Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

der > ' ' ' Frage über 
die Bedeutung des Düngers gesprochen 
hatte. Sie schloß % e Bemerkungen damit: 
„Ich glaube, Sie werden mir alle zustim 
men, wenn ich meine Aussührungen mit 
den Worten schließe: „Mist ist die 
Seele der L a n d w i r t h s ch a f t! 
(Große Heiterkeit und Oho!) Aus den 
Mist (Oho I) will ich nicht länger ein 
gehen." Ferner meinte sie von David: 
„Ich weiß nicht, ob seine Aufsassung des 
kapitalistischen Kampfes thatsächlich zu 
einer Aushöhlung des Eigenthums führt. 
Ich zweifle stark daran; aber es ist zwei 
fellos, daß eine solche Auffassung eine 
Aushöhlung des Kopfes des 
Betreffenden voraussetzt." (Heiterkeit und 
Unruhe.) 
In der weiteren Diskussion meinte Frau 
Zetkin, wenn man die Fabrikgesetzgebung 
als ein Stück Sozialismus bezeichne, könne 
man auch die Vorschrift, Hunde nicht ohne 
Maulkorb herumlaufen zu lassen, als ein 
Stück Sozialismus bezeichnen (große 
Heiterkeit, große Unruhe); Ulrich ruft: 
Das ist sehr faul!) .Frau Zetkin 
meinte: „Ich glaube, ich habe das 
Recht, mich auf der gleichen Höhe der 
Diskussion zu bewegen wie David." (Sehr 
gut! Unruhe.) — Pens bemerkte alsdann 
zu der Kritik Davids seitens der Frau 
Rosa Luxemburg: „Rosa Luxemburg hat 
Monate lang auf Spaltung und Heraus- 
kehrung der opportunistischen Elemente 
gearbeitet, sie ist allerdings mit dem 
E i e r k o r b , aus welchem sie uns die 
revolutionären Eier ins Nest legen wollte, 
mehrmals gestolpert (große 
Heiterkeit); sie hat sich ja gestern sehr 
gemäßigt, aber gleichwohl kamen die 
Worte „faseln", „Schablone", „Phrasen", 
„Ignoranten" und „Utopisten" vor. Das 
heißt nicht sachlich widerlegen, sondern 
beschimpfen (große Unruhe). Sodann 
liebt es die Genossin, ganz oberfaule 
W i tz e zu machen. (Lebhafter Widerspruch, 
sehr richtig!) Hier trat ritterlich Singer 
als Präsident ein und forderte den 
Redner auf, in seiner Kritik der Vor 
redner nicht so weit zu gehen. Pens 
aber meinte, oft wäre solchen Witzen wie 
denjenigen der Genossin Luxemburg 
gegenüber eine andere Reaktion äuge- 
bracht als Heiterkeit. 
Frau Zetkin verglich Auer mit 
einem freiwilligen Staatsanwalt und 
meinte dabei, er habe eine supponirte 
Zetkin an die Stelle der .wirklichen Zet 
kin gesetzt. Darauf erwiderte dann Auer 
in einer persönlichen Bemerkung: „Die 
Genossin Zetkin meint, ich hätte das 
Bedürfniß gehabt, eine neue Zetkin zu 
konstruiren. Sie irren sich, ich habe an 
der wirklichenGenossin Zetkin 
mehr als reichlich genug unö 
habe gar kein Bedürfniß mehr, mir eine 
neue zurecht zu machen." (Stürmische 
Heiterkeit und Unruhe.) 
Volmar aber charakterisirte in seiner 
Rede die weibliche Beredsamkeit der Frau 
Rosa Luxemburg, welche im Gegensatz zu 
ihren früheren Zeitungsartikeln aus diesem 
Parteitag mit herzgewinnender Milde auf. 
getreten sei. Er hätte nicht vermuthet, 
daß sie uns erlauben wolle, so zu handeln, 
wie wir es für richtig halten, „aber ich 
kann nur sagen, daß, um ein solches 
Windei zu legen, ein so großes 
Gegacker nicht nothwendig war". 
