Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

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Menüsburger M Wochenblatt 
Arrestes und gelesenstes KiatL im Kreils Ueudsirrrrg. 
Anzeigen für die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
92 stev Jahrgang. 
Druck und Verlag von dem verantwortlichen Herausgeber H. Möller (H. Gütlein Nächst.), Rendsburg, Mühlenstraße 18. 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
Dem Rendsburger Wochenblatt wird 
„Der Landwirth" 
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interessen 
der Landwi-rthschast) gratis beigegeben. 
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9. 
Wo. 247. 
Sonnabend, öen 21. Hctober 
1899. 
Morgen-Berichte. 
Berlin, 19. Oct. Der Kaiser tra ; 
heute Morgen um 7 '/ 2 Uhr hier ein 
und hörte von 9 Uhr ab die Vorträge 
des Kriegsministers v. Goßler und des 
Chefs des Militärkabinets v. Hahnke. 
Später nahm der Kaiser u. A. die Meldung 
des Staatsministers Dr. Bosse entgegen. 
Bonn, 19. Oct. Meldungen aus 
Kairo zufolge wird der Vermittelung 
Englands die Beseitigung der letzten 
Differenzen zwischen Menelik und der 
italienischen Regierung gelingen. Der 
Abschluß einer Einigung bezüglich der 
Grenze sowie eines Handelsvertrages 
zwischen Abessinien und Italien wird 
demnächst erwartet. Man glaubt, daß 
der Graf von Turin, welcher sich äugen 
blicklich auf Erythräa aufhält, Menelik 
sowie dem Bas Makonnen Besuche ab 
statten und im Namen des Königs die 
Regulirung der Grenze sowie den Handels 
vertrag abschließen werde. 
Petersburg, 19. Oct. Unter den Bahn 
arbeitern der mandschurischen Bahn ist 
die Pest ausgebrochen; von hier ist ein 
Sanitätskorps von dreißig Personen ab 
sankt worden. 
Wien, 19. Oct. Sämmtliche Morgen 
blätter besprechen die gestrige Regierungs 
erklärung im Abgeordnetenhause, vorwiegend 
in wohlwollendem Sinne. Die „N. Fr. Pr." 
schreibt: Die bisherige Regierung hatte viel 
versprochen, aber wenig geleistet. Hoffentlich 
wird das Kabinet Clary, welches wenig 
versprochen hat, dafür desto mehr leisten. 
Prag, 19. Oct. Die Polizei machte 
bekannt, daß sie die schärfsten Maßregeln 
anwenden werde, falls die Demonstrationen 
nicht aufhören sollten. Die Regierung 
beabsichtigt, wie verlautet, den Ausnahme 
zustand über Prag zu verhängen. 
Paris, 19. Oct. In dem Duell, welches 
gestern zwischen dem Sohne des Generals 
Mercier und dem Redacteur der „Aurore", 
Gohier, stattfand, wurde Mercier durch eine 
4 Ctm. tiefe Stichwunde in die Brust ver 
letzt. Die Aerzte haben sich über seinen 
Zustand noch nicht geäußert. 
Paris, 19. Oct. Den Blättern zu 
folge dürften von den 22 des Komplotts 
gegen die X Sicherheit des Staates An- 
geschuldigten 14 vor den Staatsgerichts. 
Hof kommen und gegen die üb rigen das 
Strafverfahren eingestellt werden 
Der Krieg in Südafrika. 
Jetzt wirdes ernst. Vorposten der Boercn 
haben sich dem englischen Lager bei Glen 
coe genähert, und bei Actonhomes, 16 Mei 
len von Ladysmith, hat sich ein Gefecht ent 
wickelt, das noch fortdauert und sich viel 
leicht zu einer entscheidenden Schlacht aus 
wachsen wird. 
