3. Blatt.
Şormtags-Ausgabe.
Nr. 242.
zum
Nendstzuŗgeŗ WoDenHlaLt.
Diese Unterhaltungs-Beilage wird dem „RendSLurgcr
Wochenblatt" einmal wöchentlich (SomitagS) betgegeben.
Sonntag, den 15. October 1899.
Druck und Verlag von dem verantwortlichen Herausgeber
tz. Möller <A Gütlein Nachf.). Rendsburg, Mühlenstr. 18.
"" Zur HGWe
der Kirche, des Kirchspiels und des
Stadttheils Nendsburg-Neuwerk.
Ul die Ubelftitt des W-jShlil,en Vesteheiis
zusammengestellt von
1. Löst.
(Nachdruck, auch auszugsweise ver boten
wird strafgcrichtlich verfolgt.)
1718, den 1. Mai, wurde ein Jude
im Neumerk in der Christkirche getauft;
da denn die Garnison und die Stadt zu
Gevatter gebeten wurden und standen
Jhro Excellenz der Geheimrath von Fuchs,
der Kommandant Generallieutenant Roth-
stein, der Justizrath Lehmann nebst an
deren Offizieren. Bon wegen der Stadt
(Magistrat) ist niemand da gewesen,
sondern hat diese 12 Rthlr. zum Gevatter-
pfennig gegeben und ist ihm der Name
Friedrich Christian gegeben worden nebst
dem Zunamen Rendsburg, Friedrich
Christian aber nach dem Könige und dem
Kronprinzen.
17 20, den 5. Dec., starb Amtmann
Geheimrath von Fuchs in feinem 81.
Lebensjahre. Er war 20 Jahre Amtmann
hier, vor dieser Zeit aber Generalmajor
und Kommandant dieser Festung. Die
Christkirche verlor in ihm ihren haupt
sächlichsten Wohlthäter und Fürsprecher.
17 21—17 2 5. In diesen Jahren spielte
in Rendsburg die Ranzau'sche Blntsache
eine große Rolle. Ueber den Schluß der
Tragödie berichtet ein Rendsbnrger Chro
nist :
Anno 1725, den 29. Juni, ward
allhier aus einem neuen dazu erbauten
Chaffot oder Blutgerüst, so anderthalb
Mannes hoch war, eine Execution verrichtet,
denn da die beiden Gebrüder als Reichs
grasen Rantzau sich nicht um die Herrschaft
ihrer Güter als Drage, Breitenburg und
Rantzau vertragen konnten, senn auch der
älteste ein wunderlicher Herr war, wie er
denn auch von seinen Unterthanen der
tolle Graf genannt wurde, die auch den
jüngsten lieber zu ihrem Herrn hatten,
ließ sich der jüngste bethören, den ältesten
ans dem Wege zu räumen, der doch sein
leiblicher Bruder war, deswegen er denn
etliche dazu kriegte, daß er erschossen
ward, deswegen er (der jüngere Bruder)
und hernach allhie selbst in Arrest gezogen,
die Thäter aufgesucht wurden, wie denn
der Capitain Prätorius schon in fremden
Landen war, und aus dem Branden
burgischen gesanglich hergebracht ward,
ihnen nach langem Arreste von dem hoch
löblichen dazu verordneten Commissions-
Gericht das Urtheil sxeguiret, der Graf
selbst zu einem ewigen Gefangenen auf
einem Schloß in Norwegen condemrnrt,
dem Capitsin Prätorius ward auf dem
Chaffot mit dem Schwert der Kopf ab
gehauen, der Kops und Leichnam hernach
auf der Schinderkarre (Reliquienstück auf
dem Kirchengewölbe der St. Marien-Kirche)
hinausgefahren aus dem Holstenthore
(Neuthor) nach dem Twiberge (einer
Galgenstätte), der Kopf auf den Pfahl,
der Leib mit einer eisernen Kette auf das
Rad genagelt. Er ging frisch zum Tode,
that erst eine Oration (Rede) auf dem
Chaffott, wie er nun auf dem Sande
niederkniet, da es denn eben ein starker
Sturm und Wind und der Höhe des
Gerüstes halber, welches im Neuenwcrk
auf dem Markt oder Paradeplatz stund
und der Wind recht fassen konnte, versetzte
der Scharfrichter den ersten Hieb quer
über" beide Schultern, der andere ging
glücklicher und nahm den Kopf weg.
