Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 2)

KMM 
HägLich erscheinendes WL-atL. 
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AeLtrstes und gelesenstrs Klatt im Kreise Uendsvnrg. 
Anzeigen für die Tagesnummer werden dis 12 Uhr Mittags erbeten. 
—^ Ş2 stee Jahrgang. 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Liefemng 
dieses Blattes vorbehalten. 
Dem Rendsburger Wochenblatt lvird 
„Der Landwirth" 
(Zeitschrift für die politischen u. socialen Interessen 
der Landwirthschast) gratis beigegeben. 
Wo. 159. 
Dienstag, den 11. Juli 
1899. 
Morgett-Gerichte. 
Köln, 9. Juli. Die „Köln. Ztg." 
schreibt zu dem Besuch des Kaisers auf der 
„Iphigenie", sowie dem daran geknüpften 
Depeschenwechsel zwischen dem Kaiser und 
Loubet: Dieser Vorgang sei als eine hoch 
erfreuliche Ergänzung der Friedenskonfe 
renz im Haag zu betrachten; obgleich man 
auch diesem Ereignisse gegenüber die Ruhe 
nicht verlieren und auf weit ausgreifende 
politische Kombinationen verzichten soll, so 
sei doch unverkennbar, daß durch dies Zu 
sammentreffen die staatsmännischen, weisen 
Kundgebungen, welche aus Herstellung 
sreundschaftlicher Beziehungen zwischen 
Deutschland und Frankreich abzielen, um 
ein neues gewichtiges Glied vermehrt wor 
den ist, sind. 
Paris, 8. Juli. Die gesammte re 
publikanische Presse bespricht den gestrigen 
Depeschenwechsel zwischen Kaiser Wilhelm 
Und dem Präsidenten Lvtibet und konstatirt 
uiit großer Genugthuung die friedliche Ge 
sinnung des deutschen Kaisers gegenüber 
Frankreich. 
Ulm, 9. Juli. Die „Frkf. Ztg." mel 
det: Ein gestern früh eingetroffenes kai 
serliches Telegramm genehmigt die Schlei 
fung der inneren Umwallung, worauf die 
städtischen Kollegien zu einer außerordent- 
juchen Sitzung zusammentraten und den 
des freiwerdenden Festungsterrains 
beschlossen. Der Kaufpreis beträgt 41/2 
Millionen Mark, den das Reich 20 Jahre 
Unverzinslich überläßt. Der bisherige Fe 
stungsgouverneur General D. R. Zingler 
^urde wegen seiner Verdienste um die Ent- 
sestungsangelegenheit zum Ehrenbürger er 
nannt. Die Stadt ist geflaggt. 
! Kiel, 9. Juli. Der Panzer „Baden" 
schlug, als er bei Stagen ankern wollte, 
iAit dem Heckanker aus eine Schraube, wel 
che brach. Der Panzer brachte sich mit der 
anderen Schraube nach Kiel und ging zur 
Reparatur in die Kaiserliche Werft. Nach 
»er Wiederherstellung der Schraube wird 
°as Schiff zum Geschwader zurückkehren. 
Wien, 9. Juli. Heute wurden die so 
zialdemokratische „Arbeiter-Zeitung", die 
beutsch-nationale „Ostdeutsche Rundschau" 
^nd das klerikale „Vaterland", vermuthlich, 
^eil sie die Entgegnung des Innsbrucker 
Hereins auf das Hirtenwort des Fürstbi 
schofs von Brixen abgedruckt hatten, be 
schlagnahmt. 
Berlin, 9. Juli. Das „Berliner Ta- 
àblatt" wurde gestern in Wien wegen der 
teuer Depesche über das Vorgehen der 
Polizei bei der Arbeiterdemonstration kon- 
fiscirt. 
Köln, 9. Juli. Ein Beinleiden des 
Weihbischofs Dr. Schwartz stellt sich als 
eine bösartige Knochengeschwulst heraus, 
die nach der Ansicht eines Arztes, der an 
der . Operation tzheilgenommen hat, wahr 
scheinlich später an einer anderen Stelle 
wieder hervorkommen wird. Die Operation 
(Abnahme des Beines oberhalb des Knies) 
nahm einen ziemlich glatten Verlauf. Dr. 