Nach Meldungen aus Ladysmith wird 
dort eine entscheidende Schlacht heute oder 
morgen erwartet. Die Freistaater avanciren 
in zwei Eolonneu von Tintwa und durch 
den Van Reenenpaß gegen Ladysmith. Jou- 
berts Armee marschirt gegen Glenco und 
gegen Besters an der Harrismith-Zweig, 
bahn. Die Boeren kommen vom Van Ree. 
nenspaß über Blaawbank. Ihre Patrouil 
len feuerten gestern auf die englischen Vor 
posten. 300 Boeren versuchten vergeblich, 
kleinere Abtheilungen abzuschneiden, doch 
die Nataltruppen zogen sich feuernd zurück. 
Die Boeren deckten sich hinter Hügeln rc., 
konnten aber nicht vorgehen. Sie benutzten 
Artillerie gegen die englischen Füsiliere, 
welche trotz heftigem Feuer kräftig wider 
standen. Zweitausend Boeren nahmen an 
diesem bei Actonhomes stattfindenden Ge 
fecht Theil. Sie gebrauchten viele Maxi 
malgeschütze und Kanonen gegen die bei 
Besters aufmarschierenden Carabiniere. Es 
gab viele Todte und Verwundete. Die 
Bahnverbindung zwischen Ladysmith und 
Glencoe ist unterbrochen, der Telegraph 
noch intact. 
Die Einberufung der Miliz 
hat in England eine förmliche Panik 
erzeugt, die wie ein Mchlthau auf die fa 
natische Kriegsbegeisterung fällt. Das ist 
echt englisch. Unbedenklich schreiten die 
Britten dazu, die Freiheit eines kleinen, 
friedlichen Volkes zn vernichten, aber das 
soll alles ganz glatt von Statten gehen, 
sie wollen sich dabei nicht einmal ein wenig 
incommodiren lassen. 
Nach den letzten Milizlisten beträgt die 
Gesammtzahl der Milizen 120 439 Mann 
einschließlich 31000 Mann Milizreserven. 
Davon sind ca. 73 000 englisch, 13 000 
chottisch, 26 000 irisch. Schwere Störun 
gen des Arbeitsmarktes in den Midland- 
Grafschaften werden erwartet. In Birming 
ham allein werden fünftausend Arbeiter ein 
gezogen. In den Kohlendistrikten herrscht 
Consternation, und zum Winter wird Koh 
lenfeuerung erlvartet. Tausende von Kauf 
leuten aus den Londoner Cityfirmen müssen 
ihre Stellungen verlassen. 
London, 19. Okt. Nach einem Tele 
gramm der „Daily Mail" aus Ladysmith 
landen die Dinge gestern Abend folgender 
maßen: Die Oranje-Boeren, die jüngst den 
Vorstoß in der Richtung von Actonhomes 
machten, begannen die Feindseligkeiten, die 
wahrscheinlich die Vorläufer des großen 
Kampfes auf der ganzen Linie bilden wer 
den. Die Boeren, die aus dem Tintwa-Paß 
vordrangen, feuerten mit Kanonen auf 
einige kleine britische Kavallerie-Abthei- 
gen. Das Feuer erwies sich als wirksam. 
Im Laufe des Tages fand ein Geplänkel 
zwischen den Boeren und britischen Vorpo 
sten statt, die häufig heftigem Feuer ausge. 
setzt waren. Inzwischen näherte sich Ion 
bert's Vorhut Clencoe, wo 4000 britische 
Truppen unter General Pule eine ver 
schanzte Stellung innehaben. Ob sich die 
Boeren in dem ziemlich offenen Gelände in 
einen Kampf einlassen werden, ist noch 
zweifelhaft. 
Es liegen noch keine vollständige Mel 
düngen über die angebliche Uebergabe von 
Mafeking vor. Die Blätter erwarten aber 
stündlich eine solche Nachricht. Stimmt 
liche Telegramme des „Times"-Korrespon- 
denten erfahren 2—4 Stunden Verspätung. 