Darnach bekam einer, genannt Paul
Sievers, ein Brandmark vor den Kopf
und des erschossenen Grafen sein Jäger,
Namens Wetzling einen Staubbesen, wozu
ein Pfahl auf dem Gerüst mit eingesetzt
war. ,-Die beiden kamen dazu in die
Sclaverei. Das Chaffot wurde von den
Sclaven abgebrochen und auf dem Markte
niedergelegt, da es hernach bei stückweise
weggetragen, wer Lust dazu gehabt hat. —
Geht man auf dem Paradeplatz von
der Garnisonsavotheke in nördlicher Rich
tung sort, so kann man im Stein
pflaster einen größeren viereckigen Stein
finden, Hier wo dieser Stein liegt, soll
das Blutgerüst des Prätorius gestanden
haben.
17 5 7 ist der M a t e r i a l h o f zu bauen
angefangen und ist am 6. Juni die erste
Hälfte aufgerichtet.
1 758, den 4. Juli, wurde der
Comm ißbackofen beim Provianthofe
errichtet.
1786, 4. Nov. Die zwischen den
Predigern der Altstadt und Neuwerts seit
1779 obwaltenden Streitigkeiten über die
Parochialgrenzen werden für beständig
dahin entschieden, daß wirklich in Militair-
dienst stehende Personen auch wenn sie
in der Altstadt wohnen, zur Christ- und
Garnisons-Kirche gehören, die in der Alt
stadt wohnenden verabschiedeten Militair-
Personen aber zur St. Marien-Kirche.
Des Kontrolleurs Wohnung (Haus des
Dr. Hass? Stand auf dem Platze, aus
welchem jetzt der Neubau der Spar- und Leih
kasse sich befindet.) gehört zur Altstadt, die im
Kronwerk belegenen Häuser gehören zur
Christ- und Garnisons-Kirche. —
17 86 ist der Brunnen aus dem
Paradeplatz erbauet und das Wasser
aus der Obereider durch eine gemauerte
Röhre hineingeleitet.
1 787 wurde vor den Holstenthore an
statt der alten Brücke ein Gewölbe von
Quadersteinen über die Satisau gemacht.
Item die alte Zugbrücke bei der Schiff
brücke wurde abgebrochen und an deren
Stelle eine neue Drehbrücke gemacht. Da
»nan schref de Rink van de Taschen un de
Henge van söben Flaschen, acht Dubenvöt
un söben I dar denkt man der beiden
Brüggen Jahrtall bi:
CIO CCCCCCCXXXXXXXXIIIIIII
(MDCCLXXXVII). — Nachgeahmt.
17 88 ist eine ganz neue Brücke vor
dem holsteinischen oder neuen Thor bis
über die Ravelin gemacht worden, der
Thorweg hat so lange bei dem Zeughaus
am Wasser aus über die Kunterschast
gegangen.
1806—1808. Die Kriegsereigniffe,
weiche der französische Kaiser Napoleon
heraufbeschwor, veranlaßte den Kaiser von
Deutschland, Franz II., das deutsche Reich
1806 auszulösen. Dadurch wurde die Bezie
hung Holsteins zu Deutschland gelockert. Der
Kronprinz Friedrich (Vl.)von Dänemark war
damals in Kiel und schien es diesem am vor-
theilhaftesten zu sein, die Herzogthümer
Schleswig und Holstein zu incorporiren
und für einen unzertrennlichen Theil des
dänischen Staates zu erklären. Hiergegen
erhob der Schwager des Kronprinzen,
Herzog Friedrich Christian von Augusten-
durg, Einsprache seiner Erbberechtigung in
den Herzogthümern wegen und half man
sich deswegen damit, für „unzertrennlich"
zu setzen „ungetrennt", was sich der Her
zog nach einigem Widerstreben gefallen
ließ. Im selben Jahre am 27. Oct. zog
Napoleon siegreich in Berlin ein. Preußen
mußte mit Napoleon den Frieden zu
Tilsit schließen. Zwei Tage später schloß auch
Rußland mit dem Eroberer Frieden und
plante letzterer nun, um auch England zu
seinem Gelüste zu zwingen, das sogenannte
Kontinentalsystem, durch welches der
Handel Englands lahm gelegt werden
sollte. Am 21. Nov. 1806 erließ Napo
leon von Berlin ans das Decret, durch
welches Großbritannien in Blokadezustand
erklärt und jeder Verkehr des Kontinents
mit demselben verboten wurde. Dieser
Handelssperre sollte auch Dänemark bei
treten und verlangte Napoleon, daß die
dänische Flotte an Frankreich ausgeliefert
werden sollte, um nicht gegen Napoleon
verwandt zu werden. Hiervon erhielt
England Kunde und verlangte nun am
8. Aug. 1807 beim Kronprinzen in Kiel
ein englischer Gesandte von Dänemark
ein engers Bündniß mit England und
Auslieferung der Flotte an diese Macht.
