes Vorstands 
mitglied. 
Als die R e k r u t e n für das Bran 
de,iburgische Fußartillerie-Regiment Nr. 3 
(G. F. Z.) dieser Tage aus Elsaß - Loth 
ringen in Mainz eintrafen und im Hofe 
der dortigen Bauhoskaserne abgezahlt 
wurden, stellte es sich heraus, daß e i n 
Mann zu viel war. Die Sache 
klärte sich bald dahin auf, daß ein junger 
Mann aus Mülhausen, der keine Gestel 
lungsordre hatte und feine Freunde an 
die Bahn begleitete, auch als Rekrut an- 
gesehen und mitgenommen wurde. Der 
angehende militärdienstetfrige Vaterlands- 
vertheidiger, der noch mehrere Tage in 
der Stadt verblieb, wurde auf Kosten des 
Regiments wieder nach seiner Heimath 
zurü ckbesördert. 
Die Stadtverordneten von Gießen be 
schlossen, den die Volksschule besuchenden 
Kindern, deren Eltern bis zu 900 Mk. 
Einkommen haben, freie Lehrmittel zu 
bewilligen. Die Bewilligung soll auf 
Antrag der Eltern, ohne Erhebung über 
deren Bedürftigkeit, erfolgen. 
Von dem Domkapitel in Köln wurde 
der Bischof von Paderborn, Dr. Hubertus 
Simar, zum Erzbischof von Köln ge 
wählt. Der neue Erzbischof von Köln 
hat sich bisher vom öffentlichen politischen 
Leben vollständig ferngehalten, seiner 
Natur entspricht das stille Wirken des 
Gelehrten ungleich mehr als die Betheili 
gung an den geräuschvollen Kämpfen der 
Politik. 
Ein furchtbares Familien« 
drama hat sich am Sonntag in 
Schmiedefeld bei Stolpen ereignet. Man 
fand den Maurer und Wirthschaftsbesitzer 
Herrn. Winter erhängt auf dem 
Heuboden, seine Frau erwürgt im 
Bette, die beiden Kinder im Alker von 
einem Jahre und vier Jahren mit e i nj 
geschlagenen Köpfen gleichfalls 
auf dem Boden. Keines gab mehr ein 
Lebenszeichen von sich. Da die Frau 
gegen Abend Personen, die bei ihr 
waren, aufgefordert hatte, sie zu verlassen, 
um allein zu sein, nimmt man an, daß 
sie erst die Kinder und dann sich selbst 
getödtet, und- daß Winter, der später erst 
vom Felde kam, aus Verzweiflung über 
das Geschehene sich ebenfalls das Leben 
genommen hat. 
Leipzig, 24. Oct. Die Verhaftung des 
Chefs und Leiters der Buntpapierfabrik 
Neuer u. Co. steht noch immer im 
Vordergründe der Diskussion. Außer den 
bisher bekannt gewordenen Wechselver 
Kindlichkeiten in Höhe von über 500,000 
Mk., für welche Berliner, Leipziger und 
ein Plauener Bankhaus engagirt sind, 
sollen sich noch Waaren-, Maschinen- rc 
Schulden für über eine halbe Million 
herausgestellt haben, so daß mehr als 
eine Million Mark in Frage kommen 
Neuer hat die ganze Buntpapierbranche 
durch Schleuderkonkurrenz arg geschädigt, 
durch Abgabe der Waaren unter dem Fa 
brikationspreis aber selbstverständlich große 
Umsätze erzielt, so daß das Fabriketabliffe- 
ment in den fünf Jahren mehrfach ver 
größert werden mußte. Eine v o l l st ä n 
dig geheime, falsche Buch 
führung war eingerichtet, um 
die Kommanditisten irre zu führen. 
Dresden, 24. Oct. Die hiesigen Na« 
tionalliberalen haben in einer auch von 
Großindustriellen stark besuchten Ver 
sammlung eine Resolution gefaßt, in der 
betont wird, daß der Terrorismus 
der Sozialdemokratie allerdings 
einen weiteren Schutz der Arbeits 
willigen nothwendig mache; doch der 
Gesetzentwurf der Reichsregierung sei dazu 
nicht geeignet, auch könne ernichtdie 
Grundlage weiterer Berathungen bilden. 
Der Schutz der Arbeitswilligen sei viel 
mehr durch einen weiteren Ausbau des 
A 153 der Gewerbeordnung anzustreben. 
Der Regierungseniwurf wurde ganz all 
gemein verurtheilt; vielfach wurde auch 
betont, daß das Koalitionsrecht der Ar 
beiter nicht angetastet werden dürfe. 