Daily Telegraph erfährt, daß die Eng. 
länder 2000 Mann bei Aktenhoven auf 
gestellt haben und daß kleinere Detache 
ments englischer Truppen sich bei Besters 
befinden. 
Ein Telegramm von 5 Uhr Nachmittags 
vom Berichterstatter des Daily Telegr. mel 
det, daß die Buren aus dem Vanncencn- 
und Tintwa-Paß vorgedrungen sind. Die 
Truppen unter dem Befehl des Generals 
Joubert dringen in der Gegend von Glencoe 
und Bester vor, ein Telegramm aus Glen 
coe von gestern Nachmittag meldet, daß eine 
englische Patrouille die Boeren bei Hal- 
dingspruit, sieben Meilen von Ladysmith, 
gesehen hat. 
Die englische Regierung beschlagnahmte 
in Kapstadt eine für die Transvaalregierung 
bestimmte Summe von 150 000 Pfund. Die 
Boeren konzentriren sich in Swaziland; sie 
haben sämmtliche Engländer ausgewiesen. 
Nach Meldungen der Boeren hätten diesel 
ben den ersten Panzerzug von Mafeking 
vollständig zerstört und dabei 31 Mann 
unter einem Hauptmann zu Gefangenen ge 
macht. Zum Entsätze Mafekings eilt mit 
Truppen aus Rhodesia auf einen: Panzer- 
zuge Oberst Plumer herbei. Die Boeren 
haben diesmal Geschütze bereitgestellt, um 
den Panzerzug zu beschießen. — Bei dem 
gestrigen Zusammenstoß der englischen Vor 
posten mit den Boeren bei Besters soll es 
viele Todte und Verwundete gegeben haben. 
Zweitausend Boeren nahmen an dem Ge 
sichte theil. Sie gebrauchten viele Maxim- 
geschütze und Kanonen. Die Bahnverbin 
dung zwischen Ladysmith und Glencoe ist 
unterbrochen, der Telegraph noch intakt. 
London, 19. Okt. Die „Times" ver 
öffentlich ein Telegramm, wonach sich die 
Boeren der Festung Makaard bemächtigt 
haben. 
Johannesburg, 19. Okt.. Die 
Stadt ist fast von der gesammten Bevölke 
rung verlassen. Die Kohlen- und Nah- 
rungsvorräthe in einigen Minen sind mit 
Beschlag belegt. 
„Globe" berichtet aus Newyork von einer 
wachsenden Parteinahme gegen England. 
Der frühere amerikanische Major Armes sei 
im Begriffe, ein großes Freiwilligenkorps 
zu organisiren und es zur Unterstützung der 
Boeren nach Südafrika zu führen. 
Aus Antwerpen wird vom Allgemeinen 
Niederländischen Verband ein Aufruf ans 
deutsche Volk verbreitet, der in der schärf 
sten Form gegen Englands Vorgehen in 
Südafrika protestirt und zur Theilnahme 
an der Entsendung von Aerzten und Pfle 
gern für die Boerenarmee auffordert. 
Hundertjahrfeier 
der Technischen Hochschule Berlirr- 
Charlottenburg. 
Berlin, 19. Okt. 
Anläßlich der heutigen Jubelfeier der 
Technischen Hochschule in Charlottenburg 
hatte sich die Nachbarstadt Charlottenburg 
prächtig geschmückt. Gegen i/ 2 10 Uhr nah 
men die Chargirten der Studentenschaft mit 
ihren Fahnen in weitem Kreise auf dem 
Festplatze Aufstellung. Bald fanden sich 
auch die Ehrengäste ein. Es erschienen u. 
