TägLich erscheinendes WLcrü.
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Anzeigen für die Tagesnmnmer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten.
—^ WZ! st er Jahrgrrng.
Druck und Verlag von dem verantwortlichen Herausgeber H. Möller (H. Gütlein Nächst.), Rendsburg, Mühlenstraße 18.
Ireitcrg, den
Bei Betriebsstörungen
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung
dieses Blattes vorbehalten.
Dem Rendsburger Wochenblatt wird
„Der Landwirth"
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interesse«
der Landwirthschast) gratis beigegeben.
Morgen-Berichte.
Berlin, 18. Okt. Zum G o u v e r .
n e u r von Berlin ist der frühere
Commandeur des V. Armeecorps, seit einem
halben Jahre commandirender General des
X. Armeecorps, General der Infanterie
von Bomsdorst ernannt worden, j
Berlin, 18. Oct. Im Thiergarten er-
schoß sich heute der Gymnasiallehrer M e<
v e s. Der Grund des Selbstmordes soll
in seiner Versetzung zu suchen sein.
Königsberg i. Pr., 18. Oct. Wie erst
jetzt bekannt wird, gerieth am 16. d. M.
Morgens ein auf dem Bahnhof Seeburg
von Rothfließ einlaufender Arbeitszug in
folge böswillig herbei geführ.
ter falscher Weichen st ellung
auf eine noch nicht mit Schienen belegte
Strecke. Die Maschine grub sich in den
Sandboden ein, während ein mit 40 Per
sonen besetzter Personenwagen vierter
Klasse zur Seite geschleudert und zu
sammengedrückt wurde. Acht Personen
trugen schwere, zwölf Personen leichte
Verletzungen davon. Als die Missethäter
wurden mehrere junge Burschen er-
mittelt.
Proßnitz, 18. Oct. Die Straßendemon
strationen der Tschechen haben sich wieder
holt. Aus den Häusern deutscher Juden
riß man die Fenster heraus. Militär
mußte die Ruhe wiederherstellen, da sich
die Polizei als zu schwach erwies.
Leipzig, 17. Oct. Der hochangesehene
Inhaber einer großen Buntpapier-Fabrik
der Westvorstadt ist heute früh unter dem
Verdacht großer Wechselfälschung verhaftet
worden. Die Höhe der Fälschungen be
trägt über 400 000 Mk. Mehrere aus
wärtige Häuser sind stark geschädigt
Ein auswärtiger Geschäftsmann ist unter
Verdacht der Mitschuld verhaftet. Die
Verhaftungen erregen ungeheures Aust
sehen.
London, 18. Oct. Der erste Lord des
Schatzes, Balfour, verliest eine
k ö n i g l i ch e B o t s ch a f t, in der es
heißt: Da die Zustände in Südafrika
nach Ansicht der Königin der Parlaments
akte gemäß als ein großer Nothfall zu
betrachten seien, erachte es die Königin
für angebracht, weitere Mittel für de»
Militärdienst zu beschaffen. Er glaube
daher dem Hause mittheilen zu sollen
daß die Königin im Begriffe stehe, durch
eine Proklamation die Einreihung
der Miliz zu befehlen und die
Milizreferve oder einen Theil derselben
den die Königin für nöthig erachte, für
den permanenten Dienst einzuberufen
Die Berathung der Botschaft ist au'
morgen vertagt.
Wien, 18. Oct. Zwischen den Statio
nen Franzensfeste und Grastein der Bren-
nerstrecke stieß heute früh ein von Kuf-
lein kommender Schnellzug mit einem
Güterzuge zusammen, wobei drei Be-
amte des Güterzuges g e t ö d t e t und
der Zugführer des Schnellzuges leicht ver
letzt wurden.
Paris, 18. Oct. Eine Depesche an den
Kolonialminister meldet: Die Hauptleute
Boulet und Chanoine sind von ihren
eigenen Leuten erschossen worden.
Der Kaiser in Hamburg.
Hamburg, 18. Oktober.
Der Kaiser ist mit großem Gefolge hier
eingetroffen und am festlich geschmückten
Dammthor . Bahnhof von dem präsidiren-
den Bürgermeister Mönkeberg und dem
preußischen Gesandten Grafen Metternich
empfangen worden. Der Monarch bestieg
sofort die offene Senatskaroffe und begab
sich, von der Bevölkerung freudigst be
grüßt, zum Frühstück bei dem Grafen
Metternich. Das Wetter ist sehr schön.