Darmstadt, 23. Oct. Auf der Neben 
buhnstrecke Griesheim-Darmstadt wurde ein 
Attentat auf den von Griesheim nach 
Darmstadt fahrenden und zum größten Theil 
mit Arbeitern stark besetzten Zug verübt. 
Der Bahnmeisterwagen, welcher neben dem 
Geleise an einer Stelle stand, an der Aus 
besserungen vorzunehmen sind, wurde in der 
Nacht quer über das Geleise geschoben und 
noch durch Steine befestigt. Infolge des 
dichten Nebels konnte der Lokomotivführer 
das Hinderniß nicht bemerken und fuhr auf 
den Wagen auf, der zertrümmert wurde. 
Menschenleben sind nicht zu beklagen. Die 
Direktion der Süddeutschen Eisenbahn 
gesellschaft hat eine Belohnung auf die Ent 
deckung der Attentäter ausgesetzt. 
Darmstadt, 24. Oct. Hier wurden vier 
junge Burschen verhaftet, welche ein 
gestanden haben, die bei Griesheim statt 
gehabte Zugentgleisung verursacht haben. Die 
Eisenbahnverwaltung hatte auf die Gefangen 
nahme der Thäter eine hohe Belohnung 
ausgesetzt. 
KottbuS, 24. Okt. Eine große Bauern 
hochzeit fand am letzten Sonntag im Dorfe 
B. bei Senftenberg statt. Sie währte 
vier Tage, und um die Hochzeitsgäste 
mit Speise und Trank zu versorgen, 
waren gewaltige Vorbereitungen getroffen 
worden Zu Kuchen wurden 5 und zu 
Brod 4 Centner Mehl verbacken Ge 
schlachtet wurden 1 Rind, 3 Schweine, 
2 Kälber, 1 Hammel, 12 Gänse und 
8 Enten. Außerdem wurden 12 Hasen 
gebraten. Auch 5 Schock Eier wurden 
verbraucht. Um den Durst der Gäste zu 
löschen, waren 5 Tonnen bayrisches und 
2 Tonnen Braunbier, 140 Liter Wein, 
50 Liter Kottbuser Korn und 16 Liter 
Liqueur beschafft worden. Zum Rauchen 
waren 1 Mille Cigarren angefahren. Das 
ist mehr greßfest als Hochzeitsfest. 
Provinzielles. 
Einen Spürhund hat sich die Al 
to n a e r Kriminalpolizei angeschafft, der 
bei den Patrouillengängen auf der Elb- 
chaussee Verwendung finden soll. Falls die 
Versuche sich bewähren, dürfte die Anschaf 
fung weiterer Hunde erfolgen. 
Die Frau eines Elmshorner Händ 
lers fand auf dem Hörster Markt ein 
Portemonnaie mit ca. 700 Mk. Inhalt. 
Für ihre Ehrlichkeit erhielt sie von dem 
Verlierer, einem Hofbesitzer, baare — 50 
Pfennig. 
Elmshorn, 23. Okt. Ein frecher 
Raubanfall wurde den „Flensb. 
Nachr." zufolge, heute am hellen Tage auf 
der Chaussee zwischen Neuendorf und hier 
auf den Hausirer Hilgen aus Osterbofsel 
bei Heide, der mit seinem Waarenpacket auf 
der Schulter auf dem Wege nach hier sich 
befand, gemacht. Kurz hinter Neuendorf 
gesellte sich ein Strolch zu ihm, der ihm 
mehrmals aus seiner Schnapsflasche zum 
Trinken anbot. Als Hilgen sein Packet 
einen Augenblick ablegen wollte, ergriff ihn 
wiederhole damit eine schon früher aus 
gesprochene Bitte!" 
Lange wanderte Graf Dehn nach dem 
Lesen dieses Schriftstückes auf und ab und 
erging sich sowohl in Vorstellungen über die 
Umstände, die seine Entdeckung herbeigeführt 
haben konnten, als auch in Gedanken über 
dieses ihn täglich mehr fesselnde und doch 
für ihn verlorene, junge Geschöpf. 
Ein Roman spielte sich zwischen ihnen 
ab, in dem beide Theile ohne mündlichen 
Austausch und persönlichen Verkehr handelten 
und einer Lösung zustrebten. 
Aber vorläufig stand eine solche noch in 
weiter Ferne. 
Graf Dehn wollte nicht weichen und nicht 
verzichten. Er wollte dem Mädchen, das 
mit scharfer Logik den Kern aus den Dingen 
zu ziehen, und was sie zu sagen hatte, mit 
solcher lakonischen, von allem überflüssigem 
Beiwerk befreiten Kürze von sich zu geben 
wußte, den Beweis liefern, daß der von 
ihr begehrte Mann nichts anderes sei 
jetzt stimmte er Luciles Auffaffung bei 
als ein kaltherziger Selbstling, ein zugleich 
so dünkelhafter Mensch, daß er sogar die 
ihm zu Gebote stehende Verstellungskunst, 
sofern sie nicht seinen Götzen, Macht und 
Geld, zu dienen hatte, verschmähte. 