Schmitz befindet sich als Kandidat arcs der 
Liste für den erledigten Kölner Erzbischofs- 
Haag, 9. Juli. Die „Frkf. Ztg." mel 
det: Die 3. Kommission der Friedenskon 
ferenz, die allein noch nicht mit ihren Ar 
beiten fertig ist, hat sich gestern aus 10 
Tage vertagt, um den Delegirten Gelegen 
heit zu geben, vor der endgiltigen Fest 
stellung des Schiedsgcrichtsentwurses mit 
ihren Regierungen zu konferiren. Das Ende 
der Konferenz ist also keinesfalls vor dem 
21. d. M. zu erwarten. 
Haag, 9. Juli. Die offizielle Schluß 
sitzung der Friedenskonferenz ist auf den 
38. Juli festgesetzt. 
Petersburg, 9. Juli. Aus Baku 
wird telegraphirt, daß die Naphthaqucllen 
von Rylski seit zwei Tagen in Flammen 
stehen. Der Schaden ist unabsehbar. 
Newport, 9. Juli. Eine Depesche 
aus Austin (Texas) besagt: 1000 Personen, 
die sich vor der Ueberschwemmung auf eine 
kleine Anhöhe drei Meilen von Sealy ge 
flüchtet halten, und mit mehreren hundert 
Stück Bieh zusammengedrängt waren, gin 
gen dem Hungertode entgegen. Biele 
seien den Schlangenbissen erlegen. 
nachdrückliche Besteuerung der 
W a n d e r l a g e r baten. Unsere Gemein 
devertretung hat bewiesen, daß sie nur ihre 
Pflicht und Schuldigkeit thut, wenn sie das 
heimische Gewerbe in nachdrücklichster Weise 
schützt. So wurde denn eine Wanderlager 
steuer in Höhe von 10 0 Mark pro 
Tag beschlossen und an den Beschluß die 
Bestimmung geknüpft, daß ein Aufschlag 
von 50 Prozent eintreten kann, sobald mehr 
als ein Gehülfe beschäftigt wird. Nach den 
bisherigen Bestimmungen waren für Wan- 
derlagcr für die ganze Woche nur 30 Mark 
zu zahlen. 
Die Bewohnerschaft weiß dafür dem Ma 
gistrat nur großen Dank, denn die Detail 
listen sollen Kommunalsteuern bezahlen und 
haben einen Anspruch darauf, daß sie denn 
auch von den städtischen Behörden nach 
drücklichst geschützt werden gegen das Un 
glück der fliegenden Wandcrlager. Bei die 
ser Gelegenheit möge folgende Satyre des 
„Lujt. Allerlei" als köstliche Schilderung 
der geschäftlichen Lage unserer Detaillisten 
Platz finden: 
Gutes Geschäft. Detaillist: „Na, 
viel zu thun gewesen?" Kommis: „O ja, 
es waren viele Leute hier!" Detallist: Wie 
viel haben Sie denn eingenommen?" Kom 
mis: „So gut wie nichts!" Detaillist: 
lînsere DeteMişierŗ. 
Durch ein Wanderlager aus El 
berfeld wurden in letzter Zeit nicht nur 
Eisenach, sondern eine ganze Reihe Städte 
Thüringens mit emaillirtem Geschirr be 
glückt. Die bekannten Reklamen: „Kommet, 
Jşi, şàņà!" hatten wirklich fast über 
all die Käufer zu Hunderten herbeigelockt, 
"âch Schätzungen Sachkundiger hat 
t. (io /vbcuibcxlctgei; hier ctïseitt 15 dis 20 000 
Mk. umgesetzt. Da die einheimischen Ge 
schäftsleute durch dies Unternehmen auf 
„Nichts?" Kommis: „Ich habe hier auM 
schrieben, was die Leute gewollt haben." 
Tetaillist (liest): Ein. Herr, der sich das 
Adreßbuch leihen wollte. — Ein Herr, der 
einen Hundertmarkschein wechseln wollte. — 
Ein Junge, der Mausefallen verkaufen 
wollte. — Ein Unfall-Versicherungsagent. 
— Eine Dame, die telephoniren ivollte. 
— Ein junges Mädchen, das eine Brief- 
marke kaufen ivollte. — Ein Beitragsamm 
ler für Ferienkolonien. — Ein Häussrer. 
— Ein Freund des Chefs. — Ein Bettler. 