Friedrich wies dies Ansinnen zurück und
begann zu rüsten, um die Neutralität
Dänemarks aufrecht zu erhalten. Sofort
landeten die Engländer ohne Kriegs
erklärung auf Seeland, belagerten und
bombardirten vom 2. bis 5. September
Kopenhagen und raubten die dänische
Flotte. Am 6. Sept. nahmen die Eng-
länder auch Helgoland. Zur Zeit des
Beginnes der drohenden Kriegsereigniffe
war Kronprinz Friedrich nach Kopenhagen
geeilt, um dort die nöthigen Befehle
zu geben und seinen geistesschwachen
Vater, den König Christian VII. nach
Rendsburg zu führen. Den König be
gleiteten außer dem Kronprinzen der
Prinz Christian von Hessen, die vier
Adjutanten von Lindholm, Bübow, Grüner
und Bechtoldheim, sowie einer seiner
Reichscavaliere, von Ries. Der König
reiste incognito unter dem Namen eines
Barons von Stein. Am 13. Aug. 1807
langte er zu Korsoer an und fuhr die
Nacht über den Belt. Während der
Ueberfahrt von • Seeland nach Fühnen
kreuzten zwischen beiden Inseln mehrere
englische Kriegsschiffe. Ein Fregatten-
osfizier, welcher Sie dänische Dacht, die
den König und dessen Gefolge führte,
zuerst erblickt hatte, steuerte aus sie zu
und kam an Bord, um die Passagiere zu
untersuchen. Es war ein Glück, daß
weder der König noch der Kronprinz, die,
in blaue Mäntel gehüllt, in der Kajüte
lagen und die Miene annahmen, als ob
sie schliefen, nicht von ihm erkannt
wurden. Lindholm stellte beide als Offiziere
vor, die zu ihrem Regiments eilten.
Nach kurzem Aufenthalte in Odense eilte
der König nach Kolding und von dort
nach Rendsburg, wohin einstweilen der
Sitz der Regierung verlegt wurde. Der
Kronprinz begab sich nach Kiel und erließ
nach Vollführung der unerhörten That
der Engländer von Rendsburg aus
am 30. Oct. 1807 unter dem Namen
Christians VII. die Verordnung, durch
welche unter Androhung der schwersten
Strafen jeder Verkehr mit Großbritannien
untersagt wurde. Kronprinz Friedrich
warf sich jetzt dem Kaiser der Franzosen
in die Arme und dieser ließ ein Hülssheer
von 3200 Mann unter Befehl des Mar
schalls Bernadotte, Prinzen von Ponte
corvo in Schleswigholstein und Dänemark
einrücken. Rendsburg wurde wieder ein
mal für einige Zeit ein großes Heerlager.
Dem Könige Christian VII. aber ereilte
in dieser Zeit in Rendsburg der Tod.
Am 12. März 1808, nach der
Mittagstafel, verlangte der König die
Briefe der Frau v. Sêoigns zu lesen. Er
setzte diese Lectüre bis 11 Uhr Abends
fort und begab sich dann zur Ruhe
Am andern Morgen um 7 Uhr stand er
auf. Man hatte ihm das Bündniß mit
Frankreich verheimlicht. Als er nun, bald
nachdem er ausgestanden war, aus seiner
Wohnung im Gouvernements-Gebäude auf
den Paradeplatz hinaussah, der eben mit
fremden Truppen und Geschützen erfüllt
war, erschrak er so heftig, daß er vom
Nervenschlage betroffen niedersank. Kam
merherr von Stemann brachte ihn ins
Bett. Fünf Minuten später hatte er
ausgelebt.