In der „Köln. Ztg." wird Frau Dr. 
Rosa Luxemburg, welche seit dem vorigen 
Jahre verehelicht ist, als ein unscheinbares 
Persöncken von ausgeprägt galizischem 
Typus geschildert. Sie steht ans der 
Bühne, sie muß aber neben das Pult 
treten, um nicht hinter demselben zu ver- 
schwinden. Ein dünnes Stimmchen, aber 
eine harte, sehr sickere Ausdrucksweise 
Sie gehört zu den Revolutionären mit 
dem gerollten R. Das verhindert nicht, 
daß sie mit einer Rose in der Rechten den 
Takt zu ihren Aussührungen schlägt. Das 
Publikum ist starr vor ihrer Gelehrsamkeit, 
und ein süddeutscher Genosse meint im 
Privatgespräch- „muß die gescheit 
sein, ich habe keinWort davon 
verstanden!" 
Aus alle diesem geht hervor, daß das 
Auftreten der Damen auf dem socialisti 
schen Parteitage nicht gerade vertrauen 
erweckend war. Bei aller Courtoisie werden 
auch die Führer der socialdemokratischen 
Partei sich ebenso wenig für ihre weid- 
lichen Genossen auf dem Parteitage be 
geistert haben, als andere Leute. Sie 
werden, wie auch andere Leute, empfinden, 
daß die Frauen-Emancipation wenigstens 
nach dieser Richtung ihre schweren Be 
denken t)at. 
Der Şieg der Engländer 
bei Elandslaagte. 
An derselben Stelle, wo es den Boeren 
gelungen war, durch Absangen eines 
Eisenbahnzuges die Verbindung zwischen 
Glencoe und Ladysmith zu zerstören, 
bei der Station Elandslaagte, 
wurde eine auf 1000 Mann geschätzte 
Abtheilung ihrer Truppenmacht am Sonn 
abend von den Engländern angegriffen 
und, wie schon kurz telegraphisch berichtet, 
nach hartnäckigem Kampf in die Flucht 
geschlagen. Der amtliche Bericht des 
Generals W h.ite über diesen neuen 
Triumph der englischen Waffen ist an 
das Kriegsamt gelangt. Die englische 
Avantgarde griff den Feind in der Front 
an, während die Manchester- und Gordon- 
Bataillone sich gegen dessen linke Flanke 
wendeten. Die Kanonen der Boeren, 
welche eine Weile geschwiegen hatten, er 
öffneten nun wieder unter den ungünstigsten 
Umständen ihr Feuer und wurden mit 
großer Bravour bedient. Nach einem 
blutigen Feuergesecht nahm die Infanterie 
die feindliche Stellung um 6 Uhr 30 
Minuten, welche der Feind bis zum 
letzten Augenblick mit großem Muthe und 
großer Ausdauer vertheidigt hatte. Die 
5. Lanzenreiter und die 5. Dragoner 
griffen nun die retirirenden Boeren an 
und vollführten im Dunkel mit beachtens 
werthen Erfolgen drei Dechargen. — Ge 
nommen wurde das Lager der Boeren 
mit Zelten, Wagen,. Pferden, Kanonen. 
Die Verluste der Boeren waren ein 
schließlich der verwundeten und unver 
mundeten Gefangenen sehr bedeutend. 
Unter den Ersteren befinden sich Gene 
r a l de Kock und der junge Joubert, 
ein Neffe des Generals. Ein Train mit 
Äorräryen für das Lager von Glencoe 
und neun englische Gefangene wurden 
wiedererlangt. 
Oberst Schiel gefangen ! 
Der Führer des deutschen Freicorps, 
Oberst Schiel, ist bei Elandslaagte 
gefangen genommen worden. 