— Ein Herr, der sich erkundigte, wieviel 
Treppen hoch Krause wohnt. — Ein Kind, 
welches für 2 Pfennige Senf holte und 
einen Bonbon zum Geschenk dabei bean 
spruchte. — Die Reinmachefrau 
(spricht): „Sonst Niemand?" Kommis: 
.Ach ja, richtig, der Gerichtsvollzieher war 
ja auch noch hier; er sagte, wenn Sie den 
Wechsel bis morgen 12 Uhr nicht.bezahlen, 
muß er pfänden!" 
Jahre hinaus empfindlich geschädigt sind) v m I " 
wandte sich der Vorstand des Gewerbever- 'ôïÛlUJ Hit t!ÌÎI§ļf(ļ|îîli§ flî HßlßfiL 
eins mit 75 hiesigen Gewerbetreibenden und ' *' ~~ - -- 
Kaufleuten mit einer Eingabe an den Ge 
meindevorstand, in welcher sie um eine 
Die elektrische Ausstellung in Como, die 
mit einer großen Seiden-Äusstellung ver 
bunden war, sit gänzlich niedergebrannt. 
Nichts oder nur sehr wenig konnte von die 
ser herrlichen Ausstellung, an der auch 
deutsche Firmen betheiligt waren, gerettet 
werden. 
Zu dem Brande der Ausstellung wird 
noch gemeldet: Als die Flammen die 
Maschinenausstellung erreichten, zerspran 
gen zwei Gasometer unter gewaltigem Kra 
chen und mit ihnen zahlreiche eben in Be 
trieb genommene Gasmaschinen, deren 
Eisenstücke hoch in die Luft geschleudert 
wurden. Sämmtliche Voltareliquien sind 
bei dem Brande vernichtet worden, desglei 
chen prachtvolle mittelalterliche Stickereien, 
Sammet- und Seidenstücke aus dein 13. 
und 14. Jahrhundert. Für heute war der 
Besuch des Königspaares in der Ausstel 
lung angesagt. Der Schaden wird ans 20 
Millionen Lire geschätzt. Die Firma Schu- 
ckert in Nürnberg erleidet allein eine:: 
Brandschaden von etwa 300 000 Mk. Mit 
größter Lebensgefahr retteten einige Ar 
beiter den Gipsabguß des Schädels Volta's. 
Ob Menschenleben bei dem Brande umge- 
kommen sind, ist noch nicht konstatirt. 
Der Brand der Ausstellung wurde dem 
Publikum erst signalisirt durch ein ent 
setzliches Getöse, verursacht durch die ex- 
plodirenden Gasometer und Dampfkessel, 
worauf sofort eine ungeheure Menschen 
menge herbeiströmte, darunter zu allererst 
die Angehörigen der in der Ausstellung 
Bediensteten. Bis jetzt jedoch scheint kein 
Verunglückter entdeckt zu sein. Als letzte 
retteten sich aus den flammenden Gebäu 
den 20 Priesterschüler mit ihrem Lehrer. 
Sie kamen mit versengten Haaren und Klei 
dern davon. 
Wie nunmehr konstatirt ist, brach das 
Feuer unter dem Fußboden im Marinesaal 
in Folge Erglühens eines elektrischen Lei 
tungsdrahtes aus. Als Wachleute den Bo 
den aufrissen, schlugen ihnen die Hellen 
Flammen entgegen, welche sofort so hef 
tig um sich griffen, daß jeder Löschversuch 
unmöglich wurde. 25 Minuten nach dem 
ersten Alarm war die gesammte Ausstel 
lung ein einziges Feuermeer, wenige Mi 
nuten später stürzten alle Dächer, Mauern, 
sowie die gesammte Facade mit ihren cha 
rakteristischen, Voltasäulen darstellenden, 
hohen Thürmen ein. Aus dein Saale der 
Cimlien Voltas wurden mit größter Le 
bensgefahr seitens einiger Arbeiter der 
Gipsabguß des Schädels Voltas, sowie 
einige Bilder gerettet, alle übrigen uner 
setzlichen Gegenstände, worunter sehr viele 
Manuscripte, verbrannten. Bezüglich der 
Verluste von Menschenleben herrscht noch 
iminer Ungewißheit. 
Ausland. 