A.: Die Minister Studt und Thielen, 
Staatssekretär Graf Posadowsky und zahl 
reiche^ Räthe der Staatsämter und der Mi 
nisterien. Die Stadt Charlottenburg hatte 
die beiden Bürgermeister Schustehrus und 
Matting, die Stadt Berlin den Bürger 
meister Kirschner entsandt. Auch Geh. Rath 
Krupp war erschienen. Pünktlich um 10 
Uhr eröffnete der Chor aus Händels „Ju 
das Maccabäus" den Akt der Enthüllung 
der Denkmäler von Siemens und Krupp. 
Die beiden Standbilder haben ihren Platz 
im Vorgarten der Hochschule erhalten. Nach 
dem die Musik verklungen war, nahm der 
Vorsitzende des deutschen Jngenicurvereins, 
Baurath Bissinger aus Nürnberg, das Wort 
zu einer Ansprache, in welcher er auf die 
ungeheuren Fortschritte hinwies, welche die 
Technik im verflossenen Jahrhundert ge 
macht hat und Werner v. Siemens und Al 
fred Krupp feierte. Beiden Männern müsse 
besonders die Jngenieurwelt Dank und An 
erkennung zollen. Inzwischen war die Hülle 
des Siemens-Denkmals gefallen, die Stu 
denten senkten ihre Fahnen. Nunmehr nahm 
als Vertreter der nordwestlichen Gruppe des 
Vereins deutscher Eisen- und Stahlindu 
strieller und zugleich auch als Vertreter des 
Vereins deutscher Eisenhüttenleute, Kom- 
merzienrath Servaes aus Ruhrort, das 
Wort,.um im Namen seiner Auftraggeber 
das Denkmal Alfred Krupps der Technischen 
Hochschule zu übergeben. In längerer Rede 
siierte er Krupp nicht nur als großen In 
dustriellen, sonoern auch als den bedeuten- 
dcn Menschen, als den Wohlthäter und vä- 
10 
Grevirrde. 
Roman von Hermann Heiberg. 
(Nachdruck verboten.) 
Er wolle, hub er an, sprechen über die 
Gefahren, einen Himmel zu eröffnen, statt 
als Mensch beim Irdischen zu bleiben. Bei 
allem, was der Vernunftbegabte thue, muffe 
er sich nach seiner Mutter, der Erde, richten. 
Sie müsse ihm ein Vorbild sein und bleiben. 
Sie lehre ihn zwar auch täglich und stünd 
lich das Bestreben nach Ausgleich und einer 
immer höheren Vervollkommnung, aber auch 
fortwährend das ewige Gesetz des Rechtes 
des Stärkeren und Begabteren über den 
von der Natur minder Bevorzugten. Er 
stelle sich mit den Vorrednern auf denselben 
Standpunkt, daß werkthätiges Christenthum 
zu üben, nicht nur Jedermanns Pflicht, 
sondern daß es auch weise sei, da alle im 
Grunde nur einer großen, durch gemeinsame 
Interessen verbundenen Familie angehörten. 
Insofern seien die Vorschläge, die gemacht 
worden, werthvoll und deren teilweise Aus 
führung durchaus wünschenswerth. Aber 
eben dabei müffe es sein Bewenden haben, 
und auch dieses Bessere sei in einer ruhigen 
Weise zu erstreben. Das Geschlecht, das 
heute lebe, ergehe sich in einem völligen 
Irrthum, wenn es glaube, daß es zu etwas 
anderem berufen sei, als zunächst Opfer zu 
bringen. Die Resultate würden erst, weil 
sie nur allmählich reifen könnten, den späteren 
Generationen zugute kommen können. Und 
nochmals weise er auf die Natur hin, wenn 
er vor jeder Ueberstürzung warne. Brauche 
sie, die große Zauberin, nicht auch für alles 
Zeit und Vorsicht? Bedürfe nicht jedes 
Blatt am Baume Licht, Sonne und Regen? 