Die ebenfalls in die Hände der Engländer 
gefallenen General de Kock und Joube.rts 
Neffe Piet Joubert sind nach einer 
Meldung der Londoner Daily mail ihren 
Verletzungen erlegen. Aus der Gefangen 
nahme des Obersten Schiel geht hervor, 
daß auch das deutsche Freicorps bei 
diesem Gefecht betheiligt war. 
Ein neuer Vorstost der Boeren 
scheint sich indeß vorzubereiten. Es tritt 
jetzt klarer hervor, daß der große Sieg 
der Engländer bei Glencoe insofern über 
trieben ist, als nicht das Gros der 
Boeren, sondern nur eine vorgeschobene 
starke Truppen-Abtheilung derselben im 
Gefecht war. Die Hauptstreitmasse folgt 
nach. Diese Hauptstreitmasse der Boeren 
greift nunmehr, wie es scheint, unter 
Joubert, dem Führer der Boeren, bei 
Dundee die Engländer an. Eine Schlacht 
mit ß wüthendem Artilleriekampf ist im 
Gange. Vielleicht wird eine Abenddepesche 
uns den Ausgang derselben melden. 
In einer Depesche aus Ladysmith theilt 
der Korrespondent der „Daily Mail" in 
einer Schilderung des Gefechts bei Elands 
laagte Folgendes mit: Der Sturm 
angriff gegen die feindliche Linie wurde 
mit großer Bravour ausgeführt; die In 
fanterie ging zweimal mit gesälltem 
Bajonett vor. Die britischen Truppen 
geriethen dann, da sie durch heftiges Ge 
wehrfeuer aufgehalten wurden, sür einen 
Augenblick ins Stocken, aber gleich darauf 
stürzten sie sich mit brausenden Hurrah 
rufen von neuem aus den Feind und 
durchbrachen seine Linien. Die Boeren 
sahen sich übermannt, traten den Rückzug 
an, hißten die weiße Flagge und ergaben 
sich. Einige Hundert, die die Flucht er 
griffen hatten, wurden von den Lanzen 
reitern niedergeritten. Der Korrespondent 
fügt hinzu, es werde geglaubt, daß der 
Verlust der Boeren über 400 Mann be 
trage. Der Kommandant Demeillon von 
Johannesburg befinde sich unter den Ge 
fangenen. 
Loudon, 23. Oct. An das Kriegs 
Ministerium gelangte folgende Depesche: 
General Biljoen ist gefallen, General 
Kock, Oberst Schiel und der Kommandant 
von Pretoria sind verwundet und ge- 
fangen, der Sohn des Generals Kock ist 
gefangen, mehrere Fahnen der Boeren 
sind erbeutet worden. 
Niederlage der Engländer bei 
Glencoe? 
Paris, 23. Oct. Der„Temps" meldet 
aus London: Nach Mittheilungen von 
Persönlichkeiten, die über die Vorgänge 
im Kriegsamt gut unterrichtet sind, er 
hielt die Kriegsverwaltung seit Sonn 
abend mehrere Nachrichten über den 
zweiten Vorstoß der Boeren gegen Glen 
coe. Danach nahmen die Boerentruppen, 
die sich nach dem ersten Kampf zurück 
gezogen hatten, am zweiten wiederum 
theil. Die Engländer wurden geschlagen 
,und erlitten derartige Verluste, daß das 
Kriegsamt Mittheilungen über günstigere 
Gefechte abwarte, bevor eS diese Nach 
richten veröffentliche. Der Kampf bei 
besser und in den andern Fächern eben so 
gut beschlagen war wie die andern, mit 
allen fünf Sinnen versehenen Candida- 
tinnen. 
In Sautos in Brasilien wurden seit zehn 
Tagen neun Erkrankungsfälle an Pest fest 
gestellt, von denen drei tödtlich verliefen; am 
Sonnabend ist ein neuer Todesfall an der 
Pest vorgekommen. 