Bm lli'lciî Am«. 
Roman von E. v. Linden. 
! ^^druck verbotenUebcrsctziingsrccht vorbehalten.) 
, Fräulein Ebba Regina, welche ein 
Deutsch sprach und sich von 
I C L;t acn sür die Erbin ihres reichen 
if) 1115 *" p^ tten Onkels halten durfte, ver- 
.. an .. .ļ'î 1 ) 9 ^- wie dieser, ganz vortresf- 
^ ģ, ^ìche Gesinnung, wo es nöthig 
ï'im m,b sick als echte Schles- 
^S-Holstentmn »ufzuspiclen. Doch war 
ibrJ o vlit auffälligen Schönheit, 
fr Geschmeidig unp glatten Formen, 
gell säMfev V-rstand- bislang nicht 
L lungen, Aufnahme « Kreise zu finden 
^°nach >hr ganzes Sinnen und Trachten 
Osi'd, um durch eine HeMw fick b en g , 
stiern des Adels ebenbürtig su s 
7' c , r unglückliche Kurt von Belln, hatte 
swischcn Lindcnhagen und den Ņitlkrà„n 
vcr weiten Umgegend eine Schestemamr 
lochtet, welche der wucherische Eindringling 
* V niederzureißen vermochte, 
des sich deshalb schon zum Verkaufe 
von A,"i^ entschlossen, als Hanö Justus 
ihm ivg auf der Bildfläche erschien uud 
~ £Ue Aussichten erschloß. 
Selbstverständlich erfuhr Hans Justus 
schon in der ersten Stunde seines Bei 
sammenseins mit der adeligen Jugend von 
der schönen Ebba Regina und ihrem ver- 
vehmten Onkel. Die Geschichte wurde dem 
Amerikaner so unverständlich, die Furcht der 
Junker ihm so belustigend, daß er in ein 
lautes Gelächter ausbrach und hierauf mit 
ihnen wettete, sie sämmtlich innerhalb acht 
Tagen im Lindenhagener Herrenhause uni 
sich versammelt zu sehen. Die jungen Herren 
gingen die Wette ein, die auf fünfzig Doppel- 
kronen lautere und von den acht Junkern 
zusammen gegen Hans Justus gehalten wurde. 
Wovon Letzterer die Sumnte bezahlen 
sollte, falls er verlor, wußte er selber nicht, 
da der alte Baron ihm zwar ein anständiges 
Taschengeld ausgesetzt hatte, doch an solch' 
hohe Summen niemals denken würde. Er 
mußte also gewinnen und zweifelte auch keinen 
Augenblick daran. 
Ohne Säumen lenkte er seinen Fuchs 
şchon am nächsten Nachmittag nach Linden 
hagen, um dort seinen Besuch abzustatten, 
u'?« Btelwig, der von seiner Ankunft be- 
ras»i a ! n “ 8 tichört halle, war höchst übcr- 
und erfreut über den unerwarteten 
Ş°8. , , Besuch und bot seine ganze LiebenSwürdig- 
der-n 
1 " U 'JiS . c Richte von ihrem Sparier- 
,îtt zuràyrte, was allerdings, da sin er 
hauptsächlich um ihrethalben erschi 
npvpTT tntv " *■ vlvUCUW/ 
ĻLagen die Bewunderung aller 
war stir^ 1,stl,ner hcrausfordcrle. Ihr Onkel 
und 1 j“ u f sic. er hielt ihr die besten Pferde, 
* 8 tear zu kostbar für seine i'chöne 
fcen Gesprächsstoff der ganzen 
là 'à'".Tugend bildere. Mancher Junker 
vervebmte 8ar ä u flcni über die 
ll'enn' ll»0ch'velle von Lindenhagen gewagt, 
hätte ll die Furcht zurückgeschreckt 
' ņ den gleichen Berruf zu gerathen. 
nicht schwer hielt.^'^^neu war. 
Bei einer Fla,che echter, Johannisberger, 
wovon noch we lange Reihe in, Keller 
lagerte d-e A.elw.g e.nem Weinhändier 
hatte abpfanden lassen, sowie einer ebenso 
echten Havana plauderte es sich ^ 
müthlich in bent elegant ausgestatteten Raum 
den der Gutsherr als sein Privatzimmer 
bezeichnete. 