Würde es nicht durch Stürme und Kälte, 
also durch Gewalt, vernichtet? Eine Per 
spektive zu eröffnen, wie es der erste Redner 
gethan, sei ein Unrecht. Er verheiße etwas, 
das eben mit dem Hinblick auf sie, deren 
Sein und Wesen den Menschen die Gesetze 
für ihr Thun vorschreibe, unerreichbar sei. 
Der Staat der völlig Gleichberechtigten 
werde nach einem Tage zerfließen. Der Adler 
herrschte in der Natur über den Sperber. 
Bei den Menschen habe die höhere Intelligenz 
und das kräftigere Ringen der Vorwärts 
strebenden das Ucbergewicht über den Trägen. 
Wie denn? Solle der Fleißige und Rührige 
das Ergebniß seiner Anstrengungen den 
Müßigen in den Schooß werfen? Er werde 
sich bedanken! Der Fleißige besitze Ehrgeiz 
und habe den Drang nach Erfolg, Fort 
kommen und nach gesondertem Besitz. — 
„Meine Freunde! Wenn Ihr heute eine 
Erbschaft macht, oder wenn Ihr durch eine 
Erfindung, die Euch Jahre lang beschäftigte, 
ein großes Vermögen erwerben könnt, wollt 
Ihr das ohne Weiteres hingeben, wollt Ihr 
Euch mit einem Tausendstel begnügen? Nein, 
das wollt Ihr nicht, und Niemand wird's 
Euch verdenken, daß Ihr Euch dcffen weigert. 
Die Zukunft, eine bessere, liegt nur in der 
Pflege der Vervollkommnung des sittlichen 
Menschen, in der Hebung der Schulen, 
in der Ausübung einer Religion, die zu 
Thaten der Pflicht und Thaten der Liebe 
und Duldsamkeit gegen die Mitmenschen 
auffordert. Wo war heute hier von Nächsten 
liebe die Rede? Nirgend! Selbst die Be 
fürwortung der Fördernng des Humanismus 
und der Wohlfahrt in Gestalt von Arbeits 
stätten, Krankenhäusern, NächtigungSanstalten, 
öffentlichen Speifehäusern, Unfallcntschädigun- 
gen und Altersversorgungen ward nur aus dem 
Gesichtspunkt einer Forderungsberechtigung 
an den Geldbeutel der Gutsherrn erörtert! 
Was aus dieser Klasse der Gesellschaft wird, 
ist Herrn Doktor Prestö glcichgiltig. Sic 
mag untergehen. Ja, Freunde, seid Ihr 
Heilige? Nehmt Ihr nicht auch einmal ein 
Gläschen mehr? Seid Ihr allezeit voll 
Christenthum gegen Eure Umgebung? Liegt 
ihr nicht auch lieber auf einem weichen Bett 
als auf Steinen? Wird einer von Euch das 
Anerbieten abschlagen, mehr zu werden und 
mehr zu verdienen, und ist er nicht auch 
ein Streber in seiner Art, in solcher Art, 
daß er sich möglichst gut betten will? Sprecht 
Ihr allezeit die Wahrheit? Erfüllt Euch 
niemals der Neid gegen Eure Nachbarn? 
Seid Ihr nicht ebenso hochmüthig wie die 
sogenannten Großen? Hand aufs Herz! 
Haltet Ihr Euch nicht für beffer, als sie? 
Habt Ihr nicht Euren Bauernstolz? Ein 
Unglück für das Volk ist ein Redner wie 
der Herr Doktor Prestö. Er möchte Euch 
— ich muß cs seiner Rede entnehmen — 
am liebsten anführen, damit alles vernichtet 
werde, die Güter und die Bauergehöfte da 
zu! Ja, was dann? Die Einöde bietet 
doch nichts als Hunger und Jammer und 
Elend! Und wie will der Bauer und Feld 
arbeiter leben, wenn er den Gutsherrn in 
den Brunnen versenkt? Ihr könnt alles 
kaufen für Geld. Aber wenn Ihr keines 
habt, und wenn . Ihr dem Staat die Mög 
lichkeit nehmt, durch den Wechsclverkehr 
zwischen Angebot und Nachfrage die Lebens 
frage und somit die Existenzfrage zu regeln 
was erblüht Euch dann Gutes? Elend 
Elend ist Euer Loos! Was uns heute 
terlichen Freund seiner Arbeiter. Wieder 
senkten sich die Fahnen, als die Hülle von 
Krupp's Denkmal fiel. Alsdann hielt der 
Direktor der Technischen Hochschule, Geh. 