Aus Apia wird vom 6. d. M. gemeldet: 
Dreizehn Häuptling- der Mataafa-Partei be 
haupten, sie seien die Regierung von Samoa, 
und erließen eine Proklamation, betreffend 
Entrichtung einer Kopfsteuer von einem 
Dollar. Gegen diese erließ Dr. Sols ohne 
Zustimmung der Konsuln eine andere 
Proklamation, iu der er die Zahlung einer 
Kopfsteuer anordnet. Die Mataafa-Leute 
rufen Unruhen hervor; sie würden einen Kampf 
begonnen haben, wenn sie sich nicht vor den 
Kriegsschiffen fürchteten. Die Eingeborenen 
beider Parteien sind gut bewaffnet, da ihnen 
die Konsuln gestatteten, Flinten und Revolver 
zu behalten. Kürzlich tödtete bei einer 
Festlichkeit der Mataafa-Häuptling Tuisila 
zwei Eingeborene; darauf wurde er selbst 
erstochen und starb an Bord des deutschen 
Kriegsschiffes „Cormoran". 
Oesterreich-Ungarn. 
Wien, 23. Oct. Graf Elemer Lonyay, 
der zukünftige Gatte der Kronprinzessin-Wittwe 
Stefanie wird vor der Hochzeit zur römisch- 
katholischen Konfession übertreten. Er ist 
z. Zt.. Calvinist. 
Dänemark. 
Der Lebens > Versicherungs 
schwinde! in Eskilstuna hat auch in 
der ausländischen Versicherungswelt große 
Aufmerksamkeit erregt, und von einigen 
dänischen, deutschen und englischen Lebens- 
versicherungs - Gesellschaften sind drahtlich 
nähere Ausschlüsse über die vorgekomme 
nen Schwindeleien erbeten worden. Aus 
dem ganzen Verlauf der Untersuchung 
die mit größtem Eifer betrieben wird und 
bis jetzt schon die Verhaftung von 20 Per 
sonen zur Folge gehabt hat, muß man 
aber doch den Eindruck gewinnen, daß der 
Schwindel schon längst hätte entdeckt wer 
den müssen, ehe er einen solchen Umfang 
angenommen hatte, wenn jpie örtlichen 
Behörden nicht eine so unglaubliche Nach 
lässigkeit an den Tag gelegt hätten. Der 
Versicherungsschwindel war so offenkundig, 
daß sich kranke Leute den Mitgliedern der 
Elandslaagte bezweckte, die Truppen Liga als Versicherungsobjekt anboten um 
White's festzuhalten, während beide stÄ -»ne kleine Summe zu erwerben 
Kolonnen des Generals Joubert gegen 
Glencoe operirten. 
* * * 
Zur Veranschaulichung der Entfernungen 
anst dem Kriegsschauplatz iw Südafrika 
dienen einige Angaben, die wir in der 
„Deutschen Zeitung" finden. Man denke 
sich, ganz Südafrika auf Mitteleuropa ge 
legt,. so daß Pretoria auf Berlin zu liegen 
käme, so würden die folgenden südafrikanischen 
Orte und Erdstellen folgende Lage erhalten: 
Südafrika. Mitteleuropa. 
Johannesburg Jüterbogk 
Mafeking Hannov er 
Delagoa-Bay westlich von Warschau 
Ladysmith südlich von Prag 
Durban Wien 
Bloemfontein Ansbach in Bayern 
Kimberley Mannheim 
Port. Elisabeth Genua 
Kapstadt Toulouse 
Oranjestrom-Mündung zwischen Bretagne u. 
den normannischen 
Inseln 
Windhoek in Deuisch- 
Südwestafrika nordöstlich von der 
englischewJnsel Man 
^ (in der irischen See). 
cwiß — ich weiß jetzt!" fügte sie dann 
äußerst bereitwillig hinzu, bat Lncile, sie zu 
egleiten, und sang nun ein kleines, in einem 
mgestümen Tempo sich bewegendes anda- 
usisches Lied: 
„Einmal möcht' ich, daß die Traumgedanken 
Sich verwandelten in Wirklichkeit! 
Einmal möcht' ich ans den Schranken 
Eingeh'n in die Seligkeit! 