Nach längerer, sorgfältiger Ueberlegung 
schrieb Graf Dehn die nachfolgenden Zeilen 
an Jmgjor: 
„Gewähren Sie mir mit Ihrem großen, 
guten Herzen, das sich nur mir gegenüber 
so kaltherzig versteckt, dennoch die Erlaubniß, 
noch einige Zeit in Ihrer Nähe weilen zu 
dürfen! Meine Liebe und meine Bewunder 
ung für Sie erhalten in mir den Drang, 
Sie zu begehen im Begriff stehen. Ich wage 
zu sagen: Mißtrauen Sie dem Charakter 
und den Beweggründen des Mannes, an 
den Sie, ein so vollendetes Wesen, alle 
Ihre reichen Schätze verschwenden wollen, 
aufs Aeußerste! Rechnen Sie mit der Er 
fahrung und der Menschenkenntniß dessen, 
der Ihr wahrhafter Freund ist, der auf 
seine eigenen Hoffnungen verzichtet, Sie aber 
wenigstens glücklich wiffen möchte! Ziehen 
Sie, wenn Sie ein Zusammengehen mit mir 
zu dem Zwecke ablehnen, wenigstens, ich 
bitte, Graf Knut zu Rathe. A. D." 
Dieses Schreiben trug Axel selbst zu 
Jmgjors Gemächern hinauf. Er hoffte, ihre 
Zimmer offen zu finden. Aber sie waren 
verschloffen, und der Schlüssel hing nicht 
mehr auf dem Haken von damals. 
Noch im Zögern, wie er es beginnen 
sollte, ihr das Billet zu übermitteln, hörte 
er Schritte auf der Treppe, und da es 
keinen Ausweg gab, nahm er kurz entschlossen 
feine Zuflucht zu einer Portiere, hinter der 
er sich verbarg. 
Es widerstrebte ihm ein solches Verstecken, 
aber die Vorstellung, hier angetroffen zu 
werden, machte ihm das Blut heiß. 
Gleich darauf erschien einer der Diener 
des Schlosses, der sonst nur im Souterrain 
beschäftigt war, und klopfte, während er 
einen Brief aus der Tasche zog, an Jmgjors 
Thür. Und noch einmal, da ihm keine Ant 
wort wurde, und nun schon unschlüssig um 
sich spähend. Zuletzt schob er, rasch über 
legend, mit kräftigem Nachdruck das Schrei 
beu durch die Thürspalte, und nachdem das 
geschehen, stieg er vorsichtig wieder die Treppe 
hinab. Das war also der Mann, der auch 
ihm, Axel, die Briefe von Jmgjor aufs 
Zimmer legte! Und das eben von ihm 
besorgte Schreiben war — Axel zweifelte 
nicht daran — von Presto! 
Während Graf Dehn noch so überlegte, 
trat er hinter seinem Versteck hervor, machte 
es mit seinem Brief wie der Diener und 
nahm auch, wie der, lautlos den Weg in 
sein Zimmer zurück. Sehr begierig war er, 
wie ihm Jmgjor bei Tisch begegnen werde. 
Freilich, er konnte es sich mit Sicherheit 
vorhersagen. Sie verstand es, wenn sie 
mußte, ihre Gefühle meisterhaft zu verbergen. 
Bei Tisch ereignete sich nichts Besonderes. 
S wurde vom Grafen über die Scharlach- 
Epidemie in Kneedeholm gesprochen. Dann 
wurde über das bevorstehende Fest geredet 
und zuletzt wurde auch der Reise nach Kopen 
hagen und zugleich stets in dem Sinne Er 
wähnung gethan, daß es Lavards als selbst 
verständlich betrachteten, daß Graf Knut und 
Graf Dehn sich ihnen anschließen würden. 
Jmgjor war ernst und für sich wie immer, 
sie gab aber durch ihr Verhalten keinen An 
laß zu irgend welcher Verstimmung. Graf 
Dehn begegnete sie — wie er es voraus 
gesetzt hatte, — mit der gewohnten völligen 
Unpersönlichkeit in Blick und Wesen. 
Erst nach Tisch fand Axel Gelegenheit, 
die Gräfin zu sprechen. Sie ergänzte, selbst 
damit beginnend, ihren jüngsten Bericht 
durch die Mittheilung, daß Jmgjor auf die 
Frage ihres Vaters, ob sie Beziehungen zu 
Presto unterhalte, erwidert habe, es sei mög 
lich, daß sich ernste Beziehungen zwischen 
ihnen entwickeln würden. Vor der Hand 
tausche sie mit ihm, dem sie Sympathie, Ver 
trauen und freundschaftliche Gefühle entgegen 
trage, nur ihre gemeinsamen Ideen aus. 