Rath Riedler, eine Erwiderungsrede, in 
welcher er den Stiftern der beiden Stand 
bilder Namens der Technischen Hochschule 
tiefgefühlten Dank aussprach und betonte, 
daß beide Denkmäler das begeisternde Vor 
bild der Technischen Hochschule sein werden. 
Der Chor aus Haydn's Schöpfung schloß 
den offiziellen Akt. Hierauf sprach Geh. 
Rath Krupp dem Minister Studt seine leb 
hafte Freude über das wohlgelungene 
Standbild aus. An beiden Denkmälern 
wurden Kränze niedergelegt. Die Denk 
malsenthüllung war bannt beendet. Die 
Festtheilnehmer nahmen jetzt im Lichthofe 
Aufstellung, wo der Kaiserthron errichtet 
war. Um V2I2 Uhr rückte die vom Garde- 
Pionierbattaillon gestellte Ehrencompagnie 
an; gleichzeitig stellten sich auch neue 
Ehrengäste ein: Tie Minister v. Miguel, 
Botfeld, v. Goßler und v. Wedel und zahl 
reiche andere hohe Staatsbeamte und Offi 
ziere. Gegen 12 Uhr kam das Kaiserpaar, 
dem die fünf ältesten Söhne, sowie Prinz 
Joachim Albrecht folgten. Die hohen Herr 
schaften begaben sich in die Festhalle. Nach 
einem Fanfarengruß trat Kultusminister 
Studt vor, um, eine Ansprache zu halten 
an den Kaiser, an deren Schluffe er die an 
den Kultusminister gerichteten kaiserlichen 
Erlasse verkündete. 
Als zweiter Redner nahm sodann aber 
mals der Rektor der Technischen Hoch 
schule, Geh. Rath Prof. Riedler, das 
Wort. Nach Beendigung dieser Rede hielt 
der Kaiser selbst mit klarer, markiger 
Stimme eine Ansprache, in der er lebhaft 
der Feier gedachte, durch die sein Groß- 
vater vor 15 Jahren diesem Hause die 
Weihe gegeben hat. Die Hoffnung und 
der Wunsch, die damals der unvergeßliche 
Herrscher ausgesprochen, daß diese Anstalt 
allezeit ruhmvoll ihre Aufgabe lösen und 
den ihr gebührenden Rang unter den 
Hochschulen behaupten möge, hätten sich 
glänzend erfüllt. Die Charlottenburger 
Technische Hochschule wie die Technischen 
Hochschulen überhaupt hätten sich eben 
bürtig den obersten Bildungsstätten des 
Landes, den Universitäten, an die Seite 
gestellt. Daß durch die wissenschaftlichen 
Bestrebungen der Hochschulen der innige 
Zusammenhang mit der Praxis nicht be 
einträchtigt werden dürfe und die Techni- 
schen Hochschulen bemüht sein würden, 
aus der anregenden Berührung mit dem 
Leben fortdauernd neue Kraft und Nah 
rung zu ziehen, dafür dienten als Wahr 
zeichen die Standbilder v. Siemens' und 
Krupp's. In dem Verhältniß der techni. 