Ein Zeitgenosse berichtet:
18 08, den 9. April. In Rends
burg ist man sehr mit der Ausstellung
des Sarges des Königs beschäftigt, da
man die Leiche wegen schlechter Einbal-
samirung nicht ausstellen kann. — Ein
Zeitgenosse berichtet:
18 08, den 6. Mai. Die Trauer
seierlichkeit am 14. April in Rendsburg
habe ich mitgemacht und konnten die
12 Obersten den 1100 % schweren
Sarg kaum "tragen. Stets mußte er
niedergesetzt werden und konnte dann
nicht ohne Hilfe wieder ausgehoben
werden. Der Thronhimmel von den
Herren Brockenhuus, Ahleseld-Dehn, Sehe
stedt und Amimann Schlaudusch getragen,
konnte nicht in die Kirchenthür hinein
und zerbrach in drei Stücke. Die Tour
vom Gouvernementsgebäude bis zur Christ
kirche, einige hundert Schritt nur, brauchte
l 3 / 4 Stunden Zeit. Dabei dauerte die
Rede des Superintendenten Adler und
eine Cantate von Herrn Knudsen 3 /»
Stunden und vorher eine Collation volle
2 Stunden. Der Herzog von Augusten-
bnrg war der einzige anwesende Prinz, da
der Landgraf Karl von Hessen - Cassel,
Schwager des Königs und Statthalter,
einen Gichtanfall hatte. Es heißt, es
soll ein Lager von 3000 Mann in
Rendsburg errichtet werden und man
erwartet den Prinzen Pontecorvo. Alle
in Rendsburg und Kiel befindlichen Re
gierungs-Kollegien hatten Befehl erhalten,
nach Beisetzung der Leiche des Königs
ungesäumt nach Kopenhagen zurückzukehren.
Die Leiche des Königs Christians VII.
blieb 6 Jahre lang in der Christkirche.
Im Sommer 1814 wurde sie auf einer
Brigg nach Seeland hinübergeführt, um
dort am 16. Juki in Roeskilder (Roth-
schilder) Dom an der Seite seiner Vor
fahren beigesetzt zu werden.
(Fortsetzung folgt.)
Eine Sàltâsche.
Eine Historische Episode von R. schenk.
(Fortsetzung.)
Wieder hatte die Nacht sich herabgesenkt,
und der Himmel war mit grauem, zerris
senem Gewölk bedeckt, durch welches der
Mond sein blasses Licht auf die blutge
tränkte Erde goß.
„Wo bin ich?" murmelte der Lieute
nant von Scharsenstein, das Auge aus
schlagend und die Stirn reibend, wie
Jemand, der aus dem Schlummer erwacht
und sich an einem ihm ganz fremden Ort
findet. Allmählich kehrte die Erinnerung
zurück und die letzten Erlebnisse traten
klar vor seine Seele. Er lag noch immer
unter seinem Pferde, das offenbar todt
war, und fühlte in dem rechten Bein einen
heftigen Schmerz, glücklicherweise war
das linke unversehrt und nach vielen Be
mühungen gelang es ihm endlich, sich
unter dem Thiere hervorzuarbeiten. Der
Versuch, sich zu erheben, mißlang jedoch,
und dabei fühlte er, daß der rechte Unter
schenkel durch einen Schuß stark verletzt
war.
Er spähte rings umher, soweit das
bleiche Mondlicht es gestattete, und erkannte,
daß er nur wenige Schritte von dem
Graben lag, welcher den Weg von dem
Gehölz trennte. Nachdem es ihm gelungen
war, den aufgeschnallten Mantel vom
Sattel zu lösen, kroch er mühsam bis zu
dem Graben hin, in der flachen Sohle
desselben bereitete er sich mit Hülse seines
Mantels ein Lager und fiel in Folge der
Anstrengungen wieder in Ohnmacht.
Die Sonne stand bereits hoch am
Himmel und sandte ihre Glutstrahlen
auf den Verwundeten, als er erwachte.
Ein brennender Durst drückte ihm die
Zunge an dem Gaumen fest; nur wenige
Schritte entfernt, stach die noch halbge
füllte Feldflasche in der Satleltasche, aber
das verwundete Bein war während der
Nacht stark geschwollen und die leiseste
Bewegung deffelben verursachte ihm un
erträgliche Schmerzen So erduldete er
die Qualen eines Tantalus, und nirgends
zeigte sich eine Erlösung aus der pein
vollen Lage.
Ein heftiges Fieber durchschüttelte ihn,
und schon drohte die Besinnung ihn von
neuem zu verlassen, da — berührte aus
der Ferne ein Geräusch wie das Rollen
eines Wagens sein Ohr. Immer stärker,
immer deutlicher wurde der Ton. Mit
aller Anstrengung kämpfte der Verwundete
gegen die ihn übermannende Ohnmacht,
und mit der letzten, ersterbenden Kraft
hob er den Arm hülseflehend in die Höhe;
aber sofort sank derselbe schloss hernieder
und von Scharsenstein lag still und un
beweglich. Jedoch der Insasse eines
kleinen, einspännigen Wagens hatte glück
licherweise das Nothsignal bemerkt und
hielt neben dem scheinbar Todten an.