Die Straßen und die Schiffe im Hafen
tragen reichen Flaggenschmuck.
Der Trinkspruch, den der Kaiser
bei dem Festmahle im R a t h h a u s e aus
brachte, hatte folgenden Wortlaut:
„Es gereicht Mir zur besonderen Freude, an
dem heutigen historischen Gedenktage wieder in
Ihrer Mitte weilen ju können. Ich fühle Mich
gleichsam erfrischt und neu gestärkt, so oft Ich
von den Wogen des frisch sprudelnden Lebens
einer Hansastadt umspült werde.
Es ist ein feierlicher Akt, dem wir soeben bei
gewohnt, als wir ein neues Stück schwimmen
der Wehrkraft des Vaterlandes seinem Element
übergeben konnten. Ein Jeder, der ihn mit
gemacht, wird wohl von dem Gedanken durch
drungen gewesen sein, daß das stolze Schiff bald
seinem Berufe übergeben werden könne; wir be
dürfen seiner dringend, und bitter noth ist uns
eine starke deutsche Flotte. Sein Name erinnert
uns an die erste glanzvolle Zeit des alten Reiches
und seines mächtigen Schirmherrn. Und auch
in jene Zeit fällt der allererste Anfang Ham
burgs, wenn auch nur als Ausgangspunkt für
die Missionsthätigkeit im Dienste des gewaltigen
Kaisers.
Jetzt ist unser Vaterland durch Kaiser Wil-
Helm den Großen neu geeint und im Begriff
sich nach außen hin herrlich zu entfalten. Und
gerade hier, inmitten dieses mächtigen Handels
emporiums, empfindet man die Fülle und Spanne
kraft, die das deutsche Volk durch seine Ge
schlossenheit seinen Unternehmungen zu verleihen
im Stande ist. Aber auch hier weiß man es
am höchsten zu schätzen, wie nothwendig ein
kräftiger Schutz und die unentbehrliche Stärkung
unserer Seestreitkräfte für unsere auswärtigen
Jntereffen sind. Doch langsam nur greift das
Gefühl hierfür im deutschen Vaterlande Platz,
das leider noch zu sehr seine Kräfte in frucht
losen Parteiungen verzehrt.
„Mit tiefer Besorgniß habe Ich beobachten
müssen, wie langsame Fortschritte das Interesse
und politische Verständniß für große iveltbeive-
gende Fragen unter den Deutschen gemacht hat.
Blicken wir um uns her — wie hat seit einigen
Jahren die Welt ihr Antlitz verändert. Alte
Weltreiche vergehen, und neue find im Entstehen
begriffen. Nationen sind plötzlich im Gesichts
kreis der Völker erschienen und treten in ihren
Wettbewerb mit ein, von denen kurz zuvor der
Laie noch wenig bemerkt hatte. Ereignisse, die
umwälzend wirken auf dem Gebiete internatio
naler Beziehungen sowohl wie auf dem Gebiete
des national-ökonomischen Lebens der Völker und
die in alten Zeiten Jahrhunderte zum Reifen
brauchten, vollziehen sich in wenigen Monden.
Dadurch sind die Aufgaben für unser deutsches
Reich und Volk in mächtigem Umfange gewachsen
uud erheischen für Mich und Meine Regierung
ungewöhnliche und schwere Anstrengungen, die
nur dann von Erfolg gekrönt sein können, wenn
einheitlich und fest, den Parteiungen entsagend,
die Deutschen hinter uns stehen. Es muß dazu
aber unser Volk sich entschließen, Opfer zu bringen,
vor allem muß es ablegen seine Sucht, das
Höchste in immer schärfer sich ausprägenden Partei
richtungen zu suchen. Es muß aufhören, die
Partei über das Wohl d es Ganzen zu stellen,
es muß seine alten Erbfehler eindämmen, alles
zum Gegenstand ungezügelter Kritik zu machen,
und es muß vor den Grenzen Halt machen, die
ihm seine eigensten, vitalsten Jntereffen ziehen,
denn gerade diese alten politischen Sünden rächen
ich jetzt schwer an unseren Seeinteressen und
unserer Flotte. Wäre ihre Verstärkung Mir in
den ersten acht Jahren Meiner Regierung trotz
inständigen Bittens und Warnen nicht beharrlich
verweigert worden, wobei sogar Hohn und Spott
Mir nicht erspart .'geblieben sind, wie anders
würden wir dann unseren blühenden Handel und
unseren überseeischen Interessen fördern können!