Seligkeit find Deine Lippen! 
Seligkeit ist Deine Brust! 
Schenk', o Gott, der durst'gen Seele. 
Einmal diese trunk'ne Lust! 
Jmgjor trug diese Verse mit einer solchen 
Verve des Ausdrucks vor, in ihren Augen 
erschien ein solch' überirdisches Feuer und 
ihr geöffneter Mund athmete eine solche ver 
zehrende Sehnsucht, daß Graf Dehn, dem 
heiße Ströme durch die Glieder jagten, da 
bei an Luciles Worte erinnert ward. Sie 
hatte gesagt, daß hinter Jmgjors kalt ge- 
meffenem Wesen heiße Flammen verborgen 
seien Aber als fie dann wieder mit ihrem 
stumm versckloffenen W-s-n vom Jßtano 
zurücktrat und gleich darauf gute Nacht sagte, 
Graf Knuts lautem Lob mit einer sanfl 
bescheidenen Miene und von Graf Dehns 
stummer Bewunderung keine Notiz nahm, 
ergriffen ihn doch wieder Zweifel, ob fie 
bei diesem Vortrage wirklich Gleiches auch 
empfunden habe. Sie stellte sich offenbar 
in den Dienst ihrer Aufgabe. Ihre Ge 
danken und Sinne richteten sich sicher au 
etwas ganz anderes. Ihr Inneres durch 
rieselte keine Leidenschaft sür Prestö, sondern 
sie erfüllte jene Märtyrerliebe zur Mensch 
heit, die sich selbst ans Kreuz schlägt. Alles, 
wenns auch vielleicht einmal in ihr auf 
flammte, dämmte sie. diesem Dienst geweiht, 
zurück. 
Aber um so mehr verzehrte Graf Dehn 
das Verlangen, nun endlich Gewißheit zu 
erlangen. Sobald es irgend schicklich er- 
chien, schützte er Kopfschmerzen und Müdig 
keit vor und empfahl sich. 
Nachdem er sich in seinen Gemächern 
möglichst dunkel gekleidet, benutzte er einen 
ihm alle Zeit zu Gebote stehenden Schlüssel 
zur Hauptthür des Schlosses, betrat den 
Hof und den diesen die Gärten verbinden 
den offenen Durchgang, versicherte sich, daß 
in Jmgjors Zimmern noch Licht brannte, 
und begab sich zunächst zu der hinter den 
Bosketts befindlichen Thurmpforte. Als er 
jedoch die Hand aus den Drücker legte, gab 
dieser nicht nach. Er schloß daraus, daß 
Prestö noch nicht eingetroffen sei und eilte 
nun vorsichtig zur Rechten auf den Arbeits 
hof. Er lag in einem gleichsam geister 
haften Dunkel. Eben hatte sich der Mond, 
der bis dahin ein schwaches Licht verbreitet 
hatte, hinter schwarze Wolkenmaffen ge 
schoben. Aber Graf Dehn wurde dadurch 
nicht gehindert. Er kannte den Weg und 
betrat alsbald die Eckgrenze des Hofes und 
des Fußpfades, der hier in das Thal hin 
abführte. 
Bevor er hinter der großen Scheune 
Posto faßte, spähte er noch einmal vorsichtig 
in das Dorf hinab. 