der Staat Schützendes und Förderndes 
bietet, ist ein Ergebniß des Ringens der 
Jahrhunderte. Allmählich hat sich die Er- 
kennntniß des Zweckmäßigen entwickelt. Wir 
müssen säen, die Saat behüten, indem wir 
das Unkraut von der Frucht scheiden, und 
müssen zur rechten Zeit ernten. Nur eine 
verständige Volkswirthschaftslchre giebt es: 
Daß Jeder durch strenge Pflichterfüllung 
seinen Theil zum Allgemcinbcsten beiträgt, 
daß wir unsere engeren Aufgaben darin 
erkennen, unsere Kinder zu tüchtigen Menschen 
zu erziehen, sie sowohl etwas Ausreichendes 
lernen lassen, als auch sie anzuweisen suchen, 
solches fürs Leben praktisch und möglichst 
günstig zu verwerthen, vamit sie dadurch 
und lediglich dadurch befähigt werden, mög 
lichst sichere materielle Vortheile zu erzielen; 
daß wir unö fühlen als größere und kleinere 
Glieder eines Ganzen; daß wir endlich 
stets alle erst vor unserer eigenen Thür 
fegen und dann erst den Besen in die Hand 
nehmen, um unseres Nachbars Schwelle zu 
säubern! Und so scblicße ich: Laßt Euch 
nicht bethören durch Hinweise auf Para 
diese, die sich nie eröffnen, die sich nie er 
öffnen können! Bleibt auf der Erde 
und helfet, daß schon durch gutes Beispiel 
Eucrn Kindern und Kindeskindern das werde, 
was zu erstreben möglich ist! Eines schickt 
sich nicht für alle. Den Sieg, den materi 
ellen und moralischen, trägt allezeit der da 
von, der einfach tüchtig und weise ist, der 
etwas im besten Sinne, im Umfang seiner 
Kräfte — leistet!" 
Graf Dehn hatte nach Beendigung seiner, 
von eisigem Schweigen begleiteten Rede 
große Mühe, den Saal zu verlaffen. 
Niemand machte ihm bei seinem Versuch, 
durchzudringen, gutwillig Platz; Jeder zeigt 
vielmehr feindselige Mienen, oder drängt 
ihn wie zufällig zur Seite, in der Art, da 
er zweimal fast gestolpert und hingestür; 
wäre. Aber er wußte seine Erregung dar 
über zu bemeistcrn, er that, als ob er' 
nicht bemerke. 
Draußen angelangt, stieg er rasch die Ar 
höhe hinab und begab sich auf direkte! 
Wege ins Wirthshaus. Und hier ang: 
kommen, ließ er sogleich satteln, berichtigt 
seine Rechnung und ritt, rasch trabend, na: 
Rankholm zurück. 
Zartfinn hielt ihn ab, vorher noch ein 
Begegnung mit Jmgjor herbeizuführen, auc 
wünschte er dem Doktor, der ihm noc 
widerwärtiger geworden, unter allen Um 
ständen auszuweichen. 
Er hatte ihn genau beobachtet. Diesem 
Menschen verzehrte ein wilder Fanatismus 
Die Begierde, sich zu rächen an der Ge 
sellschaftsklaffe, von der einst ein Mitglic' 
seine Eltern in die Fesseln der Abhängig 
feit geschlagen, durchglühte ihn allein. Un! 
neben dem Rachegefühl verzehrte ihn de 
Ehrgeiz. 
Er wollte herrschen, und daß er «1 
Herrscher einen Stab aus Eisen schwingen 
daß er ein weit größerer Tyrann sein würde 
als jener, gegen den er schon während seine 
Knabenzeit Haß und Verachtung eingesogen 
bewies seine schroffe Ueberhebung, seine kalt 
herzige Art. 
Und diesem Menschen wollte sich Jmgjo: 
mit ihrer, wenn auch äußerlich rauhen, dock 
von lauterer Menschenliebe erfüllten Brus 
zueignen! — 
Als Axel ein halbes Stündchen vor Tisck 
nach Rankholm zurückkehrte, berichtete ihn
	        
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