„Doch meine Hoffnungen, daß der Deutsche
ich ermannen werde, sind noch nicht geschwunden,
denn groß und mächtig schlägt die Liebe in ihm
zu seinem Vaterlande. Davon zeugen die Ok
toberfeuer, die er heute noch auf Bergeshöhen
anzündet und mit denen er auch das Andenken
an die herrliche Gestalt des heute geborenen
Kaisers in der Erinnerung mitfeiert. Und in
der That, einen wundervollen Bau hat Kaiser
Friedrich mit seinem großen Vater und dessen
großen Paladinen errichten helfen und uns als
Deutsches Reich hinterlassen. In herrlicher
Pracht steht es da, ersehnt von unseren Vätern
und besungen von unseren Dichtern!
„Nun wohlan, statt wie bisher in ödem Zank
sich darüber zu streiten, wie die einzelnen Kammern,
Säle, Abtheilungen dieses Gebändes aussehen
oder eingerichtet werden sollen, möge unser
Volk in idealer Begeisterung, wie die Oktober
feuer auflodernd, seinem idealen zweiten Kaiser
nachstreben und vor allem an dem schonen Bau
sich freuen und ihn schützen helfen. Stolz au
seine Größe, bewußt seines inneren Werthes
einen jeden fremden Staat in seiner Entwickelung
achtend, die Opfer, die seine Weltmachtstellung
verlangt, mit Freuden bringend, dem Parteigeist
entsagend, einheitlich und geschlofien hinter
seinen Fürsten und seinem Kaiser stehend, so
wird unser deutsches Volk auch den Hansastädten
ihr großes Werk zum Wohle unseres Vater
landes fördern helfen. Das ist Mein Wunsch
zum heutigen Tage, mit dem Ich Mein Glas
erhebe auf das Wohl Hamburgs."
Der Krieg in Südafrika
Pretoria, 18. Oct. General Cronj
forderte am 16. d. M. die Frauen und
Kinder von Mas eking auf, die Stadt
zu verlassen, und eröffnete Montag Nach
mittag das Bombardement. Eine Er
widerung erfolgte nicht. — Am 16. d.
M. besetzten die Buren Tauugs, 40
Meilen südlich von Vryburg, ohne Wider-
land.
Vor Mafeking befinden sich 9000 Buren.
Die englischen Vorposten sind zurückge
drängt worden. Mafeking ist vollständig
solirt. Für morgen wird das Resultat
des Angriffes auf Mafeking, welcher
gestern begonnen hat, erwartet.
Johannesburg, 15. Oct. An der West
grenze der Republik fanden gestern ver-
chiedene Gefechte bei einem Punkte
nördlich von Mafeking statt, wo die Buren
die Bahnlinie unterbrochen hatten. Die
Buren nahmen mehrere Dörfer ein, da
runter Lobatsi, wo sie sich der Telegraphen
tation bemächtigten und die Telegraphisten
gefangen nahmen. Ein von Rodesia
kommender gepanzerter Zug feuerte auf
die Buren, die das Feuer erwiderten.
Mehrere Koffern sollen getödtet sein.
Lager bei Glencoe, 18. Oct. Die
Vorposten der Buren sind 7 Meilen von
hier gesehen worden. Ein Treffen steht
bevor.