Aber vorläufig sah und vernahm er nichts 
Auch drunten lag die Welt in einem mystisch 
unheimlichen Dunkel und in jenem Schwei 
gen, das häufig einer gewaltigen Aufregung 
in der Natur voranzugehen pflegt. — 
(Fortsetzung folgt.) 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Newyork, 20. Oct. Soeben hat ein 
taubstumm und blind geborenes Mäd 
chen die Aufnahmeprüfung im Radcliffe 
College cum laude beständen. Es ist dies 
Frl. Helene Keller aus- Boston, die 
gegenwärtig 18 Jahre alt ist und schon 
mehr!ach die allgemeine Aufmerksamkeit 
aus sich zog, weil' sie trotz ihrer Gebrechen 
in allen Lehrfächern sc> überraschende 
Fortschritte machte Ein Zwischenfall bei 
der Prüfung zeigt ihre schnelle Auffassung 
und ihre Energie. Sie war zum Examen 
erschienen, ohne, wie üblichy von ihrer 
bisherigen Lehrerin, Frl. Kullivan, be 
gleitet zu sein. Frl. Keller halte selbst 
verlangt, daß diese zu Hauste bleibe, da 
lie jeden Verdacht, es sei ihr bei der 
Prüfung Beistand gewährt wc>rden, ver 
meiden wollte. Nun fand sich aber am 
Tage der Prüfung, daß der für die Ge- 
legenheit gewonnene Blinden- uNd Taub 
stummenlehrer das amerikanische Alphabet 
benutzte, während Frl. Keller mur des 
englischen mächtig war, da mehr Bücher 
in letzterem gedruckt sind, als in ersterem. 
Mancher- Prüfling würde unter diesen 
Umständen entmuthigt worden sein. Nicht 
so Frl. Keller. Sie lernte noch ans Tage 
der Prüfung das amerikanische System. 
Da sie die speziell sür sie hergestellte 
Taschenuhr vergessen hatte, konnte sie nie 
wissen, ob sie nicht die sür die Beant 
wortung einer gewissen Frage gestellte 
Frist schon überschritten hätte. Aber auch 
diese Ungewißheit brachte sie nicht in 
Verlegenheit. Als die Arbeiten geprüft 
wurden, zeigte es sich, daß sie im (Gciechi- 
schen, Latein, Algebra und Geometrie 
Dr. Pallin, der die falschen Gesundheits 
atleste ausstellte, war so liebenswürdig, 
diejenigen Opfer, die zu schwächlich zum 
Gehen waren, behufs Untersuchung mit 
seiner eleganten Equipage zu sich holen 
zu lassen. Mit manchen Leuten wurde 
eine sörmliche Spekulation getrieben 
Einem Arbeiter von starker Gestatt, aber 
ungewöhnlich krankhaftem Aussehen wurde 
von einem Mitgliede der „Tàņgesell- 
schast" der Vorschlag gemacht, sich ver 
sichern zu lassen, und er ging auch gegen 
eine Entschädigung von 75 Kronen darau 
ein. Die Kosten der Aufnahme sowie die 
Prämien bezahlte natürlich der Spekulant, 
wofür dieser die Police behielt. Mit 
dieser Police wurde nun werter spekulirt. 
Der erste Inhaber fand sür die Police 
einen Liebhaber, der aber erst den Ver- 
sicherten sehen wollte. Dieser mußte sich 
zu, dem Zweck durch- Branntweingenuß 
vorbereiten, um noch elender als gewöhn 
lich auszusehen. Die Besichtigung siel so 
gut aus, daß der zweite Spekulant die 
Police kaufte, und der Arbeiter erhielt 
wieder eine Entschädigung für seine Mühen. 
Diese Jobberei mit- dem anscheinenden 
Todeskandidaten, der auf 40000 Kronen 
versichert war, wiederholte sich noch öfter. 
Schließlich stellte sich aber heraus, daß 
die Betrüger in diesem Falle selbst die 
Betrogenen waren. Durch die Unter 
suchung eines gewissenhaften Arzles wurde 
festgestellt, daß. der Versicherte trotz seines 
schlechten Aussehens durchaus gesund war. 
Dr. Pallin befindet sich jetzt im Gefäng 
niß zu Malmö. 
Inland. 
— Vo» der Kaiserin hat ein 
schwachsinniger, Istjähriger Krüppel, dessen 
Hände und Füße zu einem Knäuel ver 
wachsen sind, eine Spieldose zum Geschenk 
erhalten. Der Unglückliche, der überdies 
auch noch stumm ist, befindet sich in der 
Krüppelanstalt des Oberlinhauses zu Nowa- 
wes, deren Protektorat die Kaiserin über 
nommen hat. Bei einem Besuch dortselbst 
erblickte ihn die Kaiserin und sandte ihm, 
als sie hörte, er habe die Musik sehr gerne, 
das Instrument. 