„Ihr Vorgänger hat sich wohl mit einem 
Loth Blei absentirt, wie?" fragte Hans 
Justus, dem es diesem Mann gegenüber 
zum ersten Male wieder ganz wohlig wie 
drüben in der Heimath wurde. 
„Bah, er war ein Narr!" erwiderte 
Melwig wegwerfend, „wenn die Herren 
Aristokraten für ihre verschwenderischen Ge 
nüsse und Passionen das Geld des soliden 
Bürgers brauchen, dann ist dieser ein guter 
lieber Mann, ein Freund in der Noth. 
Will er aber sein sauer erworbenes Geld 
nicht umsonst riSkiren und es auch endlich 
wieverhaben, dann schimpft man ihn einen 
Wucherer, Halsabschneider und Gott weiß 
waS! — Pardon, Herr Baron, ich vergaß, 
daß auch Sie zu diesen Aristokraten ge 
hören, — aber ich frage Sie, ob es ge 
rechtfertigt ist, mich für den Tod eines 
solchen Verschwenders noch schließlich ver 
antwortlich zu machen. Ich habe das Gut 
übernehmen müssen, um zu meinem Gelde 
zu kommen, denn Jeder ist sich selbst am 
Ende doch der Nächste." 
„All right, Sir!" rief Hans Justus, mit 
dem menschenfreundlichen Herrn Melwig 
kräftig anstoßend, „ich hasse diese deutschen 
Aristokraten und freue mich, daß Sie den 
dummen Junker aus diesem warmen Neste 
geworfen und sich selbst hineingesetzt haben. 
Goddam, Sir, wir müssen Freunde werden, 
Sie gefallen mir, diese ganze Sippe ver 
dient, daß ihr die Goldfedern ausgezogen 
werden, und wir beide, kalkulire ich, wären 
die rechten Männer dazu." 
Melwig sah ihn prüfend an, er hatte sich 
diesen Amerikaner, der so mitten in die 
Autzereuropäische Gebiete. 
Swen Hedin ist, wie der „Telegraph" 
mittheilt, soeben wieder nach Tibet auf 
gebrochen. In seiner Begleitung befindet 
sich Islam Bai, dessen wunderbare Rettung 
Hedin in seinem spannenden Buch „Durch 
Asiens Wüsten" erzählt. Aus Befehl des 
Zaren sind drei Kosaken als Eskorte mit 
gegeben, welche hoffentlich ausreichen, den 
kühnen Schweden vor einem ähnlichen 
Schicksal zu bewahren, wie es Landor in 
Tibet beschieden war. 
In New-Uork hat man ein altes Gesetz 
wieder an das Tagelicht geholt und Mr. 
Edward Wren. einen im Alter von 15 
Jahren stehenden Bürger der Union, 
unter die Anklage gestellt, allein ins 
Theater gegangen zu sein. 
Das Gesetz verfügt nämlich, daß niemand 
unter dem Alter von 16 Jahren ohne 
Begleitung eines Erwachsenen zu einer 
theatralischen Unterhaltung gehen darf. 
Der Richter verurtheilte Mr. Wren zu 
einer Strafe von sechs Monaten Gefäng 
niß, war aber gnädig genug, den Aufschub 
der. Straße zu verfügen. Er bemerkte, 
daß er alle New.Dorter Kinder und 
Theaterdirektoren auf das Gesetz hinweisen 
wollte, um sie für die Zukunft zur Sorg- 
fält anzuhalten. — Welch' ein Geschrei 
würde in ähnlichem Falle wohl in Deutsch 
land sich erheben! 
Ein künstliches Erdbeben hat 
offiziell die Stadt Victor in Colorado 
veranstaltet. Die Stadt beschloß, das 
Patriotische mit dem Nützlichen zu ver 
einigen und den amerikanischen Unab 
hängigkeitstag durch ein — künstliches 
Erdbeben zu feiern, das von der Stadt 
Victor in allen Erdtheilen sprechen machen 
und im Laufe der Dinge zur Erörterung 
ihrer mannigfachen, der Welt bis dahin 
noch nicht bekannten Vorzüge führen 
müßte. Ter Plan ist glänzend gelungen. 