Die „Times" melden, die vom Parla
ment verlangte Summe für die Ereignisse
n Südafrika werde ungefähr 10 Millionen
Pfund betragen. Dieselben werden nicht
als Kreditvotum gefordert, sondern als
Supplement zum Armeeetat. — Die Buren
lagen in der Nacht zum Dienstag bei
Glencoe. Die Kolonne Jouberts befindet
ich in der Nähe von Dannhauser und
bewegt sich langsam nach Süden. Durch
die Besetzung von Newcastle gelangten die
Buren in den Besitz vortrefflicher Borräthe
Der deutsche Reichspostdampfer „Kaiser"
hat die für Tranvaal bestimmten 4000
Kisten Munitionen in Port Said ausge
laden, um die Beschlagnahme durch britische
Kreuzer im Rothen Meere zu vermeiden
Aus dem „Kaiser" sollen sich auch deutsche
Offiziere befinden, die nach Transvaal
gehen. — „Morning Post" melden aus
Ladysmith, daß sich die Basutos gegen den
Oranje-Freistaat erhoben haben. — Die
Engländer zerstörten den Brückenübergang
von Hopetown, da die Farmer in dieser
Gegend alle zum Afrikanderbund gehören
— Wie verlautet, wird Präsident Krüger
ein Circular an die Mächte versenden, in
welchem er seine Haltung rechtfertigt.
Rom, 18. Oct. Mehrere Mächte be
schloffen, Militärbevollmächtigte in das
englische Hauptquartier zu entsenden. Die
englische Regierung hat dazu ihre Ein
willigung gegeben.
Wieder Samoa.
Nachdem der Staatssekretär des Auswär
tigen Amtes Graf von Bülow dem Kolo
nialrath Mittheilung aus den schwebenden
Verhandlungen wegen der Neuregelung der
Verhältnisse auf Samoa gemacht hat, be
ginnt dieses Thema wieder einen breiteren
Raum in der öffentlichen Diskussion einzu
nehmen. Daß die Mehrheit des Kolonial
raths gegen eine Aufgabe unserer dortigen
Stellung nichts einzuwenden hat, falls uns
von England gleichwerthige Entschädigun
gen für diesen Verzicht eingeräumt würden,
haben wir bereits mitgetheilt- Ob dieser
Standpunkt auch von denjenigen Kreisen in
Deutschland gebilligt werden wird, welche
Ar die Behandlung der Samoa-Frage we
niger politische und wirthschaftliche Gesichts
punkte gelten lassen wollen, sondern die
Wahrung unserer nationalen Würde hier
Ar einzig maßgebend erklären, bleibt ab
zuwarten. In England giebt man sich jetzt
den Anschein, als Hütte man dort durchaus
keine Eile mit dieser Frage. In Deutschland
kann inan es jedoch nrindestens ebenso gut
aushalten, und gegen die Unterstellung, als
wollte man hier die kriegerischen Verwicke
lungen in Südafrika dazu benutzen, um
England zu einem „schlechten Handel" über
Samoa zu drangen, bedarf es erst keiner
ausdrücklichen Verwahrung.
Die Times bemerkt, England habe, außer
aus allgemeinen Gründen, keinen Wunsch
Ar sein Arrangement über Samoa; die
Sache sei nicht von höchster Wichtigkeit für
England, es könne die Dinge lassen, wie sie
seien, falls Deutschland es wünsche. Einige
Deutsche dächten, sie könnten die Störungen
in Südafrika benutzen, um England zu
einem schlechten Handel zu verschüchtern;
doch unterstütze die deutsche Regierung die
ses Manöver nicht.
Ausland.
Außereuropäische Gebiete.
Vom Pekinger Hofe giebt der in
Shanghai erscheinende „Ostas. Lloyd"
nach der chinesischen „Allg. Ztg." folgende
sensationellen Mittheilungen wieder: Die
Kaiserin-Wittwe will einen Sohn des Her
zogs Lan (der aus kaiserlichem Blute
stammt) adoptiren und ihn zum Kaiser
ausrufen. Innerhalb des Kaiserlichen Hau
ses herrscht großer Zwiespalt in der Sache.
Die „North China Daily News" bestäti
gen die Nachricht und nennen Pu T'süan,
einen neunjährigen Knaben, als den in
Aussicht genommenen Thronerben. An
geblich ist Kuang Hsü gezwungen worden,
der Kaiserin-Wittwe eine Denkschrift zu
überreichen, worin er mit Rücksicht auf sei-
mm
Greàde.
Roman von Hermann Heiberg.
(Nachdruck verboten.)
Ocrebye und der große Forst Mönkegjor
lagen in derselben Wegrichtung.
Nachdem Graf Dehn diesen, scharf trabend,
nach Verlauf einer halben Stunde erreicht
hatte, durcheilte er ihn von einen, Ende
zum anderen, hielt auch auf einem mitten
im Gehölz auf einer Anhöhe befindlichen
Pavillon an und sah sich hier nach Jmgjor
um. Aber es war nichts von ihr zu be
merken, und er nahm daher, rasch entflossen,
die Richtung nach Oerebye.