— Ueber eine angeblich bevor- 
stehende Scheidung d(es Fürsten 
Herbert Bismarck bringen nach einer 
von der „Danz. Ztg." unter allem Vor 
behalt wiedergegebenen Nachricht englische 
Blätter ausführliche Mittheilungen. 
Der Naturmensch Gustav Nagel 
aus Rathenow ist nach Berlin über 
gesiedelt und hat im Hause Stargarder 
Straße 26 Wohnung genommen. Seme 
Erfahrungen mit der Polizei haben ihn 
gelehrt, daß man auf der Eisenbahn halb 
nackte Personen nicht befördert, und so nahm 
er sich denn einen Fuhrwerksbesitzer an, der 
seine wenigen Habseligkeiten auf einen Möbel 
wagen lud und mit Nagel, der nur mit 
einem langen dünnen Kittel bekleidet war, 
davonfuhr. Er fror unterwegs, daß ihm die 
Zähne bebten, aber er wies beharrlich jede 
ihm von dem Gespannführer angebotene Decke 
oder einen wärmenden Schluck zurück, er 
wärmte sich mitunter aber dadurch, daß er 
neben dem Wagen in seinem sonderbaren 
Kostüm einherlief, was überall Aufsehen 
erregte. 
Die Typhusepidemie in der Breslauer 
Garnison hat bereits eineul Manne des 
51. Regiments das Leben gekostet; zwei 
andere sollen lebensgefährlich darniederliegen. 
Auch im Grenadier-Regiment Nr. 11 zeigt 
Ich die Krankheit. 
Nach der „Fränkischen Tagespost" scheint 
mit originellen Disziplinar 
mitteln im Institut der englischen 
Fräulein in N e u b u r g a. D. vor 
gegangen zu werden. Es waren dort einige 
Sachen abhanden gekommen und zudem 
waren noch Kleider von Zöglingen arg be- 
chädigt, ohne daß man vom Thäter eine 
Spur hatte. Nun stellten die Klosterfrauen 
eine „Untersuchung" an. Sämmtliche Zög 
linge mußten sich Nachts in einem finsteren 
Zimmer versammeln. Dorthin kam eine 
Frau mit einem Korbe. Eine Klosterfrau 
erklärte den angsterfüllten Mädchen, daß im 
Korbe ein Hahn sei, der den Thäter kund- 
thun werde; und zwar müßten alle Zög 
linge den Hahn betasten und die, bei welcher 
er schreie, sei die- Schuldige. Demgemäß 
wurde auch verfahren. Als darauf Licht 
kam, hatten Alle schwarze Hände bis auf 
zwei. Diese wurden nun wegen ihrer rei 
nen Hände für die Schuldigen gehalten, doch 
konnte ihnen nichts nachgewiesen werden. 
Der „Hahn" im Korbe war aber eine 
Henne, die mit Ruß bestrichen war. Nun 
plgte wirkliches Gottesgericht. Alle Zög 
linge erhielten einen Zettel, auf den sie 
schreiben mußten, ob sie schuldig seien oder 
nicht. Dabei machte die Klosterfrau die 
Mädchen darauf aufmerksam, daß Diejeni 
gen, die die Unwahrheit aufschrieben, 
pfort oder doch bald todt umfallen 
würden; die aber die Wahrheit schrie 
ben, würden der besonderen Gnade Gottes 
theilhaftig. Die Zettel mußten die Mädchen 
vor dem Bilde des Jesuskindes niederlegen. 
Umgefallen jedoch ist keine, obwohl sie sich 
Alle für unschuldig bekannten. 
In einem Caffee in der Nähe des Jung- 
lernstieges in H a m b u r g spielten fünf 
Herren Pocker, ein verbotenes Glücksspiel. 