„Und was erwiderten Sie beide, gnädigste 
Gräfin?" 
„Wir erklärten ihr, daß wir nicht nur 
niemals einer Verbindung zwischen ihr und 
dem fatalen Menschen zustimmen, sondern 
alles thun würden, um ihn — wie es schon 
gesagt sei — sobald wie möglich aus dem 
Gutsgebiet zu entfernen." 
„Und dann? Was sagte Ihre Fräulein 
Tochter hierzu?" 
„Dann eben forderte sie ihr Erbtheil und 
ihre Freiheit. Sie schlug, da ihre Ansichten 
mit den unsrigen nicht mehr zusammen 
stimmten, eine friedliche Trennung vor. Als 
mein Mann sie fragte, ob sie denn gar kein 
Zusammenhangsgefühl für die Ihrigen leite, 
entgegnete sie: Gewiß! Aber ich muß mein 
großes Ziel verfolgen; ihm gegenüber bin 
ich gezwungen, diesen Regungen meines 
Herzens zu gebieten. Ich gehöre der Mensch 
heit im Großen an, nicht im Einzelnen. Ich 
bin hier ein nutzloser Esser, der weder be 
friedigt und erfreut, noch selbst glücklich ist." 
„Sie wolle", schaltete ich ein, „aber doch 
nicht auf eine Verbindung mit Presto ver 
zichten, mit einem Manne, von dem Jeder 
ihr sage, daß er nichts weniger als ideale, 
sondern nur selbstsüchtige Gedanken verfolge, 
der sie sicher, wenn der erste Rausch ver 
flogen, grenzenlos unglücklich machen werde. 
Dieses Kleben an einer einzelnen unwürdigen 
Persönlichkeit, zumal auf Kosten der natür 
lichen Rücksichten, gegen die Ihrigen, wider 
streite doch den von ihr ausgesprochenen 
Grundsätzen durchaus." 
„Und die Logik entwaffnete sie nicht, Frau 
Gräfin?" 
„Nein. Sie erklärte, daß kein Wider 
sprach vorhanden sei, weil sich für sie in 
Prestö der Träger der neuen Ideen ver 
körpere. Zu ihm ziehe sie die überein 
stimmende Ueberzeugung, aber auch der 
Wunsch nach einem kräftigen Halt und einer 
männlichen Unterstützung für ihre Pläne. 
Ihre Herzensempfindungen kämen erst in 
zweiter Linie in Betracht. Würde sich her 
ausstellen, daß sie sich nicht angehören könnten, 
würde sie zu verzichten wiffen. Eine Ent 
scheidung darüber erstrebe sie. Wenn sie 
sich entschlösse, ihn zu heirathen, bäte sie um 
gutwillige Zustimmung von unserer Seite. 
Wenn nicht, müsse sie ohne diese handeln. 
Ihr Gewissen spreche sie von jedem Pflicht 
mangel frei. Sie sei kein lehloser Gegen 
stand, kein Ding, über daö man ein ganzes 
oder beschränktes Verfügungsrecht besitze." 
(Fortsetzung folgt.) 
Literatur. 
— „Cbopin und die Frauen" behandelt 
C. Gerhardt in einem anziehend geschriebenen 
Artikel, der im neuesten (4.) Heft der „Moderueu 
Kunst (Verlag von Richard Bong, Berlin. Leip 
zig, Wien, Stuttgart — Preis einer Nummer 60 
Pf.) veröffentlicht wird. Allen Verehrern Chopins 
wird es von höchstem Interesse sein, die vielfachen 
Beziehungen des Klavierkomponisten zu den Frauen 
seiner Zeit an der Hand einer genauen Kennerin 
der Lebensumstände Chopins kennen zu lernen. 
In einer amüsant geschriebenen Abhandlung 
über „Theater - Carriàren" setzt Robert Misch 
mit genauester Sachkenntniß die Forderungen, 
Leistungen und Aussichten in dieser Laufbahn 
auseinander. Auch der Bilderschmuck des Heftes 
ist ein ganz hervorragend schöner. 
— Eine Bauernauffüyrung von eigenem 
Reiz findet neuerdings im Riesengebirge statt. 
Bewohner des Gebirgsdorfes Hain haben sich 
ein Stück einstudirt, das in volksthümlicher 
Weise das Leben und Treiben der Bauern rn 
alter Zeit wiedergiebt. Ein mit hübschen Bilder« 
versehener Artikel in dem neuesten Heft (4) der
	        
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