Freilich konnte er, wenn er seinen Ritt
soweit ausdehnte, nicht zum Frühstück in
Rankholm zurück sein. Aber das ungeduldige
Verlangen, festzustellen, ob wirklich Jmgjor
und der Doktor beisammen seien, ließ das
in ihm aufsteigende Bedenken, ohne Ent
schuldigung fortzubleiben, rasch zurückdrängen.
Unterwegs, während er dahin galoppirte,
bestürmten ihn seine Gedanken.
War's nicht im Grunde eine Thorheit,
sich auf ein Mädchen zu kapriziren, das ihm
so entschieden auswich?
Und war's, wenn^ er wirklich ihre Zu
neigung gewann, wünschens- und lohnens-
werth, ein weibliches Wesen solcher Art an
sich zu fesseln? Er hatte sich eine ganz
andere Vorstellung von der jungen Dame
gemacht, von welcher ihm sein Vater ge
sprochen.
Er hatte ein mit Schönheit, Sanftmuth
und Liebenswürdigkeit verbindendes junges
Mädchen zu finden erwartet und sah sich!
einer fanatischen Vertreterin der neuen Ideen
gegenüber.
Und dann redeten doch wieder andere
Stimmen, und sie flüsterten ihm zu, daß
Nummern überall zu finden seien, daß er
es hier mit einem charakterstarken und trotz
aller Schroffheit warm fühlenden, edel-
denkenden Wesen zu thun habe. Von einem
solchen bevorzugt, gar auscrwählt zu werden,
erschien ihm des Ringens werth.
Und diese Vorstellung gab dann seinen
Gedanken wieder eine andere Richtung.
In Ocrebye angelangt, hielt Graf Dehn
vor demselben Gasthofe, in dem er kurz vorher
mit Jmgjors Vater und dem Grafen Knut
eingekehrt war, und schon während des Ein
tritts in die gemüthlichen Vorräume des
Gebäudes warf er die Frage hin, ob Jemand
aus Schloß Rankholm anwesend sei.
Der sorgfältig rafirte, höfliche Oberkellner
nickte bejahend.
„Ja wohl, Herr Graf, Comtesse von
Lavard ist vor einer halben Stunde ange
kommen."
„So — so!?" fiel Axel lebhaft ein
„Und — und — ist sie im Hotel?"
„Nein, Herr Graf! Sie ist auch nach
dem Landhof gegangen
„Nach dem Landhof? Was ist das?"
„Der Landhof ist ein öffentliches Lokal.
Um ein Uhr spricht da der Volksredner
Jens Uesholm. Sämmtliche Einwohner und
Bauern der Umgegend sind hingelaufen
„In der That? Ist man diesen Lehren
hier so zugeneigt? Und die Landarbeiter?
Werden sie dabei sein? Die haben doch
sicher um diese Zeit keine Erlaubniß von
ihren Gutsherren —?"
„Sie haben sic sich genommen, Herr Graf.
Die Sache ist schon lange im Gange. Das
giebt überhaupt gewiß noch ein böses Nach-
Piel —"
Diese Auskunft bestimmte Axel, nach rasch
eingenommenen Imbiß den Weg nach dem
Landhof zu nehmen.
Nun war's auch zweifellos: — Presto
und Jmgjor — beide würden dort an
wesend sein! —
Der Landhof lag mitten in der Stadt,
aber nicht unmittelbar an der Hauptstraßen
linie. Man mußte eine große Allee durch
messen, um das auf einer sanft empor
steigenden Anhöhe belegene, eine weite Um
schau bietende Vergnügungslokal zu erreichen
Es war auch ersichtlich, daß die Ein
wohner etwas Besonderes dahinzog.
Dicht gedrängte Gruppen von Bürgern,
Bauern und Feldarbeitern bewegten sich
durch den Baumgang, alle waren in Eile,
und aus der Umgegend kam noch fortwährend
neuer Zuzug.