Die Spieler hatten eine große Summe Gel 
des auf dem Tisch liegen und waren so in 
ihr Spiel vertieft, daß sie gar nicht darauf 
achteten, daß sich ein fremder Herr an einem 
Nebentische niederließ, um dem Spiele zuzu 
schauen. Nachdem der Herr etwa eine Vier 
telstunde auf seinem Platz gesessen hatte, 
legitimate er sich als Polizeibeamter, be 
schlagnahmte das Geld und die Karten und 
stellte die Adressen der Spieler fest. 
1c. Hamburg, 23. Oci. Der Kaiser 
hat durch Allerhöchste Cabinetsorvre, va- 
tirt Hamburg, den 18. October 1899, 
dem seit 1871 ganz invaliden Biceseld- 
webet Holst. Ins.-Reg. Nr. 85 Dr. Carl 
Wilhelm Augustin, Oberlehrer am 
hiesigen Wilhelm-Gymnasium, ausnahmS- 
weise den Charakter als Leutnant 
verliehen. — Auf der Rennbahn des hie 
sigen Velodroms stürzte beim Trainiren 
der Radfahrer Müller aus Basel (dessen 
Eltern in Berlin wohnen), der dem Renn 
fahrer Köcher Schrittmacher-Dienste leistet, 
o unglücklich, daß er einen Schädel- 
vruch erlitt und alsbald im Kranken 
hause verstarb, ohne vorher das Bewußt 
ein wieder erlangt zu haben. — Das 
hiesige Landgericht veruriheilte heute den 
bisherigen Inspektor des Hamburger Stadt- 
theaters, Leo W u r m, der feit Mai d. 
Js. aus einem verschlosienen Pult und 
Schreibtisch im Sekcetärzimmev unv im 
Kassenzimmer mittels Nachschlüssels wieder- 
holt Geld im Beirage von rund 1100 
Mark gestohlen hatte und am 2. Septem 
ber ds. Js. bei der AuSsührung eines 
neuen Diebstahls vom Portier des Thea 
ters ertappt wurde, wegen eines vollen 
deten und eines versuchten schweren Dieb» 
tahl dem Antrage des Staatsanwalts ge 
mäß zu l'A Jahren Gefängniß unter 
Anrechnung von 1 Monat der erlittenen 
Untersuchungshast. 
Provinzielles. 
Ein Privatier in Altona, der wegen seiner 
Jovialität zum Mittelpunkt einer regelmäßig 
versammelten Stammtischrunde geworden, hat 
für seinen TodesfaL einen respektablen Betrag 
ausgesetzt, welcher an seinem Beerdigungstag 
erhoben werden soll von dm Leidtragenden, 
um dieselben Ker die erste große Trauer- 
hinweg zu Helsen. Die ausgesetzte Summe 
wurde sofort deponirt. Auch eine Idee! 
Als geheilt wurde aus dem Wandsbeker 
Krankenhause entlassen der 19jährige Kellner 
Hinz, der, wie berichtet, in Meiendorf erst 
seine Bram und dann sich selbst zu tobten 
versuchte. Hinz wurde dem Amtsgerichts 
gefängniß zugeführt, um sich wegen Körper 
verletzung mittelst gefährlichen Werkzeuges zu 
verantworten. 
In Hiuscheuselde streikt der Tod. Seit 
reichlich 4 Wochen ist der neue Friedhof 
dort zur Benutzung freigegeben, aber seine 
Einweihung hat noch nicht stattfinden 
können, weil in dieser ganzen Zeit in dem 
Orte von 3—4000 Einwohnern kein 
einziger Sierbefall eintrat. 
Elmshorn, 23. Okt. Für die zu 
Neujahr durch Pensionirung des Herrn 
Meßtorff in Uetersen frei werdende Bür-' 
germeist er stelle haben sich 49 Be 
werber eingefunden. In der am Sonn 
abend unter dem Vorsitz des Herrn Bürger 
meisters Meßtorff abgehaltenen allgemeinen
	        
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