Die Stadt Victor liegt auf den Abhängen 
des Big Bug-Berges. Der Erdbeben- 
ausschuß stieg weitere 2000 Fuß bis zum 
Gipfel hinein und ließ fünf Tonnen 
Dynamit in dort angelegte Schächte 
unterbringen. Der Gouverneur des 
Staates und 20 000 Menschen machten 
sich aus die Beine, um die Explosion 
„mitzumachen". Der Dynamitvorrath 
aristokratische Gesellschaft hineingeschneit war, 
schon gleich auf's Korn genommen, weil 
Alles, was von drüben kam, andere An 
sichten und Ideen über Stanvesurtheile be 
saß. Der geriebene Menschenkenner hatte 
jich, wie er sah, auch nicht getäuscht, der 
junge Baron von Alting gehörte zu ihm. 
„Ich glaube, Sie haben Recht, Herr 
Baron", erwiderte er, „und es freut mich 
aufrichtig, daß wir uns in einer Sympathie 
begegnen, die auf beiderseitige Interessen 
sich gründet. Darin ist Amerika uns weit 
voraus, obgleich Sie bei uns auch schon 
kluge Leute genug finden, die ihren irdischen 
Vortheil, den sie greifen und festhalten 
können, höher stellen, als die ganze Gefühls 
duselei und Verhimmelung, womit sich die 
Menschen selbst betrügen und von Andern 
um ihren Lebenszweck geprellt werden." 
,,Goddam, Mr. Melwig, das nennt man 
wohl deutsche Philosophie?" rief Hans 
Justus laut lachend. „Sie sind mein Mann, 
diese Philosophie gefällt mir. Lassen Sie 
uns anstoßen auf gute Kameradschaft!" 
Die Gläser klangen zusammen. Der schöne 
Bund dieser beiden edlen Seelen sollte bald 
seine Früchte tragen, wie wir bereits aus 
des alten Herrn von Römhild's Klagen er 
fahren haben. Hans Justus begann mit 
den Sport-Wetten, die ihm seine adligen 
Genossen zuerst in's Netz trieben und zu 
seinen Schuldnern machten. Um seine ein 
gegangene Wette hinsichtlich des Linden 
hageners zu gewinnen, fing er es schlau an, 
indem er diese ganz vergessen zu haben schien 
und die darauf hinzielenden Neckereien über 
hörte. 
„Oho", sagte Harald Römhild, „der 
amerikanische Fuchs will uns darum prellen, 
weil er die Wette verloren giebt, da werde 
ich ihn mal aus seinem Bau treiben. Der 
reiche Onkel kann für ihn zahlen, denn 
Wette bleibt Wette und für jeden von uns 
eine Ehrensache." 
Als die Herren am selben Tage mit Hans 
Justus zusammen kamen, um eine Bootfahrt 
zu unternehmen, niachte Römhild den ersten 
Angriff auf ihn. 
«In drei Tagen haben Sie fünfzig 
Doppelkronen an uns verloren", sagte er 
mit starker Betonung. 
Der Amerikaner sah ihn mitleidig an. 
„Ach, Sie meinen damit die Linden 
hagener Wette, mein bester Herr von Röm 
hild?" erwiderte er nachlässig, „all right, 
id) will verlieren, — mir liegt nichts daran, 
die Herren in meinem Jagdrevier zu sehen. 
Aber Goddam, leid thun Sie mir alle- 
sammt. Zum Henker mit einem solchen 
Gängelbande, das Sie sich selber aus Vor- 
urtheilen, Hochmuth und — Pardon — 
na, sagen wir Abhängigkeit, gedreht haben." 
„Sie scheinen danach Glück in Linden 
hagen zu haben, Herr von Alting", bemerkte 
Römhild spöttisch, „nun, Jeder nach seinen! 
Geschmack, Amerika ist in solchen Dingen 
nicht wählerisch. Wenn Ihr Onkel es frei 
lich erführe, er versteht in oieser Sache 
keinen Spaß." 
„Braucht er's denn zu erfahren?" er 
widerte Hans Justus, wie prüfend seinen 
Blick von Einem zum Andern wandernd 
lassend. „Ich denke nicht, daß einer von 
Ihnen es ihm verrathen wird." 
„Weil ein ^ solcher Gedanke eine blutige 
Beleidigung für uns wäre^, rief einer der 
Herren achselzuckend, „womit sich aber nicht 
verbürgen läßt", setzte er langsam hinzu,
	        
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