Axel beschloß, sich einen Platz drinnen zu
suchen, auf dem er möglichst unbeachtet zu
schauen konnte. Da er aber der Gelegen
heit unkundig war, redete er einen älteren
Bürger in dänischer Sprache an und er
kundigte sich nach der inneren Einrichtung
des LandhofeS.
Da war ihm dann die Auskunft sehr
erwünscht, daß sich eine große Gallcrie rings
um den Saal ziehe, und daß man sie durch
einen vorhandenen, gesonderten Eingang be
treten könne.
Und so machte er es. Unter der Führung
seines Begleiters, eines ehrsamen Klempner
meisters, betrat er die Gallcrie und fand
bald einen Platz, von dem aus er den
Redner ins Auge fassen und die Zuhörer-
chaft genügend übersehen konnte.
Vorläufig wogte unten noch alles durch
einander. Menschen drängten sich, Stühle
wurden eingeschoben. DaS Geräusch leb
haften Schwatzens erfüllte den Raum; nur
der Redner selbst war noch nicht sichtbar.
Aber endlich erschien er, von dem brausen
den Zuruf der Versammelten empfangen,
und sprach mit einer lauten, wohlklingenden
Stimme über das von ihm angekündigt:
Thema.
Und was er sagte, machte Eindruck, weil
er seine Worte geschickt zu wählen wußte,
weil er niemals den ruhigen Ton verließ,
und weil er mit solcher Ueberzeugung von
der Berechtigung der Forderungen und von
der zweifellosen endlichen Erreichung des zu
erstrebenden Zieles sprach, daß er die Zu
hörerschaft völlig in seinen Bann schlug
Zum Schluß entwickelte er, was zunächst
zu geschehen habe, und eben das deckte sich
genau mit dem Inhalt des Gespräches, das
zwischen Jmgjor und Lucile stattgefunden
hatte.
Nachdem der Redner, ein Mann mit blond-
h ellcm Bart, tiefliegenden, dunklen Augen
und blaffen Zügen, unter nicht enden wollen
dem Beifall der Versammelten seine An
sprache beendet hatte, erklärte ein Bauer,
der als Präsident der Versammlung vor
stand, daß nunmehr die Redefreiheit eröffnet
sei und daß zunächst Herr Doktor Prcstö
aus Kneedeholm das Wort nehmen werde
Und Presto bestieg — aus einer Seiten
loge tretend, woselbst nunmehr Graf Dehn
auch Jmgjor entdeckte — sogleich die Redner
bühne und hielt unter dem lautlosen Auf
horchen der Menge ebenfalls einen Vortrag.
Und Jmgjor, die Graf DehnIfortdauernd
'chars beobachtete, folgte diesem mit funkelnden
Augen und gespanntester Miene. Sie hing
gleichsam an seinem Munde, sie verschlang
eine Worte.
Presto sprach über den Landadel, und
ein Bortrag zündete deshalb noch mehr,
weil er aus dem Munde eines ^Mannes
kam, der selbst unter ihm lebte.
Nachdem er denselben Vorschlägen, die
Jens Uesholm gemacht, das Wort geredet
und die Jnscenirung solcher werkthätigen
Reformen noch des Näheren beleuchtet hatte,
trat er zurück und begab sich unter dem
Jubelruf der Arbeiter und Landbevölkerung
auf seinen Platz zurück.H
Hatte es schon bisher in Graf Dehn ge-
gährt, hatte er sich förmlich zurückhalten
müffen, das Wort zu verlangen und Ues-
holms Ausführungen entgegen zu treten,
durch seine Auslassungen das Erreichbare
von dem absolut Unverständigen und des
halb Unerreichbaren zu scheiden, so glühte es
ihm jetzt in den Adern, Presto heimzuführen.
is hielt ihn auch nicht. Völlig unbe
kümmert um das theils neugierige, theils
feindselige Mustern derjenigen, durch deren
Reihen er sich drängte, trat er vor den von
ihm vorher ins Auge gefaßten Präsidenten
und ersuchte diesen, ihm das Wort ertheilen
zu wollen.
Des Dänischen war er so gut Herr wie
des Deutschen und Französischen. Dennoch
leitete er die ihm von dem Leiter der Ver
sammlung gewährte Rede mit einer Ent
schuldigung ein, wenn er sich etwas unvoll
kommen ausdrücken werde. FM ; MM
r
(Fortsetzung folgt.)
- .. ŅM